Musiktheater seit 1990 - Schott Music
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Inhalt<br />
Für seine zweite Oper Le Balcon suchte Peter Eötvös nach einem Stück, in dem die Aktionen<br />
auf der Bühne förmlich explodieren sollten. Er fand es in Jean Genets gleichnamigem Schauspiel:<br />
„Bei Genet kann man dies wörtlich nehmen; auf den Straßen tobt die Revolution, das<br />
Palais-Royal wird in die Luft gejagt, während in den speziell eingerichteten Salons des Bordells<br />
,Le Balcon’ die Kunden sich in die Requisiten und Kostüme der wichtigsten gesellschaftlichen<br />
Funktionen kleiden: Sie möchten Bischof, Richter, General werden, und sei es nur für eine halbe<br />
Stunde. Die Mädchen helfen und Madame kassiert das Geld für dieses zweifelhafte Vergnügen.<br />
Das Stück ist ein herrliches, ständig funkelndes Rollenspiel, ein Theater im Theater. [...] Das<br />
Wichtigste war für mich, die wunderbar frivole, poetische Sprache von Genet verständlich bleiben<br />
zu lassen. Deswegen benutzte ich viele groteske, komödienhafte Kabarettmusik-Elemente,<br />
und manchmal kommt meine Musik in die Nähe der französischen Chansons; Fréhel, Jaques<br />
Brel, Yves Montand, Leo Ferré haben mir ‚Modell gestanden‘.“<br />
(Programmheft Theater Freiburg 2003)<br />
Le Balcon<br />
19.10.2005 Neue Oper Wien<br />
Von den dekonstruktiven Zügen des <strong>Musiktheater</strong>s unserer Zeit [...] ist in Le Balcon wenig zu<br />
spüren. Freilich ist die Vorlage in sich schon so dekonstruiert, dass die Gesetze des narrativen Theaters<br />
von vornherein aus den Angeln gehoben scheinen. Eötvös unterstützt diesen Zug durch eine<br />
musikalische Handschrift, die [...] sich beständig neue Masken überstülpt und schon dadurch den<br />
Eindruck von Diskontinuität erzeugt. [...] Zitat und Collage, das mag [...] als Reverenz vor der gefälligen<br />
Postmoderne erscheinen. Wo diese Prinzipien aber mit so viel textausdeutender Intelligenz<br />
und so viel immanentem Witz angewandt werden [...], kann von einer Komposition aus zweiter<br />
Hand keine Rede sein. (Neue Zürcher Zeitung, 08.07.2002)<br />
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