Musiktheater seit 1990 - Schott Music
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Inhalt<br />
Ingomar Grünauer · Foto: Peter Andersen<br />
Carlo Goldoni verbringt den letzten Abend vor seiner Abreise nach Paris in Venedig. Der<br />
berühmte Autor kämpft mit seinen Erinnerungen. Plötzlich erscheinen die Protagonisten seiner<br />
Trilogie der Sommerfrische als leibhaftige Figuren auf der Szene. Ihre Gespräche kreisen um den<br />
Aufbruch in die Sommerfrische.<br />
Giacinta ist in Guglielmo verliebt, doch ihr Vater Filippo favorisiert den vermeintlich wohlhabenden<br />
Leonardo. Es kommt zum Schlagabtausch zwischen Giacinta und Leonardo. Vittoria,<br />
Leonardos Schwester, platzt in die Szene; die beiden Frauen ergehen sich im Austausch von<br />
Artigkeiten. Goldoni, der die ganze Szene beobachtet hat, muss sich von Vittoria Vorwürfe<br />
anhören, dass sie nicht länger seine Favoritin ist.<br />
Nach einigem Hin und Her bricht die Gesellschaft auf. Immer deutlicher wird, dass sowohl<br />
Giacinta wie auch Vittoria in Guglielmo verliebt<br />
sind. Giacinta gesteht Guglielmo ihre Liebe.<br />
Im gleichen Atemzug eröffnet sie ihm jedoch,<br />
dass sie sich an ihr Wort gebunden fühle und<br />
Leonardo heiraten werde. Aus Enttäuschung<br />
darüber, dass sie Guglielmo nicht bekommen<br />
kann, verkuppelt sie ihn mit Vittoria.<br />
Die Figuren distanzieren sich zusehends von<br />
Goldoni, ihrem Schöpfer. Nach dem Besuch<br />
einer Aufführung des König Hirsch von Gozzi ergießen<br />
sich Spott und Häme über ihn. Goldoni<br />
erkennt, dass seine Zeit in Venedig vorbei ist.<br />
Die Sommergesellschaft steht kurz vor ihrem<br />
Ende. Es wird offenbar, dass Leonardo ebenfalls<br />
hoch verschuldet, die Ehe zwischen ihm und<br />
Giacinta also eine Farce ist. Doch die Sommerfrischler<br />
haben nicht die Kraft, die neu<br />
entstandene Situation zu ändern. Was bleibt,<br />
sind Fremdheit und Ernüchterung.<br />
Ein kunstvoll verschlungenes, enorm durchdachtes Spiel auf mehreren Ebenen haben Grünau er<br />
und [Librettist] Micieli da entwickelt, auch wenn sie ihrem Dichter dabei die Komödie gehörig<br />
ausgetrieben haben. Aber dass Goldonis „Trilogie der Sommerfrische“ im eigentlichen Sinne keine<br />
Komödie mehr ist, hat schon Hans Magnus Enzensberger festgestellt. Grünauers Oper verdichtet<br />
die Handlung auf ihre tragischen, deprimierenden Aspekte und kontrastiert sie mit der historischen<br />
Zeit des Autors, aber auch mit Anklängen an die Gegenwart. (Saarbrücker Zeitung, 04.07.2000)<br />
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