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Vorlesung<br />

Hormonelle Regulation <strong>de</strong>s Stoffwechsels<br />

Prof. T. Igo-Kemenes<br />

im Sommersemester 2003


Kapitel 1 - Grundlagen <strong>de</strong>r hormonellen Regulation<br />

1 Grundlagen <strong>de</strong>r hormonellen Regulation<br />

Fallbeschreibung (Bild 1-1). Ein fünfjähriges Kleinkind wird wegen dauern<strong>de</strong>r Abgeschlagenheit,<br />

Spielunlust, Übelkeit bei gutem Appetit und vor allem wegen wie<strong>de</strong>rholten Einnässens<br />

in <strong>de</strong>r Nacht vorgestellt. Gelegentlich fielen auch diffuse Bauchschmerzen und eigenartige<br />

Unruhezustän<strong>de</strong> auf. Die klinische Untersuchung zeigt ein Untergewicht von etwa 2,5 kg,<br />

das Abdomen ist unauffällig, das Ultraschall gibt diesbezüglich auch normale Befun<strong>de</strong>. Bei<br />

<strong>de</strong>r routinemäßigen Untersuchung <strong>de</strong>s Urins fällt die <strong>Glucose</strong>probe mit 4,5 % stark positiv<br />

auf, ebenso die anschließend angesetzte Azetonprobe. Der <strong>Glucose</strong>test ergibt einen Blutzuckerwert<br />

von 350 mg/dl, <strong>de</strong>r HbA1c-Wert liegt bei 10,5 %. Zu<strong>de</strong>m besteht eine metabolische<br />

Azidose.<br />

Das Kind lei<strong>de</strong>t an einer Erkrankung, bei <strong>de</strong>r ein wichtiger Botenstoff <strong>de</strong>s intermediären<br />

Stoffwechsels, das Insulin, fehlt. Ein tückischer Angriff <strong>de</strong>s Immunsystems hat die ß-Zellen<br />

<strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse zerstört mit <strong>de</strong>r Folge, dass Insulin nicht mehr produziert wer<strong>de</strong>n<br />

kann (Diabetes mellitus Typ I). Zucker- und Lipidstoffwechsel sind gestört. Der osmotische<br />

Druck <strong>de</strong>s Blutes steigt an, Kalium wird durch die Niere verstärkt ausgeschie<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r<br />

Spiegel <strong>de</strong>r Ketonkörper ist erhöht. Es besteht unmittelbar die Gefahr eines ketoazidotischen<br />

Komas mit To<strong>de</strong>sfolge. Bei genauer Diabeteseinstellung ist jedoch, dank vieler guter Insulinpräparate,<br />

die Prognose gut. Der Patient hat eine hohe Lebenserwartung. In höherem Alter<br />

sind <strong>de</strong>nnoch diabetische Spätfolgen wie Nephropathien, Angiopathien, Neuropathien,<br />

Ophthalmopathien etc. nicht auszuschließen.<br />

1.1 Kommunikation von Zellen miteinan<strong>de</strong>r<br />

Die Entwicklung vielzelliger Organismen - vermutlich aus <strong>de</strong>m Zusammenschluss von Einzellern<br />

- be<strong>de</strong>utete einen großen Schritt in <strong>de</strong>r Evolution <strong>de</strong>r Lebewesen. Eine wesentliche<br />

Voraussetzung für diese Entwicklung war die Entstehung von Kommunikationssystemen zwischen<br />

<strong>de</strong>n Zellen. In einem vielzelligen Organismus hängt das Überleben <strong>de</strong>s Lebewesens<br />

davon ab, ob ihre einzelnen Zellen Information über <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Zellen erhalten.<br />

Das Fehlen eines <strong>de</strong>r Botenstoffe, wie <strong>de</strong>s Insulins, führte im besprochenen klinischen Fall zu<br />

massiven Störungen <strong>de</strong>s Stoffwechsels, die unbehan<strong>de</strong>lt zum Tod geführt hätten.<br />

Formen <strong>de</strong>r zellulären Signalübertragung.<br />

Innerhalb bestimmter<br />

Zellgruppen erfolgt die Kommunikation<br />

häufig durch direkten Kontakt<br />

zwischen <strong>de</strong>n Zellen über sogenannte<br />

"gap junctions" (Bild 1-2<br />

oben). Diese sind schmale Spalte<br />

zwischen Zellen, über die <strong>de</strong>r Austausch<br />

kleiner Moleküle (und damit<br />

Informationsaustausch) möglich ist.<br />

Gap junctions dienen z.B. <strong>de</strong>r Erregungsleitung<br />

im Herzen. Informationsaustausch<br />

kann zwischen eng<br />

beieinan<strong>de</strong>rliegen<strong>de</strong>n Zellen auch<br />

über „gap junctions“<br />

z.B. Erregungsleitung<br />

über Oberflächen-protein und<br />

einem Rezeptor z.B. B- Zellen<br />

und T-Helferzellen<br />

Über signalisieren<strong>de</strong> Moleküle:<br />

Hormone, Cytokine, Wachstumsfaktoren<br />

Bild 1-2. Verschie<strong>de</strong>ne Systeme zur Kommunikation von Zellen miteinan<strong>de</strong>r:<br />

Oben: über direkte Verbindung zwischen benachbarten Zellen. Mitte: über<br />

signalisieren<strong>de</strong> Oberflächenproteine. Unten: über signalisieren<strong>de</strong> Botenstoffe<br />

wie Hormone, Wachstumsfaktoren, Cytokine.<br />

über Transmembranproteine erfolgen, die auf <strong>de</strong>r kontaktierten Zelle einen Rezeptor fin<strong>de</strong>n.<br />

Als Beispiel seien hier B- und T-Helfer-Zellen <strong>de</strong>s Immunsystems genannt (Bild 1-2 mitte).<br />

Die Kommunikation <strong>de</strong>r Zellen ist jedoch nicht nur auf <strong>de</strong>n unmittelbaren Zellkontakt be-<br />

1


Kapitel 1 - Grundlagen <strong>de</strong>r hormonellen Regulation<br />

schränkt, son<strong>de</strong>rn erfolgt auch über größere Entfernungen hinweg (Bild 1-2 unten). Signalisieren<strong>de</strong><br />

Zellen bil<strong>de</strong>n und sezernieren Signalmoleküle, die zu an<strong>de</strong>ren Zellen gelangen, wo<br />

sie eine spezifische rezeptorvermittelte Reaktion auslösen. Zur Signalübertragung wer<strong>de</strong>n von<br />

<strong>de</strong>n Zellen unterschiedliche chemische Verbindungen verwen<strong>de</strong>t, die man als Hormone, Neurotransmitter,<br />

Cytokine, Wachstumsfaktoren bezeichnet. Im Rahmen dieser Vorlesung befassen<br />

wir uns mit Mechanismen <strong>de</strong>s Informationsaustausches, die über Hormone, Cytokine und<br />

Wachstumsfaktoren erfolgt.<br />

1.2 Einteilung signalisieren<strong>de</strong>r Systeme<br />

Die signalisieren<strong>de</strong>n Wirkstoffe unterteilt man nach <strong>de</strong>r Wegstrecke, über die das jeweilige<br />

Signal wirksam wird, in autokrine, parakrine, endokrine und neuroendokrine Systeme.<br />

Signalstoffe wirken in autokrinen o<strong>de</strong>r parakrinen Systemen über kurze Entfernungen, meist<br />

von nur wenigen µm. Endokrine und neuroendokrine Wirkstoffe signalisieren an Zielzellen,<br />

die von <strong>de</strong>r endokrinen Drüse Zentimeter, ja sogar meterweit entfernt sind.<br />

Bei einer autokrinen Signalübertragung (Bild 1-3) reagieren die Zellen auf Substanzen, die<br />

sie selbst abgegeben haben. Als Beispiel wollen wir die plötzliche Vermehrung von T-Zell-<br />

Klonen, die mit Antigenen in Kontakt kamen, besprechen. In unserem Körper zirkulieren ca.<br />

10 6 T-Helferzellen, wobei je<strong>de</strong> gegen ein an<strong>de</strong>res Antigen spezifisch ist. Trifft nun eines dieser<br />

T-Helferzellen auf ein Antigen, wird die Helferzelle aktiviert. Dies geschieht, in<strong>de</strong>m durch<br />

<strong>de</strong>n Kontakt mit <strong>de</strong>m Antigen zwei verschie<strong>de</strong>ne Prozesse eingeleitet wer<strong>de</strong>n: (1) in <strong>de</strong>r Zelle<br />

wird das Gen für <strong>de</strong>n Interleukin-2-Rezeptor aktiviert. Als Folge wer<strong>de</strong>n Interleukin-2-<br />

Rezeptoren gebil<strong>de</strong>t und in die Zellmembran eingebaut. (2) Auch das Gen für Interleukin-2<br />

wird aktiviert, mit <strong>de</strong>r Folge, dass die Zellen Interleukin-2 sezernieren. Interleukin-2 wirkt im<br />

Immnsystem wie ein Hormon. Es bin<strong>de</strong>t an Interleukin-2-Rezeptoren und löst über eine Signalkaska<strong>de</strong><br />

eine rasche Proliferation <strong>de</strong>r T-Helferzelle aus. Da aber nur solche T-Helferzellen<br />

Interleukin-2-Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche besitzen, die bereits einen Kontakt mit einem<br />

Antigen hatten und dadurch aktiviert wur<strong>de</strong>n, kann auch nur dieser eine Klon zur Proliferation<br />

angeregt wer<strong>de</strong>n (und nicht all jene T-Helferzellen, die noch nicht durch Antigene aktiviert<br />

wur<strong>de</strong>n). Merke: das Antigen aktiviert die T-Zelle, das Interleukin veranlasst die Vermehrung<br />

<strong>de</strong>r aktivierten (und nur dieser) T-Helferzellen.<br />

2<br />

AUTOKRIN<br />

ENDOKRIN<br />

endokrine Zelle<br />

Blutbahn<br />

Zielzelle<br />

lokaler<br />

Mediator<br />

Rezeptor<br />

PARAKRIN<br />

NEUROENDOKRIN<br />

Nervenzelle<br />

signalisieren<strong>de</strong><br />

Zelle<br />

Lokales<br />

Kapillarnetz<br />

Bild 1-3: Signalisieren<strong>de</strong> Systeme. Beim autokrinen System stimuliert sich die Zelle selbst durch die Freisetzung<br />

signalisieren<strong>de</strong>r Botenstoffe.<br />

Zielzelle


Kapitel 1 - Grundlagen <strong>de</strong>r hormonellen Regulation<br />

Die Zielzellen parakriner Wirkstoffe befin<strong>de</strong>n sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu <strong>de</strong>n<br />

Zellen, die diese Signalstoffe abgeben. Nur diese nah gelegenen Zielzellen wer<strong>de</strong>n durch parakrine<br />

Signale beeinflusst. Zu dieser Gruppe von Signalübermittlern gehören viele Gewebshormone,<br />

aber auch Interferone. Interferone wer<strong>de</strong>n nach Virusinfektion in <strong>de</strong>r Zelle gebil<strong>de</strong>t<br />

und sezerniert. Die virusinfizierte Zelle selbst entgeht <strong>de</strong>m Untergang zwar nicht, die Nachbarzellen<br />

jedoch, die Interferon-Rezeptoren besitzen, können sich dank <strong>de</strong>s Interferons gegen<br />

das Virus schützen.<br />

Endokrine Signalstoffe, auch Hormone genannt, wer<strong>de</strong>n von Zellen endokriner Organe freigesetzt<br />

und beeinflussen Zielzellen, die in erheblicher Entfernung von <strong>de</strong>r signalisieren<strong>de</strong>n<br />

Drüse entfernt sein können. Hormone gelangen normalerweise über <strong>de</strong>n Blutweg von <strong>de</strong>r endokrinen<br />

Drüse zum Zielorgan. Zielorgane sind solche, die Rezeptoren für das entsprechen<strong>de</strong><br />

Hormon besitzen.<br />

Neuroendokrine Überträger sind die hypothalamischen „releasing“ Hormone wie CRH, TRH<br />

etc. Sie wer<strong>de</strong>n von neuroendokrinen Zellen <strong>de</strong>s Hypothalamus gebil<strong>de</strong>t, über ihre Axone zur<br />

Hypophyse geleitet und dort in lokale arterielle Systeme ausgeschüttet (z.B. obere Hypophysenarterie).<br />

Die Zielzellen neuroendokriner Signalstoffe wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n erwähnten Kapillaren<br />

versorgt und leiten die Botenstoffe direkt zu ihnen.<br />

1.3 Rezeptoren können auf <strong>de</strong>r Zelloberfläche o<strong>de</strong>r im Inneren <strong>de</strong>r Zelle lokalisiert<br />

sein<br />

Es gibt Rezeptoren, die in <strong>de</strong>r Plasmamembran<br />

<strong>de</strong>r Zelle verankert sind (extrazelluläre<br />

Rezeptoren), sowie Rezeptoren, die<br />

sich im Cytosol o<strong>de</strong>r Zellkern befin<strong>de</strong>n (in-<br />

cAMP<br />

cGMP<br />

trazelluläre Rezeptoren). Wasserlösliche<br />

Hormone, wie Adrenalin, Noradrenalin und<br />

Glucagon wer<strong>de</strong>n von Rezeptoren auf <strong>de</strong>r<br />

Zelloberfläche gebun<strong>de</strong>n. Die Rezeptoren<br />

<strong>de</strong>r meisten Peptidhormone (Glucagon,<br />

ACTH, TRH, TSH etc.) befin<strong>de</strong>n sich ebenfalls<br />

auf <strong>de</strong>r Zelloberfläche. Rezeptoren <strong>de</strong>r<br />

IP3 DAG<br />

Steroidhormone, <strong>de</strong>s Thyroxins, <strong>de</strong>r Retinsäure,<br />

Calcitriol etc. befin<strong>de</strong>n sich hingegen<br />

im Cytosol o<strong>de</strong>r im Zellkern. Oberflächenrezeptoren<br />

entfalten in <strong>de</strong>r Regel eine sofortige<br />

Bild 1-6. Einige intrazelluläre Boten ("second messenger")<br />

Wirkung, die in <strong>de</strong>n Zellen innerhalb von Sekun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Minuten messbar wird und dann<br />

rasch wie<strong>de</strong>r abnimmt. Die intrazellulären Hormonrezeptoren wirken hingegen meist erst<br />

nach mehreren Minuten o<strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n, ihre Wirkung hält dafür in <strong>de</strong>r Regel länger an.<br />

Drei Familien von Oberflächenrezeptoren sind bekannt. Das hormonelle Signal muss von<br />

<strong>de</strong>m Rezeptor auf <strong>de</strong>r Zelloberfläche in das Innere <strong>de</strong>r Zelle weitergeleitet wer<strong>de</strong>n. Dabei fin<strong>de</strong>t<br />

auch eine Verstärkung <strong>de</strong>s Signals statt. Diese Signalweiterleitung kann auf drei verschie<strong>de</strong>nen<br />

Wegen erfolgen: (1) über G-Protein gekoppelte Rezeptoren, (2) über enzymgekoppelte<br />

Rezeptoren o<strong>de</strong>r (3) über ligan<strong>de</strong>nabhängige Ionenkanäle.<br />

1. G-Protein gekoppelte Membranrezeptoren. Bei <strong>de</strong>r ersten Familie von Hormonrezeptoren<br />

führt die Bindung <strong>de</strong>s Hormons an <strong>de</strong>n Rezeptor zur Aktivierung von so genannten G-<br />

Proteinen im Zellinneren. Es han<strong>de</strong>lt sich um Proteine, die mit <strong>de</strong>r Innenseite <strong>de</strong>r Membran<br />

assoziiert sind und heißen <strong>de</strong>swegen G-Proteine, weil sie entwe<strong>de</strong>r GDP bin<strong>de</strong>n (in diesem<br />

Zustand sind sie inaktiv), o<strong>de</strong>r GTP (dann sind sie aktiv). Die Bindung <strong>de</strong>s Hormons an <strong>de</strong>n<br />

3


Kapitel 1 - Grundlagen <strong>de</strong>r hormonellen Regulation<br />

Rezeptor führt zum Austausch <strong>de</strong>s gebun<strong>de</strong>nen GDP gegen GTP im G-Protein. Das auf diese<br />

Weise aktivierte G-Protein bin<strong>de</strong>t und aktiviert ein Enzym, welches zur Produktion eines so<br />

genannten "Zweiten Boten" (englisch: second messenger) angeregt wird. Solche zweite Boten<br />

sind zyklisches AMP (cAMP), Diacylglycerol (DAG), Inositol-Trisphosphat (IP3), Phosphatidyl-Inositol-Trisphosphat<br />

(PIP3), cGMP etc. (siehe Bild 1-6). Diese Zweiten Boten können<br />

eine Fülle von Reaktionen in <strong>de</strong>r Zelle auslösen, wie beispielsweise <strong>de</strong>n Abbau von Glykogen<br />

o<strong>de</strong>r die Aktivierung <strong>de</strong>r Gluconeogenese. Beispiele für G-Protein gekoppelte Membranrezeptoren<br />

sind: Adrenalin-Rezeptoren, Glucagonrezeptor, ACTH-, TSH-, TRH-Rezeptor etc.).<br />

2. Enzymgekoppelte Membranrezeptoren.<br />

Eine zweite Familie von Membranrezeptoren<br />

besitzt selbst Enzymaktivität. Beispielsweise<br />

besitzt <strong>de</strong>r Insulinrezeptor eine Tyrosinkinase-Aktivität<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ANF-Rezeptor<br />

eine Guanylat-Zyklase-Aktivität. Die Enzymaktivität<br />

solcher Rezeptoren wird durch<br />

die Bindung <strong>de</strong>s Hormons aktiviert. Beim<br />

Insulinrezeptor führt dies dazu, dass sich <strong>de</strong>r<br />

Rezeptor selbst an bestimmten Tyrosinresten<br />

phosphoryliert (Autophosphorylierung).<br />

Solche phosphorylierte Tyrosinreste<br />

im Rezeptor dienen dann als Andockstellen<br />

für weitere Enzyme, die durch das Andocken<br />

aktiviert wer<strong>de</strong>n und eine Fülle von<br />

Reaktionen in <strong>de</strong>r Zelle auslösen.<br />

3. Ligan<strong>de</strong>n abhängige Ionenkanäle. Rezeptoren<br />

können das Signal von <strong>de</strong>r Zell-<br />

oberfläche in das Innere <strong>de</strong>r Zelle auf einem<br />

völlig an<strong>de</strong>ren Weg weiterleiten. Der nikotinische<br />

Acetylcholin-Rezeptor ist eine Untereinheit<br />

eines Ionenkanals. Bindung von Ace-<br />

tylcholin führt zur vorübergehen<strong>de</strong>n Öffnung <strong>de</strong>s Kanals, worauf <strong>de</strong>r Einstrom von positiv<br />

gela<strong>de</strong>nen Natriumionen ermöglicht wird. Dies wie<strong>de</strong>rum führt zu einer Depolarisierung <strong>de</strong>r<br />

Membran mit vielen möglichen Folgen: Auslösung eines Aktionspotentials, Sekretion von<br />

diversen Molekülen, wie Hormonen, Cytokinen, Wachstumsfaktoren usw.<br />

Intrazelluläre Rezeptoren teilt man in zwei Familien ein: cytosolische o<strong>de</strong>r im Zellkern<br />

befindliche. Steroidhormone, Schilddrüsenhormone, 1,25-Dihydroxycholecalciferol (auch<br />

Calcitriol o<strong>de</strong>r Vitamin-D-Hormon genannt) und Retinsäure gehören zu <strong>de</strong>r Familie von<br />

Hormonen, <strong>de</strong>ren Rezeptoren nicht in <strong>de</strong>r Plasmamembran lokalisiert sind, son<strong>de</strong>rn im Cytosol<br />

o<strong>de</strong>r im Zellkern. Rezeptoren für Cortisol, Aldosteron und einiger <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Steroidhormone<br />

sind im Cytosol lokalisiert, Rezeptoren für Thyroxin, Retinsäure, Estradiol o<strong>de</strong>r<br />

1,25-Dihydroxycholecalciferol im Zellkern. Erstere befin<strong>de</strong>n sich in Abwesenheit eines Ligan<strong>de</strong>n<br />

im Cytosol und wer<strong>de</strong>n, erst nach Bindung <strong>de</strong>s Hormons, in <strong>de</strong>n Zellkern transportiert.<br />

Letztere sind, auch in Abwesenheit eines Ligan<strong>de</strong>n, bereits im Zellkern und dort an<br />

DNA gebun<strong>de</strong>n, und zwar an so genannte Enhancer- o<strong>de</strong>r Silencer-Elemente. Die intrazellulären<br />

Hormone steuern die Expression von Genen. Sie sind über einen relativ langen Zeitraum -<br />

von Stun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Tagen - aktiv und beeinflussen in <strong>de</strong>r Regel Wachstum, Entwicklung und<br />

Enzymzusammensetzung ihrer Zielzellen.<br />

4<br />

• Extrazelluläre Rezeptoren<br />

– G-Protein gekoppelte Rezeptoren (Glucagon-Rezeptor,<br />

Adrenalin-, ACTH-)<br />

– Rezeptoren mit Enzymaktivität (Insulin-<br />

Rezeptor:Tyr-Kinase, ANF-Rezeptor:<br />

Guanylat-Cyklase)<br />

– Ligan<strong>de</strong>n abhängiger Ionenkanal (z.B.<br />

muskarinischer Acetylcholin-Rezeptor)<br />

• Intrazelluläre Rezeptoren<br />

– Cytosolisch (Cortisol-Rezeptor)<br />

– Kernlokalisiert (Estradiol-, Trijodthyronin-,<br />

Vitamin D-Rezeptor)<br />

Bild 1-7. Hormonrezeptoren können extra- o<strong>de</strong>r intrazellulär vorliegen.


Kapitel 1 - Grundlagen <strong>de</strong>r hormonellen Regulation<br />

1.4 KD-Werte <strong>de</strong>r Oberflächenrezeptoren entsprechen annähernd <strong>de</strong>n Konzentrationen<br />

zirkulieren<strong>de</strong>r Hormone<br />

Hormonrezeptoren bin<strong>de</strong>n ihre Ligan<strong>de</strong>n mit großer Spezifität und hoher Affinität (Bild 1-5).<br />

Der Insulinrezeptor beispielsweise bin<strong>de</strong>t Insulin aber keine an<strong>de</strong>ren Peptidhormone. Die<br />

Bindung ist eine reversible Reaktion zwischen Rezeptor und Hormon: R + H ↔ RH<br />

die durch die Gleichung:<br />

[ R][<br />

H]<br />

[ RH]<br />

K D = (Gl. 1-1)<br />

beschrieben wer<strong>de</strong>n kann, wobei [H] und [R] für die Konzentration an freiem Hormon und<br />

freiem Rezeptor stehen, während [RH] die Konzentration an Hormon-Rezeptor-Komplex be<strong>de</strong>uten.<br />

KD, die Dissoziationskonstante <strong>de</strong>s Komplexes aus Rezeptor und Ligand, ist ein Maß<br />

für die Affinität <strong>de</strong>s Rezeptors zu seinem Ligan<strong>de</strong>n. Je niedriger <strong>de</strong>r Wert für KD ist, umso<br />

höher ist die Affinität <strong>de</strong>s Rezeptors zum Hormon. Diese Gleichung kann umgeschrieben<br />

wer<strong>de</strong>n zu:<br />

[ RH]<br />

1<br />

=<br />

R G 1+<br />

K D<br />

[ H]<br />

(Gl. 1-2)<br />

wobei RG die Summe aus freiem und gebun<strong>de</strong>nem Rezeptor [R] + [RH] be<strong>de</strong>utet. Die Gleichung<br />

(1-2) ist <strong>de</strong>r Michaelis-Menten-Gleichung ähnlich, die zur Analyse enzymatischer Reaktionen<br />

verwen<strong>de</strong>t wird. Der KD-Wert entspricht <strong>de</strong>r Hormonkonzentration, bei <strong>de</strong>r die Hälfte<br />

<strong>de</strong>s Rezeptors als Hormon-Rezeptor-Komplex vorliegt. Dies ist gut ersichtlich, wenn man<br />

[H] = KD setzt; dann ist [RH] = 0.5�RG. Man hat experimentell ermittelt, dass nach einem<br />

Stimulus die Konzentration zirkulieren<strong>de</strong>r Hormone oft etwa <strong>de</strong>m KD-Wert <strong>de</strong>s Rezeptors<br />

entspricht; mit an<strong>de</strong>ren Worten: es wird meist so viel Hormon freigesetzt, dass etwa die Hälfte<br />

<strong>de</strong>r Rezeptoren abgesättigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Zahl <strong>de</strong>r Hormon-<br />

Bindungsstellen (Rezeptoren)<br />

auf <strong>de</strong>r Oberfläche einer<br />

Zelle kann aus <strong>de</strong>m Sättigungswert<br />

einer Bindungskurve<br />

(Bild 1-5) bestimmt<br />

wer<strong>de</strong>n. So enthält eine Hepatomzelle<br />

ca. 30.000 Insulinrezeptoren.<br />

Der KD-Wert,<br />

also die Insulinkonzentration,<br />

bei <strong>de</strong>r die Hälfte <strong>de</strong>r Rezeptoren<br />

mit Insulin besetzt ist,<br />

wur<strong>de</strong> zu 2�10 -8 mol/l (0,12<br />

µg/ml) bestimmt. Die KD-<br />

Werte für die meisten an<strong>de</strong>ren<br />

Hormone und ihrer Rezeptoren<br />

liegen zwischen<br />

10 -9 und 10 -11 mol/l.<br />

[ 125 I]Insulin gebun<strong>de</strong>n<br />

pro Zelle<br />

40.00<br />

30.00<br />

20.00<br />

0<br />

10.00<br />

20 40 60 80 100<br />

[ 125 I]Insulin (nm)<br />

1.5 Hormone wirken im allgemeinen in Regelkreisen<br />

Ein einfacher Regelkreis wird aktiviert, wenn durch eine Mahlzeit <strong>de</strong>r Blutzuckerspiegel ansteigt<br />

(Bild 1-8). Dies führt zur Sekretion von Insulin aus <strong>de</strong>n ß-Zellen <strong>de</strong>s Pankreas. Insulin<br />

för<strong>de</strong>rt die Aufnahme <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong> in Muskel- und Fettgewebszellen und ihre Einlagerung in<br />

Depots für schlechtere Zeiten (z.B. in Form von Glykogen). Dabei sinkt <strong>de</strong>r Blutglucosespiegel.<br />

Sollte er zu niedrig wer<strong>de</strong>n, was bei Hunger passieren könnte, schaltet sich <strong>de</strong>r zweite<br />

Teil <strong>de</strong>s Regelkreises ein. Aus <strong>de</strong>n α-Zellen <strong>de</strong>s Pankreas wird Glucagon sezerniert. Glucagon<br />

A<br />

B<br />

C<br />

spezifisch an Rezep-<br />

tor + unspez. an an<strong>de</strong>re<br />

Proteine<br />

spezifisch an<br />

Rezeptor<br />

unspez. an an<strong>de</strong>re<br />

Proteine<br />

Bild 1-5: Nachweis von insulinspezifischen Rezeptoren auf <strong>de</strong>r Oberfläche von Hepatomzellen<br />

durch Bindung von radioaktiv markiertem Insulin.<br />

5


Kapitel 1 - Grundlagen <strong>de</strong>r hormonellen Regulation<br />

för<strong>de</strong>rt die Mobilisierung <strong>de</strong>r Depots (z.B. <strong>de</strong>n Abbau von Glykogen) sowie die Neusynthese<br />

von <strong>Glucose</strong> aus Aminosäuren (Gluconeogenese) und führt zur Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

Blutglucosespiegels. Damit ist <strong>de</strong>r Blutglucosespiegel normalisiert und <strong>de</strong>r Regelkreis geschlossen.<br />

6<br />

Glykogenabbau ↑<br />

Gluconeogenese ↑<br />

Blutglucose steigt<br />

Glucagonsekretion<br />

Blutglucose hoch<br />

Blutglucose niedrig<br />

Bild 1-8. Einfacher Regelkreis zur Kontrolle <strong>de</strong>r Blutglucose<br />

Insulinsekretion<br />

<strong>Glucose</strong>aufnahme ↑<br />

Glykolyse ↑<br />

Depotbildung<br />

(Glykogen, Fett, Protein)<br />

Gluconeogenese ↓<br />

Blutglucose sinkt


2 Hormone <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse: Glucagon<br />

Kapitel 2 - Glucagon<br />

Glucagon ist ein Peptidhormon und wird in <strong>de</strong>n α-Zellen <strong>de</strong>r Langerhans´schen Inseln <strong>de</strong>s<br />

Pankreas gebil<strong>de</strong>t. Es ist ein wichtiges Hormon für die Homöostase <strong>de</strong>r Blutglucose. Glucagon<br />

erhöht im Hungerzustand <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel durch <strong>de</strong>n Abbau von Leberglykogen,<br />

durch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Gluconeogenese<br />

aus Aminosäuren und dadurch,<br />

dass die meisten Gewebe <strong>Glucose</strong><br />

einsparen in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n alternativen<br />

GLUCAGON GLP-1 GLP-2<br />

"Brennstoff" ß-Hydroxybutyrat (ein<br />

GLUCAGON GLP-1 GLP-2<br />

Ketonkörper) verbrennen. Die <strong>Glucose</strong><br />

bleibt für die Versorgung <strong>de</strong>s Gehirns<br />

übrig.<br />

GLUCAGON<br />

2.1 Biosynthese und Sekretion<br />

von Glucagon<br />

Glucagon wird zunächst in Form einer<br />

wesentlich größeren Vorstufe, als<br />

Präpro-Glucagon, gebil<strong>de</strong>t. Präpro-<br />

Glucagon wird außer im Pankreas<br />

auch in <strong>de</strong>r intestinalen Mucosa sowie<br />

im ZNS synthetisiert, dort jedoch an<strong>de</strong>rs<br />

als in <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse<br />

In <strong>de</strong>n α-Zellen<br />

<strong>de</strong>s Pankreas<br />

prozessiert (Bild 2-1). Aus <strong>de</strong>m Präpro-Glucagon entsteht im Pankreas Glucagon, während im<br />

Darm und im ZNS die Glucagon ähnlichen Pepti<strong>de</strong> GLP1 und GLP2 (Glucagon Like Pepti<strong>de</strong>s)<br />

entstehen. GLP1 und GLP2 sind Darmhormone, die eine Rolle bei <strong>de</strong>r Insulinsekretion<br />

spielen (siehe Kapitel 3). Wichtigster Auslöser <strong>de</strong>r Glucagonsekretion im Pankreas ist ein<br />

Abfall <strong>de</strong>s <strong>Glucose</strong>spiegels. Die Glucagonsekretion wird jedoch auch durch resorbierte Aminosäuren<br />

sowie durch die Wirkung von Darmhormonen, wie Cholecystokinin-Pankreozymin<br />

stimuliert. Auf molekularer Ebene sind die Mechanismen <strong>de</strong>r Glucagonsekretion noch nicht<br />

hinreichend erforscht.<br />

2.2 Vermittlung <strong>de</strong>r hormonellen Botschaft ins Zellinnere: Rezeptoren und<br />

Signaltransduktion<br />

Der Glucagonrezeptor ist in <strong>de</strong>r Plasmamembran lokalisiert und<br />

gehört zur Familie <strong>de</strong>r G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, die über<br />

sieben Transmembrandomänen in <strong>de</strong>r Plasmamembran verankert<br />

sind (Bild 2-2). G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wirken indirekt,<br />

in<strong>de</strong>m sie die Aktivität eines membrangebun<strong>de</strong>nen Enzyms - in<br />

diesem Fall <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylatcyklase - regulieren. Die Bindung <strong>de</strong>s Glucagons<br />

an <strong>de</strong>n Rezeptor bewirkt eine Konformationsän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Rezeptorproteins, worauf das mit <strong>de</strong>m Rezeptor assoziierte G-<br />

Protein (Bild 2-3) sein gebun<strong>de</strong>nes GDP durch GTP ersetzt. G-<br />

Proteine haben zwei Funktionszustän<strong>de</strong>: <strong>de</strong>n inaktiven, wenn GDP<br />

gebun<strong>de</strong>n ist, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n aktiven, wenn GTP gebun<strong>de</strong>n ist. Der Austausch<br />

von GDP gegen GTP bewirkt, dass das G-Protein aktiviert<br />

wird, wobei die α-Untereinheit abdissoziiert und mit <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylatcyklase<br />

in Wechselwirkung tritt. Durch die Wechselwirkung mit <strong>de</strong>r<br />

α-Untereinheit <strong>de</strong>s G-Proteins wird die A<strong>de</strong>nylatcyklase aktiviert<br />

und katalysiert (Bild 2-4), in <strong>de</strong>r Zeit, bevor das GTP zu GDP<br />

GLP-1 GLP-2<br />

Im ZNS und Darm<br />

Bild 2-1 Biosynthese von Glucagon. Zunächst wird ein längeres Protein, das<br />

Präproglucagon gebil<strong>de</strong>t (oben). Dieses wird schrittweise in kleinere Fragmente gespalten.<br />

In <strong>de</strong>r α-Zelle wer<strong>de</strong>n GLP-1 und 2 zerstört; im Darm und im ZNS wird dagegen<br />

Glucagon zerstört.<br />

Bild 2-2. Struktur von membranständigen<br />

Hormonrezeptoren <strong>de</strong>r G-<br />

Protein gekoppelten Rezeptorfamilie.<br />

Der Rezeptor hat 7 Transmembran-<br />

Domänen; außen ist die Hormon-<br />

Bindungsstelle; orange: Bindungsstelle<br />

für G-Protein; rot: Stellen zur<br />

Inaktivierung durch Phosphorylierung.<br />

7


Kapitel 2 - Glucagon<br />

hydrolysiert, die Bildung von Hun<strong>de</strong>rten von zyklischen AMP-Molekülen (cAMP) die als<br />

intrazelluläre Mediatoren <strong>de</strong>s Hormonsignals (second messenger) wirken.<br />

Damit Zellen auf Konzentrationsän<strong>de</strong>rungen von Hormonen schnell reagieren können, muss<br />

die Aktivität <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylatcyklase sofort gedrosselt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Rezeptor nicht mehr mit<br />

Hormon besetzt ist. Dies geschieht auf die folgen<strong>de</strong> Weise: die Bindung <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylatcyklase<br />

an die α-Untereinheit <strong>de</strong>s G-Proteins erhöht die intrinsische GTPase-Aktivität <strong>de</strong>r α-<br />

Untereinheit <strong>de</strong>s G-Proteins. Das gebun<strong>de</strong>ne GTP wird zu GDP hydrolysiert. Damit ist die<br />

Aktivität <strong>de</strong>s G-Proteins abgeschaltet. Die α-Untereinheit <strong>de</strong>s G-Proteins dissoziiert von <strong>de</strong>r<br />

A<strong>de</strong>nylatcyklase ab wodurch die A<strong>de</strong>nylatcyklase wie<strong>de</strong>r inaktiv wird. Die 3 Untereinheiten<br />

fin<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r zueinan<strong>de</strong>r und das trimere G-Protein bin<strong>de</strong>t an <strong>de</strong>n Glucagonrezeptor (Bild 2-<br />

3). cAMP wird durch Phosphodiesterasen gespalten (Bild 2-4). Der Zyklus ist damit abgeschlossen<br />

und <strong>de</strong>r Glucagonrezeptor ist erneut für die Bindung eines Hormons empfänglich.<br />

Cholera. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r GTPase-Aktivität <strong>de</strong>s G-Proteins lässt sich an Patienten beobachten,<br />

die an Cholera erkrankt sind. Der bakterielle Giftstoff, <strong>de</strong>r die Symptome <strong>de</strong>r Krankheit<br />

hervorruft, inhibiert <strong>de</strong>n Selbst-Inaktivierungsmechanismus <strong>de</strong>s G-Proteins. Das Cholera-<br />

toxin katalysiert die Übertragung einer ADP-Ribose-Einheit von NAD + auf die α-<br />

Untereinheit <strong>de</strong>s G-Proteins, was zur Folge hat, dass das gebun<strong>de</strong>ne GTP erheblich langsamer<br />

hydrolysiert wird. Die A<strong>de</strong>nylatcyklase bleibt <strong>de</strong>utlich länger aktiv. Die infolge<strong>de</strong>ssen ständige<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s cAMP-Spiegels führt mittels Phosphorylierung eines Chloridkanals in <strong>de</strong>n<br />

Epithelzellen <strong>de</strong>s Verdauungstraktes zu einem erheblichen Cl - -, Na + - und Wasserverlust in<br />

das Darmlumen. Dies erklärt <strong>de</strong>n schweren Durchfall, <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Cholera auftritt.<br />

2.3 Der Anstieg <strong>de</strong>s cAMP-Spiegels in <strong>de</strong>r Leberzelle löst eine Kaska<strong>de</strong> von<br />

Reaktionen aus, die zur Mobilisierung <strong>de</strong>s Glykogenspeichers führt<br />

Wichtigstes Zielorgan für Glucagon ist die Leber, die eine hohe Dichte an Glucagonrezeptoren<br />

aufweist. Der Glucagonrezeptor wird jedoch auch in an<strong>de</strong>ren Geweben exprimiert, die<br />

dadurch zu Zielorganen für Glucagon wer<strong>de</strong>n.<br />

8<br />

Glucagon<br />

Glucagon-<br />

Rezeptor<br />

γ ß<br />

α<br />

GDP<br />

A<strong>de</strong>nylat-<br />

Zyklase<br />

+ Glucagon - Glucagon<br />

γ ß<br />

Membran<br />

G-Protein<br />

(α, ß, γ)<br />

GTP<br />

α<br />

ATP cAMP<br />

Bild 2-3. G-Protein vermittelte Aktivierung <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylat-Cyklase.<br />

1 Glucagon bin<strong>de</strong>t an Rezeptor<br />

2 GDP Austausch gegen GTP<br />

3 Dissoziation <strong>de</strong>r α- Untereinheit<br />

(UE)<br />

4 Assoziation <strong>de</strong>r α-UE mit<br />

A<strong>de</strong>nylatzyklase und Aktivierung<br />

5 Bildung von cAMP<br />

6 GTP-Hydrolyse zu GDP<br />

7 Zurück in <strong>de</strong>n inaktiven Zustand<br />

(oberes Bild)


Der Anstieg <strong>de</strong>r cAMP-Konzentration in <strong>de</strong>r Leberzelle löst eine<br />

Kaska<strong>de</strong> von Reaktionen aus, die letztlich dazu führt, dass aus <strong>de</strong>m<br />

Glykogen <strong>Glucose</strong>-1-phoshat Moleküle abgespalten wer<strong>de</strong>n (Bild 2-<br />

5). Nach Umwandlung in <strong>Glucose</strong>-6-phosphat wird mit Hilfe <strong>de</strong>s leberspezifischen<br />

Enzyms <strong>Glucose</strong>-6-phosphatase <strong>de</strong>r Phosphatrest<br />

abgespalten, worauf die freie <strong>Glucose</strong> die Leberzelle verlassen kann<br />

und zur Erhöhung <strong>de</strong>s Blutglucosespiegels beiträgt. Die Blutglucose<br />

dient <strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>r Organe mit <strong>de</strong>r nötigen Energie, die ständig<br />

für die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r Membranpotentiale, für motorische<br />

Aktivität o<strong>de</strong>r für Biosyntheseleistungen benötigt wird. Beson<strong>de</strong>rs das<br />

ZNS ist von <strong>de</strong>r Blutglucose abhängig. Es verbraucht täglich ca. 150<br />

g. An<strong>de</strong>re Organe, wie die Skelettmuskulatur, Myokard, hormonproduzieren<strong>de</strong><br />

Drüsen, Fettgewebe, etc., sind von <strong>de</strong>r Blutglucose weniger<br />

abhängig, <strong>de</strong>nn sie können zur ATP-Gewinnung auch die aus <strong>de</strong>n<br />

Fettsäuren gebil<strong>de</strong>ten Ketonkörper verwerten.<br />

2.4 Das extrazelluläre Glucagonsignal wird über <strong>de</strong>n intrazellulären<br />

Mediator cAMP und über Enzymkaska<strong>de</strong>n<br />

millionenfach verstärkt<br />

Die im Blut zirkulieren<strong>de</strong>n Hormone haben eine Konzentration, die<br />

im nanomolaren bis picomolaren Bereich liegt. Dieses schwache extrazelluläre<br />

Signal führt <strong>de</strong>nnoch dazu, dass millimolare Mengen an<br />

<strong>Glucose</strong> aus Glykogen freigesetzt wer<strong>de</strong>n. Dies ist auf leistungsfähiger<br />

Verstärkungsmechanismen zurückzuführen.<br />

Kapitel 2 - Glucagon<br />

Signalverstärkung. Die Bindung von Glucagon an <strong>de</strong>n Rezeptor kann viele G-Proteine dazu<br />

anregen, A<strong>de</strong>nylatcyklase-Moleküle zu aktivieren. Da aktivierte G-Proteine sekun<strong>de</strong>nlang im<br />

A<strong>de</strong>nylat-<br />

zyklase<br />

(inaktiv)<br />

Glucagon<br />

A<strong>de</strong>nylat-<br />

zyklase<br />

(aktiv)<br />

ATP cAMP<br />

Protein-Kinase A<br />

(inaktiv)<br />

Phosphorylase-Kinase<br />

(inaktiv)<br />

Auslösen<strong>de</strong>s Signal: 10 -9 mol/l Glucagon.<br />

Nach Verstärkung: Bildung<br />

von 5∗10 -3 mol/l <strong>Glucose</strong>.<br />

Protein-Kinase A<br />

(aktiv)<br />

Phosphorylase<br />

(inaktiv)<br />

Phosphorylase-Kinase<br />

(aktiv)<br />

Phosphorylase<br />

(aktiv)<br />

Glykogen <strong>Glucose</strong>-<br />

1-phosphat<br />

Bild 2-4 Synthese und Abbau von<br />

cAMP. Unter <strong>de</strong>r Einwirkung von<br />

Hormonen (Glucagon, Adrenalin etc.)<br />

för<strong>de</strong>rt die A<strong>de</strong>nylatzyklase die Bildung<br />

von cAMP. cAMP assoziiert mit<br />

<strong>de</strong>r Proteinkinase A (PK-A) und<br />

aktiviert dieses Enzym. PKA steht am<br />

Anfang einer Phosphorylierungskaska<strong>de</strong>.<br />

Der Abbau von cAMP erfolgt<br />

durch Phosphodiesterasen.<br />

Bild 2-5. Glucagon löst eine Aktivierungskaska<strong>de</strong> aus die zum raschen Abbau von Glykogen in <strong>de</strong>r Leber und zur Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

Blutzuckerspiegels führt. Die Kaska<strong>de</strong> ist in <strong>de</strong>r Lage, das schwache Glucagonsignal millionenfach zu verstärken. Das auslösen<strong>de</strong><br />

Glucagon, das eine Konzentration von 10 -9 mol/l hat führt zu einem schwachen Signal (Bildung von cAMP) das durch zwischengeschaltete<br />

Enzyme (Kinasen) millionenfach verstärkt wird, so dass letztendlich millimolare Mengen an <strong>Glucose</strong>-1-phosphat aus Glycogen freigesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Verstärkung erfolgt dadurch, dass je<strong>de</strong> Kinase Hun<strong>de</strong>rte von nachfolgen<strong>de</strong>n Kinasen phosphoryliert und dadurch aktiviert.<br />

aktiven Zustand verbleiben, bevor sie sich selbst durch die Hydrolyse <strong>de</strong>s gebun<strong>de</strong>nen GTP<br />

inaktivieren, können sie das assoziierte Zyklasemolekül sekun<strong>de</strong>nlang aktiv halten, so dass<br />

das Enzym große Mengen an cAMP bil<strong>de</strong>n kann. Somit führt ein schwaches extrazelluläres<br />

9


Kapitel 2 - Glucagon<br />

Signal (Glucagon von nanomolarer Konzentration) zu einem tausendfach stärkeren intrazellulären<br />

Signal (cAMP von micromolarer Konzentration). Danach folgt eine Enzymkaska<strong>de</strong>,<br />

welche das Signal weiter verstärkt (Bild 2-5). cAMP-Moleküle aktivieren die Protein-Kinase<br />

A. Je<strong>de</strong>s Protein-Kinase A Molekül kann viele Phosphorylase-Kinase Moleküle aktivieren,<br />

diese wie<strong>de</strong>rum noch mehr Glykogen-Phosphorylase Moleküle. Diese spalten in kürzester<br />

Zeit große Mengen an <strong>Glucose</strong>-1-phosphat aus Glykogen ab und führen zu einer Erhöhung<br />

<strong>de</strong>r Blutglucose.<br />

2.5 Die Wirkung von cAMP wird von <strong>de</strong>r cAMP-abhängigen Proteinkinase-A<br />

vermittelt<br />

Die Wirkung von cAMP<br />

in tierischen Zellen wird<br />

hauptsächlich durch die<br />

cAMP abhängige Proteinkinase-A<br />

vermittelt. Dieses<br />

Enzym überträgt die<br />

endständige Phosphatgruppe<br />

von ATP auf spezifische<br />

Serin- o<strong>de</strong>r Threoninreste<br />

bestimmter Proteine<br />

(z.B. Phosphorylase-<br />

Kinase, Glykogen-Synthase).<br />

Jene Serine bzw.<br />

Threonine, die von <strong>de</strong>r<br />

Proteinkinase A phosphoryliert<br />

wer<strong>de</strong>n, sind in <strong>de</strong>r<br />

Aminosäuresequenz <strong>de</strong>s<br />

Proteins dadurch gekenn-<br />

zeichnet, dass ihnen zwei o<strong>de</strong>r mehrere basische Aminosäuren vorangestellt sind. Durch die<br />

Phosphorylierung <strong>de</strong>r Serine/Threonine wird die Aktivität <strong>de</strong>s Zielproteins verän<strong>de</strong>rt.<br />

Zellspezifische Wirkungen <strong>de</strong>r Proteinkinase-A. Die Proteinkinase-A liegt in <strong>de</strong>r Zelle als<br />

heterotetrameres Molekül vor, bestehend aus zwei regulatorischen und zwei katalytischen<br />

Untereinheiten (Bild 2-6). Die Bindung von cAMP an die regulatorischen Untereinheiten bewirkt<br />

eine Dissoziation <strong>de</strong>s Proteins. Die katalytischen Untereinheiten wer<strong>de</strong>n nun frei und<br />

aktiv und phosphorylieren verschie<strong>de</strong>ne Substratproteine. Die Substrate <strong>de</strong>r Proteinkinase-A<br />

sind von Zelltyp zu Zelltyp verschie<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Leber wer<strong>de</strong>n Schrittmacherenzyme <strong>de</strong>s <strong>Glucose</strong>-<br />

und Glykogen-Stoffwechsels phosphoryliert, in Darmzellen, wie oben besprochen, ist es<br />

ein Chloridkanal. cAMP kann also, in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r jeweiligen Zielzelle, vielfältige<br />

Reaktionen auslösen (siehe Tabelle 1). Es ist also die spezifische Enzymausstattung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

Zellen, die zu unterschiedlichen Wirkungen <strong>de</strong>s cAMP bzw. <strong>de</strong>r Proteinkinase-A<br />

führen.<br />

Spezifische und weniger spezifische Proteinkinasen. In <strong>de</strong>r Leberzelle ist eines <strong>de</strong>r Substratproteine<br />

für Proteinkinase-A die Phosphorylase-Kinase. Letzteres Enzym liegt in <strong>de</strong>r Leberzelle<br />

in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>phosphorylierten Form vor, wenn die Energieladung <strong>de</strong>r Zelle hoch ist. In<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>phosphorylierten Form zeigt das Enzym nur geringe Aktivität. Bei Hunger hingegen,<br />

wenn die Glucagonkonzentration im Blut fällt und folglich die cAMP-Konzentration in <strong>de</strong>r<br />

Zelle steigt, wird die Phosphorylase-Kinase durch die Proteinkinase-A phosphoryliert und<br />

damit aktiviert. Während die Proteinkinase-A viele Substrate hat, also verschie<strong>de</strong>ne Proteine<br />

phosphorylieren kann, ist die Phosphorylase-Kinase sehr spezifisch und phosphoryliert nur<br />

10<br />

Bild 2-6. Aktivierung <strong>de</strong>r Proteinkinase-A durch cAMP. Zyklisches AMP bin<strong>de</strong>t an die regulatorischen<br />

Untereinheiten <strong>de</strong>r Proteinkinase-A. Die Bindung führt zur Freisetzung und Aktivierung <strong>de</strong>r<br />

katalytischen Untereinheiten.


Kapitel 2 - Glucagon<br />

die Glykogen-Phosphorylase. Durch die Phosphorylierung wird die Glykogen-Phosphorylase<br />

aktiviert und setzt <strong>Glucose</strong>-1-phosphat Moleküle aus Glykogen frei.<br />

Empfängergewebe Hormon Antwort<br />

Schilddrüse (Glandula<br />

thyroi<strong>de</strong>a)<br />

Thyreoi<strong>de</strong>a Stimulieren<strong>de</strong>s<br />

Hormon<br />

(TSH)<br />

Synthese und Sekretion <strong>de</strong>s<br />

Thyreoidhormons Thyroxin<br />

Nebennierenrin<strong>de</strong><br />

Adrenocorticotropes<br />

Hormon<br />

(ACTH)<br />

Sekretion von Cortisol<br />

Eierstöcke (Ovarien)<br />

Luteinisieren<strong>de</strong>s<br />

Hormon (LH)<br />

Sekretion von Progesteron<br />

Muskeln Adrenalin Glykogenabbau<br />

Knochen Parathormon Resorption von Knochenmasse<br />

Herz Adrenalin<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s Herzschlags und<br />

<strong>de</strong>r Herzmuskelkontraktion<br />

Leber Glucagon Glykogenabbau<br />

Niere<br />

Vasopressin<br />

(ADH)<br />

Tabelle 2-1. Einige hormoninduzierte und cAMP-vermittelte zelluläre Antworten.<br />

Resorption von Wasser<br />

Warum besteht die Proteinkinase-A aus vier Untereinheiten, zwei katalytischen und zwei regulatorischen,<br />

wobei die regulatorischen Untereinheiten insgesamt vier Moleküle cAMP bin<strong>de</strong>n?<br />

Erinnern wir uns an die Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Quartärstrukturen von Myoglobin und Hämoglobin.<br />

Myoglobin besteht nur aus einer einzigen Untereinheit, die jeweils ein einziges Sauerstoffmolekül<br />

bin<strong>de</strong>t. Die O2-Bindungskurve <strong>de</strong>s Myoglobins ist eine hyperbolische, so wie die<br />

Kurve 1 in <strong>de</strong>r Bild 2-7.<br />

Hämoglobin hingegen besteht aus vier Untereinheiten<br />

und bin<strong>de</strong>t vier Sauerstoffmoleküle. Die Bindung <strong>de</strong>s<br />

ersten Sauerstoffmoleküls an eine <strong>de</strong>r Untereinheiten<br />

erleichtert die Bindung <strong>de</strong>s zweiten und diese die<br />

Bindung <strong>de</strong>s dritten und so fort. Dieses Bindungsverhalten<br />

wird als kooperativ bezeichnet; die Bindungskurve<br />

ist nicht mehr hyperbolisch son<strong>de</strong>rn sigmoid<br />

(Kurven 2 und 4 in Bild 2-7). Die Kurve 2 beschreibt<br />

das Bindungsverhalten eines Enzyms mit zwei Untereinheiten<br />

und zwei Bindungsstellen, die Kurve 4 die<br />

eines Enzyms mit vier Untereinheiten und Bindungsstellen.<br />

Der Anfang <strong>de</strong>r Bindungskurve 4 verläuft<br />

sehr flach, was be<strong>de</strong>utet, dass bei niedriger Sauerstoffkonzentration<br />

noch keine Bindung erfolgt, wird<br />

dann jedoch plötzlich sehr steil.<br />

Solche sigmoi<strong>de</strong> Bindungskurven zeigen auch zahlreiche<br />

Enzyme, die meisten von ihnen sind Schrittmacher<br />

von wichtigen Stoffwechselwegen. Ein aus<br />

zwei Untereinheiten bestehen<strong>de</strong>s Enzym wür<strong>de</strong> die<br />

sigmoi<strong>de</strong> Bindungskurve 2 (siehe Bild 2-7) zeigen.<br />

Bild 2-7. Einfache und kooperative Aktivierung von<br />

Zielproteinen. Kurve 1 zeigt ein Protein, welches durch<br />

geringe Mengen an Aktivator beeinflusst wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Kurve 4 zeigt das Verhalten eines Proteins, welches<br />

einen Schwellenwert überschreiten muss, bevor es<br />

aktiviert wird. Protein 1 verhält sich wie ein elektrischer<br />

Dimmer, Protein 4 dagegen wie ein Schalter.<br />

Die Proteinkinase A, bestehend aus vier Untereinheiten mit vier Bindungsstellen, zeigt also<br />

die Bindungskurve 4. Aus dieser Kurve ist klar ersichtlich, dass ein relativ hoher Schwellenwert<br />

an cAMP erreicht wer<strong>de</strong>n muss, bevor das Enzym aktiviert wird. Danach reicht eine relativ<br />

geringe Erhöhung aus, um das Enzym voll zu aktivieren. cAMP erweist sich hier als ein<br />

Schalter, ähnlich einem elektrischen Schalter, <strong>de</strong>r auf "an" o<strong>de</strong>r "aus" gestellt sein kann.<br />

11


Kapitel 2 - Glucagon<br />

Wenn <strong>de</strong>r Schwellenwert <strong>de</strong>s Ligan<strong>de</strong>n (cAMP) überschritten wird geht <strong>de</strong>r "Schalter" auf<br />

"an", bei Unterschreitung auf "aus". Einfache, aus einer Untereinheit bestehen<strong>de</strong> und mit nur<br />

einer Bindungsstelle ausgestattete Enzyme könnten nicht in dieser Weise als "Schalter" dienen,<br />

sie wür<strong>de</strong>n sich eher wie "Dimmer" verhalten.<br />

2.6 Katabole Substratproteine <strong>de</strong>r Proteinkinase A wer<strong>de</strong>n durch Phosphorylierung<br />

aktiviert, anabole inaktiviert<br />

Koordinierte An- und Abschaltung entgegengerichteter Stoffwechselwege durch Proteinkinase-A.<br />

Proteinkinase-A för<strong>de</strong>rt über die Aktivierung <strong>de</strong>r Glykogensynthase-Kinase<br />

(GSK) die Phosphorylierung<br />

<strong>de</strong>r Glykogen-Synthase. Dieses<br />

Enzym ist Schrittmacher<br />

<strong>de</strong>r Glykogen-Biosynthese<br />

und liegt in <strong>de</strong>r Zelle bei hoher<br />

Energieladung in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>phosphorylierten Form<br />

vor, ähnlich wie die Phosphorylase-Kinase.<br />

In <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>phosphorylierten Form ist<br />

die Glykogen-Synthase jedoch,<br />

im Gegensatz zur<br />

Phosphorylase-Kinase, aktiv.<br />

Die Proteinkinase A-vermittelte<br />

Phosphorylierung führt<br />

zur Inaktivierung <strong>de</strong>s anabolen<br />

Enzyms Glykogen-<br />

Synthase (Bild 2-8), während<br />

das katabole Enzym Phosphorylase-Kinase aktiviert wur<strong>de</strong>. Dies ist biologisch sinnvoll, <strong>de</strong>nn<br />

im Hungerzustand muss Glykogen ab- und nicht aufgebaut wer<strong>de</strong>n. Wir sehen also, dass<br />

durch <strong>de</strong>n selben Mechanismus, nämlich durch die Phosphorylierung von Substratproteinen,<br />

eine koordinierte Anschaltung kataboler Enzyme (Phosphorylase-Kinase, Glykogen Phosphorylase)<br />

bei gleichzeitiger Abschaltung anabolen Enzyme (Glykogen-Synthase) erfolgt. Diese<br />

Beobachtung gilt allgemein: bei erhöhtem cAMP-Spiegel wer<strong>de</strong>n katabole Schrittmacherenzyme<br />

durch die Wirkung <strong>de</strong>r Proteinkinase A aktiviert, anabole Schrittmacherenzyme dagegen<br />

inaktiviert.<br />

2.7 cAMP wirkt nicht nur aktivierend auf vorhan<strong>de</strong>ne Enzymproteine son<strong>de</strong>rn<br />

kann auch Gene anschalten und zur Neusynthese von Enzymprotein<br />

beitragen<br />

Die Erhöhung <strong>de</strong>s cAMP-Spiegels führt zur Aktivierung <strong>de</strong>r Transkription spezifischer Gene.<br />

Gut untersucht ist das Somatostatin-Gen. In Zellen, die das Peptidhormon Somatostatin sezernieren,<br />

schaltet cAMP das Gen ein, das für dieses Hormon codiert. Das regulatorische Element<br />

(Enhancer) <strong>de</strong>s Somatostatingens enthält eine kurze DNA-Consensus-Sequenz:<br />

TGACGTCA, das sogenannte cAMP response element (CRE), das auch in regulatorischen<br />

Elementen vieler an<strong>de</strong>rer cAMP-abhängiger Gene nachgewiesen wur<strong>de</strong>. Dieses Element (Bild<br />

2-9) wird von einem spezifischen Transkriptionsfaktor CREB (cAMP response element binding<br />

protein) erkannt, <strong>de</strong>r an das Element bin<strong>de</strong>t und die RNA-Polymerase aktiviert. Ist <strong>de</strong>r<br />

Transkriptionsfaktor CREB an einem spezifischen Serinrest phosphoryliert, eine Reaktion,<br />

die durch die Proteinkinase A katalysiert wird, dann wird das Gen angeschaltet. Bei sinken<strong>de</strong>m<br />

cAMP-Spiegel, wenn CREB wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>phosphoryliert wird, wird das Gen auch wie<strong>de</strong>r<br />

abgeschaltet.<br />

12<br />

Phosphorylase-Kinase<br />

(inaktiv)<br />

Glykogen-Synthase<br />

(aktiv)<br />

Proteinkinase A<br />

Proteinkinase A<br />

Phosphorylase-Kinase<br />

(aktiv)<br />

Glykogen-Synthase<br />

(inaktiv)<br />

Bild 2-8. Katabole und anabole Wege wer<strong>de</strong>n durch die Proteinkinase-A (PKA) koordiniert reguliert<br />

P<br />

P


� PKA phosphoryliert CREB (cAMP response element binding protein) -<br />

einen Transkriptionsfaktor<br />

� Phosphoryliertes CREB wan<strong>de</strong>rt in <strong>de</strong>n Zellkern und bin<strong>de</strong>t an Gene (z.B.<br />

an <strong>de</strong>n Enhancer <strong>de</strong>s Somatostatingens)<br />

� cAMP responsive Gene enthalten ein CRE-Element:<br />

5´-TGACGTCA-3´<br />

eine palindromische Sequenz, an welches CREB als Dimer bin<strong>de</strong>t und die<br />

RNA-Polymerase aktiviert.<br />

Bild 2-9. Proteinkinase-A wirkt auch auf die Genexpression.<br />

Kapitel 2 - Glucagon<br />

2.8 Serin/Threonin-Proteinphosphatasen heben die Wirkung <strong>de</strong>r Proteinkinase<br />

A wie<strong>de</strong>r auf<br />

Für die Zellen ist es wichtig, dass die Wirkung von cAMP nur vorübergehend ist. Dazu müssen<br />

die von <strong>de</strong>r Proteinkinase A<br />

phosphorylierten Proteine rasch<br />

wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>phosphoryliert wer<strong>de</strong>n<br />

(Bild 2-10), wenn die Signalwirkung<br />

<strong>de</strong>s Hormons nachlässt.<br />

Die Dephosphorylierung<br />

phosphorylierter Serin- und<br />

Threonin-Reste wird von verschie<strong>de</strong>nen<br />

Phosphoprotein-<br />

Phosphatasen katalysiert. Gegenwärtig<br />

sind min<strong>de</strong>stens vier<br />

dieser Phosphatasen bekannt,<br />

die mit I, IIA, IIB und IIC benannt<br />

sind. Die Aktivität je<strong>de</strong>s<br />

Proteins, das über Phosphorylierung<br />

reguliert wird, hängt zu<br />

Inaktiv<br />

je<strong>de</strong>m Zeitpunkt vom jeweiligen Gleichgewicht zwischen <strong>de</strong>n Kinasen, die es phosphorylieren,<br />

und <strong>de</strong>n Phosphatasen, die es immer wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>phosphorylieren, ab.<br />

2.9 Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Zellstoffwechsels durch Glucagon<br />

Wichtigstes Zielorgan für Glucagon ist die Leber, die eine hohe Dichte an Glucagonrezeptoren<br />

aufweist. Glucagon wirkt über die Erhöhung <strong>de</strong>s cAMP-Spiegels im Inneren <strong>de</strong>r Zelle.<br />

Alle bekannten Glucagoneffekte lassen sich durch diesen Mechanismus erklären. Be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />

Glucagonwirkung ist (1) die Steigerung <strong>de</strong>s Glykogenabbaus. Diese Steigerung wird durch<br />

die Aktivierung <strong>de</strong>r Glykogen-Phosphorylase und <strong>de</strong>ren Regulator, <strong>de</strong>r Phosphorylase-<br />

Kinase, bewerkstelligt. Die Mobilisierung <strong>de</strong>r Glykogenreserven dient in erster Linie <strong>de</strong>r Erhöhung<br />

<strong>de</strong>r Blutglucose-Konzentration und <strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>s zentralen Nervensystems. Mit<br />

<strong>de</strong>r gesteigerten Glykogenolyse (siehe Bild 2-11) geht die (4) koordinierte Hemmung <strong>de</strong>r<br />

Glykogenbiosynthese einher, die auf die Phosphorylierung und Inaktivierung <strong>de</strong>r Glykogensynthase<br />

zurückzuführen ist. Daneben stimuliert Glucagon (3) die Oxidation freier Fettsäuren<br />

in <strong>de</strong>r Leber (Stimulierung <strong>de</strong>r ß-Oxidation über unbekannte Mechanismen), was wie<strong>de</strong>rum<br />

eine gesteigerte Ketogenese und Freisetzung von Ketonkörpern ins Blut zur Folge hat. Damit<br />

kann <strong>de</strong>r Organismus bei Hunger (<strong>Glucose</strong>mangel) periphere Organe mit Ketonkörpern zur<br />

Aktiv<br />

Min<strong>de</strong>stens vier Serin/Threonin-<br />

Proteinphosphatasen sind<br />

bekannt:<br />

I, IIA, IIB, IIC<br />

Bild 2-10. Protein-Phosphatasen heben die Wirkung <strong>de</strong>r Proteinkinase-A wie<strong>de</strong>r auf<br />

13


Kapitel 2 - Glucagon<br />

Deckung <strong>de</strong>s Energiebedarfs versorgen und damit <strong>Glucose</strong> - die für die Versorgung <strong>de</strong>s Gehirns<br />

dringend benötigt wird -einsparen. Glucagon wirkt (2) stimulierend auf die Gluconeogenese<br />

(Blutglucose-steigernd) und (5) hemmend auf die Glykolyse. Glucagon steigert also<br />

<strong>de</strong>n Blutglucose-Spiegel. Diese Eigenschaft macht Glucagon zu einem Antagonisten <strong>de</strong>s Insulins.<br />

14<br />

(1) Steigerung <strong>de</strong>s Glykogenabbaus<br />

� Phosphorylase-Kinase<br />

� Glykogen-Phosphorylase<br />

(2) Stimulierung <strong>de</strong>r Gluconeogenese<br />

� Transaminasen<br />

� Pyruvatcarboxylase<br />

� PEP-Carboxykinyse<br />

� Fructose-1,6-bisphosphatase<br />

� <strong>Glucose</strong>-6-phosphatase<br />

(3) Mobilisierung <strong>de</strong>r Fettreserven<br />

� Hormonsensitive Lipase<br />

(4) Hemmung <strong>de</strong>r Glykogenbiosynthese<br />

� Inaktivierung <strong>de</strong>r Glykogensynthase<br />

(5) Hemmung <strong>de</strong>r Glykolyse<br />

� Inaktivierung <strong>de</strong>r Phosphofructokinase<br />

� Inaktivierung <strong>de</strong>r Pyruvatkinase<br />

Bild 2-11. Glucagonwirkungen (Leber, Adipocyten)


3 Hormone <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse: Insulin<br />

Kapitel 3 - Insulin<br />

Fallbeschreibung (Bild 3-1). Eine 63 jährige übergewichtige Patientin (Größe 163 cm, Gewicht<br />

83 kg) sucht wegen Beschwer<strong>de</strong>n beim Wasserlassen (Pollakisurie, Strangurie) die<br />

Sprechstun<strong>de</strong> auf. Sie berichtet, diese Beschwer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Vergangenheit in leichter Form<br />

schon früher verspürt zu haben, „Blasentee“ habe aber immer geholfen. Untersuchung: Spur<br />

Eiweiß im Urin, Zuckerreaktion ist positiv. Es besteht Leukozyturie und eine signifikante<br />

Bakterurie (Coli- Er-reger). Bei <strong>de</strong>r weiteren Diagnostik fin<strong>de</strong>n sich Blutzuckerwerte zwischen<br />

220 und 315 mg/dl (normal: 70-110). Der Hb-A1c-Wert ist 12%. Es besteht eine Hyperglyceridämie<br />

von 295 mg/dl. Der Blutdruck ist auf 185/95 mmHg erhöht.<br />

Die durch <strong>de</strong>n Harnweginfekt veranlasste Untersuchung führt zufällig zur Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s bei<br />

<strong>de</strong>r Patientin bestehen<strong>de</strong>n Typ-II-Diabetes.<br />

Insulin ist ein Hormon, welches - grob formuliert - anabole Stoffwechselvorgänge för<strong>de</strong>rt,<br />

katabole hemmt (Bild 3-2). Die Hauptaufgabe <strong>de</strong>s Insulins im Stoffwechsel ist es, Substrate,<br />

die durch die Nahrung aufgenommen wur<strong>de</strong>n, zu <strong>de</strong>n Depots zu beför<strong>de</strong>rn. Unter Insulinwirkung<br />

wird in <strong>de</strong>r Leber und im Muskel <strong>Glucose</strong> in Glykogen eingelagert o<strong>de</strong>r im Fettgewebe<br />

in Fettsäuren umgewan<strong>de</strong>lt. Fettsäuren wer<strong>de</strong>n im Fettgewebe in die Fett<strong>de</strong>pots eingelagert,<br />

Aminosäuren im Muskel in Protein eingebaut. Ein Teil <strong>de</strong>s Muskelproteins steht als Aminosäurepool<br />

für die Gluconeogenese zur Verfügung. Insulin för<strong>de</strong>rt Zellwachstum. Als einziges<br />

Hormon senkt Insulin signifikant <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel durch eine beschleunigte Aufnahme<br />

von <strong>Glucose</strong> in die Muskulatur und ins Fettgewebe. Somit ist Insulin ein Gegenspieler zu an<strong>de</strong>ren<br />

Hormonen wie Glucagon, Adrenalin und Cortisol.<br />

3.1 Biosynthese <strong>de</strong>s Insulins<br />

� Insulin lenkt Substrate in die Depots<br />

� <strong>Glucose</strong> wird als Glykogen gespeichert o<strong>de</strong>r in Fettsäuren<br />

umgewan<strong>de</strong>lt<br />

� Nahrungsfette wer<strong>de</strong>n als Depotfett in Adipocyten abgelagert<br />

� Aminosäuren wer<strong>de</strong>n in Protein eingebaut; ein Teil <strong>de</strong>s<br />

Muskelproteins steht dann für die Gluconeogenese zur Verfügung<br />

� Insulin senkt <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel<br />

Bild 3-2. Insulin, ein anaboles Hormon<br />

Insulin ist ein Proteohormon und wird in <strong>de</strong>n ß-Zellen <strong>de</strong>r Langerhans´schen Inseln <strong>de</strong>s endokrinen<br />

Pankreas gebil<strong>de</strong>t. Der endokrine Teil <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse enthält die Langerhans´schen<br />

Inseln, kleine, über das Pankreas verstreute Zellaggregate, in <strong>de</strong>nen verschie<strong>de</strong>ne<br />

Zelltypen vorhan<strong>de</strong>n sind: (1) die für die Produktion von Glucagon verantwortlichen α-<br />

Zellen, (2) die ß-Zellen, in <strong>de</strong>nen die Insulinbiosynthese und -Speicherung erfolgt, sowie (3)<br />

die δ-Zellen, die Somatostatin produzieren. Die ß-Zellen machen etwa 80% <strong>de</strong>r Zellmasse <strong>de</strong>r<br />

Langerhans´schen Inseln aus.<br />

Das Insulingen <strong>de</strong>s Menschen besteht aus drei Exons, die von zwei Introns unterbrochen wer<strong>de</strong>n.<br />

Exon 1 codiert für einen Teil <strong>de</strong>s Signalpeptids. Exon 2 codiert für <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>s Signal-<br />

15


Kapitel 3 - Insulin<br />

peptids, für das B-Peptid und für einen Teil <strong>de</strong>s C-Peptids. Exon 3 codiert für <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>s C-<br />

Peptids und für das A-Peptid. Insulin wird zunächst in Form einer längeren Vorstufe, als<br />

Präpro-Insulin gebil<strong>de</strong>t (Bild 3-3), das aus <strong>de</strong>m Signalpeptid, <strong>de</strong>m B-, C- und A-Peptid besteht.<br />

Wie bei an<strong>de</strong>ren sekretorischen Proteinen ist das Signalpeptid verantwortlich dafür, dass<br />

die Insulin-synthetisieren<strong>de</strong>n Ribosomen an das raue endoplasmatische Retikulum (ER) gelenkt<br />

wer<strong>de</strong>n und das Präproinsulin ins Lumen <strong>de</strong>s ER abgegeben wird. Nach Entfernung <strong>de</strong>s<br />

Signalpeptids durch die Signalpeptidase im ER wird das entstan<strong>de</strong>ne Proinsulin in Vesikeln<br />

verpackt und in <strong>de</strong>n Golgi-Apparat transportiert. Aus <strong>de</strong>m Golgi-Apparat wer<strong>de</strong>n ß-Granula<br />

abgeschnürt, in <strong>de</strong>nen Proinsulin und fertiges Insulin zu fin<strong>de</strong>n sind. Die Umwandlung von<br />

Proinsulin zu Insulin erfolgt z.T. im Golgi als auch in <strong>de</strong>n Speichergranula. Die Umwandlung<br />

erfolgt durch Herausschnei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s C-Peptids, katalysiert von einer spezifischen Protease,<br />

einem Mitglied <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>r Prohormon-Convertasen. Das C-Peptid wird nicht weiter abgebaut,<br />

so dass in <strong>de</strong>n Sekretgranula äquimolare Mengen an Insulin und C-Peptid gespeichert<br />

wer<strong>de</strong>n. Diese Tatsache ist insofern von klinischer Relevanz, weil durch eine spezifische immunologische<br />

Bestimmung <strong>de</strong>r C-Peptid-Konzentration im Plasma von Insulin-behan<strong>de</strong>lten<br />

Diabetikern auf die noch vorhan<strong>de</strong>ne körpereigene<br />

Restsekretion von Insulin Rückschlüsse gezogen<br />

wer<strong>de</strong>n können. Hormonell aktiv ist nur das fertige<br />

Insulin, das nur noch aus <strong>de</strong>m A- und B-Peptid besteht,<br />

die durch Schwefel-Brücken miteinan<strong>de</strong>r kovalent<br />

verbun<strong>de</strong>n sind.<br />

3.2 Insulinsekretion<br />

Die Insulinsekretion hängt von <strong>de</strong>r extrazellulären<br />

<strong>Glucose</strong>konzentration ab und wird von an<strong>de</strong>ren<br />

Substraten sowie Hormonen moduliert. Der<br />

physiologische Reiz zur Insulinsekretion in <strong>de</strong>r ß-<br />

Zelle wird durch die Erhöhung <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong>konzentration<br />

in <strong>de</strong>r extrazellulären Flüssigkeit ausgelöst<br />

(Bild 3-4 und 3-5). Im Normalbereich <strong>de</strong>s Blutglucosespiegels<br />

(3,6 - 5,7 mmol/l entspr. 70-100 mg/dl) ist<br />

16<br />

+<br />

NH3 -<br />

Signalseuenz<br />

+<br />

NH3 -<br />

+<br />

NH3 -<br />

NH3<br />

+ -<br />

A<br />

B<br />

A<br />

B<br />

A<br />

B<br />

-<br />

-CO2<br />

-<br />

-CO2 C<br />

Proinsulin<br />

Insulin<br />

C<br />

Präproinsulin<br />

-<br />

-CO2<br />

Wird als lange Vorstufe gebil<strong>de</strong>t.<br />

Signalsequenz haben alle sezer-<br />

nierten Proteine<br />

Proinsulin entsteht im Lumen<br />

<strong>de</strong>s rER. Transport in <strong>de</strong>n Golgi<br />

Prozessierung zu Insulin und<br />

C-Peptid im Golgi und sekreto-<br />

rischen Vesikeln<br />

Bild 3-3. Biosynthese <strong>de</strong>s Insulins. Insulin wird als längere Vorstufe, nämlich als Präproinsulin sezerniert.<br />

Die Signalsequenz dient <strong>de</strong>r Zielsteuerung.<br />

� För<strong>de</strong>rung<br />

� Anstieg <strong>de</strong>r Blutglucose<br />

� Leucin, Alanin, Arginin<br />

� Fettsäuren, Ketonkörper<br />

� Parasympathicus<br />

� Darmhormone: GLP-2, GIP<br />

� Orale Antidiabetika:<br />

<strong>de</strong>r Sulfonylharnstoff-Gruppe:<br />

(Tolbutamid, Glibenclamid)<br />

� Hemmung<br />

� Abfall <strong>de</strong>r Blutglucose<br />

� Insulin<br />

� Somatostatin<br />

� Sympathicus (α-Rezeptor)<br />

Bild 3-4. Insulin-Sekretion. Faktoren, die zur För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Insulinsekretion führen.


Kapitel 3 - Insulin<br />

die Insulinsekretion nahezu linear proportional zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Blutglucosekonzentration.<br />

Bei höherer Konzentration (7-15 mM) flacht die Kurve ab und mün<strong>de</strong>t in einem Grenzwert.<br />

Je<strong>de</strong> Erhöhung <strong>de</strong>r Blutglucosekonzentration oberhalb von ca. 3 mM führt also zu einer dosisabhängigen<br />

Freisetzung von Insulin ins Plasma. Die Erhöhung <strong>de</strong>r Plasma-<br />

Insulinkonzentration bewirkt umgekehrt eine rasche Aufnahme <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong> in Muskel- und<br />

Fettgewebszellen (Bild 3-8; 3-9) mittels <strong>de</strong>s insulinabhängigen <strong>Glucose</strong>transportes vom Typ 4<br />

(Glut4), <strong>de</strong>r in bei<strong>de</strong>n Geweben vorkommt.<br />

Die von <strong>Glucose</strong> ausgelöste Insulinsekretion kann durch Substrate stimuliert wer<strong>de</strong>n wie Leucin,<br />

Alanin, Arginin, Fettsäuren, Ketonkörper und an<strong>de</strong>re Monosacchari<strong>de</strong>. Hormone <strong>de</strong>s<br />

adrenergen Systems, wie Adrenalin und Noradrenalin, hemmen die Insulinsekretion. Somatostatin,<br />

das durch die δ-Zellen <strong>de</strong>s Pankreas gebil<strong>de</strong>t wird, hemmt die Insulinausschüttung<br />

ebenfalls (Bild 3-4).<br />

Bild 3-5. Mechanismus <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong>-abhängigen Insulin-Sekretion. Mit Hilfe <strong>de</strong>s <strong>Glucose</strong>-<br />

Transporters vom Typ 2 (Glut2) wird die <strong>Glucose</strong>konzentration in <strong>de</strong>r ß-Zelle sehr schnell <strong>de</strong>r<br />

Konzentration im Blut angepasst. Der intrazelluläre "<strong>Glucose</strong>-Sensor <strong>de</strong>r ß-Zelle" ist die<br />

Glucokinase: dank <strong>de</strong>r niedrigen Affinität <strong>de</strong>s Enzyms zur <strong>Glucose</strong> (KM = 16 mmol/l) ist die<br />

Umsatzgeschwindigkeit <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong> proportional zur intrazellulären <strong>Glucose</strong>-Konzentration,<br />

nicht nur im Normalbereich <strong>de</strong>r Blutglucose (zwischen 4 und 6 mmol/l), son<strong>de</strong>rn weit darüber<br />

hinaus. <strong>Glucose</strong> wird über die Glykolyse, Citratzyklus und Atmungskette zu H2O und CO2<br />

metabolisiert, wobei ADP zu ATP phosphoryliert wird (oxidative Phosphorylierung). Die intrazelluläre<br />

ATP-Konzentration ist schließlich ausschlaggebend für die Menge an sezerniertem<br />

Insulin. ATP bin<strong>de</strong>t an ATP-abhängige Kaliumkanäle und schließt diese. Dadurch wird <strong>de</strong>r<br />

Ausstrom an positiv gela<strong>de</strong>nen Kaliumionen verhin<strong>de</strong>rt, die Polarisierung <strong>de</strong>r Membran unterbleibt.<br />

Da aber gleichzeitig durch an<strong>de</strong>re Kanäle Natriumionen in die Zelle gelangen können,<br />

kann das Ruhepotential <strong>de</strong>r Zelle nicht aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n und es kommt zu einer<br />

Depolarisation <strong>de</strong>r Membran. Dies wird von Spannungs-abhängigen Calciumkanälen registriert,<br />

die sich öffnen und Calciumionen in die Zelle einströmen lassen.Calciumionen sind die<br />

wichtigsten Stimulatoren für die Verschmelzung von sekretorischen Vesikeln mit <strong>de</strong>r Plasmamembran,<br />

was zur Ausschüttung von Insulin führt.<br />

Seit langem ist bekannt, dass die gleiche Menge an <strong>Glucose</strong> oral verabreicht zu höheren Insulinspiegeln<br />

führt als bei intravenöser Zufuhr. Dies ist die Folge einer durch Enterohormonen<br />

gesteigerten Insulinsekretion. Das gastrische inhibitorische Peptid (GIP) und das in <strong>de</strong>n Mucosazellen<br />

entstehen<strong>de</strong> Glucagon-ähnliche Peptid GLP-1, beeinflussen die Insulinsekretion<br />

stimulierend. Unter <strong>de</strong>n Pharmaka üben Sulfonylharnstoffe, wie Tolbutamid und Glibenclamid<br />

ausgeprägte stimulieren<strong>de</strong> Wirkung auf die Insulinsekretion aus. Daher wer<strong>de</strong>n sie als<br />

orale Antidiabetika zur Therapie einiger Formen <strong>de</strong>s Typ II Diabetes eingesetzt.<br />

17


Kapitel 3 - Insulin<br />

Rolle <strong>de</strong>r Glucokinase als <strong>Glucose</strong>-Sensor <strong>de</strong>r ß-Zelle. Biochemische und elektrophysiologische<br />

Untersuchungen führten zur Aufklärung <strong>de</strong>r Mechanismen, die nach Anstieg <strong>de</strong>r Blutglucosekonzentration<br />

zu einer Sekretion von Insulin ins Plasma führen. <strong>Glucose</strong> wird von <strong>de</strong>n<br />

ß-Zellen in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Blutglucose-Konzentration aufgenommen und verstoffwechselt,<br />

wobei letztlich ATP gebil<strong>de</strong>t wird. Verantwortlich für die <strong>Glucose</strong>aufnahme ist <strong>de</strong>r<br />

<strong>Glucose</strong>transporter 2 (Glut2), <strong>de</strong>r sich durch einen beson<strong>de</strong>rs hohen KM-Wert (15-20 mM)<br />

für <strong>Glucose</strong> und einer hohen katalytischen Kapazität (Vmax) auszeichnet. Damit ist<br />

gewährleistet, dass die Eintrittsgeschwindigkeit <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong> in die ß-Zelle nahezu<br />

proportional zu <strong>de</strong>n Schwankungen <strong>de</strong>s Blutglucosespiegels erfolgt. Vererbte Defekte im Gen<br />

dieses Transporters führen zu frühkindlichen Formen von Diabetes mellitus. In <strong>de</strong>r Zelle wird<br />

<strong>Glucose</strong> zu <strong>Glucose</strong>-6-phosphat umgewan<strong>de</strong>lt. Diese Reaktion wird in <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse<br />

von <strong>de</strong>r Glucokinase katalysiert, einem Enzym mit einer ebenfalls hohen Michaeliskonstante<br />

(Km=15 mM) und hoher katalytischen Kapazität. Im physiologischen Blutglucosebereich<br />

ist die <strong>Glucose</strong>phosphorylierung in <strong>de</strong>r ß-Zelle nahezu linear proportional zur<br />

Blutglucosekonzentration. Letztlich wird <strong>Glucose</strong>-6-phosphat in <strong>de</strong>n Mitochondrien<br />

metabolisiert, was zu einem Anstieg <strong>de</strong>s ATP/ADP-Verhältnisses innerhalb <strong>de</strong>r ß-Zellen<br />

führt. Da die <strong>Glucose</strong>phosphorylierung geschwindigkeitsbestimmend für die ATP-Bildung ist,<br />

gilt die Glucokinase als <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong>-Sensor <strong>de</strong>r ß-Zelle.<br />

Rolle ATP-abhängiger K + -Kanäle und spannungsabhängiger Ca 2+ -Kanäle bei <strong>de</strong>r Insulinsekretion.<br />

Die steigen<strong>de</strong> ATP-Konzentration bewirkt die Schließung von ATPabhängigen<br />

Kaliumkanälen in <strong>de</strong>r Plasmamembran <strong>de</strong>r ß-Zelle (Bild 3-5). Die Verhin<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Kaliumausstroms durch diesen Kanal führt zur lokalen Depolarisierung <strong>de</strong>r Plasmamembran.<br />

Lokale Depolarisierung führt zur Öffnung von spannungsabhängigen Calciumkanälen<br />

und zum Einstrom von Calcium aus <strong>de</strong>m extrazellulären Raum. Der Anstieg <strong>de</strong>r<br />

Konzentration von freiem Ca 2+ in <strong>de</strong>r Zelle ist ein wichtiger Auslöser <strong>de</strong>s regulierten Vesikeltransports<br />

und <strong>de</strong>r Exocytose von Insulin aus <strong>de</strong>n Sekretgranula.<br />

3.3 Vermittlung <strong>de</strong>r Insulin-Botschaft in das Zellinnere<br />

Der Insulinrezeptor. Der Insulinrezeptor ist ein heterotetrameres Protein bestehend aus zwei<br />

α- und zwei ß-Ketten, wobei die ß-Ketten über je eine Transmembrandomäne in <strong>de</strong>r Plasmamembran<br />

verankert sind. Durch alternatives Spleissen wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Zelle zwei Formen <strong>de</strong>r<br />

α-Kette gebil<strong>de</strong>t; <strong>de</strong>r A-Form fehlen 11 Aminosäuren am C-Terminus <strong>de</strong>s Rezeptors, während<br />

die B-Form diese Aminosäuren besitzt. Die zwei Rezeptortypen können verschie<strong>de</strong>ne<br />

Signaltransduktionswege <strong>de</strong>s Insulins unterschiedlich stark stimulieren. Bekannt ist, dass die<br />

A-Form die PI3-Kinase sowie die p70s6-Kinase stärker induziert als die B-Form. Umgekehrt<br />

induziert die B-Form die Proteinkinase B stärker.<br />

Der Insulinrezeptor gehört in die Klasse <strong>de</strong>r enzymgekoppelten Zelloberflächen-Rezeptoren:<br />

er ist eine Tyrosinkinase. Nach Bindung <strong>de</strong>s Insulins an die Außenseite <strong>de</strong>s Rezeptors (Bild<br />

3-6) wird die Tyrosinkinase-Aktivität <strong>de</strong>r ß-Ketten stimuliert: sie phosphorylieren sich selbst<br />

(Autophosphorylierung) und an<strong>de</strong>re Proteine, wie IRS1 und IRS2 (IRS = Insulin-Rezeptor-<br />

Substrat). Die IRS-Proteine wer<strong>de</strong>n durch die phosphorylierten Tyrosinreste zu Ankerplätzen<br />

für Enzyme, die durch das Andocken an IRS aktiviert wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Insulinrezeptor vermittelt schnelle und langsame Effekte über verschie<strong>de</strong>ne<br />

Signaltransduktionswege. Zwei <strong>de</strong>r oben genannten Enzyme, die an IRS1 o<strong>de</strong>r IRS2 andocken<br />

- und dadurch aktiviert wer<strong>de</strong>n - sind bisher näher charakterisiert wor<strong>de</strong>n. Eines ist die<br />

Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3-Kinase). Dieses Enzym för<strong>de</strong>rt die Bildung von Phosphatidylinositol-3,4,5-Trisphosphat<br />

(PIP3) aus PIP2 und ATP (Bild 3-7). PIP3 ist ein zweiter<br />

Bote, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Membran verankert ist und mit PIP3- abhängigen Proteinen in Wechselwirkung<br />

tritt. Zu diesen Proteinen gehört PDK1 (PIP3-Depen<strong>de</strong>nt-Kinase-1). PDK1 aktiviert<br />

18


Kapitel 3 - Insulin<br />

durch Phosphorylierung an Serin- o<strong>de</strong>r Threoninresten weitere Proteinkinasen (und Proteinphosphatasen)<br />

die ihrerseits die schnellen Wirkungen <strong>de</strong>s Insulins auslösen. Beispielsweise<br />

wird über die Aktivierung <strong>de</strong>r Proteinkinase B die Glykogensynthese geför<strong>de</strong>rt, über die<br />

Proteinkinase C? (C-zeta) die <strong>Glucose</strong>aufnahme in Muskel- und Fettgewebszellen. Proteinkinase<br />

C? för<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n vesikulären Transport und bewirkt, dass Vesikel, die mit <strong>Glucose</strong>-<br />

Transportern 4 (Glut4) vollgepackt sind an die Plasmamembran transportiert wer<strong>de</strong>n und mit<br />

<strong>de</strong>r Plasmamembran verschmelzen (Bild 3-9). Die nunmehr in <strong>de</strong>r Plasmamembran lokalisierten<br />

insulinabhängigen <strong>Glucose</strong>transporter Glut4 erlauben in Muskel- und Fettgewebszellen,<br />

Bild 3-6. Insulin-Wirkungsmechanismen. Durch die Bindung von Insulin an <strong>de</strong>n Rezeptor<br />

wird die Tyrosinkinase-Aktivität <strong>de</strong>s Rezeptors angeschaltet: <strong>de</strong>r Rezeptor phosphoryliert<br />

sich selbst. Tyrosin-Phosphatreste im Rezeptor sind Ankerstellen für weitere Proteine, wie<br />

z.B. das "Insulin-Rezeptor-Substrat" (IRS), welches durch die Tyrosinkinase Aktivität <strong>de</strong>s<br />

Rezeptors ebenfalls phosphoryliert wird. An die Tyrosinphosphate <strong>de</strong>s IRS bin<strong>de</strong>n Enzyme,<br />

die durch die Wechselwirkung mit IRS aktiviert wer<strong>de</strong>n. Eines dieser Enzyme ist die PI-3-<br />

Kinase (Phosphatidyl-Inositol-3-Kinase) und das GDP/GTP-Austauschenzym (Grb/Sos). Die<br />

PI-3-Kinase führt zur Bildung <strong>de</strong>s "second messengers" PIP3 (Phosphatidylinositol-3phosphat),<br />

das an<strong>de</strong>re Enzym zur Aktivierung von Ras. PIP3 aktiviert eine Kaska<strong>de</strong>, über<br />

die die schnellen Wirkungen <strong>de</strong>s Insulins ausgeführt wer<strong>de</strong>n. Ras aktiviert eine an<strong>de</strong>re<br />

Kaska<strong>de</strong>, über die die langsamen Wirkungen <strong>de</strong>s Insulins erfolgen (mehr dazu im Text).<br />

wo sie vor allem vorkommen, eine schnelle <strong>Glucose</strong>aufnahme. Beim insulinpflichtigen Diabetes<br />

mellitus wird dieser Weg aus Insulinmangel (o<strong>de</strong>r -Resistenz) nicht aktiviert, wodurch<br />

die <strong>Glucose</strong> im Blut verbleibt.<br />

Über die Ras-Kaska<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n die Langzeiteffekte <strong>de</strong>s Insulins ausgelöst. Ein zweites<br />

Enzym, das aus <strong>de</strong>n Proteinen mit <strong>de</strong>n exotischen Namen grb (growth factor bound) und sos<br />

(son of sevenless) besteht, wird nach Bindung an IRS1 o<strong>de</strong>r IRS2 ebenfalls aktiviert. Im aktiven<br />

Zustand katalysiert es <strong>de</strong>n Austausch von GDP gegen GTP in einem membranständigen<br />

Protein namens Ras (Rous sarcoma), das als virales Oncogen seit langem bekannt ist. Der<br />

GTP-Ras-Komplex aktiviert - über einen spezifischen Kontakt mit Raf, einer Serin/Threonin-<br />

Kinase - eine Kaska<strong>de</strong> (RAF fi MEK fi ERK), auch Ras-Kaska<strong>de</strong> genannt, die letztlich<br />

zur Phosphorylierung von Transkriptionsfaktoren (und/o<strong>de</strong>r Cyclinen) führt und somit zur<br />

Genexpression und/o<strong>de</strong>r zur Zellteilung. Es wird vermutet, dass über diesen Aktivierungsweg<br />

viele Gene für anabole Schrittmacherenzyme aktiviert wer<strong>de</strong>n und für die Langzeiteffekte<br />

<strong>de</strong>s Insulins, die nach vielen Minuten bis Stun<strong>de</strong>n einsetzen, verantwortlich sind.<br />

19


Kapitel 3 - Insulin<br />

Insulin aktiviert eine ubiquitäre<br />

Phosphodiesterase, die das<br />

wirksame cAMP in das unwirksame<br />

AMP überführt. Insulin<br />

senkt somit <strong>de</strong>n cAMP-Spiegel<br />

von Zellen und antagonisiert die<br />

Wirkung von Glucagon (und Adrenalin).<br />

3.4 Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Zellstoffwechsels<br />

durch<br />

Insulin<br />

Insulinempfindliche Organe.<br />

Insulin wirkt nicht auf alle Gewebe<br />

<strong>de</strong>s Organismus in gleichem<br />

Maße, da nicht alle gleich<br />

dicht mit Rezeptoren ausgestattet<br />

sind. Die höchste Konzentration<br />

an Insulinrezeptoren fin<strong>de</strong>t man<br />

in <strong>de</strong>r Plasmamembran von Leber-,<br />

Muskel-, Fettgewebszellen<br />

und Lymphozyten. Aufgrund<br />

ihrer Masse sind die Muskulatur,<br />

das Fettgewebe, und die Leber beson<strong>de</strong>rs wichtig. Insulin unempfindliche Organe sind das<br />

Gehirn (obwohl einige insulinempfindliche Zentren existieren), Erythrocyten, intestinale Mucosa<br />

und die Nieren.<br />

Insulinwirkungen auf Muskel- und Fettgewebszellen. Zu <strong>de</strong>n schnellen Wirkungen <strong>de</strong>s<br />

Insulins, die in wenigen Minuten eintreten, gehört die Insulin-abhängige Aufnahme von <strong>Glucose</strong><br />

aus <strong>de</strong>m Blut in Muskelzellen und Adipozyten (Bild 3-8). Anbetracht <strong>de</strong>r großen Masse<br />

dieser Gewebe und <strong>de</strong>r Geschwindigkeit <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong>aufnahme wird nach einer kohlenhydratreichen<br />

Mahlzeit bei gesun<strong>de</strong>n Personen <strong>de</strong>r Blutglucosespiegel kaum erhöht. Insulin steigert<br />

die <strong>Glucose</strong>aufnahme in diese Zellen, in<strong>de</strong>m es die Anzahl eines spezifischen <strong>Glucose</strong>transporters<br />

(Glut4) in <strong>de</strong>r Plasmamembran erhöht. Dieser Transporter kommt ausschließlich in<br />

20<br />

Zellmembran<br />

� För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong>aufnhme<br />

� Vesikulärer Transport von <strong>Glucose</strong>transportern<br />

vom Typ 4 (Glut-4) aus <strong>de</strong>m Zellinneren<br />

zur Plasmamembran (schnelle Insulinwirkung<br />

über PIP3/PDK1 � Proteinkinase B)<br />

Bild 3-8. Insulinwirkungen auf Muskel- und Fettgewebszellen<br />

CH2<br />

CH2<br />

CH2<br />

CH2<br />

CH2<br />

CH2<br />

P<br />

PIP2<br />

PIP3<br />

6<br />

P<br />

1 4<br />

2<br />

5<br />

3<br />

PI3-Kinase<br />

Bild 3-7. Insulin vemittelte Bildung <strong>de</strong>s "second messengers" PIP3 (Phosphatidylinositoltrisphosphat)<br />

P<br />

Muskelzelle<br />

Fettgewebszelle<br />

PDK beför<strong>de</strong>rt Glut4<br />

in die Plasmamembran<br />

Bild 3-9. För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong>aufnahme in Muskel- und<br />

Fettgewebszellen durch Insulin<br />

P<br />

P<br />

P<br />

P<br />

Bei niedrigem Insulin-<br />

spiegel wer<strong>de</strong>n die Glut4 in<br />

Vesikeln verpackt


Kapitel 3 - Insulin<br />

Muskelzellen und Adipozyten vor. Sie befin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>r Plasmamembran und in einem<br />

vesikulären Kompartiment <strong>de</strong>s Golgi-Apparats. Zwischen <strong>de</strong>r Plasmamembran und <strong>de</strong>m Golgi-Apparat<br />

können Glut4-Moleküle durch vesikulären Transport ausgetauscht wer<strong>de</strong>n (Bild 3-<br />

9). Bei niedrigem Insulinspiegel ist die Endozytose bevorzugt, so dass sich wenig Transporter<br />

in <strong>de</strong>r Plasmamembran und viel in <strong>de</strong>n Vesikeln befin<strong>de</strong>n. Insulin verschiebt das Gleichgewicht<br />

in Richtung Exozytose, wodurch die Zahl <strong>de</strong>r Transporter in <strong>de</strong>r Plasmamembran stark<br />

ansteigt. Die vermehrte Transporterdichte in <strong>de</strong>r Membran kann die <strong>Glucose</strong>aufnahme um das<br />

zehnfache beschleunigen, bei in vitro Experimenten bis zum zwanzigfachen o<strong>de</strong>r höher. Der<br />

intrazelluläre „second messenger“, <strong>de</strong>r diese<br />

Reaktionen steuert ist PIP3 (Bild 3-7), <strong>de</strong>r unter<br />

<strong>de</strong>r Wirkung <strong>de</strong>r Phosphatidy-Inositol-3-<br />

Kinase (PI3-Kinase) gebil<strong>de</strong>t wird.<br />

Zu <strong>de</strong>n wichtigen Insulinwirkungen in Muskelzellen<br />

gehört auch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Glykogenbildung<br />

und Proteinsynthese, in <strong>de</strong>n Fettgewebszellen<br />

(Bild 3-10) die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Fetteinlagerung durch Aktivierung <strong>de</strong>r Lipoprotein-Lipase.<br />

Durch Hemmung <strong>de</strong>r hormonsensitiven<br />

Lipase wird <strong>de</strong>r Fettabbau in<br />

Adipozyten gehemmt.<br />

Insulinwirkungen auf die Leber. Die wichtigsten<br />

Insulineffekte in <strong>de</strong>r Leber sind: Koordinierte Regulation <strong>de</strong>r Gluconeogenese und<br />

Glykolyse, die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Glykogensynthese und die Umwandlung überschüssiger <strong>Glucose</strong><br />

in Fettsäuren (Bild 3-11).<br />

Bei <strong>de</strong>r koordinierten Regulation von<br />

Glykolyse und Gluconeogenese spielt<br />

ein kleines Molekül, nämlich Fructose-<br />

2,6-bisphosphat eine zentrale Rolle. Im<br />

Zustand <strong>de</strong>r Sättigung wird Insulin freigesetzt,<br />

worauf Fructose-2,6-bisphosphat<br />

aus Fructose-6-phosphat gebil<strong>de</strong>t<br />

wird. Umgekehrt wird im Hungerzustand<br />

Glucagon ausgeschüttet, welches<br />

die Rückwandlung von Fructose-2,6bisphosphat<br />

in Fructose-6-phosphat<br />

för<strong>de</strong>rt (Bild 3-12). Fructose-2,6-<br />

� För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>Glucose</strong>aufnhme<br />

� Fett-Aufnahme<br />

� Aktivierung <strong>de</strong>r Lipoproteinlipase<br />

� Stimulierung <strong>de</strong>r Glykolyse<br />

� Aktivierung <strong>de</strong>r Phosphofructokinase<br />

� Fettsäurebioynthese<br />

� Aktivierung <strong>de</strong>r Pyruvat<strong>de</strong>hydrogenase<br />

� Aktivierung <strong>de</strong>r Acetyl-CoA-Carboxylase<br />

� Triglyceridspeicherung<br />

� Hemmung <strong>de</strong>r Hormonsensitiven Lipase<br />

� Aktivierung <strong>de</strong>r Lipoproteinlipase<br />

Bild 3-10. Insulinwirkungen auf Fettgewebszellen.<br />

� Stimulierung <strong>de</strong>r Glykolyse<br />

� Aktivierung <strong>de</strong>r Phosphofructokinase<br />

� Hemmung <strong>de</strong>r Gluconeogenese<br />

� Hemmung <strong>de</strong>r Fructose-1,6-bisphosphat<br />

Phosphatase<br />

� Mechanismus:<br />

� Bildung von Fructose-2,6-bisphosphat, ein allosterischer<br />

Ligand <strong>de</strong>r Phosphofructokinase und<br />

<strong>de</strong>r Fructose-1,6-bisphosphatase<br />

Bild 3-11. Wichtige Insulinwirkungen in <strong>de</strong>r Leber.<br />

bisphosphat hat eine hohe Affinität zur Phosphofructokinase, <strong>de</strong>m Schrittmacherenzym <strong>de</strong>r<br />

Glykolyse. Sie hat ebenso eine hohe Affinität zur Fructose-1,6-bisphosphatase, <strong>de</strong>m Schrittmacher<br />

<strong>de</strong>r Gluconeogenese. Fructose-2,6-bisphosphat bin<strong>de</strong>t an allosterische Zentren bei<strong>de</strong>r<br />

Enzyme. Während die Bindung an die Phosphofructokinase zu einer Aktivierung dieses<br />

Schrittmachers führt, führt die Bindung an die Fructose-2,6-bisphosphatase zu einer Hemmung<br />

<strong>de</strong>s Enzyms. Folglich wird durch Fructose-2,6-bisphosphat die Glykolyse aktiviert bei<br />

gleichzeitiger Hemmung <strong>de</strong>r Gluconeogenese. Umgekehrt, wenn im Hungerzustand die Konzentration<br />

von Fructose-2,6-bisphosphat durch Glucagoneinfluss abnimmt, wird die Gluconeogenese<br />

aktiviert und die Glykolyse gehemmt.<br />

21


Kapitel 3 - Insulin<br />

Fructose-2,6-bisphosphat ist zwar strukturell mit Fructose-1,6-bisphosphat verwandt, ist aber<br />

kein Zwischenprodukt <strong>de</strong>r Glykolyse o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gluconeogenese. Es fungiert ausschließlich als<br />

Regulator, <strong>de</strong>ssen Konzentration in <strong>de</strong>r Zelle mit <strong>de</strong>m Insulinspiegel ansteigt und mit <strong>de</strong>m<br />

Anstieg <strong>de</strong>s Glucagonspiegels sinkt. Da Fructose-2,6-bisphosphat bereits in sehr niedriger<br />

Konzentration (im µM-Bereich) wirksam ist, wird für seine Synthese nur sehr wenig Fructose-6-phosphat<br />

aus <strong>de</strong>m Stoffwechselweg abgezweigt.<br />

Fructose-2,6-bisphosphat entsteht durch ATP-abhängige Phosphorylierung aus Fructose-6phosphat<br />

und wird durch Dephosphorylierung wie<strong>de</strong>r in Fructose-6-phosphat zurückverwan<strong>de</strong>lt<br />

(Bild 3-12). Diese zwei Reaktionen wer<strong>de</strong>n von einem Protein mit zwei Enzymaktivitäten,<br />

einer Kinase und einer Phosphatase, katalysiert (Bild 3-13). Welche <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Aktivitäten<br />

vorherrscht, hängt vom hormonellen Zustand ab. Unter Insulin wird die Fructose-6-<br />

phosphat-2-Kinase aktiviert, die Phosphatase-Aktivität gehemmt. Unter Glucagon wird umgekehrt<br />

die Phosphatase-Aktivität aktiviert und die Kinase-Aktivität gehemmt. Entsprechend<br />

erhöht Insulin die intrazelluläre Konzentration an Fructose-2,6-bisphosphat, Glucagon hingegen<br />

senkt sie.<br />

22<br />

Bild 3-12. Bildung und Abbau von von Fructose-2,6-bisphosphat, einem allosterischen Aktivator <strong>de</strong>r Phosphofructokinase und einem<br />

allosterischen Inhibitor <strong>de</strong>r Fructose-2,6-bisphosphatase. Insulin för<strong>de</strong>rt die Bildung von Fructose-2,6-bisphosphat, Glucagon för<strong>de</strong>rt ihre<br />

Rückbildung durch Dephosphorylierung. Insulin aktiviert die Fructose-6-phosphat-2-Kinase (auch "Phosphofructokinase 2" bezeichnet) und<br />

hemmt die Fructose-2,6-bisphosphatase. Glucagon wirkt genau umgekehrt: aktiviert die Fructose-2,6-bisphosphatase und hemmt die Fructose-<br />

6-phosphat-2-Kinase. Die Konzentration von Fructose-2,6-bisphosphat bestimmt, ob die Leberzelle <strong>Glucose</strong> zu Pyruvat und Acetyl-CoA abbaut<br />

(Glykolyse) o<strong>de</strong>r umgekehrt, aus Aminosäuren und Pyruvat <strong>Glucose</strong> synthetisiert (Gluconeogenese).<br />

Bild 3-13. Die bei<strong>de</strong>n Enzyme, die Fructose-2,6-bisphosphat reversibel bil<strong>de</strong>n (Fructose-6phosphat-2<br />

kinase und Fructose-2,6-bisphosphatase) sind in einem bifunktionellen Protein<br />

enthalten. Das Protein kann unter Glucagonwirkung phosphoryliert (blaue Reaktionsfolge),<br />

unter Insulinwirkung <strong>de</strong>phosphoryliert wer<strong>de</strong>n (orange Reaktionsfolge). In <strong>de</strong>r <strong>de</strong>phosphorylierten<br />

Form ist die Fructose-6-phosphat-2-Kinase aktiv, die Fructose-2,6-bisphosphatase inaktiv<br />

(beachte oberen grünen und roten Pfeil). In <strong>de</strong>r phosphorylierten Form ist es genau umgekehrt:<br />

die Fructose-6-phosphat-2-Kinase ist inaktiv und die Fructose-2,6-bisphosphatase aktiv (beachte<br />

unteren grünen und roten Pfeil).


Kapitel 3 - Insulin<br />

Wichtige Insulinwirkung in <strong>de</strong>r Leber ist die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Glykogenbildung. Insulin<br />

aktiviert über <strong>de</strong>n Insulinrezeptor zwei Signalwege: einmal die Bildung <strong>de</strong>s "second messengers"<br />

PIP3, <strong>de</strong>r über eine Phosphorylierungskaska<strong>de</strong> zur Phosphorylierung von Glykogen-<br />

Synthase-Kinase 3 (GSK-3) führt (siehe Bild 3-6). Dadurch wird GSK-3 inaktiviert und ist<br />

nicht mehr in <strong>de</strong>r Lage das anabole Enzym Glykogensynthase zu phosphorylieren. Gleichzeitig<br />

wirken in <strong>de</strong>r Zelle Protein-Phosphatasen, welche die Glykogensynthase <strong>de</strong>phosphorylieren<br />

und damit aktivieren. Insulin aktiviert über <strong>de</strong>n Rezeptor auch einen zweiten Signalweg<br />

(Ras-Kaska<strong>de</strong>). Dieser Weg führt zur Aktivierung <strong>de</strong>s Gens für die Glykogensynthase. Es<br />

wer<strong>de</strong>n Glykogensynthase-Moleküle vermehrt gebil<strong>de</strong>t. Insulin wirkt über bei<strong>de</strong> Wege bei <strong>de</strong>r<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Glykogensynthese.<br />

3.5 Diabetes mellitus: viele Ursachen führen zum selben Symptom<br />

Unter <strong>de</strong>m Begriff Diabetes mellitus verbirgt sich eine heterogene Gruppe von Erkrankungen,<br />

die allesamt durch einen erhöhten Spiegel an Blutglucose charakterisiert sind. Die ß-<br />

Zellen <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse und <strong>de</strong>ren Sekretionsprodukt Insulin, nehmen in <strong>de</strong>r Pathophysiologie<br />

dieser Erkrankungen eine zentrale Rolle ein. Typ 1, o<strong>de</strong>r Insulin-abhängiger Diabetes<br />

mellitus (IDDM), ist durch ein völliges Fehlen von Insulin charakterisiert und entsteht durch<br />

eine autoimmune Zerstörung <strong>de</strong>r insulinproduzieren<strong>de</strong>n ß-Zellen <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse.<br />

Beim Typ 2, o<strong>de</strong>r nicht-insulinabhängigem Diabetes mellitus (NIDDM), sind Muskel- und<br />

Fettzellen resistent gegen die Wirkung von Insulin, und kompensatorische Mechanismen, die<br />

aktiviert wer<strong>de</strong>n um die ß-Zellen zu höherer Insulinproduktion anzuregen, reichen nicht aus<br />

um <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel im normalen physiologischen Bereich zu stabilisieren.<br />

Bei <strong>de</strong>r Fallbeschreibug am Anfang dieser Vorlesungsreihe (Bild 1-1) han<strong>de</strong>lte es sich um die<br />

juvenile Form von Diabetes mellitus. Diese Klasse wird auch IDDM (Insulin Depen<strong>de</strong>nt Diabetes<br />

Mellitus) bezeichnet. Die Bezeichnung drückt klar aus, dass eine Insulinabhängigkeit<br />

bei <strong>de</strong>n betroffenen Patienten besteht. Die zur Zeit einzig mögliche Therapie besteht in einer<br />

lebenslangen Substitution mit Insulin.<br />

Während die Folgen <strong>de</strong>r Zerstörung <strong>de</strong>r ß-Zellen bei Typ 1 Diabetes klar sind, so sind es die<br />

Ursachen keineswegs. Umwelteinflüsse, die als Auslöser <strong>de</strong>r Autoimmunreaktion bei genetisch<br />

prä<strong>de</strong>stinierten Kin<strong>de</strong>rn, Heranwachsen<strong>de</strong>n und älteren Menschen vermutet wer<strong>de</strong>n, sind<br />

noch nicht i<strong>de</strong>ntifiziert.<br />

Bei <strong>de</strong>r Fallbeschreibung zu diesem Kapitel (Bild 3-1) han<strong>de</strong>lt es sich um Diabetes vom Typ<br />

2, also um"Altersdiabetes". Dieser Typ wird auch NIDDM (Non Insulin Depen<strong>de</strong>nt Diabetes<br />

Mellitus) bezeichnet, weil eine ständige Substitution mit Insulin nicht nötig ist, ja sogar in<br />

einigen wenigen Fällen keine Wirkung zeigt. Typ 2 Diabetes besteht aus diversen Formen, die<br />

alle durch unterschiedliche Gra<strong>de</strong> von Insulinresistenz o<strong>de</strong>r Fehlfunktion <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse<br />

charakterisiert sind, und letztendlich zu Hyperglykämie führen. Als Ursache für<br />

diese Zustän<strong>de</strong> vermutet man eine genetische Veranlagung, die bei entsprechen<strong>de</strong>n Umwelteinflüssen<br />

nach Jahren zu tragen kommt.<br />

Die Ursachen <strong>de</strong>s Altersdiabetes sind noch nicht gut erforscht. Es herrscht jedoch die Ansicht<br />

vor, dass eine genetische Prädisposition für diese Form <strong>de</strong>s Diabetes besteht. Darunter versteht<br />

man, dass einzelne Personen in mehreren relevanten (aber zur Zeit noch weitgehend<br />

unbekannten) Genen, unterschiedliche Allele besitzen. Solche Allele könnten in <strong>de</strong>r Evolution<br />

<strong>de</strong>s Menschen früher vorteilig gewesen sein, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Organismus befähigten mehr Fettreserven<br />

zu speichern. Bei ständiger fettreicher Ernährung hingegen und gleichzeitiger sitzen<strong>de</strong>r<br />

Tätigkeit, wie dies in <strong>de</strong>n Industrienationen vorherrscht, kann dieser Vorteil zu einem<br />

Nachteil wer<strong>de</strong>n und zu Fettleibigkeit führen. Die Nachteile, die diese Allele mit sich bringen,<br />

können jedoch zunächst noch kompensiert wer<strong>de</strong>n und kommen <strong>de</strong>shalb kaum zum Tragen.<br />

Kommt jedoch ein ständiger Stress durch die Ernährungsweise und durch Trägheit hinzu, so<br />

23


Kapitel 3 - Insulin<br />

führt dieser Stress allmählich zu einer Insulin-Resistenz. Insulin-Resistenz be<strong>de</strong>utet, dass ein<br />

betroffenes Individuum mehr Insulin ausschütten muss um <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel zu senken,<br />

als ein Individuum ohne <strong>de</strong>n besprochenen ungünstigen Allelen. Eine ständig höhere Insulinkonzentration<br />

kann zur vermehrten Internalisierung <strong>de</strong>s Insulin-Rezeptor-Komplexes und<br />

beschleunigtem Abbau <strong>de</strong>s Rezeptors führen. Der Organismus versucht diesen Stress wie<strong>de</strong>rum<br />

durch eine Mehrproduktion und -Sekretion von Insulin zu kompensieren: ein Teufelskreis,<br />

<strong>de</strong>r sich langsam hochschaukelt. Dieser Prozess kann jahrzehnte lang dauern, allmählich aber<br />

zu einer teilweisen o<strong>de</strong>r vollständigen Erschöpfung <strong>de</strong>s Inselzell-Apparates führen. Da bei<br />

<strong>de</strong>n meisten Patienten die typischen Symptome (hoher Blutzuckerspiegel) erst ab <strong>de</strong>r 5. Deka<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Lebens auftreten, spricht man von Altersdiabetes.<br />

Große Fortschritte wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n letzten Jahren bei einigen Son<strong>de</strong>rformen <strong>de</strong>s Altersdiabetes<br />

erzielt, die man als Typ MODY (Maturation Onset Diabetes of the Young) bezeichnet. Hierbei<br />

han<strong>de</strong>lt es sich um monogene Formen. Bei MODY-1 liegt ein Defekt in <strong>de</strong>m Gen für <strong>de</strong>n<br />

Transkriptionsfaktor HNF-4a vor. Dieser Faktor wird in ento<strong>de</strong>rmal abgeleiteten Organen wie<br />

Leber (daher <strong>de</strong>r Name Hepatocyte Nuclear Factor), Darm und Bauchspeicheldrüse exprimiert.<br />

Bei MODY-2 liegt ein Defekt in <strong>de</strong>r Glucokinase vor, <strong>de</strong>m "<strong>Glucose</strong>-Sensor" <strong>de</strong>r ß-<br />

Zelle (siehe Bild 3-5). Bei MODY-3 liegt <strong>de</strong>r Defekt in <strong>de</strong>m Transkriptionsfaktor HNF-1a,<br />

bei MODY-4 im IPF (Insulin Promoter Factor) und bei MODY 5 im HNF-1ß-Gen vor. Diese<br />

Transkriptionsfaktoren sind an <strong>de</strong>r Expression <strong>de</strong>s Insulingens direkt o<strong>de</strong>r indirekt beteiligt.<br />

Die Defekte wirken sich auf die Insulinbiosynthese o<strong>de</strong>r -Sekretion aus und sind autosomal<br />

dominant, d.h. bereits heterozygote Träger erkranken an Diabetes, und zwar ziemlich früh<br />

(maturation onset), ja sogar schon im Kleinkind-Alter. An<strong>de</strong>re früh auftreten<strong>de</strong>n Formen von<br />

Altersdiabetes rühren von Defekten in <strong>de</strong>r mitochondrialen DNA. Diese codiert für Untereinheiten<br />

<strong>de</strong>r Atmungsketten-Komplexe und <strong>de</strong>r ATP-Synthase. Da ATP-abhängige Kaliumkanäle<br />

bei <strong>de</strong>r Insulinsekretion eine prominente Rolle spielen (siehe Bild 3-5), liegt es an <strong>de</strong>r<br />

Hand, dass eine beeinträchtigte ATP-Gewinnung zu einer nicht adäquaten Insulinsekretion<br />

und Diabetes führen kann. Zu <strong>de</strong>n in diesem Abschnitt besprochenen Formen <strong>de</strong>s Altersdiabetes<br />

gehören, alles in allem, weniger als 10 % <strong>de</strong>r Erkrankten.<br />

Es ist von großer Be<strong>de</strong>utung die verschie<strong>de</strong>nen Formen von Diabetes aufzuklären und klar zu<br />

beschreiben, <strong>de</strong>nn davon hängt die Wahl <strong>de</strong>r Therapie ab. Orale Antidiabetika <strong>de</strong>r Sulfonylharnstoff-Klasse,<br />

wie Tolbutamid o<strong>de</strong>r Glibenclamid, senken <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel durch<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Insulinausschüttung. Obwohl diese Medikamente sowohl bei Patienten mit<br />

vermin<strong>de</strong>rter Insulinausschüttung als auch bei insilinresistenten Formen wirksam sind, führen<br />

sie bei letzteren zu einer beschleunigten Inselzell-Erschöpfung. Der Patient wird dann insulinpflichtig.<br />

Verzicht auf orale Antidiabetika bei Verordnung einer strengen Diät und erhöhte<br />

körperliche Tätigkeit hätten bei letzteren Formen <strong>de</strong>s Diabetes unter Umstän<strong>de</strong>n eine langfristig<br />

wesentlich günstigere Wirkung.<br />

24


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

4 Hormone <strong>de</strong>s Nebennierenmarks, Catecholamine<br />

Fallbeschreibung (Bild 4-1). Ein 25 jähriger Patient hat seit mehr als einem Jahr erhöhte<br />

Blutdruckwerte, wobei es intermittierend zu krisenhaften Blutdruckanstiegen mit Kopfschmerzen,<br />

Schweißausbrüchen und Palpitationen kommt. Ein Bru<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Patienten wur<strong>de</strong><br />

einige Jahre zuvor wegen eines Phäochromocytoms beidseits adrenalektomiert. Die Diagnose<br />

eines Phäochromocytoms wird durch extrem hohe Plasmanoradrenalinspiegel endgültig<br />

gesichert; Adrenalin und Dopamin liegen im Normbereich. Sonographisch und computertomographisch<br />

fin<strong>de</strong>n sich beidseits Nebennierentumoren mit Durchmessern bis zu 8 cm. Ein<br />

131 Jod-meta-Benzylguanidin Szintigramm ergibt keine zusätzliche Speicherung in an<strong>de</strong>ren<br />

Arealen. Der Patient wird beidseits adrenalektomiert. Die extrem hohen Noradrenalinspiegel<br />

sind postoperativ normalisiert.<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich also um eine familiäre Form <strong>de</strong>s Phäochromocytoms. Zeichen einer multiplen<br />

endokrinen Neoplasie sind nicht auszumachen, insbeson<strong>de</strong>re können ein medulläres Schilddrüsenkarzinom<br />

sowie ein primärer Hyperparathyreoidismus ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n.<br />

Classen, Diehl, Kochsiek: Innere Medizin<br />

Noradrenalin und Adrenalin wer<strong>de</strong>n als Catecholamine bezeichnet, weil sie chemisch Derivate<br />

<strong>de</strong>s Catechols (1,2-Dihydroxybenzols) sind. Sie sind die wichtigsten Hormone für die<br />

schnelle Mobilisierung von<br />

gespeicherten Substraten und<br />

haben Be<strong>de</strong>utung für <strong>de</strong>n Organismus<br />

bei <strong>de</strong>r Reaktion auf<br />

Stresssituationen (Bild 4-2). Ihr<br />

Wirkungsspektrum reicht von<br />

<strong>de</strong>r Regulation <strong>de</strong>r Durchblutung<br />

verschie<strong>de</strong>ner Gewebsareale<br />

bis hin zur Steuerung <strong>de</strong>s<br />

Stoffwechsels. Catecholamine<br />

wer<strong>de</strong>n im Nebennierenmark<br />

synthetisiert, und zwar in<br />

chromaffinen Zellen, die wegen<br />

ihrer Färbbarkeit mit Chromsalzen<br />

so benannt sind. Dort<br />

wer<strong>de</strong>n sie in spezifischen, von<br />

Membran umhüllten Granula<br />

konzentriert, gespeichert und<br />

als Reaktion auf neurale Reize<br />

ausgeschüttet.<br />

4.1 Biosynthese <strong>de</strong>r Catecholamine aus Tyrosin<br />

� Name stammt von Catechol = 1,2-Dihydroxybenzol<br />

� Noradrenalin<br />

� Hormon <strong>de</strong>r motorischen Aktivität<br />

� auch Neurotransmitter<br />

� Adrenalin<br />

� Reaktion auf Stresssituation (z.B. Kind springt vor das<br />

Auto, Herz fängt an zu rasen)<br />

� Dopamin<br />

� Neurotransmitter (z.B. in <strong>de</strong>r Substantia nigra)<br />

� Funktion <strong>de</strong>r Catecholamine:<br />

� schnelle Mobilisierung gespeicherter Substrate<br />

� Einstellung aller Organe auf Stresssituation (Herz, Skelett-<br />

und glatte Muskulatur, Drüsen, Kreislauf, Blutdruck<br />

etc.)<br />

Bild 4-2. Catecholamine: Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin. Wichtige Botenstoffe <strong>de</strong>s Organismus<br />

um schnelle Reaktionen auszulösen.<br />

Die Biosynthese <strong>de</strong>r Catecholamine erfolgt aus Tyrosin (Bild 4-3). Schrittmacher ist das erste Enzym <strong>de</strong>r Adrenalinbiosynthese,<br />

die Tyrosinhydroxylase. Sie ist eine Monooxigenase, die molekularen Sauerstoff als Substrat<br />

und Tetrahydrobiopterin (THB) als Cosubstrat benötigt. Ein Sauerstoffatom wird auf das Tyrosin, das an<strong>de</strong>re auf<br />

THB übertragen. Das Produkt ist Dihydroxyphenylalanin (Dopa). Aus <strong>de</strong>m THB entsteht ein α-Carbinolamin,<br />

aus <strong>de</strong>m mit Hilfe <strong>de</strong>r Carbinolamin-Dehydratase ein Wasser abgespalten wird. Das entstehen<strong>de</strong> Dihydrobiopterin<br />

wird mittels <strong>de</strong>r Dihydropterin-Reduktase wie<strong>de</strong>r zu THB regeneriert. Der zweite Schritt <strong>de</strong>r Biosynthese ist<br />

eine von <strong>de</strong>r aromatischen L-Aminosäure-Decarboxylase katalysierte Decarboxylierung zu Dopamin. Dieses<br />

Enzym hat ein breites Wirkungsspektrum und ist auch an <strong>de</strong>r Biosynthese an<strong>de</strong>rer biogener Amine, wie Tyramin,<br />

Serotonin und Histamin, beteiligt. Die Dopamin-ß-hydroxylase) benötigt Kupfer und Ascorbinsäure und<br />

katalysiert die Hydroxylierung <strong>de</strong>r Seitenkette. Das Produkt ist Noradrenalin. Mit Hilfe <strong>de</strong>r Phenylethanolamin-<br />

N-Methyltransferase (einfacher zu merken<strong>de</strong>r Name: Noradrenalin-N-Methyltransferase) erfolgt als letzte Reaktion<br />

die Methylierung von Noradrenalin zu Adrenalin. Die Methylgruppe stammt von S-A<strong>de</strong>nosylmethionin<br />

(SAM).<br />

25


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

Tyrosin-<br />

Hydroxylase<br />

L-Amino-<br />

säure-De-<br />

carboxylase<br />

Bild 4-3. Biosynthese <strong>de</strong>r Catecholamine. Ausgangspunkt ist die Aminosäure Tyrosin, aus <strong>de</strong>r durch zweifache Hydroxylierung, Decarboxylierung und<br />

Methylierung schließlich Adrenalin entsteht. Dopamin und Noradrenalin sind Zwischenstufen <strong>de</strong>r Adrenalinsynthese.<br />

4.2 Regulation <strong>de</strong>r Catecholamin-Biosynthese<br />

Die Adrenalinsynthese wird nerval und durch<br />

Cortisol reguliert (Bild 4-4). Das Nebennierenmark<br />

ist durch sympathische Nerven (Nn.<br />

splanchnici) cholinerg innerviert. Nervale,<br />

über nikotinische Acetylcholinrezeptoren vermittelte<br />

Impulse sind für die Aktivierung <strong>de</strong>r<br />

Catecholaminbiosynthese im Nebennierenmark<br />

verantwortlich. Die Enzyme Tyrosinhydroxylase<br />

und Dopamin-ß-Hydroxylase<br />

wer<strong>de</strong>n induziert. Glucocorticoi<strong>de</strong> (Cortisol)<br />

sind schwache Induktoren <strong>de</strong>r Tyrosinhydroxylase,<br />

jedoch starke Induktoren <strong>de</strong>r Phenyläthanolamin-N-Methyltransferase.<br />

Die Stressbereitschaft<br />

wird durch ACTH aus <strong>de</strong>r Hypophyse<br />

aufrechterhalten, das die Versorgung<br />

<strong>de</strong>s Nebennierenmarks mit Glucocorticoi<strong>de</strong>n<br />

aus <strong>de</strong>r Nebennierenrin<strong>de</strong> über ein spezielles<br />

Venensystem sicherstellt. Da umgekehrt Catecholamine<br />

die CRH und ACTH-Sekretion im<br />

Hypothalamus bzw. Hypophyse stimulieren,<br />

ergeben sich Verstärkereffekte. Vermin<strong>de</strong>rt wird die Catecholamin Biosynthese durch die<br />

Endprodukte <strong>de</strong>s Reaktionsweges Adrenalin und Noradrenalin, die durch allosterische Rückkopplungshemmung<br />

die Tyrosinhydroxylase bzw. die Phenylethanolamin-N-<br />

Methyltransferase verlangsamen.<br />

Gut untersucht ist <strong>de</strong>r Mechanismus <strong>de</strong>r Aktivierung <strong>de</strong>r Catecholamin-Biosynthese in Neuronen,<br />

die Catecholamine (Dopamin, Noradrenalin o<strong>de</strong>r Adrenalin) als Neurotransmitter verwen<strong>de</strong>n.<br />

Durch <strong>de</strong>n nervalen Reiz freigesetztes Acetylcholin bin<strong>de</strong>t an nikotinische Acetylcholinrezeptoren,<br />

die bekanntlich Ligan<strong>de</strong>n-abhängige Na + -Kanäle sind, und öffnen diese.<br />

Der kurze Einstrom von Natrium <strong>de</strong>polarisiert die Membran lokal, worauf sich Spannungsabhängige<br />

Ca 2+ -Kanäle öffnen und Ca 2+ -Ionen in die Zelle einfließen lassen. Der Ca 2+ -<br />

Einstrom aktiviert die Ca 2+ /Calmodulin-abhängige Proteinkinase II (CaM-Kinase II), die<br />

26<br />

Tyrosin<br />

DOPA<br />

Dopamin<br />

THB+O 2<br />

DHB<br />

CO2<br />

NAD +<br />

NADH<br />

Noradrenalin-<br />

N-Methyltransferase<br />

Cortisol<br />

Nervale<br />

Reize<br />

Cortisol<br />

Dopamin-<br />

Hydroxylase<br />

Noradrenalin<br />

Adrenalin<br />

O 2+ Ascorbat<br />

H 2O+ Dihydroascorbat<br />

Tyrosin<br />

DOPA<br />

Dopamin<br />

Noradrenalin<br />

Adrenalin<br />

SAM<br />

Bild 4-4. Regulation <strong>de</strong>r Catecholaminbiosynthese.<br />

S-A<strong>de</strong>nosylhomocystein<br />

–<br />

–<br />


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

die Tyrosin-Hydroxylase phosphoryliert und dadurch aktiviert. Tyrosin-Hydroxylase ist das<br />

Enzym, das <strong>de</strong>n geschwindigkeitsbestimmen<strong>de</strong>n Schritt in <strong>de</strong>r Catecholaminbiosynthese katalysiert.<br />

Freies Calcium ist auch ein Stimulans <strong>de</strong>r vesikulären Sekretion. Auf diese Weise<br />

wer<strong>de</strong>n sowohl die Biosynthese als auch die Ausschüttung <strong>de</strong>s Neurotransmitter bei Aktivierung<br />

<strong>de</strong>r Nervenzelle stimuliert.<br />

4.3 Die Catecholaminsekretion wird durch Acetylcholin ausgelöst<br />

Die synthetisierten Catecholamine wer<strong>de</strong>n<br />

in membranumhüllten Granula konzentriert<br />

und gespeichert und mittels Exocytose<br />

freigesetzt (Bild 4-5). Der Anstieg<br />

<strong>de</strong>r Ca 2+ -Konzentration ist ein starker<br />

Stimulus für die Exozytose. Sezerniertes<br />

Adrenalin stammt überwiegend<br />

aus <strong>de</strong>m Nebennierenmark, sezerniertes<br />

Noradrenalin aus Nervenendigungen<br />

sympathischer, postganglionärer Nervenzellen.<br />

Noradrenalin, das als Neurotransmitter<br />

in Synapsen freigesetzt,<br />

aber nicht durch die Rezeptoren gebun<strong>de</strong>n<br />

wird, kann aus <strong>de</strong>m synaptischen<br />

Spalt in die Blutbahn entweichen und<br />

dann die Rolle eines Hormons übernehmen.<br />

Aus bei<strong>de</strong>n Quellen wer<strong>de</strong>n die<br />

Catecholamine durch nervale Reize ausgeschüttet,<br />

wobei <strong>de</strong>r Transmitter Acetylcholin<br />

ist.<br />

4.4 Catecholamin-Rezeptortypen und Subtypen<br />

Alle Catecholaminrezeptoren gehören zu <strong>de</strong>r Klasse <strong>de</strong>r an heterotrimere G-Proteingekoppelten<br />

Rezeptoren mit sieben Transmembrandomänen, ähnlich <strong>de</strong>m Glucagonrezeptor<br />

(Bild 2-2). Man kennt a- und ß-Rezeptoren, die weiter unterteilt wer<strong>de</strong>n in α-1, α-2, ß-1, ß-2<br />

� 5 Rezeptortypen gefun<strong>de</strong>n:<br />

� α1, α2, ß1, ß2, ß3<br />

� G-Proteingekoppelte Rezeptoren mit 7 TMD<br />

� ß Rezeptoren stimulieren die A<strong>de</strong>nylatzyklase<br />

� führt zum Anstieg <strong>de</strong>s cAMP-Spiegels<br />

� α2 Rezeptoren hemmen die A<strong>de</strong>nylatzyklase<br />

� führt zur Senkung <strong>de</strong>s cAMP-Spiegels<br />

� α1 Rezeptoren stimulieren die Phospholipase C<br />

� führt zur Bildung von zwei neuen "second messengern":<br />

Diacylglycerol (DAG) und Inositol-<br />

Trisphosphat (IP 3)<br />

Zentralnervensystem<br />

Sympathicus<br />

1.Neuron präganglionär<br />

cholinerg<br />

2.Neuron postganglionär<br />

noradrenerg<br />

Herz<br />

NNM<br />

NA A + NA<br />

Acetylcholin<br />

Bild 4-5. Freisetzung <strong>de</strong>r Catecholamine. Die Freisetzung <strong>de</strong>r Catecholamine<br />

erfolgt nerval durch <strong>de</strong>n Sympathicus. Das Nebennierenmark ist cholinerg<br />

innerviert. Auf einen nervalen Impuls wird Acetylcholin freigesetzt.<br />

Acetylcholin för<strong>de</strong>rt die Exozytose von Vesikeln, die mit Adrenalin gefüllt sind.<br />

Bild 4-7. Catecholamin-Rezeptortypen. Bild 4-8. Affinität von Catecholaminen zu ihren Rezeptoren.<br />

und ß-3-Rezeptoren (Bild 4-7). Diese unterschei<strong>de</strong>n sich in vielerlei Hinsicht voneinan<strong>de</strong>r: sie<br />

sind durch verschie<strong>de</strong>ne Ligan<strong>de</strong>n spezifisch hemmbar o<strong>de</strong>r stimulierbar, haben unterschiedliche<br />

Affinitäten zu Adrenalin und Noradrenalin (Bild 4-8) und wirken über unterschiedliche<br />

G-Proteine und „second messenger“. ß-Rezeptoren stimulieren über so genannte stimulieren<strong>de</strong><br />

G-Proteine (Gs) die Bildung von cAMP. a2-Rezeptoren führen über inhibitorische G-<br />

Ca 2+<br />

27


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

Proteine (Gi) zur Senkung <strong>de</strong>s cAMP-Spiegels. Die a1-Rezeptoren schließlich för<strong>de</strong>rn, über so<br />

genannte Gq-Proteine die Bildung von Diacylglycerin (DAG) und Inositol-Trisphosphat (IP3),<br />

zwei weitere "second messenger". Die Verteilung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Rezeptortypen auf diversen<br />

Organen und Geweben variiert sehr stark.<br />

Catecholaminrezeptoren haben unterschiedliche Affinitäten zu Adrenalin und Noradrenalin.<br />

Adrenalin wirkt über α1, α2, und allen ß-Rezeptoren. Noradrenalin über die α-<br />

Rezeptoren, ß1, aber kaum über ß2. Untersuchungen zeigten, dass die Affinität zum Rezeptor<br />

mit <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r Gruppe auf <strong>de</strong>m N-Atom zusammenhängt (Bild 4-8). Diese Erkenntnis<br />

führte zur Synthese einer Reihe wichtiger Mimetika und Antagonisten <strong>de</strong>r Catecholamine.<br />

Die anatomische Verteilung verschie<strong>de</strong>ner Rezeptortypen in <strong>de</strong>r Zellmembran einiger Gewebe<br />

ist in <strong>de</strong>r Tabelle 4-9 zusammengefasst. Die Anwesenheit von cAMP för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r und<br />

cAMP hemmen<strong>de</strong>r Rezeptoren (z.B. ß und α2) ist biologisch sinnvoll, <strong>de</strong>nn sie verhin<strong>de</strong>rt ein<br />

Überschießen <strong>de</strong>s intrazellulären cAMP-Spiegels (Bild 4-10).<br />

28<br />

Rezeptor<br />

α1<br />

α1, α2<br />

α2<br />

α2<br />

α1, ß1<br />

ß1<br />

ß1<br />

ß2<br />

ß2<br />

ß2<br />

ß2<br />

ß3<br />

Leber, Muskel<br />

Herz<br />

Fettgewebe<br />

Coronargefäße<br />

Lunge<br />

Organ<br />

Schweissdrüsen<br />

Darm, Niere, Haut<br />

Pankreas, Fettgewebe<br />

Epithelkörperchen<br />

Skelettmuskel, Leber<br />

Endokriner Pankreas<br />

Braunes Fettgewebe<br />

Tabelle 4-9. Catecholaminwirkungen (Auswahl).<br />

% Sättigung<br />

Stimulierung <strong>de</strong>r Schweißsekretion<br />

Konstriktion <strong>de</strong>r Blutgefäße<br />

Hemmung: Insulinsekretion, Lipolyse<br />

Hemmung PTH-Sekretion<br />

Stimulierung <strong>de</strong>r Glykogenolyse<br />

↑ Frequenz, Kontraktilität, Volumen<br />

Stimulierung <strong>de</strong>r Lipolyse<br />

Dilatation<br />

Wirkung<br />

Bronchialdilatation, Dilat. Blutgefäße<br />

Dilatation <strong>de</strong>r Blutgefäße<br />

Stimulierung <strong>de</strong>r Insulinsekretion<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Thermogenese<br />

Rez.-ß: för<strong>de</strong>rt cAMP-Bildung<br />

[cAMP]<br />

Rez.-α 2: unterdrückt<br />

cAMP-Bildung<br />

[Hormon]<br />

Bild 4-10. Stimulieren<strong>de</strong> und hemmen<strong>de</strong> Rezeptoren verhin<strong>de</strong>rn ein Überschießen<br />

<strong>de</strong>s cAMP-Signals.


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

4.5 Unterschiedliche G-Proteine vermitteln die Catecholamin-Rezeptor-<br />

Wirkungen<br />

Reinigung und biochemische Charakterisierung von G-Proteinen <strong>de</strong>ckten eine unerwartete<br />

Vielfalt dieser Proteinfamilie auf (Tabelle 4-11). Klonierung <strong>de</strong>r Gene dieser Proteine zeigen,<br />

dass nach heutigem Stand min<strong>de</strong>stens 15 unterschiedliche Gene allein für die α-Untereinheit<br />

existieren. Weitere Formen entstehen durch alternatives Spleißen. Nachstehen<strong>de</strong> Tabelle führt<br />

einige von unterschiedlichen G-Proteinen vermittelte Aktivitäten auf.<br />

G-Proteine legen <strong>de</strong>n Signaltransduktionsweg<br />

in <strong>de</strong>r Zelle<br />

fest und verstärken das extrazelluläre<br />

Signal im Zellinneren.<br />

Beson<strong>de</strong>rs genau wur<strong>de</strong> die<br />

lichtinduzierte Signalkaska<strong>de</strong><br />

beim Sehvorgang untersucht<br />

(Bild 4-12). Wenn ein Rhodopsinmolekül<br />

ein Photon absorbiert,<br />

können bis zur Inaktivierung<br />

<strong>de</strong>s Rhodopsins bis zu<br />

500 G-Proteine aktiviert wer<strong>de</strong>n.<br />

Die beim Sehvorgang beteiligten<br />

G-Proteine haben einen Trivialnamen:<br />

Transducin. Die 500 aktivierten Transducinmoleküle aktivieren 500 Phosphodiesterasen,<br />

die in <strong>de</strong>r Lage sind, in kürzester Zeit 100.000 cGMP-Moleküle zu hydrolysieren. Diese<br />

Abnahme <strong>de</strong>r cGMP-Konzentration führt zum Schließen von ca. 250 Na + Tabelle 4-11. Diversität <strong>de</strong>r G-Proteine.<br />

-Kanälen. Damit<br />

wird pro Sekun<strong>de</strong> bis zu Zehnmillionen Natriumionen <strong>de</strong>r Zutritt in die Zelle verwehrt, was<br />

zu einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Membranpotentials von 1 mV führt. Dieses, millionenfach verstärkte<br />

Signal wird über Nervenleitung an das Gehirn weitergeleitet.<br />

ß-Rezeptoren aktivieren,<br />

a2-Rezeptoren hemmen die<br />

A<strong>de</strong>nylat-Cyklase. Während<br />

alle ß-Rezeptoren die A<strong>de</strong>nylatzyklase<br />

aktivieren, führt<br />

die Wirkung <strong>de</strong>r α-2 Rezeptoren<br />

- über die Aktivierung<br />

eines Gi-Proteins - zu einer<br />

Erniedrigung <strong>de</strong>s cAMP-<br />

Spiegels. Im Unterschied zu<br />

<strong>de</strong>n ß-Rezeptoren, die ein<br />

stimulieren<strong>de</strong>s G-Protein (Gs)<br />

aktivieren, verhalten sich α2-<br />

Rezeptoren an<strong>de</strong>rs. Sie aktivieren<br />

ein inhibitorisches G-<br />

Protein (Gi), <strong>de</strong>ssen α-<br />

Untereinheit mit <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylat-Cyklase<br />

eine Wechselwirkung<br />

eingeht, diese aber nicht<br />

aktiviert, son<strong>de</strong>rn hemmt. α2-<br />

Rezeptoren senken somit <strong>de</strong>n<br />

cAMP-Spiegel in <strong>de</strong>r Zelle.<br />

CH2<br />

CH2<br />

CH2<br />

PIP 2<br />

DAG<br />

P<br />

Aktiviert<br />

Proteinkinase C<br />

Phospholipase Cß<br />

Bild 4-13. Gq-Protein aktiviert die Phospholipase Cß (PLCß). Phospholipase C spaltet ein<br />

Phospholipid <strong>de</strong>r Membran (PIP3); dabei entstehen zwei neue Messenger: DAG und IP3. Bei<strong>de</strong><br />

second Messenger induzieren Signalkaska<strong>de</strong>n. DAG för<strong>de</strong>rt über die Proteinkinase C die Phosphorylierung<br />

vieler zellulärer Proteine. IP3 öffnet Caciumkanäle <strong>de</strong>s ER; Calcium aktiviert über<br />

Calmodulin die Calcium-Calmodulin abhängigen Kinasen (CaM-Kinasen).<br />

P<br />

P<br />

P<br />

IP 3<br />

P<br />

5<br />

1 4<br />

Setzt Ca 2+ aus ER frei.<br />

Ca 2+ aktiviert Calmodulin<br />

P<br />

29


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

a1-Rezeptoren führen zur Bildung zweier neuer „second messenger“. a1-Rezeptoren aktivieren<br />

über ein Gq-Protein die Phospholipase Cß (Bild 4-13). Diese spaltet Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat<br />

in Diacylglycerol (DAG) und Inositol-trisphosphat (IP3). Diacylglycerol<br />

aktiviert die Proteinkinase Cß (Bild 4-14). Zur Aktivierung benötigt die Proteinkinase Cß<br />

mehrere Komponenten: (a) Ca 2+, (b) die Wechselwirkung mit einem Membranlipid (Phosphatidylserin)<br />

und (c) <strong>de</strong>n direkten Kontakt mit Diacylglycerin.<br />

IP3 öffnet Ca 2+ -Kanäle. IP3 bin<strong>de</strong>t an Rezeptoren im endoplasmatischen Reticulum (sarkoplasmatisches<br />

Reticulum in Muskelgewebe). Der Rezeptor ist eine Untereinheit eines Ca 2+<br />

Kanals (Bild 4-15), <strong>de</strong>r geöffnet wird, wonach Ca 2+ -Ionen in das Cytosol strömen können.<br />

Ca 2+ kann direkt mit Proteinen in Wechselwirkung treten und diese aktivieren (z.B. an Troponin<br />

C bei <strong>de</strong>r Muskelkontraktion). Viele Zellen enthalten ein Ca 2+ -bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Protein namens<br />

Calmodulin, die nach Bindung von 4 Ca 2+ -Ionen sogenannte Ca 2+ /Calmodulin-abhängige Ki-<br />

30<br />

Bild 4-12. G-Proteine legen <strong>de</strong>n Signaltransduktionsweg fest und verstärken das<br />

Signal..<br />

DAG<br />

Zellmembran<br />

CH2<br />

CH2<br />

CH2OH<br />

PKC-ß<br />

Ca 2+<br />

Bild 4-14. Diacylglycerin (DAG) aktiviert die Proteinkinase Cß (PKC-ß)<br />

PKC-ß braucht zur Aktivierung:<br />

Calcium<br />

DAG<br />

Kontakt mit<br />

Phosphatidylserin<br />

in <strong>de</strong>r Zellmembran


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

nasen (CaM-Kinasen) aktiviert. CaM-Kinasen aktivieren weitere Proteine durch spezifische<br />

Phosphorylierung (Tabelle 4-16). Ca 2+ /Calmodulin kann aber auch direkt an Proteine bin<strong>de</strong>n<br />

und diese in ihrer Aktivität beeinflussen. Beispiel: Die durch die cAMP-abhängige Proteinkinase-A<br />

aktivierte Phosphorylase in Muskeln wird durch Wechselwirkung mit<br />

Ca 2+ /Calmodulin in ihrer Aktivität noch<br />

weiter verstärkt (Bild 4-15). Das selbe gilt<br />

für die Phosphorylase-Kinase. Man sieht,<br />

dass in Muskelzellen die α- und ß-<br />

Rezeptoren synergistisch <strong>de</strong>n Glykogenabbau<br />

för<strong>de</strong>rn. CaM-Kinase II aktiviert viele<br />

Schrittmacherenzyme (Tabelle 4-16). Zu<br />

diesen gehören Schrittmacher <strong>de</strong>r Fettsäure-<br />

, Glykogen- und Cholesterinsynthese sowie<br />

<strong>de</strong>r Glykolyse. Auch Phospholipase A2<br />

wird durch CaM-Kinase II aktiviert so wie<br />

<strong>de</strong>r epi<strong>de</strong>rmale Wachstumsfaktor-Rezeptor<br />

(EGF-Rezeptor).<br />

Freies Ca 2+ hat in <strong>de</strong>r Zelle nur eine sehr<br />

kurze Lebensdauer. Nach Einstrom aus <strong>de</strong>m<br />

Extrazellulärraum o<strong>de</strong>r aus Speichern <strong>de</strong>s<br />

endoplasmatischen Reticulums, wird nicht<br />

gebun<strong>de</strong>nes Ca 2+ über eine ATP-abhängige<br />

Pumpe o<strong>de</strong>r einem Na-Antiporter aus <strong>de</strong>r<br />

Zelle entfernt (genaueres in <strong>de</strong>r 7. Vorlesungsstun<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Ca 2+ -Haushalt; z.B. Bild 7-4).<br />

Wie lässt sich ein vorübergehen<strong>de</strong>r Anstieg <strong>de</strong>s Ca 2+ -Spiegels, <strong>de</strong>r nur wenige Sekun<strong>de</strong>n anhält,<br />

nachweisen? Es gibt eine größere Zahl an membrangängigen Ca 2+ bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Molekülen,<br />

die nach Eintritt in die Zelle durch Esterasen so modifiziert wird, dass sie die Membran nach<br />

außen nicht mehr passieren kann. Wenn diese Verbindungen Calcium bin<strong>de</strong>n, fluoreszieren<br />

sie sehr stark, was photometrisch einfach nachzuweisen ist. Die Fluoreszenz lässt nach kurzer<br />

Zeit wie<strong>de</strong>r nach, weil die intrazelluläre Konzentration an Calciumionen rasch wie<strong>de</strong>r abnimmt.<br />

Protein Funktion<br />

Acetyl-CoA-Carboxylase Fettsäuresynthese<br />

ATP-Citrat-Lyase Fettsäuresynthese<br />

Glykogensynthase-Kinase Glykogensynthese<br />

HMG-CoA-Reduktase Cholesterinsynthese<br />

Phosphofructokinase Glykolyse<br />

Phospholipase A2 Arachidonsäure-Freisetzung<br />

EGF-Rezeptor Zellproliferation<br />

Tabelle 4-16. Substrate <strong>de</strong>r CaM-Kinasen<br />

IP 3<br />

Calmodulin:<br />

(Ca 2+ -Rezeptor)<br />

ER (SR)<br />

CaM-Kinase<br />

Ca 2+<br />

Bild 4-15. IP3 setzt Ca 2+ aus ER (SR) frei. Freies Calcium bin<strong>de</strong>t an<br />

Calmodulin, einem intrazellulären Ca 2+-Rezeptor. Dieser aktiviert die<br />

CaM-Kinasen, welche eine Reihe wichtiger Schrittmacher aktivieren<br />

(z.B. die Phosphorylase-Kinase) o<strong>de</strong>r inaktivieren (siehe Bild 4-18).<br />

31


Kapitel 4 - Adrenalin, Noradrenalin<br />

4.6 Catecholaminwirkungen<br />

Allgemein steigern Catecholamine die Bereitschaft <strong>de</strong>s Organismus hohe Leistungen zu<br />

erbringen. Adrenalin erhöht die Pulsfrequenz und das Herzminutenvolumen und reduziert <strong>de</strong>n<br />

peripheren Gefäßwie<strong>de</strong>rstand bei gleichzeitiger Konstriktion <strong>de</strong>r Blutgefäße von Darm, Niere<br />

und Haut. Damit wird eine bessere Durchblutung <strong>de</strong>s Skelettmuskels auf Kosten <strong>de</strong>s Darms<br />

erreicht. Das Leistungsvermögen <strong>de</strong>s Organismus wird zusätzlich durch Bereitstellung von<br />

Energiequellen (<strong>Glucose</strong> aus <strong>de</strong>m Abbau von Glykogen, Fettsäuren und Glycerin aus <strong>de</strong>m<br />

Abbau von Fetten) gesteigert. Die Gluconeogenese aus Aminosäuren in <strong>de</strong>r Leber trägt weiter<br />

zu einer besseren Versorgung <strong>de</strong>s Organismus (Gehirn) mit <strong>Glucose</strong> bei. Die Insulinsekretion<br />

(die eine Senkung <strong>de</strong>s cAMP-Siegels zur Folge hätte) wird gehemmt.<br />

➨ Blutglucose steigernd<br />

➨ Muskel:<br />

1 <strong>Glucose</strong>aufnahme wird geför<strong>de</strong>rt<br />

➨ Leber:<br />

1 Gluconeogenese aus Aminosäuren wird geför<strong>de</strong>rt<br />

(durch Aktivierung <strong>de</strong>r Schrittmacherenzyme <strong>de</strong>r Gluconeogenese)<br />

2 Glykogenabbau wird stimuliert<br />

(durch Aktivierung <strong>de</strong>r Phosphorylase-Kinase)<br />

3 Glykogensynthese wird gehemmt<br />

(durch Aktivierung <strong>de</strong>r Glykogensynthase-Kinase)<br />

4 Glykolyse wird gehemmt<br />

(durch Hemmung <strong>de</strong>r Phosphofructokinase)<br />

5 Protein- und Aminosäuremetabolismus<br />

(durch Aktivierung proteolytischer Enzyme, von Transaminasen, <strong>de</strong>r Serin<strong>de</strong>-<br />

hydratase und Tryptophanoxidase)<br />

6 Ketonkörperbildung wird geför<strong>de</strong>rt<br />

➨ Fettgewebszellen:<br />

1 <strong>Glucose</strong>aufnahme wird gehemmt<br />

2 Fettmobilisierung wird geför<strong>de</strong>rt<br />

(durch Aktivierung <strong>de</strong>r hormonsensitiven Lipase)<br />

➨ Hormonproduzieren<strong>de</strong> Drüsen<br />

① Glucagonsekretion wird geför<strong>de</strong>rt (Synergie)<br />

② Insulinsekretion wird gehemmt<br />

③ CRH-Ausschüttung wird geför<strong>de</strong>rt<br />

4.7 Catecholaminmetabolismus<br />

Catecholamine wer<strong>de</strong>n zum größten Teil in <strong>de</strong>r Leber und in <strong>de</strong>r Niere abgebaut und die Abbauprodukte<br />

im Urin ausgeschie<strong>de</strong>n. Zwei Enzyme sind beim Abbau <strong>de</strong>s Adrenalins und <strong>de</strong>s<br />

Noradrenalins beson<strong>de</strong>rs wichtig: Catecholamin-O-Methyltransferase (COMT), das die Methylierung<br />

<strong>de</strong>r OH-Gruppe in <strong>de</strong>r meta-Stellung <strong>de</strong>s Rings katalysiert, und die Monoaminoxidase<br />

(MAO), welche das primere bzw. sekundäre Amin <strong>de</strong>s Noradrenalins bzw. Adrenalins<br />

zum Al<strong>de</strong>hyd oxidiert. Dabei entsteht Vanillinman<strong>de</strong>lal<strong>de</strong>hyd und Ammoniak bzw. Methylamin.<br />

Vanillinman<strong>de</strong>lal<strong>de</strong>hyd kann entwe<strong>de</strong>r zum entsprechen<strong>de</strong>n Alkohol reduziert, o<strong>de</strong>r zu<br />

Vanillinman<strong>de</strong>lsäure (VMA) oxidiert wer<strong>de</strong>n. Vanillinman<strong>de</strong>lsäure hat für die klinische Diagnostik<br />

eine gewisse Be<strong>de</strong>utung: eine Erhöhung <strong>de</strong>r VMA im Urin kann auf einen catecholaminproduzieren<strong>de</strong>n<br />

Tumor hinweisen. Ein kleiner Teil <strong>de</strong>r Catecholamine wird unverän<strong>de</strong>rt<br />

im Urin ausgeschie<strong>de</strong>n.<br />

32


5 Hormone <strong>de</strong>r Nebennierenrin<strong>de</strong>: Cortisol<br />

Kapitel 5 -Cortisol<br />

Fallbeschreibung (Bild 5-1). Ein 35 jähriger Patient klagt seit einem Jahr über Depressivität<br />

sowie stammbetonten Fettansatz. Bei muskulärer Schwäche <strong>de</strong>r Beine zieht sich <strong>de</strong>r Patient<br />

bei einem banalen Sturz eine Unterschenkelfraktur zu. Das Röntgenbild zeigt eine erhebliche<br />

Osteoporose. Bei <strong>de</strong>r klinischen Untersuchung fallen abdominale Striae rubrae sowie eine<br />

arterielle Hypertonie bei normalen Elektrolytwerten auf. Im weiteren Verlauf kommt es zur<br />

Ausbildung rundlicher Gesichtszüge mit Fettpolster im Nacken und im Supraklavikulärbereich.<br />

Die Cortisolbestimmung im 24-h-Urin ist <strong>de</strong>utlich erhöht.<br />

Überproduktion von Cortisol ist die Ursache für Morbus Cushing. Viele <strong>de</strong>r beobachteten<br />

Beschwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Patienten lassen sich heute molekular erklären. Die Depressionen allerdings<br />

sind auf molekularer Basis noch nicht verstan<strong>de</strong>n. Der stammbetonte Fettansatz, Stiernacken,<br />

Mondgesicht sind Folge <strong>de</strong>r Lipidmobilisierung durch Cortisol (Bild 5-2). Da die Lipi<strong>de</strong> nicht<br />

verbrannt wer<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n sie im Körper umverteilt. Die Osteoporose rührt von <strong>de</strong>r Wirkung<br />

<strong>de</strong>s Cortisols auf die Osteoblasten. Die Muskelschwäche ist die Folge <strong>de</strong>s Proteinabbaus, die<br />

durch Cortisol geför<strong>de</strong>rt wird; auch die Striae rubrae entstehen durch Schädigung <strong>de</strong>r elastischen<br />

Fasern. Die arterielle Hypertonie wie<strong>de</strong>rum ist molekular noch nicht ganz verstan<strong>de</strong>n.<br />

Ursache <strong>de</strong>s M. Cushing ist meistens, wie auch in unserem Fallbeispiel, ein Hypophysena<strong>de</strong>nom.<br />

Bild 5-2. Morbus Cushing Patient<br />

Cortisol ist <strong>de</strong>r Hauptvertreter <strong>de</strong>r Glucocorticoi<strong>de</strong>; darunter wer<strong>de</strong>n Nebennierenrin<strong>de</strong>n-<br />

Hormone (Cortisol, Cortison, Corticosteron) und strukturverwandte synthetische Verbindungen<br />

(z.B. Dexamethason, Triamcinolon etc.) verstan<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Intermediärstoffwechsel,<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Zuckerstoffwechsel beeinflussen. Dies wird durch die Vorsilbe „Gluco-„<br />

ausgedrückt. „corticoid“ weist auf die Herkunft aus <strong>de</strong>r Nebennierenrin<strong>de</strong> hin (Rin<strong>de</strong> = Cortex).<br />

Cotisol ist bezüglich seiner Wirkung auf <strong>de</strong>n Intermediärstoffwechsel in mehrfacher<br />

Hinsicht ein Antagonist <strong>de</strong>s Insulins: Insulin hemmt die hepatische Gluconeogenese, Cortisol<br />

stimuliert sie; Insulin senkt <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel, Cortisol erhöht ihn; Insulin stimuliert <strong>de</strong>n<br />

Aufbau von Proteinen aus Aminosäuren, Cortisol för<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Proteinabbau zu Aminosäuren<br />

(Proteolyse); Insulin hemmt die Lipolyse während Cortisol sie stimuliert.<br />

33


Kapitel 5 -Cortisol<br />

Unter normalen Bedingungen sezernieren die Nebennieren eines erwachsenen Menschen ungefähr<br />

30 mg Cortisol pro Tag. Unter hohem Stress (z.B. bei Krankheit, lang anhalten<strong>de</strong>m<br />

Hunger) kann die Cortisolproduktion und damit die Blut-Cortisolkonzentration um ein mehrfaches<br />

ansteigen. Hohe Konzentrationen spielen eine wichtige Rolle bei <strong>de</strong>r Bewältigung von<br />

(z.B. krankheitsverursachten) Stress durch <strong>de</strong>n Körper. Sie wirken Entzündungsvorgängen<br />

entgegen und wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb zur Behandlung gewisser chronischer Entzündungen (z.B. <strong>de</strong>r<br />

primär chronischen Gelenkentzündung) eingesetzt. Hohe Glucocorticoidkonzentrationen beeinflussen<br />

außer<strong>de</strong>m die Leukocyten <strong>de</strong>s peripheren Bluts, in<strong>de</strong>m sie eine Granulocytose (Zunahme<br />

<strong>de</strong>r neutrophilen Granulocyten), eine Lympho- und Eosinopenie (Abnahme <strong>de</strong>r Lymphozyten,<br />

beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r T-Lymphozyten, und <strong>de</strong>r Eosinophilen) verursachen.<br />

5.1 Biosynthese und Sekretion <strong>de</strong>s Cortisols<br />

Die Biosynthese <strong>de</strong>s Cortisols erfolgt aus Cholesterin. Zuerst wird die Seitenkette <strong>de</strong>s Cholesterins<br />

in Position 20 und 22 hydroxyliert. Durch die Hydroxylierungen ist die C-C-Bindung<br />

labilisiert; nun kann die Seitenkette (Isocapronal<strong>de</strong>hyd) durch das Enzym Desmolase ab-<br />

gespalten wer<strong>de</strong>n. Die Abspaltung <strong>de</strong>r Seitenkette ist <strong>de</strong>r geschwindigkeitsbestimmen<strong>de</strong><br />

Schritt <strong>de</strong>r Cortisolsynthese, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r mitochondrialen Matrix erfolgt. Durch Abspaltung <strong>de</strong>r<br />

Seitenkette entsteht Pregnenolon. Die nächsten zwei Schritte erfolgen in Cytosol, während die<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n Hydroxylierungen in <strong>de</strong>n Mitochondrien (11-, 18-Hydroxylierung) bzw. im<br />

Cytosol (17-, 21-Hydroxylierung) ablaufen. Cortisol wird nach <strong>de</strong>r Sekretion im Blutplasma<br />

wegen seiner schlechten Löslichkeit an Transcortin (einem Serumprotein) gebun<strong>de</strong>n transportiert.<br />

Der Cortisolspiegel unterliegt einem cirkadianen Rhythmus (Bild 5-4): die höchste<br />

Serumkonzentration wird in <strong>de</strong>n Morgenstun<strong>de</strong>n erreicht.<br />

34<br />

Cholesterin<br />

Pregnenolon<br />

Progesteron<br />

Cortisol<br />

20-, 22-OH,<br />

Desmolase<br />

OH- Oxidation<br />

Doppelbindung<br />

Hydroxylierungen<br />

17-, 21-, 11-OH<br />

Bild 5-3. Die Cortisol-Biosynthese erfolgt aus Cholesterin. Zuerst wird die Seitenkette in Position 20 und 22 hydroxyliert. Durch die Hydroxylierungen<br />

ist die C-C-Bindung labilisiert; nun kann die Seitenkette (Isocapronal<strong>de</strong>hyd) abgespalten wer<strong>de</strong>n. Der geschwindigkeitsbestimmen<strong>de</strong> Schritt <strong>de</strong>r<br />

Cortisolbiosynthese ist die Abspaltung <strong>de</strong>r Seitenkette, die in <strong>de</strong>r mitochondrialen Matrix durch die Desmolase erfolgt. Dabei entsteht Pregnenolon. Die<br />

nächsten zwei Schritte erfolgen in Cytosol; Dabei wird die OH-Gruppe zu C=O oxidiert und die Doppelbindung im Steroidgerüst umgeklappt; dabei<br />

entsteht Progesteron. Die letzten 3 Schritte vom Progesteron zu Cortisol sind Hydroxylierungen. Die Hydroxylierung in <strong>de</strong>n Positionen 11 und 18 (bei<br />

<strong>de</strong>r Aldosteronsynthese) erfolgen in Mitochondrien, während die Hydroxylierungen in <strong>de</strong>n Positionen 17 und 21 im Cytosol ablaufen.


Kapitel 5 -Cortisol<br />

Ort <strong>de</strong>r Cortisol-Biosynthese ist die Nebennierenrin<strong>de</strong> (Cortex). Sie glie<strong>de</strong>rt sich morphologisch<br />

und funktionell in drei Zonen (Bild 5-4), die alle aus Epithelzellsträngen aufgebaut sind,<br />

zwischen <strong>de</strong>nen reichlich Blutkapillaren liegen: die äußere schmale „geknäuelte“ Zona glomerulosa,<br />

die breiteste, mittlere „gebün<strong>de</strong>lte“ Zona fasciculata und die innerste „netzförmige“<br />

Zona reticularis. Aldosteron und etwa die Hälfte <strong>de</strong>s zirkulieren<strong>de</strong>n Corticosterons wer<strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>r Zona glomerulosa gebil<strong>de</strong>t. Cortisol und <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>s Corticosterons wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

Zona fasciculata und reticularis produziert, während die adrenale Androgenproduktion in <strong>de</strong>r<br />

Zona reticularis stattfin<strong>de</strong>t. Cortisol (das wichtigste Glucocorticoid) spielt eine Be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />

Rolle als Regulator <strong>de</strong>s Intermediärstoffwechsels und als Modulator <strong>de</strong>s Immunsystems. Aldosteron<br />

(wichtigstes Mineralocorticoid) reguliert das Ionenmilieu.<br />

5.2 Regulation <strong>de</strong>r Cortisolsynthese<br />

Die Synthese und Ausschüttung von Steroidhormonen wird von vorgeschalteten Hormonen<br />

gesteuert (Bild 5-5). Die Sekretion von Cortisol erfolgt nach Stimulation <strong>de</strong>r Nebennierenrin-<br />

Bild 5-4. Bildungsort für Cortisol ist die Zona fasciculata <strong>de</strong>r Nebennierenrin<strong>de</strong>.<br />

Z. glomerulose: Aldosteronsynthese<br />

Z. fasciculata: Cortisolsynthese<br />

Z. reticularis: adrenale Androgene<br />

NN.-Mark: Catecholaminsynthese<br />

Die Cortisolausschüttung folgt einer<br />

circadianen Tagesrhytmik<br />

Höchste Konz.: ca. 6 Uhr früh<br />

<strong>de</strong> durch das hypophysäre Hormon ACTH (Adrenocorticotropes Hormon, auch Corticotropin<br />

genannt), welches wie<strong>de</strong>rum nach einem Stimulus durch das hypothalamische Hormon CRH<br />

(Corticotropin Releasing Hormon) sezerniert wird. Cortisol und ACTH beeinflussen wie<strong>de</strong>rum<br />

rückkoppelnd die Hypophyse und <strong>de</strong>n Hypothalamus, so dass ein Regelkreis entsteht. Das<br />

Immunsystem stimuliert über Zytokine (Interleukin-1, Interleukin -6, Tumor-Nekrose-Faktora)<br />

die Cortisolsynthese auf allen drei Ebenen (Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrin<strong>de</strong>).<br />

Corticotropin Releasing Hormon (CRH) wird von Nervenzellen (Neuroendokrinen Zellen)<br />

<strong>de</strong>s Hypothalamus gebil<strong>de</strong>t (Bild 5-6). An <strong>de</strong>n En<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Axone wer<strong>de</strong>n die CRH-Moleküle<br />

in das lokale Kapillarsystem im Infundibulum, in das sich die Arteria hypophysialis superior<br />

aufzweigt, freigesetzt. Durch die Portalvene gelangen die Hormone in das Kapillarnetz <strong>de</strong>s<br />

Hypophysenvor<strong>de</strong>rlappens und wer<strong>de</strong>n von CRH-Rezeptoren <strong>de</strong>r Zellen <strong>de</strong>s Hypophysenvor<strong>de</strong>rlappens<br />

(A<strong>de</strong>nohypophyse) gebun<strong>de</strong>n.<br />

35


Kapitel 5 -Cortisol<br />

Adrenocorticotropes<br />

Hormon (ACTH) wird<br />

in Zellen <strong>de</strong>s Hypophysenvor<strong>de</strong>rlappens<br />

als<br />

eine längere Vorstufe<br />

synthetisiert. Aus <strong>de</strong>r<br />

Vorstufe wer<strong>de</strong>n durch<br />

limitierte Proteolyse<br />

mehrere Hormone freigesetzt<br />

(siehe Bild 5-7):<br />

neben ACTH die Melanocyten<br />

stimulieren<strong>de</strong>n<br />

Hormone (a-MSH, ß-<br />

MSH, ?-MSH), Lipotrope<br />

Hormone (ß-LPH, ?-<br />

LPH) und verschie<strong>de</strong>ne<br />

endogene Opiate (Endorphine,<br />

Encephaline).<br />

Die Vorstufe (dieser vielen) Hormone wird <strong>de</strong>shalb auch Proopiomelanocortin (POMC) genannt.<br />

36<br />

Hypothalamus<br />

Hypophysen-VL<br />

Nebennieren-<br />

Rin<strong>de</strong><br />

Bild 5-6. CRH wird von Nervenzellen gebil<strong>de</strong>t und in ein lokales Kapillarsystem<br />

sezerniert<br />

Proopiomelanocortin (POMC):<br />

CORTISOL<br />

Bild 5-5. Die Cortisol-Freisetzung wird durch übergeordnete Zentren kontrolliert. Cortisol selbst wirkt<br />

über einen Rückkopplungsmechanismus hemmend auf die übergeordneten Zentren Hypothalamus und<br />

Hypophyse. Auch Zytokine, wichtige Mediatoren <strong>de</strong>s Immunsystems, wirken auf Hypothalamus und Hypophyse.<br />

-131 -55 -44 1 39 42 13<br />

Proteolyse<br />

γ-MSH ACTH ß-LPH<br />

Proteolyse<br />

γ -LPH<br />

α-MSH ß-MSH<br />

ß-Endorphin<br />

Streßsystem:<br />

biologische Uhr<br />

interne Stimuli:<br />

(Hunger)<br />

externe Stimuli<br />

Met-<br />

Encephalin<br />

Bil 5-7. ACTH wird zusammen mit weiteren Hormonen aus einer längeren Vorstufe durch spezifische Proteolyse<br />

gebil<strong>de</strong>t<br />

Immunsystem:<br />

Zytokine<br />

(IL-1, IL-6, TNF-α)<br />

stimulieren auf allen<br />

3 Ebenen;


5.3 Cortisol-Wirkungsmechanismus<br />

Kapitel 5 -Cortisol<br />

Der Rezeptor für Cortisol ist im Cytosol lokalisiert (im Gegensatz zu membranständigen Rezeptoren<br />

wie <strong>de</strong>m Insulinrezeptor, α- und ß-Rezeptoren für Catecholamine, Glucagonrezeptor<br />

etc.). Der Cortisolrezeptor liegt im Cytosol jedoch nicht in freier Form, son<strong>de</strong>rn an ein so genanntes<br />

Hitzeschockprotein (hsp90) gebun<strong>de</strong>n vor (Bild 5-8). Dieser merkwürdige Name<br />

rührt daher, weil viele tierische Zellen, die einem "Hitzeschock" ausgesetzt wer<strong>de</strong>n, eine kleine<br />

Zahl von Proteinen spezifisch synthetisieren, die die Zelle vor <strong>de</strong>m Hitzestress schützen.<br />

Hsp90 gehört zu diesen. Unter Hitzeschock versteht man eine Erhöhung <strong>de</strong>r Inkubationstemperatur<br />

auf ca. 42°C, einer Temperatur, bei <strong>de</strong>r das Leben eines Menschen bereits bedroht ist.<br />

Hsp90 fungiert als Inhibitor <strong>de</strong>s Cortisolrezeptors. hsp90 maskiert die DNA-Bindungsdomäne<br />

Cortisol<br />

Cytosol<br />

Cortisol-Rezeptor hsp90: Inhibitor<br />

<strong>de</strong>s Cortisol-Rezeptors<br />

DNA-Bindungs-<br />

Domäne<br />

Inhibitor<br />

Protein (Enzym)<br />

Hormon-<br />

Bindungsdomäne<br />

Kernlokalisierungs-<br />

Signal<br />

Hormon-<br />

Rezeptor-Komplex<br />

mRNA<br />

Gen-Enhancer<br />

Bild 5-8. Cortisol wirkt über einen intrazellulären Rezeptor auf die Expression spezifischer Gene.<br />

Plasmamembran<br />

Zellkern<br />

und das Kernlokalisierungs-Signal <strong>de</strong>s Cortisolrezeptors und verhin<strong>de</strong>rt so die Wan<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Rezeptors in <strong>de</strong>n Zellkern. Nach Bindung <strong>de</strong>s Hormons dissoziiert <strong>de</strong>r Inhibitor ab und <strong>de</strong>r<br />

Hormon-Rezeptor-Komplex wan<strong>de</strong>rt in <strong>de</strong>n Zellkern, wo er an spezifische Sequenzen in so<br />

genannten Enhancern o<strong>de</strong>r im Promotor an die DNA bin<strong>de</strong>t. Die Bindung <strong>de</strong>r Steroidhormon-Rezeptoren<br />

an die DNA bewirkt, in Kooperation mit an<strong>de</strong>ren, häufig gewebsspezifischen<br />

Transkriptionsfaktoren, eine selektive Expression bestimmter Gene. In Muskelzellen<br />

wer<strong>de</strong>n z.B. Gene, die für Proteasen codieren, aktiviert. Proteasen bauen die Muskelproteine<br />

ab und die freigesetzten Aminosäuren gelangen über die Blutbahn zur Leber. In <strong>de</strong>r Leber<br />

wer<strong>de</strong>n Aminosäure-metabolisieren<strong>de</strong> Schrittmacherenzyme (Transaminasen), gluconeogenetische<br />

Schrittmacherenzyme sowie die Glykogen-Synthase induziert. Somit kann die<br />

Leber <strong>Glucose</strong> und Glykogen aus Aminosäuren synthetisieren und <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel<br />

auch während langanhalten<strong>de</strong>r Hungerperio<strong>de</strong>n stabilisieren.<br />

mRNA<br />

37


Kapitel 5 -Cortisol<br />

5.4 Cortisolwirkungen<br />

Cortisolwirkungen auf <strong>de</strong>n Zuckerstoffwechsel. Cortisol för<strong>de</strong>rt die Gluconeogenese und<br />

stabilisiert während Hungerperio<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel. Dies gewährleistet die Funktion<br />

<strong>de</strong>s zentralen Nervensystems, das von <strong>de</strong>r Blutglucose abhängig ist.<br />

Ausgangsstoffe für die Gluconeogenese, wie Lactat, Pyruvat, Oxalacetat etc. sind in <strong>de</strong>r Leber<br />

nur in limitierten Mengen vorhan<strong>de</strong>n und müssen daher erst aus an<strong>de</strong>ren Quellen zur Verfügung<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n. Muskelprotein stellt einen großen Pool an Aminosäuren dar, aus <strong>de</strong>nen<br />

bei Hunger <strong>Glucose</strong> synthetisiert wer<strong>de</strong>n kann. Cortisol induziert in Muskelzellen Gene für<br />

Proteasen, die einen Teil <strong>de</strong>r Muskelproteine hydrolysieren und die Aminosäuren über die<br />

Proteolyse<br />

Blutbahn <strong>de</strong>r Leber zur Verfügung stellen (Bild 5-9). In <strong>de</strong>r Leber för<strong>de</strong>rt Cortisol die Expression<br />

Aminosäure metabolisieren<strong>de</strong>r Enzyme, vor allem von Transaminasen, <strong>de</strong>r Serin-<br />

Dehydratase, <strong>de</strong>r Tryptophan-Oxidase und viele mehr. Beson<strong>de</strong>rs gut untersucht ist die Reaktion<br />

<strong>de</strong>s Gens <strong>de</strong>r Tyrosin-Transaminase auf die Wirkung von Cortisol.<br />

Die aus <strong>de</strong>n Aminosäuren gebil<strong>de</strong>ten a-Ketosäuren (Pyruvat, a-Ketoglutarat) wer<strong>de</strong>n über<br />

Oxalacetat in die Gluconeogenese geschleust. Die Leber speichert einen Teil <strong>de</strong>r gewonnenen<br />

<strong>Glucose</strong> als Glykogen, ein an<strong>de</strong>rer Teil wird durch <strong>Glucose</strong>-6-phosphatase <strong>de</strong>phosphoryliert<br />

und kann danach ins Blut abgegeben wer<strong>de</strong>n. Die Blutglucose versorgt das ZNS. An<strong>de</strong>re Organe<br />

<strong>de</strong>cken ihren Bedarf an Energie (ATP) aus <strong>de</strong>r Verwertung von Ketonkörpern, die aus<br />

Fettsäuren unter Cortisol-Einfluss gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Damit die (wertvolle) <strong>Glucose</strong> von <strong>de</strong>r<br />

Muskulatur und von Fettgewebszellen nicht verbraucht wer<strong>de</strong>n kann, wird unter Cortisol die<br />

<strong>Glucose</strong>aufnahme in diese Zellen spezifisch gehemmt.<br />

Cortisolwirkungen auf <strong>de</strong>n Lipidstoffwechsel. Cortisol aktiviert in Adipocyten die hormonsensitive<br />

Lipase die aus <strong>de</strong>m Triacylglycerin-Depot Fettsäuren freisetzt (Bild 5-10). Freie<br />

Fettsäuren können begrenzt von Zellen aufgenommen und metabolisiert wer<strong>de</strong>n. Größere<br />

Mengen an Fettsäuren wer<strong>de</strong>n im Hungerzustand jedoch von <strong>de</strong>r Leber abgebaut und in Ke-<br />

38<br />

Muskel<br />

Protein<br />

Aminosäuren<br />

Fettgewebe<br />

ZNS<br />

Ery<br />

Aminosäuren<br />

Bild 5-9. Wirkungen <strong>de</strong>s Cortisols auf <strong>de</strong>n Zuckerstoffwechsel.<br />

Blut<br />

Harnstoff<br />

<strong>Glucose</strong><br />

- P<br />

Leber<br />

Aminosäuren<br />

NH 3<br />

α-Ketosäuren<br />

<strong>Glucose</strong>-6-P<br />

Glykogen<br />

Transaminie-rung<br />

Gluconeoge-nese<br />

Glykogensynthese


Kapitel 5 -Cortisol<br />

tonkörpern umgewan<strong>de</strong>lt. Ketonkörper, beson<strong>de</strong>rs ß-Hydroxybutyrat, ist gut löslich und kann<br />

das Vielfache <strong>de</strong>s Normalen Wertes im Blut erreichen. Ketonkörper sind hervorragend für die<br />

oxidative Phosphorylierung und ATP-Gewinnung geeignet. Selbst das Gehirn kann sich nach<br />

mehreren Hungertagen an die Verwertung von Ketonkörpern adaptieren und bis zu 50 % seines<br />

Energiebedarfs aus ß-Hydroxybuttersäure <strong>de</strong>cken. Durch Mobilisierung <strong>de</strong>r Fettreserven<br />

kann viel <strong>Glucose</strong> (und letzten En<strong>de</strong>s Protein) eingespart wer<strong>de</strong>n.<br />

Lipolyse<br />

Fettgewebe Blut Leber<br />

Fett<br />

Fettsäuren<br />

Ketonkörper<br />

KK-Wie<strong>de</strong>rverwertung<br />

Acetyl-CoA<br />

Bild 5-10. Wirkungen <strong>de</strong>s Cortisols auf <strong>de</strong>n Lipidstoffwechsel.<br />

Fettsäuren<br />

Ketonkörper<br />

Ox. Phosphorylierung<br />

ß-Oxidation<br />

Muskel u.a. Gew.<br />

Fettsäuren<br />

Acetyl-CoA<br />

Ketonkörper<br />

Cortisol wirkt entzündungshemmend. Über Wun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Körper eingedrungene Bakterien,<br />

an<strong>de</strong>re Mikroorganismen o<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong> Antigene führen zunächst zur Aktivierung <strong>de</strong>s unspezifischen<br />

Immunsystems. Gewebshormone erleichtern durch Erhöhung <strong>de</strong>r Gewebspermeabilität<br />

<strong>de</strong>n Zugang von Makrophagen und an<strong>de</strong>ren immunkompetenten Zellen zu <strong>de</strong>n betroffenen<br />

Stellen. Oft kann es jedoch zu Überreaktionen kommen, in<strong>de</strong>m etwa die Makrophagen<br />

nicht nur frem<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch körpereigene Zellen angreifen und phagozytieren. Es kommt<br />

Cortisol-Rezeptor-Komplex<br />

Expression <strong>de</strong>s<br />

Lipocortingens<br />

Synthese von Lipocortin<br />

hemmt<br />

Phospholipase A2<br />

Bild 5-11. Entzündungshemmen<strong>de</strong> Wirkung von Glucocorticoi<strong>de</strong>n (Cortisols).<br />

Ketogenese<br />

ATP<br />

Phospholipi<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Plasmamembran<br />

Arachidonsäure<br />

Prostaglandine<br />

Entzündung<br />

39


Kapitel 5 -Cortisol<br />

zu unerwünschten und oft schwer zu beherrschen<strong>de</strong>n Entzündungen.<br />

Zu <strong>de</strong>n entzündungsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Gewebshormonen gehören etwa die Prostaglandine, die im<br />

menschlichen Körper aus Arachidonsäure gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (Bild 5-11). Arachidonsäure wird<br />

mittels <strong>de</strong>r Phospholipase A2 aus Membranlipi<strong>de</strong>n freigesetzt. Cortisol aktiviert in peripheren<br />

Epithelzellen das Gen für Lipocortin. Lipocortin selbst - ein Protein - ist ein potenter Inhibitor<br />

<strong>de</strong>r Phospholipase A2 und kann auf diesem Weg die Bildung von Prostaglandinen hemmen.<br />

Letztlich beruht die entzündungshemmen<strong>de</strong> Wirkung <strong>de</strong>s Cortisols auf <strong>de</strong>r Hemmung <strong>de</strong>r<br />

Prostaglandinsynthese.<br />

Cortisol wirkt immunsuppressiv. Cortisol hemmt sehr effektiv immunologische Vorgänge.<br />

Synthetische Cortisol<strong>de</strong>rivate (Dexamethason, Triamcinolon) wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb auch dann therapeutisch<br />

eingesetzt, wenn überschießen<strong>de</strong> Abwehraktivitäten <strong>de</strong>s Immunsystems zu einer<br />

Schädigung <strong>de</strong>s Organismus führen könnten. Gefürchtet sind gegen eigene Organe gerichtete<br />

Autoimmunreaktionen, wie z.B. gegen ß-Zellen <strong>de</strong>s Pankreas beim juvenilen Diabetes mellitus.<br />

Cortisol<strong>de</strong>rivate wer<strong>de</strong>n auch bei allergischen Reaktionen therapeutisch eingesetzt.<br />

B-Zelle<br />

Für das Funktionieren <strong>de</strong>s Immunsystems müssen antigeninduzierte Differenzierungs- und<br />

Proliferierungs-Schritte von T- und B-Zell-Vorstufen eingeleitet wer<strong>de</strong>n. Beispielsweise wird<br />

eine B-zelle durch spezifischen Kontakt mit einer T-Helferzelle zur Differenzierung zu einer<br />

reifen Plasmazelle aktiviert, die anschließend sich stark vermehrt und große Mengen an Antikörpern<br />

sezerniert. Bei diesem Schritt wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n T-Helferzellen Interleukingene induziert<br />

und Interleukinmoleküle produziert. Interleukine regen die Plasmazellen zur raschen Vermehrung<br />

an, die dann große Mengen an Antikörpern produzieren.<br />

40<br />

z.B T-Zell-Rez.<br />

I-κB<br />

I-κB<br />

I-κB<br />

I-κB<br />

NF- κB<br />

I-κB<br />

I-κB<br />

I-κB<br />

I-κB<br />

NF-κB<br />

NF- κB<br />

Bild 5-13. Cortisol stimuliert die Expression <strong>de</strong>s I-?B-Gens in Helferzellen<br />

z.B. T-Helferzelle<br />

NF- κB<br />

Zellkern<br />

Interleukingen<br />

I-κB-Gen<br />

Cortisol-Rezeptor<br />

Interleukin<br />

Cortisol


Kapitel 5 -Cortisol<br />

Cortisol unterbin<strong>de</strong>t die Proliferation von T- und B-Zellen. Man dachte lange Zeit, dass <strong>de</strong>r<br />

Cortisolrezeptor in B-Zellen an postulierte Silencer-Elemente von Interleukingenen bin<strong>de</strong>t<br />

und dadurch die Expression <strong>de</strong>r Interleukingene unterdrückt. Mittlerweile wur<strong>de</strong>n mehrere<br />

Interleukingene kloniert und sequenziert. Erstaunlicherweise wur<strong>de</strong>n jedoch bei keinem Regulationselemente<br />

gefun<strong>de</strong>n, die auf Cortisol vermittelte Signale reagieren, Statt <strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n<br />

bei Interleukingenen Elemente ent<strong>de</strong>ckt, die <strong>de</strong>n Transkriptionsfaktor NF?B (NF-kappa-<br />

B) bin<strong>de</strong>n. Wie also bewirkt Cortisol die Unterdrückung <strong>de</strong>r B-Zell-Reifung?<br />

NF?B liegt im Cytosol <strong>de</strong>r B-Zelle als dimeres Protein vor, bestehend aus <strong>de</strong>m NF?B selbst<br />

und seinem Inhibitor I?B. I?B verhin<strong>de</strong>rt das Eindringen von NF?B in <strong>de</strong>n Zellkern und die<br />

Aktivierung von Interleukingenen. Fin<strong>de</strong>t ein Kontakt <strong>de</strong>r B-Zelle mit einer T-Helferzelle<br />

statt, so wird über <strong>de</strong>n T-Zell-Rezeptor eine Signalkaska<strong>de</strong> ausgelöst, ähnlich wie wir dies<br />

von membranständigen Hormonrezeptoren bereits kennen. Infolge dieser Signalkaska<strong>de</strong> wird<br />

eine Proteinkinase aktiviert, die <strong>de</strong>n Inhibitor <strong>de</strong>s NF?B, nämlich I?B, phosphoryliert. Dieses<br />

Phosphat dient als Signal für <strong>de</strong>n proteolytischen Abbau <strong>de</strong>s Inhibitors, worauf <strong>de</strong>r Transkriptionsfaktor<br />

NF?B freigesetzt wird und die Kernmembran passieren kann. Danach führt die<br />

Bindung von NF?B an <strong>de</strong>n Enhancer zur Induktion <strong>de</strong>r Interleukingene und zur Produktion<br />

großer Mengen an Interleukinen.<br />

Cortisol hingegen aktiviert das Gen für I?B (Bild 5-13) und führt zur Bildung einer großen<br />

Zahl von NF?B-Inhibitoren im Cytosol. Diese verhin<strong>de</strong>rn, dass ein NF?B-Molekül nach Aktivierung<br />

durch <strong>de</strong>n T-Zell-Rezeptor in <strong>de</strong>n Zellkern wan<strong>de</strong>rt und die Interleukingene induziert.<br />

Cortisol interferiert also mit <strong>de</strong>r induzierten Interleukinsynthese und verhin<strong>de</strong>rt dadurch<br />

die Reifung <strong>de</strong>r B-Zellen zu reifen Plasmazellen und <strong>de</strong>ren Vermehrung. Die Antigen induzierte<br />

Immunantwort bleibt aus.<br />

Bild 5-14. Defekt im 21-Hydroxylasegen führt zu Cortisolmangel (Adrenogenitales Syndrom,<br />

AGS).<br />

41


Kapitel 5 -Cortisol<br />

Defekte im 21-Hydroxylasegen führen zu Cortisolmangel. Das congenitale adrenogenitale<br />

Syndrom (AGS) ist durch Cortisol- und Aldosteronmangel charakterisiert. Durch die Fehlfunktion<br />

<strong>de</strong>s 21-Hydroxylasegens sind bei<strong>de</strong> Biosynthesewege, sowohl zum Aldosteron, als<br />

auch zum Cortisol blockiert (Bild 5-14). Es reichern sich Progesteron und 17-<br />

Hydroxyprogesteron an. Durch <strong>de</strong>n drastisch erniedrigten Cortisolspiegel entfällt die Rück-<br />

kopplung zur Hypophyse und zum Hypothalamus mit <strong>de</strong>r Folge, dass vermehrt CRH und<br />

ACTH ausgeschüttet wer<strong>de</strong>n. ACTH wie<strong>de</strong>rum aktiviert die Desmolase, was zu einer weiteren<br />

Bildung von Progesteron und 17-Hydroxyprogesteron führt. Aus diesen Substanzen wer<strong>de</strong>n<br />

vermehrt adrenale Androgene gebil<strong>de</strong>t. Diese führen bei Mädchen zu Virilisierung (Bild<br />

5-15), bei Knaben zu Pseudopubertas praecox. Je nach Schwere <strong>de</strong>s Aldosteronmangels kann<br />

beim adrenogenitalen Syndrom Salzverlust auftreten. Therapiemöglichkeiten bestehen durch<br />

Hormonsubstitution.<br />

42<br />

Vierjähriges Mädchen mit AGS Schweregrad IV<br />

Bild 5-15. Schweregra<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Virilisierung bei Mädchen nach Pra<strong>de</strong>r bei con<strong>de</strong>nitalem adrenogentalen<br />

Syndrom


6 Hormone <strong>de</strong>r Schilddrüse<br />

Kapitel 6 - Schilddrüsenhormone<br />

Fallbeschreibung (Bild 6-1). Eine 35 jährige Frau besucht <strong>de</strong>n Hausarzt und klagt über unangenehmes<br />

Herzklopfen (Palpitatio cordis) und lähmen<strong>de</strong> Müdigkeit. Sie berichtet, dass sie<br />

in letzter Zeit 4 kg an Gewicht verlor trotz gutem Appetit und ohne Maßnahmen um abzunehmen.<br />

Sie berichtet über gelegentliche Durchfälle.<br />

Bei <strong>de</strong>r Untersuchung fühlt sich ihre Haut warm und feucht an, <strong>de</strong>r ausgestreckte Arm zeigt<br />

einen leichten Tremor. Sie hat Tachycardie (110/min). Der Labortest ergibt einen erniedrigten<br />

TSH-Spiegel (


Kapitel 6- Schilddrüsenhormone<br />

selbe Enzym erfolgt die Jodierung von<br />

Tyrosinresten im Thyreoglobulin (Bild<br />

6-5) unter Bildung von Monojodtyrosin<br />

(MJT) und Dijodtyrosin (DJT). (4)<br />

Kopplungsreaktion von zwei DJT (Bild<br />

6-6) unter Bildung von Thyroxin (T4).<br />

Ein-Elektronen-Transfer durch die<br />

Schilddrüsen-Peroxidase führt zu Jod-<br />

Radikalen, die mit Tyrosin reagieren.<br />

Auch die Kopplungsreaktion läuft über<br />

einen Radikalmechanismus, ebenfalls<br />

von <strong>de</strong>r Peroxidase katalysiert. Dabei<br />

wird <strong>de</strong>r aromatische Rest <strong>de</strong>s jodierten<br />

Tyrosins auf ein an<strong>de</strong>res jodiertes Tyrosin<br />

übertragen, ohne dass ein Bruch<br />

in <strong>de</strong>r Proteinkette erfolgt. Zurück<br />

bleibt ein Dehydroalaninrest, <strong>de</strong>r zu<br />

Serin umgewan<strong>de</strong>lt wird. (5) Sekretion<br />

<strong>de</strong>s Thyreoglobulins in das Follikellumen<br />

wo es gespeichert wird. (6) Regulierte<br />

Rückaufnahme <strong>de</strong>s jodierten Thyreoglobulins<br />

in die Epithelzelle. (7)<br />

Fusion mit Lysosomen und proteolytischem<br />

Abbau unter Freisetzung von T4.<br />

(8) Wie<strong>de</strong>rverwertung <strong>de</strong>s Jods aus<br />

MJT, DJT und rT3 durch Dejodierung<br />

und Rezyklisierung. (9) Sekretion <strong>de</strong>r<br />

Hormone ins Plasma. (10) Umwandlung<br />

von T4 (Vorstufe) in T3 (aktives<br />

Hormon) durch Dejodasen in <strong>de</strong>r Peripherie.<br />

Die normale Schilddrüsenfunktion ist<br />

von einer täglichem Zufuhr von 150-<br />

300 µg Jodid abhängig. In Gegen<strong>de</strong>n, wo die Menge an aufgenommenem Jod 25-50 µg/Tag<br />

unterschreitet, tritt en<strong>de</strong>misch Kropf auf. Der Transport von Jodid in die Follikelzellen wird<br />

von <strong>de</strong>r Na + /K + Bild 6-5. Thyroxin entsteht aus Tyrosin.<br />

-ATPase getrieben (ist von Ouabain hemmbar). Die Aufnahme erfolgt gegen<br />

einen Gradienten von 20:1, bei Mangel sogar bis 300:1.<br />

6.2 Regulation <strong>de</strong>r T3 und T4-Sekretion durch <strong>de</strong>n Hypothalamus und durch<br />

die Hypophyse<br />

Der Hypothalamus erhält Informationen von verschie<strong>de</strong>nen Stellen <strong>de</strong>s ZNS (Limbisches System,<br />

interne Stimuli (Ernährungslage), externe Stimuli (Kälte, Hitze). Diese Einflüsse wer<strong>de</strong>n<br />

integriert und über neurosekretorische Zellen an die Hypophyse weitergegeben (Bild 6-8).<br />

Diese Weitergabe erfolgt durch die Sekretion <strong>de</strong>s Tripeptids TRH (Thyrotropin-Releasing-<br />

Hormone). TRH wird im Hypothalamus aus einem Pro-Hormon durch Proteolyse freigesetzt,<br />

in Vesikel verpackt und an die Nervenen<strong>de</strong>n weitertransportiert. TRH stimuliert die Sekretion<br />

von Thyrotropin (TSH) durch die Hypophyse. Thyrotropin (TSH) besteht aus zwei Untereinheiten<br />

α- und ß. Die α-Untereinheit besitzt 92 Aminosäuren und die ß-Untereinheit 110. Aktiv<br />

ist das Hormon nur wenn α und ß-Untereinheit assoziiert sind. Täglich wer<strong>de</strong>n 50-200 µg<br />

TSH sezerniert, das eine Halbwertszeit im Plasma von ca. 50 min. hat.<br />

44<br />

J<br />

MJT<br />

J<br />

J<br />

J2<br />

Peroxidase<br />

2 J - + H 2O 2 J 2<br />

Tyrosin<br />

J<br />

J<br />

J2<br />

J<br />

J<br />

DJT<br />

Aus 2 DJT entsteht durch Kopplung<br />

Thyroxin (T4):


Funktion <strong>de</strong>s TSH-Rezeptors. Der<br />

TSH-Rezeptor ist ein Glykoprotein<br />

(Bild 6-10). TSH aktiviert über <strong>de</strong>n<br />

Rezeptor sowohl das Phosphoinositol-<br />

als auch das cAMP-System. Über IP3<br />

wird <strong>de</strong>r Transport <strong>de</strong>s Jods aus <strong>de</strong>r<br />

Epithelzelle ins Follikellumen und die<br />

Jodierung <strong>de</strong>s Thyreoglobulins reguliert.<br />

Über das cAMP-System wird die<br />

Jodidaufnahme aus <strong>de</strong>m Plasma kontrolliert.<br />

Die Freisetzung von T4 ist ebenfalls<br />

von TSH abhängig. Der Sympathicus,<br />

Parasympathicus und<br />

Prostaglandin E wirken modulierend<br />

auf die Schilddrüse.<br />

Thyroxin und Trijodthyronin wirken in<br />

einer Rückkopplungs-Schleife hemmend<br />

auf <strong>de</strong>n Hypothalamus und die<br />

Hypophyse und unterdrücken die Sekretion<br />

von TRH bzw. TSH- (Bild 6-8).<br />

Die TSH-Konzentration im Blut <strong>de</strong>r<br />

Menschen ist sehr unterschiedlich (Bild<br />

6-9); von Individuum zu Individuum<br />

kann bei euthyroi<strong>de</strong>n Patienten ein<br />

zehnfacher Unterschied bestehen. Der<br />

Normalbereich für TSH reicht von 0,4<br />

bis 4 mU/L.<br />

Hypothalamus<br />

Hypophysen-VL<br />

Schilddrüse<br />

T3 < T4<br />

TRH<br />

TSH<br />

Kapitel 6 - Schilddrüsenhormone<br />

Bild 6-6 Kopplung zweier DJT zu Thyroxin (TG-gebun<strong>de</strong>n).<br />

Somatostatin<br />

Sympathicus<br />

Parasympathicus<br />

Prostaglandin E<br />

(modulierend)<br />

Bild 6-8. Die Thyroxinfreisetzung wird durch übergeordnete Zentren kontroliert<br />

Limbisches System<br />

interne Stimuli (Ernährung)<br />

externe Stimuli (Kälte)<br />

normal<br />

Kompensiertes<br />

autonomes A<strong>de</strong>nom<br />

45


Kapitel 6- Schilddrüsenhormone<br />

46<br />

hyperthyroid euthyroid hypothyroid<br />

0,01 0,1 1 10 100<br />

0,4 4 TSH (mU/L)<br />

Bild 6-9. Bei klinischen Untersuchungen wird meist nur <strong>de</strong>r TSH-Spiegel bestimmt. TSH-Konzentrationen,<br />

die sich um eine Größenordnung unterschei<strong>de</strong>n, sind normal.<br />

• Ist membranständig (Schilddrüsenzellen)<br />

• Aktiviert zwei Signalwege: cAMP und IP 3-Weg.<br />

Diese aktivieren die Jodidaufnahme bzw. TGB-<br />

Synthese<br />

• Besteht aus 2 Untereinheiten: α und β<br />

• Die α-UE ist i<strong>de</strong>ntisch mit α-UE von Luteinisieren<strong>de</strong>m<br />

Hormon (LH) und FSH<br />

• Autoantikörper, die <strong>de</strong>n Rezeptor stimulieren, führen<br />

zu Hyperthyroidismus (M. Basedow; engl. Graves<br />

disease)<br />

Bild 6-10. Eigenschaften <strong>de</strong>s TSH-Rezeptors.<br />

T4 und T3 bin<strong>de</strong>n mit hoher Affinität an<br />

Thyroxin bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Globulin (TBG): K D=2×10 -10 bzw. 2×10 -9<br />

Und mit <strong>de</strong>utlich geringerer Affinität (10 -8 - 10 -6 ) an<br />

TBPA (Transthyretin) und Albumin<br />

Nur freies Hormon ist biologisch aktiv<br />

Bei Schwangeren wird die Serunkonzentration an TBG<br />

verdoppelt; folglich erhöht sich <strong>de</strong>r Gesamt-T4-<br />

Spiegel. Der Spiegel an freiem T4 bleibt gleich<br />

Dies ist ein Mechanismus zur Regulation <strong>de</strong>r Homon-<br />

Konzentration<br />

Bild 6-11. Nur ein geringer Teil <strong>de</strong>r sezernierten Schilddrüsenhormone liegt in freier Form vor; <strong>de</strong>r Rest ist<br />

an Protein gebun<strong>de</strong>n.


Kapitel 6 - Schilddrüsenhormone<br />

Struktur <strong>de</strong>s TSH-Rezeptors. Der TSH-Rezeptor ist ein membranständiger Rezeptor bestehend<br />

aus zwei Untereinheiten: einer kleineren (92 kD) a- und einer größeren (110 kD) ß-<br />

Untereinheit. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich zwei weitere Hormone, nämlich das<br />

Follikel Stimulieren<strong>de</strong> Hormon (FSH) und Luteinisieren<strong>de</strong>s Hormon (LH) die selbe a-<br />

Untereinheit teilen. Es wird angenommen, dass die gemeinsame a-Untereinheit die Bindung<br />

<strong>de</strong>s jeweiligen Hormons erleichtert, die ß-Untereinheit hingegen die Spezifität <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n<br />

Hormonwirkungen bestimmt.<br />

Beim eingangs besprochenen Fall <strong>de</strong>s Patienten mit einer Schilddrüsenüberfunktion (Bild 6-1)<br />

han<strong>de</strong>lt es sich in Wirklichkeit um eine Autoimmunerkrankung, bei <strong>de</strong>r Antikörper gegen <strong>de</strong>n<br />

eigenen TSH-Rezeptor gerichtet sind. Es gibt Antikörper, welche die Funktion <strong>de</strong>s TSH-<br />

Rezeptors blockieren, aber auch solche, die die Funktion <strong>de</strong>r Rezeptors stark stimulieren. Im<br />

ersteren Fall wird <strong>de</strong>r Patient zu wenig Schilddrüsenhormone produzieren und sezernieren<br />

(z.B. Hashimoto-Hypothyreoidismus) im letzteren Fall kommt es zu einer Schilddrüsen-<br />

Überfunktion (z.B. Morbus Basedow; in <strong>de</strong>r angelsächsischen Literatur Graves disease bezeichnet).<br />

Die Autoantikörper stimulieren unentwegt <strong>de</strong>n TSH-Rezeptor, worauf zu viel Thyroxin<br />

produziert wird. Thyroxin wirkt hemmend auf die Hypophyse, worauf zu wenig TSH<br />

sezerniert wird, doch wirkt sich dies nicht auf die Produktion von Thyroxin (T4) und Trijodthyronin<br />

(T3) aus, weil <strong>de</strong>r TSH-Rezeptor durch die Antikörper unabhängig von TSH gewor<strong>de</strong>n<br />

ist.<br />

6.3 Nur ein geringer Teil <strong>de</strong>s<br />

sezernierten Thyroxins<br />

liegt in freier Form vor<br />

Im Serum sind die schlecht wasserlöslichen<br />

Schilddrüsenhormone zu über<br />

99 % an Serumproteine gebun<strong>de</strong>n,<br />

namentlich an das Thyroxin Bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Globulin (TBG), an Transthyretin<br />

(Thyroxin Bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Präalbumin,<br />

TBPA) sowie das Albumin und wer<strong>de</strong>n<br />

in dieser Form transportiert (Bild<br />

6-11). Das Thyroxin Bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Globulin<br />

(TBG) hat eine bemerkenswert<br />

hohe Affinität zu T4 (KD = 2·10 -10<br />

mol/L) und für T3 (KD = 2·10 -9<br />

mol/L). Diese Affinitäten liegen in <strong>de</strong>r<br />

Größenordnung von Hormonrezeptoren.<br />

Die an<strong>de</strong>ren Proteine, Thyroxin<br />

bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Präalbumin und Albumin<br />

bin<strong>de</strong>n die Schilddrüsenhormone mit<br />

geringerer Affinität. Der freie Hormonanteil<br />

beträgt 0,3 % beim T3 und<br />

0,03 % beim T4. Nur freies Hormon<br />

J<br />

J J<br />

Reverses Trijod<br />

thyronin (inaktiv)<br />

ist biologisch aktiv. Es wird also angenommen, dass die TBG gebun<strong>de</strong>nes Hormon sozusagen<br />

eine Vorratsform für Schilddrüsenhormone darstellt. Diese Eigenart ist wohl dadurch bedingt,<br />

dass Jod ein sehr seltenes Element ist und nicht beliebig zur Verfügung steht. Bei Schwangeren<br />

- wo vorauszusehen ist, dass größere Mengen an Thyroxin benötigt wer<strong>de</strong>n - wird die Serumkonzentration<br />

an TBG verdoppelt. Folglich erhöht sich <strong>de</strong>r Gesamt-T4-Spiegel; <strong>de</strong>r Spie-<br />

J<br />

J<br />

(T3) Trijod<br />

thyronin (aktiv)<br />

J<br />

J<br />

J<br />

J<br />

(T4) Thyroxin (wenig aktiv)<br />

Dejodasen<br />

Bild 6-12. Dejodasen wan<strong>de</strong>ln T4 in die aktive (T3) o<strong>de</strong>r inaktive (revT3) Form um.<br />

J<br />

47


Kapitel 6- Schilddrüsenhormone<br />

gel an freiem T4 jedoch bleibt gleich. Die Schwangere Frau ist auf <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Bedarf<br />

durch <strong>de</strong>n heranwachsen<strong>de</strong>n Fetus vorbereitet. Die Synthese und <strong>de</strong>r Abbau von TBG stellt<br />

somit einen weiteren Mechanismus zur Regulation <strong>de</strong>r Hormonkonzentration dar.<br />

6.4 Thyroxin (T4) ist eine Vorstufe für Trijodthyronin (T3), <strong>de</strong>m eigentlichen<br />

Hormon<br />

Die Schilddrüse sowie viele an<strong>de</strong>re Gewebe enthalten Dejodasen, welche Jodthyronine <strong>de</strong>jodieren<br />

(Bild 6-12). Die Dejodierung von T4 führt zu <strong>de</strong>m biologisch aktiven T3, wenn die Dejodierung<br />

am äußeren Ring erfolgt o<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>m inaktiven reversen T3 (rT3), wenn die Dejodierung<br />

am inneren Ring erfolgt. T3 ist 3-5 mal aktiver als T4, und gilt daher als das eigentliche<br />

Hormon, T4 dagegen als Vorstufe. Weiterführen<strong>de</strong> Dejodierungen inaktivieren die<br />

Schilddrüsenhormone und dienen <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rverwertung <strong>de</strong>s Jodids.<br />

6.5 Molekularer Wirkungsmechanismus <strong>de</strong>r Schilddrüsenhormone<br />

T3 gelangt in die Zielzelle und von dort in <strong>de</strong>n Zellkern. Dort bin<strong>de</strong>t das Hormon an <strong>de</strong>n Re-<br />

zeptor. Der Hormon-Rezeptor<br />

befin<strong>de</strong>t sich bereits an spezifische<br />

DNA-Sequenzen (Promotor,<br />

Enhancer) gebun<strong>de</strong>n. An<br />

dieser Stelle muss darauf hingewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n, dass im<br />

Zellkern die DNA nicht frei<br />

(nackt) vorliegt, son<strong>de</strong>rn durch<br />

Histone zu Nukleosomen und<br />

Chromatinstrukturen höherer<br />

Ordnung verpackt sind. Der<br />

T3-Rezeptor bin<strong>de</strong>t, meist als<br />

heterodimeres Molekül, zusammen<br />

mit einem an<strong>de</strong>ren<br />

Rezeptor (RXR-Rezeptor) an<br />

die regulatorische DNA-<br />

Sequenz (Bild 6-13). Seit kurzem<br />

weiß man, dass diese Bindung<br />

nicht zur Aktivierung,<br />

son<strong>de</strong>rn umgekehrt, zur Reprimierung<br />

<strong>de</strong>s Gens führt.<br />

Dies kommt daher, weil <strong>de</strong>r<br />

unbesetzte Rezeptor einen Corepressor<br />

rekrutiert, <strong>de</strong>r eine<br />

Histon-Deacetylase-Aktivität<br />

besitzt und die erreichbaren<br />

Histone <strong>de</strong>acetyliert. Die Deacetylierung<br />

spezifischer Stellen<br />

in Histonen scheint als Signal<br />

für die Reprimierung eines<br />

Gens zu dienen. Bin<strong>de</strong>t jedoch<br />

das Hormon an <strong>de</strong>n Rezeptor,<br />

so wird <strong>de</strong>r Corepressor durch<br />

einen Coaktivator ersetzt,<br />

dieser besitzt eine Histon-<br />

Acetylase-Aktivität und akti-<br />

48<br />

RXR-Rezeptor<br />

DNA<br />

Nucleosom<br />

T3-Rezeptor<br />

Corepressor<br />

Histon-Deacetylase<br />

In Abwesenheit von T3: Gen wird durch <strong>de</strong>acetylierte<br />

Histone reprimiert<br />

T3<br />

Coaktivator<br />

<strong>de</strong>acetylierte<br />

Histone<br />

Histon-Acetylase<br />

In Anwesenheit von T3: Gen wird durch acetylierte<br />

Histone aktiviert<br />

Bild 6-13. T3 wirkt über einen im Zellkern befindlichen Rezeptor<br />

acetylierte<br />

Histone


Kapitel 6 - Schilddrüsenhormone<br />

viert das betreffen<strong>de</strong> Gen. Schilddrüsenhormone induzieren spezifische mRNA-Synthese; die<br />

mRNAs wer<strong>de</strong>n im Cytosol zu Proteinen translatiert (Schilddrüsenhormon abhängige Proteine).<br />

Vor über zwei Jahrzehnten wur<strong>de</strong> bereits ein virales Oncogen namens v-Erb A aus einem<br />

Hühnervirus isoliert und sequenziert. Dieses Protein stellte sich als <strong>de</strong>r Schilddrüsenhormon-<br />

Rezeptor heraus, <strong>de</strong>r jedoch einen Aminosäureaustausch in <strong>de</strong>r Hormon bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Domäne<br />

besaß. Dieser Austausch führte zur Inaktivierung <strong>de</strong>s Rezeptors: dieser konnte kein Hormon<br />

mehr bin<strong>de</strong>n. Es stellte sich die Frage, warum ein Thyroidrezeptor, <strong>de</strong>r zur Hormonbindung<br />

nicht befähigt ist, zu einer malignen Entartung <strong>de</strong>r betroffenen Zelle führen kann. Heute kennt<br />

man möglicherweise die Antwort. Sollte die Aktivierung eines Tumor-Suppressor-Gens von<br />

Thyroxin abhängig sein, so wäre die richtige Antwort einfach: <strong>de</strong>r Corepressor wür<strong>de</strong> durch<br />

das Schilddrüsenhormon nicht gegen <strong>de</strong>n Coaktivator ausgetauscht und folglich das Tumor-<br />

Suppressor-Gen nicht durch das Hormon aktivierbar.<br />

6.6 Wirkungen <strong>de</strong>r Schilddrüsenhormone<br />

Schilddrüsenhormone beschleunigen <strong>de</strong>n Grundumsatz. Die Schilddrüse mit ihren Hormonen<br />

spielt eine unersetzliche Rolle für <strong>de</strong>n Organismus, bei <strong>de</strong>r eine Vielzahl von biochemischen<br />

Reaktionen peripherer Gewebe direkt o<strong>de</strong>r indirekt betroffen sind. Die Summe <strong>de</strong>r<br />

Wirkungen führt zur Kontrolle <strong>de</strong>s Grundumsatzes <strong>de</strong>s Stoffwechsels (Bild 14). Der Grundumsatz<br />

(GU) ist proportional <strong>de</strong>m Sauerstoffverbrauch und <strong>de</strong>r Körperoberfläche <strong>de</strong>s Organismus.<br />

Der GU wird in Kalorien pro m 2 pro Stun<strong>de</strong> ausgedrückt. Gemessen wird <strong>de</strong>r GU<br />

über <strong>de</strong>n O2-Verbrauch einer liegen<strong>de</strong>n und vollkommen ruhen<strong>de</strong>n Person 12 Stun<strong>de</strong>n nach<br />

<strong>de</strong>r Nahrungsaufnahme. Für einen normalgewichtigen Mann ist <strong>de</strong>r GU 35-40 Cal/m 2 /h o<strong>de</strong>r<br />

0.6 Cal/m 2 /min, für Frauen 6-10 % geringer. Bei Hormon<strong>de</strong>fizienz kann <strong>de</strong>r Wert auf 20-25<br />

fallen. Bei Hyperthyreose kann <strong>de</strong>r Wert dagegen auf 60-65 ansteigen.<br />

Kohlenhydratstoffwechsel. Schilddrüsenhormone erhöhen <strong>de</strong>n Blutglucosespiegel. Die<br />

Schrittmacherenzyme <strong>de</strong>r Gluconeogenese aus Aminosäuren wer<strong>de</strong>n induziert (Bild 6-15).<br />

Der Glykogenabbau wird durch Induktion <strong>de</strong>r Phosphorylase gesteigert.<br />

Lipidstoffwechsel. Der Lipidstoffwechsel ist kompliziert, da sowohl die Fettsäuresynthese als<br />

auch die Lipolyse gesteigert wer<strong>de</strong>n (Bild 6-15). Enzyme <strong>de</strong>r Fettsäuresynthese wer<strong>de</strong>n induziert:<br />

das Malatenzym und die <strong>Glucose</strong>-6-phosphat Dehydrogenase, die NADPH für die Fettsäurebiosynthese<br />

zur Verfügung stellen. Die Fettsäure-Synthase selbst wird auch induziert.<br />

Gleichzeitig erfolg eine verstärkte Lipolyse (Fettmobilisierung im Fettgewebe), vermutlich<br />

durch Aktivierung <strong>de</strong>r hormonsensitiven Lipase.<br />

Cholesterinstoffwechsel. Auch dieser ist auf <strong>de</strong>n ersten Blick verwirrend. Die Cholesterinsynthese<br />

wird über die Aktivierung <strong>de</strong>r HMG-CoA-Reduktase gesteigert (Bild 6-16), bei<br />

gleichzeitig erhöhtem Cholesterinumsatz und -Abbau. Durch die Wirkung <strong>de</strong>r Schilddrüsenhormone<br />

sinkt netto <strong>de</strong>r Cholesterinspiegel.<br />

Lysosomen. Lysosomale Enzyme (Hyaluronidase, Cholesterinesterase und Kathepsin D)<br />

wer<strong>de</strong>n induziert. Prominent ist die Hyaluronidase, die unter Thyroxin induziert wird. Bei<br />

Schilddrüsenhormonmangel wer<strong>de</strong>n Hyaluronsäuren verlangsamt abgebaut, wonach durch<br />

Anhäufung von Mucoproteinen unter <strong>de</strong>r Haut die Person eine aufgedunsene Erscheinung als<br />

Folge von Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Wasser- und Elektrolyt-Haushalts zeigt (Myxö<strong>de</strong>m).<br />

Myokard. Bei Hormonüberschuss beobachtet man eine Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Herzleistung (Bild 6-<br />

17). Eine gesteigerte Herztätigkeit, mit beschleunigtem Puls (Tachykardie) rührt von <strong>de</strong>r erhöhten<br />

Zahl <strong>de</strong>r ß-Rezeptoren auf Zellen <strong>de</strong>s Myokards. Auch die Myosinexpression ist ver-<br />

49


Kapitel 6- Schilddrüsenhormone<br />

än<strong>de</strong>rt: unter Thyroxin erfolgt ein Umschalten <strong>de</strong>s V 3 -Isoenzyms <strong>de</strong>r Myosin-ATPase zum<br />

V 1 -Isoenzym mit höherer ATPase-Aktivität.<br />

Wachstum, Differenzierung, Verhalten. Abhängig davon, ob <strong>de</strong>r Hormonspiegel überschritten<br />

o<strong>de</strong>r unterschritten ist, gibt es eine Reihe von auffälligen Effekten auf <strong>de</strong>n Stoffwechsel,<br />

die sich auf unterschiedlichen Ebenen <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>s Organismus manifestieren.<br />

Solche Effekte reichen von Verhaltensän<strong>de</strong>rungen (Depressivität) über Beeinträchtigung<br />

<strong>de</strong>s Wachstums: Schilddrüsenhormone för<strong>de</strong>rn das Wachstum durch Induktion <strong>de</strong>s Wachstumshormons<br />

(Somatostatin hemmt umgekehrt die Sekretion von TSH und wirkt wachstumshemmend),<br />

bis hin zu Myopathien <strong>de</strong>s Skelettmuskels, Störung <strong>de</strong>s Knochenwachstums und<br />

Immunsystems. Im braunen Fettgewebe von Kleinkin<strong>de</strong>rn wird durch die verstärkte Expression<br />

<strong>de</strong>s Thermogeningens die Körpertemperatur kontrolliert.<br />

50


Kapitel 6 - Schilddrüsenhormone<br />

1. Grundumsatz wird erhöht<br />

�Sauerstoffverbrauch ↑<br />

�Substratumsatz ↑<br />

�Energiegewinnung ↑<br />

�ATP-Synthase (+)<br />

�Thermogenese ↑<br />

2. Blut<br />

�Blutglucose ↑<br />

3. Kohlenhydratstoffwechsel<br />

�Gluconeogenese aus Aminosäuren ↑ (L)<br />

�Schrittmacherenzyme <strong>de</strong>r Gluconeogenese induziert<br />

�Glykogenabbau ↑�Phosphorylase wird induziert<br />

4. Lipidstoffwechsel (kompliziert)<br />

�Fettsäuresynthese ↑<br />

�Malatenzym induziert → [NADPH] ↑<br />

�<strong>Glucose</strong>-6-phosphat Dehydrogenase induziert → [NADPH] ↑<br />

�Fettsäuresynthase induziert<br />

�Lipolyse ↑<br />

5. Cholesterinstoffwechsel (kompliziert)<br />

�Cholesterinsynthese ↑ (L)<br />

�HMG-CoA-Reduktase induziert<br />

�Cholesterinumsatz und -Abbau ↑�Cholesterinspiegel ↓ (netto)<br />

6. Lysosomen<br />

�Lysosomale Enzyme induziert<br />

�Hyaluronidase ↑<br />

7. Wachstum ↑<br />

�STH (Wachstumshormon) gesteigert<br />

8. Differenzierung<br />

�Hirnentwicklung wird geför<strong>de</strong>rt�Anlage <strong>de</strong>r Ossifikationszentren<br />

9. Myokard<br />

�Zahl <strong>de</strong>r ß-Rezeptoren erhöht [Kontraktilität]<br />

�Myosinexpression ↑<br />

�Typ V3 → V1 mit erhöhter ATPase-Aktivität<br />

�Peripherer Gefäßwi<strong>de</strong>rstand ↓<br />

10. Braunes Fettgewebe<br />

�Expression <strong>de</strong>s Thermogenin-Gens → Körpertemperatur ↑<br />

Bil<strong>de</strong>r 6-14 bis 6-17. Wirkungen <strong>de</strong>r Schilddrüsenhormone auf <strong>de</strong>n Stoffwechsel/Organismus<br />

51


Kapitel 7- Calciumhaushalt<br />

7 Calcium regulieren<strong>de</strong> Hormone: Parathormon, Calcitonin,<br />

1,25-Dihydroxycholecalciferol<br />

Störungen <strong>de</strong>s Calciumhaushaltes. Das Leben<br />

<strong>de</strong>s Menschen ist an ziemlich enge Grenzen<br />

<strong>de</strong>s Serum-Calciumspiegels gebun<strong>de</strong>n<br />

(Bild 7-1). Serumwerte >2,4 mmol/l be<strong>de</strong>uten<br />

Hypercalzämie (Bild 7-2) und äußern sich<br />

vorwiegend in neurologisch-psychiatrischen<br />

und kardiovaskulären Symptomen sowie in<br />

metastatischen Verkalkungen. Je<strong>de</strong> mäßige<br />

o<strong>de</strong>r schwere Hyperkalzämie ist zwingend<br />

behandlungsbedürftig. Eine hypercalzämische<br />

Krise ist ein internistischer Notfall. Serum-<br />

werte 2,4 mmol/l äußern sich vorwiegend in neurologischpsychiatrischen<br />

und kardiovaskulären Symptomen sowie in metastatischen<br />

Verkalkungen.<br />

Je<strong>de</strong> mäßige o<strong>de</strong>r schwere Hyperkalzämie ist zwingend behandlungsbedürftig.<br />

Eine hyperkalzämische Krise ist ein internistischer Notfall.<br />

Hypokalzämie:<br />

Serumwerte


Kapitel 7 - Calciumhaushalt<br />

on und die normale neuromuskuläre Erregbarkeit wür<strong>de</strong>n ohne Calcium nicht funktionieren.<br />

Verringerung <strong>de</strong>r extrazellulären Ca 2+ -Konzentration führt zu einer Erniedrigung <strong>de</strong>r<br />

Schwelle <strong>de</strong>r Erregbarkeit von Muskel- und Nervenzell-Membranen. Dies kann zu Tetanie<br />

führen. Die Erhöhung <strong>de</strong>r extrazellulären Ca 2+ -Konzentration führt zu einer Abnahme <strong>de</strong>r<br />

Na + -Permeabilität und damit <strong>de</strong>r Erregbarkeit <strong>de</strong>r Membran. Calcium spielt bei sekretorischen<br />

Vorgängen aller Art (z.B. Insulinausschüttung) eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle.<br />

Calcium ist zweiter Bote bei <strong>de</strong>r Weitergabe hormoneller Signale (Bild 7-4, S. 55). Ca 2+<br />

dient als Signal-Überträger bei verschie<strong>de</strong>nen Arten <strong>de</strong>r Zellaktivierung. Es existieren li-<br />

gan<strong>de</strong>nabhängige und spannungsabhängige<br />

Ca 2+ -Kanäle, über<br />

die <strong>de</strong>r Einstrom von Calcium<br />

ins Cytosol gesteuert wird. Acetylcholin<br />

beispielsweise bin<strong>de</strong>t an <strong>de</strong>n<br />

nikotinischen Rezeptor, <strong>de</strong>r sich<br />

daraufhin öffnet. Der nikotinische<br />

Acetylcholinrezeptor ist eine Untereinheit<br />

eines kationen-spezifischen<br />

Ionenkanals, <strong>de</strong>r nach Öffnung<br />

Na + - und Ca 2+ -Ionen in die<br />

Zelle einströmen lässt. Spannungsabhängige<br />

Ca 2+ -Kanäle sind<br />

an verschie<strong>de</strong>nen Prozessen beteiligt.<br />

Sie spielen bei <strong>de</strong>r Muskelkontraktion<br />

eine wichtige Rolle. Wir<br />

haben sie auch im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Sekretion von Hormonen (explizit bei <strong>de</strong>r Insulinsekretion)<br />

kennen gelernt.<br />

Ca 2+ -Einstrom in das Cytosol kann auch aus Ca 2+ -Speichern im ER o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m sarkoplasmatischen<br />

Retikulum (SR) erfolgen. Der Einstrom wird von Hormonen ausgelöst, die <strong>de</strong>n<br />

Phosphatidyl-Inositol-Signaltransduktionsweg aktivieren. Dieser Weg wird durch Catecholamine<br />

über <strong>de</strong>n α1-Rezeptor eingeleitet und führt zur Aktivierung <strong>de</strong>r Phospholipase Cß. Wie<br />

wir bereits gelernt haben, spaltet Phospholipase Cß PIP2 zu DAG und IP3; letzteres Molekül<br />

bin<strong>de</strong>t an Kanäle <strong>de</strong>s ER (siehe Bild 4-15, S.31) und öffnet sie, wonach Ca 2+ aus <strong>de</strong>m ER ins<br />

Cytosol strömt.<br />

Calcium wird in <strong>de</strong>r Zelle von Proteinen (intrazellulären Rezeptoren) gebun<strong>de</strong>n. Im Herzmuskel<br />

von Troponin, das aus drei Untereinheiten besteht, von <strong>de</strong>nen Troponin C (C = Ca 2+ ) als<br />

Calciumrezeptor dient und an <strong>de</strong>r Regulation <strong>de</strong>r Muskelkontraktion beteiligt ist.<br />

Ein an<strong>de</strong>rer intrazellulärer Rezeptor ist Calmodulin. Dieser bin<strong>de</strong>t vier Ca 2+ -Ionen pro<br />

Protein und wird dadurch aktiviert. Calmodulin kann sich an an<strong>de</strong>re Proteine, wie Phosphorylase<br />

und Phosphorylase-Kinase <strong>de</strong>r Muskelzellen anlagern. Calmodulin ist Aktivator <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Ca 2+ /Calmodulin abhängigen Kinasen (CaM-Kinasen). Zu diesen gehören:<br />

* Myosin leichte Ketten Kinase<br />

* Phosphorylase-Kinase<br />

* CaM-Kinase III (aktiviert <strong>de</strong>n Elongationsfaktor <strong>de</strong>r Proteinbiosynthese)<br />

* CaM-Kinase II (multifunktionell). Die CaM-Kinase II ihrerseits hat viele Substrate,<br />

von <strong>de</strong>nen einige in <strong>de</strong>r Tabelle 7-5 aufgeführt sind.<br />

1. Knochenmineralisierung:<br />

Calcium und Phosphat bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n anorganischen Teil <strong>de</strong>s<br />

Knochens sowie <strong>de</strong>s Dentins und <strong>de</strong>s Schmelzes <strong>de</strong>r<br />

Zähne.<br />

ca. 1% <strong>de</strong>s KnochenCalciums ist als Pool verfügbar.<br />

2. Ca 2+ und Blutgerinnung:<br />

Durch Bindung an Carboxyglutamat <strong>de</strong>r Gerinnungsfaktoren<br />

an <strong>de</strong>r Aktivierung beteiligt.<br />

3. Ca 2+ und Muskelkontraktion:<br />

Auslösung <strong>de</strong>r Kontraktion<br />

4. Ca 2+ als Signal bei <strong>de</strong>r Zellaktivierung:<br />

Funktion als „Second Messenger“<br />

Bild 7-3. Wichtige Funktionen <strong>de</strong>s Calciums im menschlichen Organismus.<br />

53


Kapitel 7- Calciumhaushalt<br />

54<br />

Protein Funktion<br />

Acatyl-CoA-Carboxylase Schrittmacher <strong>de</strong>r Fettsäuresynthese<br />

ATP-Citrat-Lyase Schrittmacher <strong>de</strong>r Fettsäuresynthese<br />

HMG-CoA-Reduktase Schrittmacher <strong>de</strong>r Cholesterinsynthese<br />

Phosphofructokinase Schrittmacher <strong>de</strong>r Glykolyse<br />

Phospholipase A-II Arachidonsäure-Freisetzung<br />

Rezeptor für epi<strong>de</strong>rmalen Wachstumsfaktor<br />

(EGF-Rezeptor)<br />

Zellproliferation<br />

Intermediärfilamente Cytoskelett-Assemblierung<br />

Microtubulus assoziierte Proteine (MAPs) Mikrotubulus-Assemblierung<br />

Tabelle 7-5. Substrate <strong>de</strong>r CaM-Kinase II<br />

PTH wird in Zellen <strong>de</strong>r Nebenschilddrüse synthetisiert; ist ein Polypeptid von 84 Aminosäuren<br />

Sekretion:<br />

Beteiligt sind drei Organe: Knochen, Niere und Darm<br />

Beteiligt sind drei Hormone:<br />

Parathormon: Knochenresorption ↑, Bildung von Calcitriol ↑;<br />

Phosphatausscheidung ↑, Calciumausscheidung ↓;<br />

fi Serum-Calcium ›<br />

Calcitonin: Knochenmineralisierung ↑; Calciumaus-<br />

scheidung in <strong>de</strong>r Niere↑; fi Serum-Calcium fl<br />

1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol, Vit.-D3-Hormon):<br />

Calcium-Resorption im Darm ↑; Knochenresorption ↑,<br />

fi Serum-Calcium ›<br />

[Ca 2+ ] ↑<br />

Bild 7-6. Kontrolle <strong>de</strong>s Serum-Calciumspiegels.<br />

CaR<br />

[Ca 2+ ] im Serum bin<strong>de</strong>t an einen Kalciumrezeptor (CaR)<br />

(CaR) ist ein „7-TMD-Rezeptor“; aktiviert über G-Protein die PLC, PLA2 und PLD; senkt<br />

<strong>de</strong>n cAMP-Spiegel. Welcher Effekt für PTH-Sekretion wichtig ist, ist nicht bekannt.<br />

Bild 7-7. Biosynthese und Sekretion <strong>de</strong>s Parathormons<br />

Zelle <strong>de</strong>r Nebenschilddrüse<br />

→ cAMP ↓ →<br />

Aktivierung <strong>de</strong>r PLC, PLA2<br />

→ PTH ↓


Kapitel 7 - Calciumhaushalt<br />

7.2 Mechanismen, die <strong>de</strong>n intrazellulären Calciumspiegel niedrig halten<br />

Die Ca 2+ -Konzentration im Cytosol <strong>de</strong>r meisten Säugetiere ist niedriger als 10 -7 mol/l. Relativ<br />

zur extrazellulären Konzentration, die bei 1,2x10 -3 mol/l liegt, besteht an <strong>de</strong>r Plasmamembran<br />

damit ein 10.000-facher Konzentrationsunterschied (Gradient). Zu <strong>de</strong>n wichtigen Transportsystemen,<br />

die <strong>de</strong>n intrazellulären Spiegel niedrig halten gehören (Bild 7-4):<br />

* Ca 2+ -ATPasen (auch am ER)<br />

* ein Ca 2+ /Na + -Antiportsystem<br />

* ein nur bei Ca 2+ -Überladung benutztes System, das die Anreicherung von Calcium-<br />

phosphat in <strong>de</strong>n Mitochondrien ermöglicht.<br />

7.3 Täglicher Calciumbedarf <strong>de</strong>s Körpers<br />

Der tägliche Bedarf schwankt von Individuum zu Individuum erheblich, bedingt durch verschie<strong>de</strong>ne<br />

Faktoren, die <strong>de</strong>n Zugriff auf das vorhan<strong>de</strong>ne Calcium beeinflussen. So ist beispielsweise<br />

für die Nutzung <strong>de</strong>s Nahrungs-Calciums Vitamin D in ausreichen<strong>de</strong>r Menge nötig,<br />

<strong>de</strong>ssen Bildung von <strong>de</strong>r UV-Einstrahlung auf die Haut abhängig ist. Unsere zivilisierte<br />

Lebensform schirmt die Haut vor UV-Licht durch die Bekleidung ab. Ebenso kann eine Eiweißreiche<br />

Diät das Calciumgleichgewicht durch verstärkte Ausscheidung beeinträchtigen.<br />

Körperliche Aktivität för<strong>de</strong>rt die Effizienz <strong>de</strong>s Calciumeinbaus in die Knochen. Somit zeigten<br />

Vasopressin<br />

Leukotriene<br />

Purin-Rezeptor<br />

(extrazell. ATP)<br />

Aus Löffler-Petri<strong>de</strong>s:<strong>Biochemie</strong> und Pathobiochemie<br />

Herzmuskel<br />

Im Herzmuskel kann<br />

die Öffnungsdauer<br />

durch<br />

cAMP erhöht wer<strong>de</strong>n<br />

Adrenalin-ß<br />

Glucagon<br />

Adrenalin-α1<br />

TSH<br />

Wachstumsfaktoren<br />

IGF-1<br />

Bild 7-4. Regulation <strong>de</strong>r intrazellulären Calciumkonzentration. An <strong>de</strong>r Senkung <strong>de</strong>r intrazellulären Calciumkonzentration<br />

sind Pumpen, an <strong>de</strong>r Erhöhung Kanäle beteiligt.<br />

Untersuchungen an peruanischen Indianern, die in großen Höhen einer starken UV-Strahlung<br />

ausgesetzt sind, von eiweißarmer, nahezu ausschließlich vegetarischer Kost, leben und schwere<br />

körperliche Arbeit leisten, dass sie gut mit einer täglichen Calcium-Zufuhr von 300-400 mg<br />

auskommen. Studien an normalen Nordamerikanern zeigten hingegen, dass sie eine tägliche<br />

Zufuhr von 800-1200 mg benötigen. Während <strong>de</strong>r Schwangerschaft und <strong>de</strong>r Wachstumsphase<br />

steigt <strong>de</strong>r Calciumbedarf darüber hinaus noch an.<br />

55


Kapitel 7- Calciumhaushalt<br />

7.4 Regulation <strong>de</strong>s Plasma-Calciumspiegels<br />

Für optimales Wachstum und Funktionieren <strong>de</strong>s Körpers benötigen leben<strong>de</strong> Organismen eine<br />

angemessene Zufuhr von Calcium und Phosphat mit <strong>de</strong>r Nahrung. Höhere Lebewesen, wie<br />

<strong>de</strong>r Mensch, sind an eine kontinuierliche Zufuhr angewiesen. Die Plasmakonzentration bei<strong>de</strong>r<br />

Ionen wird, wie wir gesehen haben, in erstaunlich engen Grenzen gehalten. Im wesentlichen<br />

spielen drei Organe für diese Homöostase eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle (Bild 7-6): das Darmsystem,<br />

durch welches diese Ionen in das innere Milieu aufgenommen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Knochen, <strong>de</strong>r<br />

die Ionen speichert und bei Bedarf zur Regulation <strong>de</strong>s Serumspiegels Calciumionen abgeben<br />

kann und die Niere, welche die Geschwindigkeit <strong>de</strong>r Ausscheidung bestimmt.<br />

Die hauptsächlichen endokrinen Regulatoren <strong>de</strong>s Calcium- und Phosphathaushaltes sind die<br />

bei<strong>de</strong>n Peptidhormone Parathormon (PTH) und Calcitonin (CT) sowie das vom Steroidgerüst<br />

abgeleitete 1,25-Dihydroxycholecalciferol, auch Calcitriol genannt, das aus <strong>de</strong>r Vorstufe<br />

Vitamin D gebil<strong>de</strong>t wird.<br />

Die Plasmakonzentration von Phosphat ist eng mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Calciums verknüpft, wird jedoch<br />

nicht so stringent reguliert wie die <strong>de</strong>s Calciums. Unter normalen Bedingungen ist die Phosphatkonzentration<br />

<strong>de</strong>s Plasmas etwa 1,2 mM. Etwa 10 % sind an Protein gebun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Rest<br />

ist in freier Form als HPO4 2- o<strong>de</strong>r H2PO4 - vorhan<strong>de</strong>n. Das relative Verhältnis dieser bei<strong>de</strong>n<br />

Anionen ist vom pH <strong>de</strong>s Plasmas abhängig.<br />

7.5 Parathormon<br />

Biosynthese und Sekretion <strong>de</strong>s Parathormons. Parathormon ist ein aus 84 Aminosäuren<br />

bestehen<strong>de</strong>s Protein das in <strong>de</strong>n Zellen <strong>de</strong>r Nebenschilddrüse aus einer längeren Vorstufe gebil<strong>de</strong>t<br />

wird. Das Präpro-PTH wird zuerst synthetisiert und dann als Prohormon in die Cisternen<br />

<strong>de</strong>s rauhen ER entlassen. Wenige Minuten danach erreicht das Pro-PTH <strong>de</strong>n Golgi-<br />

Apparat wo es prozessiert und in Vesikeln gepackt wird. Bis zur Sekretion bleibt das Hormon<br />

in Vesikeln.<br />

Parathormon Sekretion. Die Parathormon-Sekretion wird durch <strong>de</strong>n extrazellulären Calciumspiegel<br />

gesteuert (Bild 7-7). Sinkt die Konzentration ab, so wird vermehrt Parathormon<br />

gebil<strong>de</strong>t und sezerniert. Bei erhöhter Calciumkonzentration nimmt die PTH-Sekretion ab. Die<br />

Regulation erfolgt über einen Calcium-Rezeptor, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Plasmamembran <strong>de</strong>r Zellen <strong>de</strong>r<br />

Epithelkörperchen verankert ist. Es han<strong>de</strong>lt sich um einen aus <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>r 7-<br />

Transmembrandomänen-Rezeptoren <strong>de</strong>r über ein inhibitorisches G-Protein (Gi) mit <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylatcyklase<br />

verbun<strong>de</strong>n ist. Aktivierung <strong>de</strong>s Rezeptors durch Calcium führt zu einer Abnahme<br />

<strong>de</strong>r intrazellulären cAMP-Spiegels. Unter diesen Bedingungen ist die Sekretion gehemmt. Der<br />

Rezeptor aktiviert auch die Phospholipase Cß und -A2. Welcher dieser Signalwege letztlich<br />

für die PTH-Sekretion ausschlaggebend ist, ist noch nicht voll aufgeklärt.<br />

Der biologische Abbau von PTH erfolgt in <strong>de</strong>r Leber nach Internalisierung, möglicherweise<br />

auch in <strong>de</strong>r Niere.<br />

Mechanismus <strong>de</strong>r Parathormonwirkungen. Parathormon erhöht <strong>de</strong>n Plasma-<br />

Calciumspiegel durch Wirkungen am Knochen, in <strong>de</strong>r Niere und im Dünndarm (Bild 7-8). In<br />

Zellen dieser Gewebe wur<strong>de</strong> eine dichte Besetzung <strong>de</strong>r Plasmamembran mit einem spezifischen<br />

PTH-Rezeptor nachgewiesen. Auch dieser Rezeptor gehört in die Familie <strong>de</strong>r Rezeptoren<br />

mit 7 Transmembran-Domänen, die über ein stimulieren<strong>de</strong>s G-Protein (Gs) mit <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>nylatcyklase<br />

verbun<strong>de</strong>n ist. Der PTH-Rezeptor erhöht <strong>de</strong>n intrazellulären cAMP-Spiegel.<br />

PTH-Rezeptoren fin<strong>de</strong>t man auch in weiteren Geweben wie Leber, Lunge, Testes, Uterus,<br />

Ovar, Brustdrüse, Haut, Skelettmuskel und Myocard. Hier ist die Funktion noch nicht aufge-<br />

56


Kapitel 7 - Calciumhaushalt<br />

klärt. Im Knochen sind die PTH-Rezeptoren auf <strong>de</strong>r Membran <strong>de</strong>r Osteoblasten, nicht jedoch<br />

<strong>de</strong>r Osteoklasten gefun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n.<br />

Biologische Wirkungen <strong>de</strong>s Parathormons.<br />

1 Am Knochen führt PTH nach einer etwa einstündigen Latenzphase zu einer Mobilisie-<br />

rung von Calcium aus <strong>de</strong>m Knochen.<br />

2 In <strong>de</strong>r Niere führt PTH zu einer verstärkten Phosphat- und einer vermin<strong>de</strong>rten Calci-<br />

um-Ausscheidung. Die zweite wichtige Funktion <strong>de</strong>s PTH besteht in <strong>de</strong>r verstärkten<br />

Hydroxylierung von 25-Hydroxycholecalciferol zum biologisch wirksamen 1,25-<br />

Dihydroxycholecalciferol.<br />

3 1,25-Dihydroxycholecalciferol steigert dann in <strong>de</strong>r Dünndarmmucosa die Calciumre-<br />

sorption.<br />

Die PTH-vermittelte Mobilisierung von Calcium aus <strong>de</strong>m Knochen wird durch die Tätigkeit<br />

<strong>de</strong>r Osteoklasten bewerkstelligt. Verwun<strong>de</strong>rlich ist, dass Osteoklasten keine PTH-Rezeptoren<br />

� Wirkungsmechanismus:<br />

� PTH bin<strong>de</strong>t an Rezeptoren von Osteoblasten, Nieren- und<br />

Darmzellen.<br />

� Erhöht <strong>de</strong>n cAMP-Spiegel in <strong>de</strong>r Zelle<br />

� Führt in Osteoblasten<br />

� zur Interleukin-1 Freisetzung<br />

� IL-1 aktiviert Osteoklasten, die <strong>de</strong>n Knochen abbauen, folglich<br />

Serum-Kalcium-Spiegel steigern<br />

� In <strong>de</strong>r Niere<br />

� Zu verstärkter Phosphat- und vermin<strong>de</strong>rter Ca 2+ -<br />

Ausscheidung.<br />

Hydroxylierung von<br />

25-Hydroxycholecalciferol (Calcitriol, D3-Hormon).<br />

� In <strong>de</strong>r Dünndarmmucosa<br />

� Stimuliert die Ca 2+ -Resorption (?)<br />

Bild 7-8. Parathormonwirkungen.<br />

besitzen. Die Tatsache, dass nur die Osteoblasten, nicht aber die Osteoklasten Rezeptoren für<br />

Parathormon besitzen <strong>de</strong>utet auf eine indirekte Wirkung <strong>de</strong>s Parathormons auf die Osteoklasten.<br />

Es besteht folgen<strong>de</strong> Beziehung beim Knochenumbau zwischen Osteoblasten und<br />

Osteoklasten (nach Löffler, Basiswissen, S. 674):<br />

* Osteoblasten wer<strong>de</strong>n durch PTH aktiviert und setzen Interleukin-1 frei.<br />

* Interleukin-1 führt zu einer Aktivierung von Osteoklasten. Diese produzieren Proto-<br />

nen, die Protease Kathepsin und eine saure Phosphatase. Unter <strong>de</strong>m Einfluss dieser<br />

Produkte wird <strong>de</strong>r Knochen unterhalb <strong>de</strong>s Osteoklasten bis auf eine Tiefe von etwa 70<br />

µm resorbiert, wobei die freiwer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Calciumionen von Osteoklasten aufgenom-<br />

men und in <strong>de</strong>n Extrazellulärraum transportiert wer<strong>de</strong>n.<br />

57


Kapitel 7- Calciumhaushalt<br />

* Anschließend hört die Aktivität <strong>de</strong>r Osteoklasten auf und diese wer<strong>de</strong>n durch pro-<br />

58<br />

grammierten Zelltod eliminiert. Freiwer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Faktoren stimulieren wie<strong>de</strong>rum die<br />

Osteoblasten.<br />

* Aktivierte Osteoblasten sind für die Auffüllung <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Osteoklasten erzeugten<br />

„Löcher“ (sog. Lakune) verantwortlich. Sie sythetisieren Kollagene und Proteoglyka-<br />

ne, die <strong>de</strong>n Defekt wie<strong>de</strong>r schließen und lagern anschließend Calcium und Phosphati-<br />

onen unter Bildung von Hydroxyapatit ein.<br />

Eine Aktivierung <strong>de</strong>r Osteoblasten erfolgt auch durch an<strong>de</strong>re Hormone, wie Östrogene und<br />

Wachstumshormon, während Glucocorticoi<strong>de</strong> die Aktivität dieser Zellen hemmen.<br />

7.6 Calcitonin (Thyreocalcitonin)<br />

Calcitonin (CT) ist ein Peptidhormon, das in <strong>de</strong>n C-Zellen <strong>de</strong>r Schilddrüse gebil<strong>de</strong>t wird. Bei<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Konzentration von freiem Calcium im Plasma wird Calcitonin sezerniert (Bild<br />

7-9). Calcitonin hemmt die Freisetzung von Calcium aus <strong>de</strong>m Knochen und för<strong>de</strong>rt, über die<br />

Aktivierung <strong>de</strong>r Osteoblasten, Knochenanbauprozesse. Die Ausscheidung von überschüssigem<br />

Calcium durch die Niere wird von Calcitonin geför<strong>de</strong>rt (Bild 7-14).<br />

� CT ist ein Peptidhormon und wird in <strong>de</strong>n C-Zellen <strong>de</strong>r<br />

Schilddrüse gebil<strong>de</strong>t<br />

� Bei Erhöhung <strong>de</strong>r Ca 2+ -Konzentration wird CT freigesetzt<br />

� Hemmt die Freisetzung von Ca 2+ aus <strong>de</strong>m Knochen; för<strong>de</strong>rt<br />

Knochenanbau;<br />

� för<strong>de</strong>rt Ca 2+ -Ausscheidung durch die Niere.<br />

� Senkt <strong>de</strong>n Serum-Calcium-Spiegel<br />

Bild 7-9. Eigenschaften <strong>de</strong>s Calcitonins.<br />

Im Hypothalamus entsteht aus <strong>de</strong>m selben Gen, jedoch durch alternatives Spleißen <strong>de</strong>r<br />

mRNA-Vorstufe, ein an<strong>de</strong>res Produkt, nämlich das „Calcitonin Gene-Related Product“<br />

(CGRP). Die Funktion ist noch unbekannt.<br />

7.7 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol)<br />

Die molekulare Struktur <strong>de</strong>s Calcitriols hat eine enge Verwandtschaft zur Struktur <strong>de</strong>r klassischen<br />

Steroidhormone. Es ist ein historischer Zufall, dass Calciferole als Vitamine und nicht<br />

als Hormone eingestuft wur<strong>de</strong>n. Da bei <strong>de</strong>r Biosynthese aus 7-Dehydrocholesterin (Provitamin<br />

D3) einer <strong>de</strong>r Schritte UV abhängig ist, nämlich die Umwandlung von 7-Dehydrocholesterin<br />

zu Cholecalciferol (Vitamin D3), wird diese Substanz bei mangeln<strong>de</strong>r Lichteinwirkung<br />

zu einem essentiellen Nahrungsbestandteil, wie an<strong>de</strong>re Vitamine. Das Tragen von<br />

Kleidung schirmt zivilisierte Menschen weitgehend von UV-Licht ab, infolge<strong>de</strong>ssen müssen<br />

sie Cholecalciferol mit <strong>de</strong>r Nahrung aufnehmen. Erst seit 1965-70 wird von <strong>de</strong>r Wissenschaft<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s „Vitamins D“ als Hormon betont. Das tierische 7-Dehydrocholesterin<br />

(Provitamin D3) unterschei<strong>de</strong>t sich von <strong>de</strong>m pflanzlichen Ergosterol (Provitamin D2) nur<br />

durch eine Doppelbindung und einer weiteren Methylgruppe in <strong>de</strong>r Seitenkette (Bild 7-11).<br />

Aus Ergosterol kann künstlich durch UV-Bestrahlung Ergocalciferol (Vitamin D2) hergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, das bei Mensch und Tier (nicht jedoch bei Vögeln) genau so aktiv ist wie Vitamin<br />

D3. Aus Vitamin D3 (wie auch aus D2) wer<strong>de</strong>n durch zwei Hydroxylierungs-Schritte, (Position<br />

25 in <strong>de</strong>r Leber, Position 1 in <strong>de</strong>r Niere), 1,25-Dihydroxycholecalciferol gebil<strong>de</strong>t. Diese<br />

Substanz, die auch Calcitriol genannt wird, ist das aktive Hormon.


1<br />

UV-Licht<br />

(Haut)<br />

2<br />

3<br />

Cholecalciferol<br />

Vitamin D3<br />

(Leber)<br />

(Niere)<br />

7-Dehydro-<br />

Cholesterin<br />

25 24<br />

(Niere, PTH)<br />

1,25-Dihydroxycholecalciferol<br />

(Leber)<br />

(Niere)<br />

(Produkt aus Hefe)<br />

Bild 7-11. Biosynthese von 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol, Vit.D3-Hormon)<br />

Kapitel 7 - Calciumhaushalt<br />

Anbetracht <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Calciferole für die Regulation <strong>de</strong>r extrazellulären Calciumkonzentration<br />

unterliegt die Biosynthese von 1,25-Dihydroxycholecalciferol einer sehr genauen<br />

Regulation. Die Bildung von 25-Hydroxycholecalciferol in <strong>de</strong>r Leber unterliegt einer einfachen<br />

Rückkopplungshemmung. Von dort gelangt die Substanz zur Niere und wird weiter<br />

hydroxyliert. Bei niedrigen Serum-Calciumkonzentrationen wird die OH-Gruppe in Position 1<br />

eingeführt, was zur Bildung <strong>de</strong>s aktiven Hormons 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol)<br />

führt. Dieser Schritt wird von Parathormon geför<strong>de</strong>rt. Bei hohem Calciumspiegel wird nicht<br />

in Position 1, son<strong>de</strong>rn statt <strong>de</strong>ssen in Position 24 hydroxyliert; das Produkt ist das inaktive<br />

24,25-Dihydroxycholecalciferol. Dieser Schritt dient als Schutz gegen eine Hypervitaminose.<br />

59


Kapitel 7- Calciumhaushalt<br />

Calcitriol aktiviert Gene in Darmzellen. 1,25-Dihydroxycholecalciferol bin<strong>de</strong>t an einen<br />

intrazellulären Rezeptor in Darm-, Knochen- und Nierenzellen und aktiviert Gene, <strong>de</strong>ren Produkte<br />

u.a. Ca 2+ -bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Proteine sind, die sich an <strong>de</strong>r Absorption, Ausscheidung o<strong>de</strong>r Transport<br />

von Ca 2+ beteiligen. In Epithelzellen <strong>de</strong>s Darms wird die Ca 2+ -ATPase (eine Ca 2+ -<br />

Pumpe), Calbindin, die alkalische Phosphatase und weitere Membranproteine induziert (Bild<br />

7-12). Durch die Calciumpumpe wird Ca 2+ von <strong>de</strong>r luminalen Seite in die Zelle gepumpt. In<br />

<strong>de</strong>r Zelle wird Ca 2+ von Calbindin, einem Calcium bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Protein gebun<strong>de</strong>n und zur basolateralen<br />

Seite transportiert. Durch einen noch nicht völlig verstan<strong>de</strong>nen Mechanismus, an<br />

<strong>de</strong>m Calbindin ebenfalls beteiligt sein soll, wird Ca 2+ an das Blut abgegeben. Auf diese Weise<br />

för<strong>de</strong>rt Calcitriol die Ca 2+ -Resorption im Darm und för<strong>de</strong>rt die Erhöhung <strong>de</strong>s Calciumspie-<br />

gels.<br />

In <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn 7-13 bis 7-16 wer<strong>de</strong>n die wesentlichen Calciumströme und die Rolle <strong>de</strong>r drei<br />

beteiligten Hormone unter vier Bedingungen dargestellt. Bild 7-13: bei niedrigem Serum-<br />

Calciumspiegel wird Ca 2+ unter Einwirkung von Calcitriol aus <strong>de</strong>m Darm resorbiert und unter<br />

Parathormon aus <strong>de</strong>m Knochen freigesetzt. Parathormon hemmt die Sekretion durch die Niere.<br />

Bei hohem Serum-Calciumspiegel (Bild 7-14) wird die Calciumausscheidung durch die<br />

Niere unter Calcitonin-Einfluss geför<strong>de</strong>rt und die Knochenresorption gehemmt. Dies führt zu<br />

verstärktem Knocheneinbau. Gleichzeitig wird in <strong>de</strong>r Niere die inaktive Form <strong>de</strong>s Calcitriols,<br />

nämlich 24,25-Dihydroxycholecalciferol bevorzugt gebil<strong>de</strong>t und damit die Absorption im<br />

Darm gemin<strong>de</strong>rt. Bei Vitamin-D-Mangel (Bild 7-15) sind alle Ströme erniedrigt. Der Serum-<br />

Calciumspiegel wird durch die Wirkung von Parathormon mittels Calcium-Mobilisierung aus<br />

<strong>de</strong>m Knochen und Hemmung <strong>de</strong>r Calciumauscheidung durch die Niere aufrechterhalten. Bei<br />

starker Vitamin-D Überdosierung, was auch bei starker Sonneneinstrahlung auftreten kann,<br />

wer<strong>de</strong>n praktisch alle Ströme verstärkt (Bild 7-16). Geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n die Absorption aus <strong>de</strong>m<br />

Darm, jedoch gleichzeitig auch die Sekretion durch die Niere von Calcitriol bzw. Calcitonin.<br />

Die Umwandlung <strong>de</strong>s Vitamins zum inaktiven Hormon wird geför<strong>de</strong>rt. Netto erfolgt eine<br />

Knochen<strong>de</strong>mineralisierung durch <strong>de</strong>n Überschuss an 1,25-Dihydroxycholecalciferol.<br />

60<br />

Darmlumen<br />

Bürstensaum<br />

Ca 2+<br />

Epithelzelle<br />

Proteinsynthese<br />

Zellkern<br />

Gen<br />

Gene<br />

D3-<br />

Rezeptor<br />

Bild 7-12. Calcitriol aktiviert Gene in Darmzellen. Durch Genaktivierung induzierte Proteine sind: Calbindin, alkalische<br />

Phosphatase, Ca 2+-ATPase. Nach Nemere und Norman: Biochim. Biophys. Acta 694 (1982) 307.<br />

D3<br />

Kapillare


Kapitel 7- Calciumhaushalt<br />

Bild 7-13. Zusammenfassung: Kontrolle <strong>de</strong>s Serum-Calciumspiegels Bild 7-14. Zusammenfassung: Kontrolle <strong>de</strong>s Serum-Calciumspiegels<br />

62<br />

Serum-<br />

Calcium<br />

Serum-<br />

Calcium<br />

Bild 7-15. Zusammenfassung: Kontrolle <strong>de</strong>s Serum-Calciumspiegels Bild 7-16. Zusammenfassung: Kontrolle <strong>de</strong>s Serum-Calciumspiegels

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