Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau
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Delegierten konstatieren mußten, daß die revolutionäre Bewegung abgeflaut war und<br />
daß die kommunistische Bewegung dieser Veränderung in ihrer Strategie und Taktik<br />
Rechnung <strong>zu</strong> tragen hatte. 428 Zur Diskussion einer neuen Strategie in den Kolonien kam<br />
es erst in der neunzehnten Sit<strong>zu</strong>ng des Kongresses am 22.11.1922. Das Präsidium des<br />
Kongresses trug der vorgerückten Zeit und den noch anstehenden<br />
Tagesordnungspunkten in soweit Rechnung, als es die Redezeiten, bzw. die Dauer der<br />
Debatte <strong>zu</strong> dieser Frage kürzte. 429 Dies rief natürlich Proteste der betroffenen Redner,<br />
sowie der Vertreter der Kolonialvölker hervor. Der Belgier Overstraaten brachte diesen<br />
Protest auf den Punkt: "Ich glaube, daß die am Kongreß teilnehmenden Genossen durch<br />
ihr bisheriges Verhalten wiederholt bewiesen haben, daß sie die Bedeutung der<br />
Orientfrage weder genügend verstehen noch empfinden." 430<br />
Diesen Eindruck verstärkte auch die Tatsache, daß nur wenige Delegierte der<br />
Kolonialdebatte beiwohnten. 431 Zu Beginn ging der holländische Delegierte Ravenstein<br />
in einem umfangreichen und weit ausholenden historischen Referat, bei dem er sich an<br />
Rosa Luxemburgs Imperialismustheorie orientierte, auf die Entwicklung der<br />
revolutionären Bewegung im Nahen Osten ein. 432 Für ihn war dort der Knotenpunkt der<br />
<strong>Welt</strong>revolution <strong>zu</strong> suchen.<br />
"Die Befreiung der islamischen <strong>Welt</strong> von jeglicher europäischer politischer Herrschaft,<br />
insbesondere derjenigen der Länder des Nahen Ostens, liegt also bloß im Interesse der<br />
dortigen Völker, der Bauern und Arbeiter in den noch vom Kapitalismus ergriffenen<br />
orientalischen Gebieten, sie bedeutet auch ein gewaltiges Interesse des<br />
westeuropäischen, des <strong>Welt</strong>proletariats. Diese Befreiung würde den unvermeidlichen<br />
Sturz des westlichen Imperialismus, die Vernichtung der frevelhaften imperialistischen<br />
Friedensverträge, die Herrschaft der Revolution in Europa, den Anschluß der westlichen<br />
europäischen Sowjet-Republiken an die mitteleuropäischen und osteuropäischen<br />
Staaten, die Befreiung der Balkannationalitäten und ihren Zusammenschluß <strong>zu</strong> einem<br />
großen Balkanbunde der befreiten Balkanrepubliken <strong>zu</strong>r Folge haben." 433<br />
428<br />
429<br />
430<br />
431<br />
432<br />
433<br />
In dem von Sinowjew vorgetragenen Bericht des EKKI hieß es: "Sofort nach dem 3.Kongreß<br />
wurde klar, daß das <strong>Welt</strong>kapital eine regelrechte, gut organisierte, systematische Offensive gegen<br />
die Arbeiterschaft fast in der ganzen <strong>Welt</strong> anfing. Die Arbeiterklasse befand sich gewissermaßen<br />
auf dem Rück<strong>zu</strong>ge" [ebd.; S.29]; und Radek erklärte in der Orientdiskussion: "Genossen, wir<br />
haben jetzt eine andere <strong>Welt</strong>situation als auf dem II.Kongreß - es war unausgesprochen, aber alle<br />
Delegierten des Ostens fühlten das - war die Linie im Osten gerichtet auf sofortige große<br />
revolutionäre Aufstände" [ebd.; S.634].<br />
Für die Hauptredner standen 45 Minuten und für andere Sprecher 30, bzw. 15 Minuten Redezeit<br />
<strong>zu</strong>r Verfügung [vgl. ebd.; S.558].<br />
ebd.; S.559. Vgl. auch die Protestnote der Vertreter "Japan, England, Türkei, Angora, Polen,<br />
Belgien, Australien, Indien, Java, Ägypten, Persien, Tunis, Mexiko und der Schweiz" [ebd.;<br />
S.609].<br />
So führte der Engländer Webb aus: "Mich überrascht die geringe Anzahl der Delegierten, die<br />
hierher gekommen sind, um die Fortset<strong>zu</strong>ng der Diskussion über eine so wichtige Frage wie dieser<br />
bei<strong>zu</strong>wohnen. Ich behaupte, und zwar im Gegensatz <strong>zu</strong> dem, was der Vorsitzende des Präsidiums<br />
heute morgen gesagt hat, daß es besser wäre, für den Kongreß noch einige Tage im Dezember in<br />
Anspruch <strong>zu</strong> nehmen, als so wichtige Fragen wie die Orientfrage in dieser Weise durch<strong>zu</strong>peitschen"<br />
[ebd.; S.612].<br />
Vgl. ebd.; S.560-590.<br />
ebd.; S.590.