Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau

Bauern trotzdem nicht zur KPI strömten, machte Roy dafür nicht den geringen
Reifegrad der Bewegung, bzw. das noch nicht oder kaum entwickelte
Klassenbewußtsein verantwortlich, sondern er sah sich in seiner früheren prinzipiellen
Ablehnung jedes Taktierens mit der nationalen Bourgeoisie bestärkt. So war seine
Schlußfolgerung: "Zum ersten Male in der Geschichte des nationalen
Befreiungskampfes in Indien ertönte in allen Teilen und Tiefen des ganzen Landes ein
schallender Trompetenstoß, der aufruft zur wirklichen Befreiung, zu einem klar und
scharf umrissenen Ziel und der gleichzeitig ebenso klar und in nicht mißzuverstehender
Weise die logischen Mittel und Wege angibt, die zur Erreichung dieses Zieles
angewendet und gegangen werden müssen. Nun ist es Aufgabe der im Lande zerstreuten
wahrhaft revolutionären Elemente, Obacht zu geben und auf den Ruf zu antworten, die
so theatralisch eingeleitete Propaganda unter den einzigen Elementen innerhalb der
Gesellschaft, die fähig sind, mit Begeisterung darauf zu hören - die Arbeiter und Bauern
in Indien - einzig und unermüdlich weiter zu betreiben und das Programm zur
Verwirklichung zu bringen. Eine solche Propaganda, die mit Kraft und Feuer unter
diesen unzufriedenen und wahrhaft revolutionären Massen getrieben wird, wird nicht
auf Ablehung und feige Entsagung stoßen, sondern überall sofort freudigen und begeisterten
Widerhall auslösen." 425
Dieses Echo blieb - wie gesagt - aus, und damit kann man auch diesen Ansatz als
gescheitert betrachten. Mit seinen strategischen Überlegungen war Roy zu dieser Zeit
nicht alleine. Die KI ging im Falle China ähnlich vor 426 , und soweit es aus der Literatur
zu ersehen ist, kann dieses strategische Grundmuster, das ich hier am Beispiel Indiens
und dem Werk von M.N.Roy herausgearbeitet habe, als übertragbar angesehen werden.
Da sich jedoch schon im Laufe des Jahres 1922 andeutete, daß auch dieses Konzept
nicht zu einem schnellen Ergebnis führen würde, nahm die KI auf ihrem IV.
Weltkongreß, der vom 5.November bis zum 5.Dezember 1922 stattfand, die
Diskussionen des zweiten Weltkongresses wieder auf.
5.4. Der vierte Weltkongreß der KI
Der vierte Weltkongreß der KI kann als ein Kongreß der Wende bezeichnet werden. Er
war der erste, an dem Lenin aufgrund seiner schweren Krankheit nicht mehr teilnehmen
konnte, und der letzte, auf dem Trotzki noch als Held des Bürgerkrieges, Gründer der
roten Armee und neben Lenin als die zentrale Figur der kommunistischen
Weltbewegung angesehen wurde. 427 Der Kongreß war zudem der erste, auf dem die
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426
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Vanguard [Vermutlich Roy selbst - KSS]; England und die revolutionäre Bewegung in Indien; in:
InPreKorr Nr.23 Sondernummer, S.173-178, hier S.178. Vgl. auch: Roy, M.N.; Roy, Evelyn; One
Year of Non-Cooperation from Ahmedabad to Gaya; Calcutta [fiktiv] 1923; in: Roy 1988; p.35-86.
Vgl. die Arbeit von Kleinknecht, Günter; Die kommunistische Taktik in China - 1921-1927 -, Die
Komintern, die koloniale Frage und die Politik der KPCh; Köln 1980.
"Sinowjew: Wladimir Iljitsch schreibt uns: Es lebe die Kommunistische Internationale. Wir wollen
antworten: Es lebe der weiseste und beste aller Führer der Komintern, Genosse Wladimir Iljitsch
Lenin. (Stürmischer Beifall.) Stimmen aus der Versammlung: Ein Hoch dem Genossen Lenin!
Genossen, ich muß noch ein an den Petrograder Sowjet gerichtetes Telegramm des Genossen
Trotzki (Beifall.) verlesen [...] Rufe: Es lebe der Führer der roten Armee! (Beifall, Hurrarufe.)"
[Protokoll des IV.Weltkongresses der Kommunistischen Internationale; Hamburg 1923; S.13].
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