Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau
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"Je mehr Zugeständnisse die britische Regierung der indischen Bourgeoisie macht, um<br />
so mehr fordert diese. Sie ist sich der Notwendigkeit des Kompromisses mit dem<br />
britischen Imperialismus bewußt - bis <strong>zu</strong> dem Zeitpunkt, wo sie gegen die Fremden den<br />
offenen Kampf um das ausschließliche Ausbeutungsrecht wird aufnehmen können. [...]<br />
In der Bourgeoisie und in den Massen sind die objektiven Faktoren für eine Revolution<br />
gegeben. Aber diese Faktoren sind geschieden durch das Klasseninteresse der beiden<br />
Bevölkerungsgruppen, und dieser Klassengegensatz wächst und muß wachsen mit der<br />
weiteren Entwicklung der indischen Bourgeoisie. Beide entwickeln und festigen sich<br />
ihrer Natur entsprechend. Die Massen durch die Zunahme ihrer gewerkschaftlichen<br />
Organisationen und die Entwicklung der Bauernbewegung; die Bourgeoisie durch ihre<br />
politische Bewegung, deren Ausdruck der Nationalkongreß ist. [...] Kurz, die indische<br />
Bourgeoisie bildet heute eine soziale, politisch und ökonomisch festgefügte Klasse, die<br />
sich ihrer historischen Mission bewußt ist. Sie entwickelt sich unzweifelhaft <strong>zu</strong> der<br />
Klasse, der die Führung in der nationalen Erhebung <strong>zu</strong>fallen wird, die die<br />
Fremdherrschaft <strong>zu</strong> stürzen berufen ist; aber je mehr ihr eigenes Klassenbewußtsein<br />
wächst, um so weniger wird sie in der Lage sein, die Massen <strong>zu</strong> betrügen. Je mehr sich<br />
das Land unter der Führung der einheimischen Kapitalistenklasse ökonomisch und<br />
politisch entwickelt, um so tiefer wird die Klassenscheidung werden." 406<br />
Roy sah also in Indien den Kampf zwischen Lohnarbeit und Kapital als den<br />
dominierenden Widerspruch der indischen Gesellschaft der zwanziger Jahre an und<br />
nicht den zwischen Indern und Engländern. Damit hatte sich Indien von einer reinen<br />
Kolonie <strong>zu</strong> einer neuen Stufe der kolonialen und neokolonialen Abhängigkeit<br />
entwickelt, die heute für die meisten Staaten des Trikonts charakteristisch ist. Roy<br />
widmete der Lage der Bauern, und hier vor allem der kleinen und landlosen Bauern,<br />
deren Leid er in seinen Wanderjahren plastisch erlebt hatte, viel Aufmerksamkeit: "Das<br />
Geheimnis des unheilbaren Elends der indischen Bauernschaft liegt in dem Umstand,<br />
daß sie zwischen zwei mächtigen Mühlsteinen zermahlen wird: dem höher entwickelten<br />
fremden Kapital und dem auf niederer Stufe der Entwicklung stehenden Inlandskapital.<br />
Beide sind in ihrer Betätigung aufeinander angewiesen, während gleichzeitig die<br />
geschichtliche Notwendigkeit der Evolution des Kapitalismus sie im Gegensatz <strong>zu</strong><br />
einander bringt. Wo sie von einander abhängen, da ist der einheimische Bauer, der<br />
Händler direkt der kommerziellen [48/49] Ausbeutung durch die fremde Bourgeoisie<br />
ausgeliefert; und geraten sie aneinander, so ist es wiederum der Bauer, der die Kosten<br />
dieses Kampfes <strong>zu</strong> tragen hat." 407<br />
Aber letztlich war für Roy 1920/21 die Arbeiterklasse, die vor allem nach Ende des<br />
ersten <strong>Welt</strong>krieges begonnen hatte, Klassenorganisationen wie etwa Gewerkschaften <strong>zu</strong><br />
gründen 408 , Trägerin des gesellschaftlichen Fortschritts. 409 Dabei war die<br />
406<br />
407<br />
408<br />
409<br />
Roy 1922; S.24. Vgl. auch: Roy, M.N.; Indien in der Übergangsperiode - die wirtschaftliche<br />
Entwicklung des Landes - das Wachstum der Bourgeoisie; in: Die Kommunistische Internationale<br />
Nr.19 1920, S.177-189.<br />
Roy 1922; S.48/49.<br />
Roy machte dies an den sich häufenden Streiks fest; so hatten z.B. 50000 Textilarbeiter in Madras<br />
drei Monate lang die Arbeit niedergelegt, um legale Gewerkschaften <strong>zu</strong> erkämpfen, und konnten<br />
erst durch den Einsatz von Militär wieder <strong>zu</strong>r Arbeit gezwungen werden [vgl. ebd.; S.102-104].<br />
" ...das Rückgrat des nationalen Kampfes [sind] immer die Aktionen der Masse" [ebd.; S.102].