Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau
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Aktion <strong>zu</strong> liefern. Deswegen erkläre ich, daß ich meine Stimme nicht abgeben<br />
werde." 323<br />
Damit knüpfte er an die reformistischen Ansichten eines Teils der englischen<br />
Delegierten an. Die Vorstellung, den proletarischen Internationalismus besser nicht auf<br />
die Fahne der Kommunistischen Internationale <strong>zu</strong> schreiben, weil dadurch die<br />
nationalistischen Arbeiter in den Hauptländern des Kapitals <strong>zu</strong>rückschrecken könnten,<br />
ist genau das eine Extrem des dialektischen Widerspruchs der sozialistischen<br />
Bewegung, den Rosa Luxemburg treffend analysiert hatte. Die Äußerungen von Serrati<br />
blieben natürlich nicht unwidersprochen und so griff der Holländer David Wijnkoop<br />
erneut in die Debatte ein. Er erklärte: "es ist etwas Unerhörtes, was wir hier erleben" 324<br />
und forderte den Kongreß auf, über den Beitrag von Serrati <strong>zu</strong> diskutieren und in letzter<br />
Instanz natürlich diesen <strong>zu</strong> verurteilen. Seine Wut ist verständlich, denn Serrati hatte<br />
wie alle anderen Delegierten zwei Tage lang die Chance, inhaltlich über die Anträge <strong>zu</strong><br />
diskutieren und seine Probleme mit ihnen dar<strong>zu</strong>legen. Daß er dies nicht tat, sondern in<br />
letzter Sekunde nur lapidar erklärte, daß die Anträge eine Gefahr für die<br />
kommunistische Bewegung seien und er sich der Stimme enthalte, ist eine Mißachtung<br />
des Kongresses und der Debatte als solche. Denn warum diskutiert man über etwas,<br />
wenn hinterher ein Delegierter erklärt, daß er zwar weiß, daß in den Anträgen Fehler<br />
sind, er diese aber nicht <strong>zu</strong> diskutieren gedenkt.<br />
Nach der Aufforderung <strong>zu</strong>r Debatte über Serratis Rede ergriff dieser erneut das Wort,<br />
um nun seinen Vorredner Wijnkoop unter der Gürtellinie an<strong>zu</strong>greifen, indem er ihm<br />
unterstellte, im <strong>Welt</strong>krieg für Deutschland eingetreten <strong>zu</strong> sein und Deklarationen verfaßt<br />
<strong>zu</strong> haben, die Waffen für den "Gegner" waren. 325 Sinowjew mahnte darauf als<br />
Vorsitzender <strong>zu</strong>r Ordnung und erklärte für die russische Delegation, daß sie "die<br />
Erklärung des Genossen Serrati für sehr unkameradschaftlich halten". 326 Auf der<br />
Konferenz sollten diese Fragen jedoch nicht weiter diskutiert werden und stattdessen<br />
das Urteil über Serrati und sein Auftreten den italienischen Arbeitern überlassen<br />
werden, wobei Sinowjew glaubte, daß "von 100 italienischen Arbeitern 99 sagen<br />
werden, daß der Kongreß Recht hat und nicht der Genosse Serrati". 327<br />
Dies war nun Roy, der ja einer der von Serrati Angegriffenen war, <strong>zu</strong> seicht und so gab<br />
er <strong>zu</strong> Protokoll: "Wer glaubt, daß es reaktionär ist, diesen Völkern [der Länder des<br />
Trikonts -KSS] in ihrem nationalen Kampf <strong>zu</strong> helfen, ist selbst reaktionär und spricht<br />
eine imperialistische Sprache". 328 Dieser Schlagabtausch ging anschließend noch weiter,<br />
doch breiten wir über diesen Punkt den Mantel des Schweigens.<br />
Nun erst konnte der Kongreß <strong>zu</strong>r Abstimmung der oben analysierten Leitsätze über die<br />
Nationalitäten- und Kolonialfrage kommen. Sie wurden "einstimmig, bei 3<br />
323<br />
324<br />
325<br />
326<br />
327<br />
328<br />
Der zweite Kongreß 1921; S.216/217.<br />
ebd.; S.217.<br />
ebd.; S.217/218.<br />
ebd.; S.218.<br />
ebd.; S.219.<br />
ebd.; S.219.<br />
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