Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau

Kommunistische Internationale erklären und begründen [muß], daß mit Hilfe des
Proletariats der vorgeschrittenen Länder die zurückgebliebenen Länder zur
Sowjetorganisation und durch eine Reihe von Stadien auch unter Vermeidung des
kapitalistischen Systems zum Kommunismus kommen können." 280
Nach Lenin erläuterte dann Roy seine, von der Kolonialkommission überarbeiteten und
dann "einstimmig beschlossenen" 281 , Ergänzungsthesen. Da diese schon oben analysiert
worden sind, werde ich hier direkt in die Diskussion des Plenums über die beiden
Anträge einsteigen.
Als erster ergriff der damals sehr bekannte amerikanische Schriftsteller John Reed 282
das Wort und ging in seinem Beitrag vor allem auf die Lage der Afroamerikaner in den
USA ein: "Bis vor kurzem waren sie [die Schwarzen - KSS] aus den meisten der
Verbände, die zur amerikanischen Föderation der Arbeit gehören, ausgeschlossen. Die
I.W.W. [International Workers of the World] haben natürlich die Neger organisiert, die
alte sozialistische Partei jedoch hat keine ernsthaften Versuche zur Organisation der
Neger unternommen." 283
"In beiden Teilen des Landes [Nord- und Südstaaten] muß die Organisation der Neger in
gemeinsamen Arbeiterverbänden mit den Weißen angestrebt werden. Das ist das beste
und schnellste Mittel, die Rassenvorurteile auszurotten und die Klassensolidarität zu
wecken." 284
Er sprach den in der vorliegenden Studie zwar nicht berücksichtigten, aber wichtigen
Punkt des Internationalismus in Ländern mit verschiedenen Volksgruppen an, vgl. z.B.
auch die oben dokumentierten Materialien aus Südafrika. In solchen Ländern ist es
natürlich wichtig, daß die "rassen"- und völkerübergreifende Solidarität nicht erst auf
die Zeit nach einer Revolution verschoben wird, wie etwa in der Ideologie der
280
281
282
283
284
Der zweite Kongreß 1921; S.142. In den Lenin Werken [LW; Bd.31, S.232] lautet diese Passage
zwar etwas anders, aber der Sinn ist der gleiche, so daß man davon ausgehen kann, daß die
Differenzen nur einer unterschiedlichen Übersetzung und keiner nachträglichen "Korrektur"
geschuldet sind.
Lenin führte in seiner Einleitung aus: "Genossen, ich werde nur eine kurze Einleitung geben, und
dann wird Genosse Maring, der Sekretär unserer Kommission, ganz genau Bericht erstatten über
die Aenderungen, die in den Leitsätzen [die den Delegierten in gedruckter Form vorlagen s.o. -
KSS] vorgenommen worden sind. Sodann wird Genosse Roy das Wort haben, der die
Ergänzungsthesen formuliert hat [die an dieser Stelle das erste Mal dem Plenum vorgestellt wurden
- KSS]. Unsere Kommission hat sowohl die ersten als auch die zweiten einstimmig angenommen.
Ihr werdet aus den Leitsätzen ersehen, daß wir in den wichtigsten Fragen einstimmige Beschlüsse
gefaßt haben, ..."[Der zweite Kongreß 1921; S.137]. Einige Autoren glauben, daß durch diese
Harmonisierung der Anträge durch die Kolonialkommission die Ursprünge der Spaltung der
Kolonialpolitik der KI auf dem 6.Weltkongreß verdeckt worden sind: [Gupta, Sobhanlal Datta;
Comintern and the Colonial Question: The Decolonization Controversy; Calcutta 1976; vor allem
p.3; Rüdiger, Uwe; Rolle und Inhalt der Dekolonisierungsdebatte in der Kommunistischen
Internationale; in: Bergmann, Theodor; Keßler, Mario (Hrg.); Aufstieg und Zerfall der Komintern -
Studien zur Geschichte ihrer Transformation (1919-1943) -; S.225-238.
Sein wohl bekanntestes Buch ist: Reed, John; 10 Tage, die die Welt erschütterten; Hamburg 1922.
Vgl. zur Person: Wessel, Harald; John Reed - Roter Reporter aus dem Wilden Westen -;
Berlin/DDR 1979.
Der zweite Kongreß 1921; S.153.
ebd.; S.157.