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Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau

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Ich denke, hier wird auch ein wichtiger Unterschied <strong>zu</strong>r späteren stalinistischen Theorie<br />

der Revolution deutlich. Es gibt keine Modelle, die auf alle Länder anwendbar sind,<br />

sondern jede Partei muß für ihr Land und für ihre konkrete Situation die allgemeine<br />

Theorie des Marxismus modifizieren. Nicht "von der Sowjetunion lernen, heißt siegen<br />

lernen", hätte die Losung einer Partei sein müssen, die die Bezeichnung "marxistischleninistisch"<br />

verdient hätte, sondern sie hätte die Aufgabe gehabt, für jedes Land und<br />

jede Region einen spezifischen Weg <strong>zu</strong>m Sozialismus <strong>zu</strong> erarbeiten, der <strong>zu</strong>gleich in die<br />

weltweite Bewegung eingebunden werden mußte.<br />

Seine hier entwickelten Thesen trug Lenin auch auf dem "Kongreß der werktätigen<br />

Kosaken" vor. 193 Konkrete Umset<strong>zu</strong>ng fand dieser Ansatz in den Grußschreiben an die<br />

"sozialistische Sowjetregierung Aserbaidshan" 194 und an die "indische revolutionäre<br />

Assoziation". 195<br />

Am 1.Juni 1920 entwarf Lenin einen ersten Plan <strong>zu</strong>r Abfassung 196 und am 5.Juni den<br />

"Ursprünglichen Entwurf der Thesen <strong>zu</strong>r nationalen und <strong>zu</strong>r kolonialen Frage". 197 Der<br />

193<br />

194<br />

195<br />

196<br />

197<br />

Vgl.; ebd.; S.372-392.<br />

LW; Bd.31, S.123: "Der Rat der Volkskommissare begrüßt die Befreiung der werktätigen Massen<br />

der unabhängigen Aserbaidshanischen Republik und gibt der festen Überzeugung Ausdruck, daß<br />

die unabhängige Aserbaidshanische Republik unter Führung ihrer Sowjetregierung gemeinsam mit<br />

der RSFSR ihre Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber dem geschworenen Feind der<br />

unterdrückten Völker des Ostens - dem Imperialismus - behaupten wird." Hier zeigt sich, daß<br />

einzelne Völker, die früher <strong>zu</strong>m russischen Imperium gehörten, selbständig wurden und<br />

Sowjetrußland diese neuen Staaten als Partner für den Kampf gegen den Imperialismus anerkannte.<br />

ebd.; S.126: "Die werktätigen Massen Rußlands verfolgen mit größter Aufmerksamkeit das<br />

Erwachen der indischen Arbeiter und Bauern. Das Unterpfand des endgültigen Erfolges ist die<br />

Organisiertheit und Disziplin der Werktätigen, ihre Standhaftigkeit und die Solidarität mit den<br />

Werktätigen der ganzen <strong>Welt</strong>. Wir begrüßen das enge Bündnis zwischen Mohammedanern und<br />

Nichtmohammedanern. Wir wünschen aufrichtig die Ausdehnung dieses Bündnisses auf alle<br />

Werktätigen des Ostens. Erst dann, wenn die indischen, chinesischen, koreanischen, japanischen,<br />

persischen und türkischen Arbeiter und Bauern einander die Hände reichen und sich <strong>zu</strong>sammen an<br />

das gemeinsame Werk der Befreiung machen, erst dann wird der entscheidende Sieg über die<br />

Ausbeuter gesichert sein. Es lebe das freie Asien!"<br />

So ist es jedenfalls in den "Daten aus dem Leben und Wirken W.I.Lenins" vermerkt [LW; Bd.31,<br />

S.560]. Da sowohl in der deutschen als auch in der mir vorliegenden russischen Ausgabe der Lenin<br />

Werke, in der normalerweise jede halbwegs informative Quelle dokumentiert ist, der Text dieses<br />

Plans nicht veröffentlicht wurde, erscheint es mir fraglich, ob er für meine Untersuchung wichtig<br />

ist. Vgl. für die Erarbeitung der Thesen durch Lenin: Koroljow, N.J.; Die Ausarbeitung der Politik<br />

der Kommunistischen Internationale <strong>zu</strong>r nationalen und kolonialen Frage durch Lenin; in: Der<br />

zweite Kongreß der Komintern - Entstehung der Ideologie, Taktik und organisatorischer Prinzipien<br />

der kommunistischen Parteien; Moskau 1972 (russ.); S.162; und in: Sowjetwissenschaft -<br />

Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge; Nr.1 1973 und Nr.2 1973; S.48-62 und S.150-166.<br />

LW; Bd.31, S.132-139. In einer Fußnote [ebd.; S.543] wird erklärt, daß Lenin diesen<br />

"Ursprünglichen Entwurf" an Stalin geschickt hatte, und dieser "seine Bemerkungen da<strong>zu</strong> in einem<br />

Brief vom 12.Juni 1920" machte [vgl.: Stalin Werke; Bd.4, S.413]. Da aber keine der beiden<br />

Werkausgaben diese Bemerkungen, bzw. den Briefwechsel dokumentiert, erscheint es mir fraglich,<br />

ob er überhaupt existiert. Für Stalin und seine Epigonen wäre die Existenz solcher Bemerkungen<br />

von Stalin über einen Entwurf von Lenin der Beleg, daß Lenin mit Stalin im Vorfeld des zweiten<br />

<strong>Welt</strong>kongresses auf dem Arbeitsgebiet Stalins, der Volkskommissar für Nationalitätenpolitik war,<br />

<strong>zu</strong>sammengearbeitet hatte. Wenn aber Lenin es nicht für nötig hielt, mit Stalin über solche<br />

Entwürfe <strong>zu</strong> diskutieren, wirft das ein bezeichnendes Licht auf die Wertschät<strong>zu</strong>ng, die Lenin der<br />

Arbeit Stalins und seinem theoretischen Schaffen auf diesem Gebiet <strong>zu</strong>billigte. Wenn Lenin auf<br />

einem Gebiet arbeitete, ohne den <strong>zu</strong>ständigen Volkskommissar auch nur <strong>zu</strong> informieren, kann man<br />

davon ausgehen, daß er auf dessen Urteil auch keinen Wert legte. An solchen Punkten wird<br />

deutlich, daß man die Lenin Werkausgabe, die ja in der Zeit des Stalinismus entstanden ist, immer<br />

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