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Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau

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evolutionären Charakter, den er für sich selbst beanspruchte. Auch sein praktisches<br />

politisches Handeln verstärkte diesen Eindruck. Zwar trennte er sich gegen Ende des<br />

Krieges von den reformistischen Kräften in der SPD und wurde einer der Mitbegünder<br />

der USPD; als sich aber die USPD mit der KPD vereinigte, ging er wieder in die SPD,<br />

die <strong>zu</strong> diesem Zeitpunkt schon endgültig Abschied von der Revolution genommen hatte<br />

und <strong>zu</strong> einer der Staatsparteien der Weimarer Republik geworden war.<br />

In seiner Broschüre über "Sozialismus und Kolonialpolitik" 94 von 1907 bezog er<br />

Stellung <strong>zu</strong>r Kolonialdiskussion auf der Stuttgarter Internationalen Konferenz (s.o.) und<br />

auf dem Parteitag der SPD in Essen (1907). Er kam <strong>zu</strong> der These, daß das Wesen der<br />

SPD darin bestand, "daß man den Kapitalismus grundsätzlich bekämpft, negiert, seine<br />

völlige Aufhebung fordert, und doch gleichzeitig positive Reformen innerhalb seines<br />

Bereiches anstrebt. Diese Vereinigung positiven und negierenden Strebens, die wir dem<br />

gesamten Kapitalismus gegenüber befolgen, gilt auch für jede seiner Teilerscheinungen<br />

[wie etwa für den Kolonialismus - KSS]. 95<br />

Er sah sich als "grundsätzlichen Gegner der Kolonialpolitik" 96 , denn er wollte den<br />

Kapitalismus immer und überall bekämpfen, aber "nirgends ist der Kapitalismus<br />

schwerer <strong>zu</strong> bändigen, nirgends vermag er sich so schrankenlos aus<strong>zu</strong>toben, wie in den<br />

Kolonien" 97 . Scharf wandte er sich gegen die Überheblichkeit der Europärer, wie man<br />

sie etwa in den oben gezeigten Materialien der SPD findet.<br />

"Die Verfechtung der Vorrechte der höheren Kultur ist die ethische Lebenslüge des<br />

Kapitalismus, wie die Verfechtung der wahren Religion die des Feudalismus,<br />

namentlich <strong>zu</strong>r Zeit des Uebergangs <strong>zu</strong>m Kapitalismus, war. Innerhalb der eigenen<br />

Nation tritt diese Ethik auf als Geltendmachung des höheren Rechtes der Besitzenden<br />

über die Besitzlosen. Anderen Nationen gegenüber, die ausgebeutet werden sollen,<br />

proklamiert sie praktisch nichts anderes als das Recht der kapitalistischen Nationen auf<br />

Beherrschung der gesamten Menschheit.[19/20] Das Proletariat könnte sich diese Ethik<br />

nicht <strong>zu</strong> eigen machen, ohne seine eigene Ausbeutung <strong>zu</strong> sanktionieren und seinen<br />

eigenen Emanzipationskampf <strong>zu</strong> desavouieren. [...] Sollen wir bloß im eigenen Lande<br />

die Aufhebung aller Klassenherrschaft proklamieren und gleichzeitig in den Ländern<br />

außerhalb der europäischen Zivilisation eine neue Klassenherrschaft aufrichten wollen,<br />

die der weißen Rasse über die dunkelhäutigen Rassen (die Hindus inbegriffen)?" 98<br />

Man kann sagen, daß Kautsky mit dieser Schrift die Position der Internationalisten <strong>zu</strong>m<br />

Aufkommen des Nationalismus in der Arbeiterbewegung entwickelt hatte. 99 Wie er es<br />

94<br />

95<br />

96<br />

97<br />

98<br />

99<br />

ders.; Sozialismus und Kolonialpolitik; Berlin 1907.<br />

ebd.; S.11.<br />

ebd.; S.14.<br />

ebd.; S.17.<br />

ebd.; S.19/20.<br />

Die Darstellungen und Analysen über Kautsky in den sozialistischen Ländern wollten diese<br />

Tatsache nicht wahrhaben. Dort wird Kautskys Schaffen als durchgängig "opportunistisch"<br />

analysiert und diffamiert, da Lenin (nach 1914) <strong>zu</strong> dieser Auffassung gekommen war [Vgl. Mende,<br />

Hans-Jürgen; Karl Kautsky - Vom Marxisten <strong>zu</strong>m Opportunisten; Berlin/DDR 1985]. Lenin war<br />

jedoch im Gegensatz <strong>zu</strong> seinen Epigonen der Auffassung, daß Kautsky lange Zeit ein "großer"<br />

Marxist war und erst im ersten <strong>Welt</strong>krieg <strong>zu</strong>m "Zentristen", und damit <strong>zu</strong>m "Gegner" der<br />

Bolschewiki wurde.

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