Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau
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So entwickelte sich die SPD langsam <strong>zu</strong> einer Partei, der das nationale Wohl des<br />
deutschen Reiches wichtiger war als die internationale Solidarität der Arbeiterklasse.<br />
Diese Politik mündete in den vollkommen Übergang <strong>zu</strong> den Positionen der nationalen<br />
Bourgeoisie <strong>zu</strong> Beginn des Ersten <strong>Welt</strong>krieges 39 , eine Tendenz, die sich nach dem<br />
Ersten <strong>Welt</strong>krieg sogar noch fortsetzte. 40<br />
Ein ähnlicher Prozeß vollzog sich auch in den meisten anderen sozialdemokratischen<br />
und sozialistischen Parteien in Europa und in Nordamerika. Die Parteien in den Ländern<br />
des Trikont entwickelten sich nicht anders. So spalteten sich die meisten dieser Parteien<br />
zwischen 1910 und 1919 unter dem Einfluß ihrer "Schwesterparteien" aus den<br />
jeweiligen Mutterländern in eine reformorientierte Gruppe, die auch mit der<br />
Kolonialmacht <strong>zu</strong>sammenarbeitete, und eine revolutionäre Gruppe, die die<br />
Unabhängigkeit und den Sozialismus erkämpfen wollte.<br />
In der Sozialistischen Internationale entwickelten sich aber nicht nur Nationalismus und<br />
Chauvinismus, sondern auch eine Richtung, die an den alten marxistischen Prinzipien<br />
festhalten wollte. Hier sind vor allem Rosa Luxemburg und Wladimir Iljitsch Lenin,<br />
aber auch Karl Kautsky und Rudolf Hilferding <strong>zu</strong> nennen. Alle vier versuchten, die<br />
Politische Ökonomie von Karl Marx weiter<strong>zu</strong>entwickeln und auf die sich ändernde <strong>Welt</strong><br />
an<strong>zu</strong>wenden. Vor allem Hilferding, Luxemburg und Lenin entwikkelten hier neue<br />
Ansätze, die ich im nächsten Abschnitt analysieren werde.<br />
3.3. Kurzer Abriß der Imperialismustheorien bis <strong>zu</strong>m Ende des ersten<br />
<strong>Welt</strong>krieges<br />
Karl Marx beschäftigte sich nur am Rande mit der Ökonomie und Politik in den<br />
Kolonien, da diese <strong>zu</strong> seiner Zeit vor allem als Rohstofflieferanten in den<br />
kapitalistischen Prozeß eingebunden waren. Er, und mit ihm Friedrich Engels,<br />
entwickelte jedoch, wie oben gezeigt, eine erste politökonomische Analyse des<br />
Kolonialsystems.<br />
Die ersten ausführlichen Studien über den Imperialismus erschienen Anfang dieses<br />
Jahrhunderts. Hier ist vor allem das Werk von Werner Sombart, "Der moderne<br />
Kapitalismus" 41 , aber auch das Buch von Hobson 42 <strong>zu</strong> nennen. Sombart versuchte in<br />
39<br />
40<br />
41<br />
Hier<strong>zu</strong> liegt eine sehr gute Studie vor: Kuczynski, Jürgen; Der Ausbruch des ersten <strong>Welt</strong>krieges<br />
und die deutsche Sozialdemokratie; Berlin/DDR 1957. Kuczynski analysiert und dokumentiert die<br />
Begeisterung für den Krieg, die weite Teile der SPD ergriff. Diese Studie wurde in der DDR auf<br />
das Schärfste angegriffen, da Kuczynski die These der SED-Wissenschaft widerlegt, daß nur die<br />
Führung nationalistisch war, die Basis jedoch nicht. Er kommt hingegen <strong>zu</strong> der Auffassung, daß<br />
große Teile der SPD sich schon lange im Vorfeld des Ersten <strong>Welt</strong>krieges von den Positionen des<br />
proletarischen Internationalismus gelöst hatten, daß dies aber erst im August 1914 endgültig<br />
offenbar wurde.<br />
Vgl. Kircheisen, Inge; Die internationale Sozialdemokratie und die Kolonialfrage zwischen den<br />
beiden <strong>Welt</strong>kriegen; Prom. Phil. B. Halle 1978.<br />
Sombart, Werner; Der moderne Kapitalismus 2 Bde; München/Leipzig 1902. Ab der 2.Auflage<br />
[München/ Leipzig 1916] ist die Aufteilung sechs Bücher in drei Bänden. Ich verwende letztere<br />
Ausgabe.<br />
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