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Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau

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den Antrag 108 Delegierte, 127 dagegen und 10 enthielten sich der Stimme. 31 Am Ende<br />

nahm der Kongreß den Antrag der Minderheit der Kommission <strong>zu</strong>r Kolonialfrage, der<br />

unter anderem von Georg Ledebour und Julian Marchlewski erarbeitet worden war, mit<br />

nur einer Stimmenthaltung an. Dies ist darauf <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen, daß die Sozialistische<br />

Internationale nach außen hin geschlossen auftreten wollte, obwohl sie in ihrem Innern<br />

schon tief gespalten war. In der endgültigen Resolution <strong>zu</strong>r Kolonialfrage kam dann der<br />

Kongreß <strong>zu</strong> der Ansicht, "daß die kapitalistische Kolonialpolitik ihrem innersten Wesen<br />

nach <strong>zu</strong>r Knechtung, Zwangsarbeit oder Ausrottung der eingeborenen Bevölkerung der<br />

Kolonialgebiete führen muß". 32<br />

Daraus folgt, daß die Behauptung, die die Kommunistische Internationale über den<br />

Stuttgarter Kongreß aufgestellt hatte, nicht der Wahrheit entspricht. Zwar war fast die<br />

Hälfte der Delegierten der Meinung, daß Kolonialismus nicht immer negativ <strong>zu</strong><br />

bewerten sei, aber eben nur fast die Hälfte und nicht die Mehrheit, wie die KI auf ihrem<br />

ersten Kongreß behauptet hatte. 33<br />

Die folgenden Kongresse der sozialistischen Internationale beschäftigten sich nicht<br />

mehr mit der Kolonialfrage, sondern waren geprägt vom Nahen des Ersten <strong>Welt</strong>krieges.<br />

Man kann also sagen, daß die Zweite Internationale bis 1914 formal immer gegen<br />

Kolonialismus und Imperialismus Stellung bezogen hat. 34 Es stellt sich aber die Frage,<br />

wie diese offiziellen Manifestationen in der realen Politik umgesetzt wurden. Ich werde<br />

dies an der bedeutendsten Partei der sozialistischen Internationale, der SPD, kurz<br />

untersuchen.<br />

3.2.1. Die Haltung der SPD <strong>zu</strong>m deutschen Kolonialismus<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

ebd.; S.116.<br />

ebd.; S.39/40 hier S.39.<br />

Sinowjew, der auf dem ersten <strong>Welt</strong>kongreß <strong>zu</strong>m Vorsitzenden der KI gewählt wurde, kannte den<br />

realen Sachverhalt genau. So legte er auf dem achten Kongreß der KPR dar, daß "diese<br />

Kommission [,die über die Kolonialpolitik auf dem Stuttgarter Kongreß <strong>zu</strong> befinden hatte - KSS]<br />

vor [sic] einer absolut unbedeutenden Stimmenmehrheit die Politik Bernsteins <strong>zu</strong> Fall [brachte],<br />

die darauf hinauslief, die Kolonialpolitik an<strong>zu</strong>erkennen". Er meinte jedoch, daß "die Mehrheit für<br />

eine chauvinistische Politik [war] und nur die Stimmen der jungen Parteien, der russsischen,<br />

serbischen, bulgarischen Partei, Bernstein <strong>zu</strong> Fall [brachten]" [Die Internationale; Nr. 5/6 vom<br />

5.7.1919, S.28]. Ich denke, daß Sinovjew seine Analyse, wie er sie hier entwickelte, in der<br />

Resolution des ersten <strong>Welt</strong>kongresses als Tatsache wider besseren Wissens darstellt, um eine<br />

effektivere Möglichkeit <strong>zu</strong>r Propagierung des "Verrats" der Zweiten Internationale <strong>zu</strong> haben. Dies<br />

ist umso wahrscheinlicher, als auch andere Teilnehmer der Konferenz der KI, wie etwa Lenin, den<br />

Sachverhalt kannten: "Der Kommissionsantrag [über Kolonialpolitik - KSS] wurde auf dem<br />

Kongreß mit 128 gegen 108 Stimmen bei 10 Stimmenenthaltungen (Schweiz) <strong>zu</strong> Fall gebracht"<br />

[LW; Bd.13, S.67].<br />

Zu dem Komplex Kolonialpolitik und 2.Internationale gibt es einige Materialien, die ich hier nicht<br />

verwendet habe, wie etwa: Shaw, Bernard; Fabianism and the Empire - A Manifest by the Fabian<br />

Society; London 1900; Parvus, A. L.; Die Kolonialpolitik und der Zusammenbruch; Leipzig 1907;<br />

Noske, Gustav; Kolonialpolitik und Sozialdemokratie; Stuttgart 1914. Als Darstellung aus Sicht<br />

der Sozialistischen Internationale vgl.: Braunthal, Julius; Die Kolonialfrage in der Internationale;<br />

in: ders.; Geschichte der Internationale; Berlin Bonn 1978; Bd.1, S.310-327; und aus Sicht der<br />

Kommunistischen Internationale vgl.: Turok, W.; Die Kolonialpolitik der 2.Internationale am<br />

Vorabend des imperialistischen Krieges 1914-1918; in: Probleme der Orientalistik Nr.3/59;<br />

Moskau 1959; (russ.).<br />

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