Eine Welt zu gewinnen! - Dr. Kai Schmidt-Soltau
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Zur ersten ausführlichen Debatte über die Fragen des Kolonialismus kam es auf dem<br />
5.Kongreß im Jahre 1900. Der Kongreß erklärte, "... daß das organisierte Proletariat alle<br />
ihm <strong>zu</strong>r Verfügung stehenden Mittel anwendet, um die kapitalistische<br />
Kolonialbesitzausdehnung <strong>zu</strong> bekämpfen, die Kolonialpolitik der Bourgeoisklasse <strong>zu</strong><br />
verdammen und unter allen Umständen und mit aller Kraft die Ungerechtigkeiten und<br />
Grausamkeiten <strong>zu</strong> geißeln, die auf allen Teilen der Erde sich abspielen, welche der<br />
Raubgier eines ehr- und rücksichtslosen Kapitalismus ausgeliefert sind." 23<br />
Schon auf dem nächsten Kongreß in Amsterdam kam es <strong>zu</strong> ersten Angriffen gegen diese<br />
internationalistische Position. So hieß es in dem Referat des Holländers Hendrik Van<br />
Kol, daß die "Kolonien [...] noch jahrhundertelang weiterbestehen werden", da man in<br />
den meisten Fällen "nicht einfach auf die alten Kolonien verzichten [kann], die nicht an<br />
eine Selbstverwaltung gewöhnt sind und durch jahrhundertelange Vormundschaft<br />
geschwächt, ins Elend stürzen werden" 24 . Weiter hieß es in diesem Bericht: "Die neuen<br />
Bedürfnisse, die nach dem Sieg der Arbeiterklasse und nach ihrer Befreiung entstehen,<br />
werden selbst bei der sozialistischen Ordnung der Zukunft kolonialen Besitz notwendig<br />
machen." 25<br />
Auf dem Kongreß gab es jedoch kaum Diskussionen <strong>zu</strong> diesem Punkt, da der Bericht<br />
nur in schriftlicher Form verteilt wurde und Van Kol in seinem Redebeitrag 26 , der eine<br />
Zusammenfassung des Berichtes war, seine direkte Rechtfertigung des Kolonialbesitzes<br />
verschwieg. Die Resolution <strong>zu</strong>r Kolonialfrage 27 , die der Kongreß verabschiedete, war<br />
faktisch eine Wiederholung der Thesen von Paris (siehe oben).<br />
Der nächste Kongreß, der 1907 in Stuttgart stattfand, trug dann den Meinungsstreit in<br />
aller Öffentlichkeit aus. Die Mehrheit der Kolonialkommission, unter ihnen Eduard<br />
Bernstein und Eduard David als Vertreter der SPD und der Holländer Hendrik Van Kol,<br />
hatte einen Resolutionsentwurf vorgelegt, in dem es hieß:<br />
"Er [der Kongreß - KSS] verwirft aber nicht prinzipiell und für alle Zeiten jede<br />
Kolonialpolitik, die unter sozialistischem Regime zivilisatorisch wird wirken können." 28<br />
Gegen diesen Antrag sprachen sich einige führende Köpfe der zweiten Internationale<br />
aus, so Karl Kautsky 29 und Julian Marchlewski 30 . In einer ersten Abstimmung wurde der<br />
Antrag der Kommissionsmehrheit gekippt, wenn auch nur sehr knapp. So stimmten für<br />
23<br />
24<br />
25<br />
26<br />
27<br />
28<br />
29<br />
30<br />
Resolution <strong>zu</strong>r Kolonialpolitik; in: Internationaler Sozialisten-Kongreß <strong>zu</strong> Paris -23. bis<br />
27.September 1900; Berlin 1900; S.28. Die Resolution wurde einstimmig angenommen. Von<br />
Interesse ist auch die Rede von Rosa Luxemburg, die maßgeblich an der Erarbeitung des Entwurfes<br />
beteiligt war. [ebd.; S.27; oder auch: Luxemburg Werke; Bd.1.1, S.807].<br />
Congrès socialiste international d`Amsterdam des 14-20 août 1904 -Rapports et projets des<br />
resolutions sur les questions de l`ordre du jour par le Secrétariat socialiste international; Bruxelles<br />
1904; S.37. Es scheint keine deutsche Ausgabe der Protokolle <strong>zu</strong> geben. Die Überset<strong>zu</strong>ng stammt<br />
von mir.<br />
ebd.; S.48.<br />
ebd.; S.44/45.<br />
ebd.; S.23/24.<br />
Internationaler Sozialisten-Kongreß <strong>zu</strong> Stuttgart - 18. bis 24. August 1907; Berlin 1907; S.24.<br />
ebd.; S.34/35.<br />
ebd.; S.32/33.