Jahrgang 8 ISSN 1611-227X 16. Oktober 2010 Nr. 10 - Schibri-Verlag
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<strong>Nr</strong>. <strong>10</strong>/<strong>20<strong>10</strong></strong> - 35 - PASEWALKER NACHRICHTEN<br />
FESTKONZERT ZUM TAG DER EINHEIT IN ST. MARIEN<br />
Kantoreien und Stettiner Philharmonie mit Haydns Jahreszeiten<br />
(PN/Nau). In der großen Stadtkirche ist<br />
der Wiedervereinigung Deutschlands vor<br />
20 Jahren gedacht worden. Wie schon in<br />
den Vorjahren fand ein Festkonzert statt,<br />
bei dem dieses Mal Joseph Haydns Oratorium<br />
„Die Jahreszeiten“ aufgeführt wurde.<br />
Die Marienkantorei hatte dazu Verstärkung<br />
vom Kirchenchor Demmin bekommen, es<br />
musizierte die Stettiner Philharmonie mit<br />
den Solisten Johanna Krumin, Matthias<br />
Vieweg und Michael Zabanoff. Die Leitung<br />
lag beim Demminer Kantor Thomas<br />
Beck. Rund 240 Besucher verfolgten die<br />
wuchtig intonierte Aufführung.<br />
Bürgermeister Rainer Dambach nahm den<br />
3. <strong>Oktober</strong> zum Anlass, um über die Vereinigung<br />
von West und Ost zu reflektieren<br />
und deren Ergebnisse zu hinterfragen.<br />
Das Stadtoberhaupt leitete seine Ansprache<br />
mit einer rhetorischen Frage ein: „Wissen<br />
Sie noch, was Sie heute vor 20 Jahren am<br />
2. <strong>Oktober</strong> 1990 taten? Einige werden es<br />
noch wissen. Die meisten werden es aber<br />
nicht mehr genau sagen können. Wenn ich<br />
Sie aber frage: Was taten Sie am 9. November<br />
’89 als die Mauer fiel? Dann werden<br />
die meisten von Ihnen klipp und klar antworten<br />
können“. Der Fall der Mauer habe<br />
sich ins Gedächtnis der Nation gegraben.<br />
Die offizielle Besiegelung der Deutschen<br />
Einheit am 3. <strong>Oktober</strong> 1990 sei damit keine<br />
emotionale Erschütterung mehr gewesen.<br />
Bürgermeister Dambach bei seiner Festansprache<br />
sind sie nicht mehr groß, sondern klein,<br />
manchmal sogar kleinlich. Wie Erwachsene<br />
eben. Wie wir! Und wir rechnen und zetern.<br />
Und pflegen das Damals. In West und<br />
Ost. Ja. Als ob wir unseren alten Kaiser Wilhelm<br />
wieder haben wollten. Unsere lieben<br />
Feindbilder. Unsere lieben Freundbilder.<br />
Und das Vergangene wird für einige viel<br />
schöner, als es jemals in Wirklichkeit war.<br />
Selbstverständlich war die Einheit Deutschlands<br />
am 3. <strong>Oktober</strong> 1990 nicht vollendet.<br />
Im Gegenteil. Am 3. <strong>Oktober</strong> 1990 wurde<br />
die Zweiheit Deutschlands wirklich. Ein<br />
Paradoxie: Die BRD und die DDR verschwinden<br />
und die Unterscheidungen von<br />
Ost und West werden herausgearbeitet, so-<br />
De Maizière und von Weizsäcker<br />
Selbstverständlich war damals am Vorabend<br />
der Vereinigung viel Trubel, besonders in<br />
Berlin, in der Stadt, in der er damals lebte.<br />
Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt dirigierte<br />
Kurt Masur Beethovens 9. und Lothar<br />
de Maizière sagte: „Die Freiheit ist der beste<br />
Förderer unserer individuellen Fähigkeiten,<br />
sie gehört zu den größten Prüfungen des<br />
menschlichen Charakters“. Um Mitternacht<br />
sprach Richard von Weizsäcker, damaliger<br />
Bundespräsident, am Reichstagsgebäude<br />
die Worte: „Die Einheit Deutschlands ist<br />
vollendet. Wir sind uns unserer Verantwortung<br />
vor Gott und den Menschen bewusst.<br />
Wir wollen in einem vereinten Europa dem<br />
Frieden der Welt dienen.“<br />
Zwanzig Jahre sind verflogen<br />
„Große Worte wurden am 3. <strong>Oktober</strong> 1990<br />
gesprochen“, fuhr der Bürgermeister fort.<br />
„Aber müssen nicht alle großen Worte naiv<br />
– also kindlich, offen und unbefangen –<br />
sein? Wenn jene großen Worte ihr kindlich<br />
sein verlieren, wenn sie erwachsen werden,<br />
Die Stettiner Philharmoniker unter Leitung des Demminer Kantors Thomas Beck<br />
Rund 240 Besucher verfolgten die Aufführung von Joseph Haydns Oratorium. Fotos: Nau.