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Rezeption und Tradierung als Komplexes ... - Maximilian Schich

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76<br />

II. Komplexe Netzwerke<br />

<strong>Tradierung</strong> in der THERMAE-Datenmenge<br />

Einer der Hauptgründe, die zeitliche Abdeckung der THERMAE-Datenmenge<br />

von der Antike bis zur heute auszudehnen, war der Verdacht, dass die Länge der<br />

<strong>Tradierung</strong>skeen weit über den CENSUS-Zeitraum sowie über den durch die<br />

Archäologie selbst abgedeckten Zeitraum hinausgeht.<br />

Im Folgenden wird die tatsächliche Länge der <strong>Tradierung</strong>skeen an drei Beispielen<br />

vorgestellt. Es bewahrheitet sich dabei die These, dass jede neue Rekonstruktion<br />

freiwillig oder unbewusst auf ältere Vorlagen Bezug nimmt. Die Erforschung<br />

der <strong>Tradierung</strong> wird dadurch zur allgegenwärtigen Notwendigkeit.<br />

Beispiel 1 – Lovers of System<br />

Als Lovers of System bezeichnet Joseph Forsyth diejenigen Altertumsforscher, die<br />

alle Ruinen <strong>als</strong> Bäder interpretierten, in denen sich architektonische Nischen<br />

finden lassen (vgl. Abschni IV.2 s.v. Repräsentation) 139 – eine Problematik, die in<br />

dieser expliziten Form selbstverständlich <strong>als</strong> längst überw<strong>und</strong>en gilt.<br />

Vergleichbare Vorgehensweisen findet man aber dennoch in vielen Bereichen der<br />

Archäologie. In schlimmen Fällen führen Übertragungen dieser Art sogar zu<br />

erheblicher Zerstörung von Kulturgut. Ein sehr aktuelles Beispiel sind hierfür die<br />

Rekonstruktionen der historischen Tempelruinen in Myanmar (ehem. Birma), wo<br />

die Militäregierung nach dem Rückzug der UNESCO das berühmteste <strong>und</strong> daher<br />

vermeintlich beste Vorbild auf alle anderen Tempelanlagen übertragen lässt.<br />

Geschichte wird dort in ein offiziell vorgegebenes, disneyfiziertes Bild gepresst. 140<br />

Solche schwerwiegenden Verzerrungen kann man der Klassischen Archäologie in<br />

der Regel heute nicht mehr vorwerfen. Dennoch erscheint die Forschungssituation<br />

– etwa zu den römischen Kaiserthermen – bei genauerer Betrachtung in vielen<br />

Punkten grotesk; vor allem wenn man bedenkt, was von der zum Teil durchaus<br />

qualitätvollen Spezialforschung an die populärwissenschalich unterrichtete<br />

Öffentlichkeit dringt:<br />

Ansta Ergebnisse älterer Untersuchungen voll mit einzubeziehen, werden typisierte<br />

Vorstellungen, die man aus den besser erhaltenen Thermen extrahiert, auch<br />

hier auf andere nicht so gut erhaltene Monumente übertragen.<br />

Das folgende Beispiel soll deshalb aufzeigen, dass es keine Archäologie geben<br />

kann, die nur vom Monument selbst ausgeht. Vielmehr ist es notwendig alle<br />

möglichen Informationsquellen zu nutzen <strong>und</strong> zu bewerten. Diese Erkenntnis ist<br />

zwar alles andere <strong>als</strong> neu, doch wir werden sehen, dass die offensichtlich nötige<br />

Quellenkritik, vor allem diejenige visueller Quellen, in ihrer Bedeutung häufig<br />

sehr stark unterschätzt wird:<br />

In Abbildung 39 erkennt man ganz rechts den Plan der Diokletiansthermen aus<br />

dem Standardwerk Thermae et Balnea von Inge Nielsen, dem Buch in dem man in<br />

der Regel zuerst nachschlägt, wenn er sich für die Gr<strong>und</strong>risse von römischen<br />

Thermen interessiert. Nielsen nennt <strong>als</strong> Vorlage explizit den Plan Krenckers aus<br />

dem Jahre 1929. Dieser basiert wiederum auf der groß angelegten Untersuchung

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