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Rezeption und Tradierung als Komplexes ... - Maximilian Schich

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44<br />

II. Komplexe Netzwerke<br />

Auch die Einschränkung der Monument- bzw. Dokumenthierarchien im CENSUS<br />

auf eine Baumstruktur im Sinne von Wassermann <strong>und</strong> Faust erfolgt wie unten<br />

erläutert geb<strong>und</strong>en an einen Zweck.<br />

Es ist <strong>und</strong> war zu keinem Zeitpunkt das Ziel des CENSUS, die eine allgemeingültige<br />

Hierarchie eines Monuments bzw. Dokuments zu finden oder definieren. Dies<br />

muss hier in aller Deutlichkeit gesagt werden, da es mehrere Beispiele für scheinbar<br />

allgemeingültige, nicht auf den ersten Blick zweckgeb<strong>und</strong>ene hierarchische<br />

Beschreibungen gibt, deren Scheitern von Kritikern in Gesprächen des Öeren auf<br />

den CENSUS übertragen worden ist.<br />

Aus physiologischen Gegebenheiten lässt sich zwar ableiten, dass hierarchische<br />

Beschreibungen nicht vollständig abzulehnen sind. Andererseits ist jedoch auch<br />

hervorzuheben, dass deskriptiven Hierarchien völlig zu unrecht der Anspruch zu<br />

Gr<strong>und</strong>e gelegt wird, die uns umgebende Objektwelt vollständig zu umfassen.<br />

Zur Legitimation von hierarchischen Beschreibungen lässt sich beispielsweise<br />

anführen, dass es offenbar im Gedächtnis bevorzugte Einstiegsebenen gibt, man<br />

<strong>als</strong>o in der Regel angesichts einer entsprechenden Frucht zuerst an „Apfel“ denkt,<br />

ansta an eine genaue Sorte oder den zu allgemeinen Begriff „Obst“ 83 – eine<br />

Tatsache, die sich mit dem bevorzugten Suchverhalten in Datenbanken deckt:<br />

Sucht man in einer Objektdatenbank nach einem allgemeinen Konzept – etwa<br />

Tempel – so will man in der Regel einfachen Zugriff auf alle enthaltenen Exemplare,<br />

nicht jedoch auf die Definition des Oberbegriffes bzw. auf wenig aussagekräige<br />

Details.<br />

Sucht man in einer Bilddatenbank etwa nach „thermae“, so düren einen eher alle<br />

Thermenkomplexe, nicht jedoch die Skulpturen des Thermenmuseums interessieren.<br />

Beide Probleme sind vor allem in pragmatisch flachen Datenbanken besonders<br />

lästig, in denen man stets nach Wörtern sta nach Konzepten sucht.<br />

In grossen Suchmaschinen wird dieses Problem durch Gewichtung (ranking)<br />

unterschiedlicher Art in Ansätzen gelöst. Geisteswissenschaliche Datenbanken<br />

sind dafür in der Regel zu klein oder in ihrem Benutzerkreis zu stark beschränkt.<br />

Eine gruppierende Zusammenfassung von Teilkonzepten zu höheren Einheiten<br />

erscheint daher in einem gewissen Masse sinnvoll. 84<br />

Nicht ableiten lässt sich von den physiologischen Gegebenheiten 85 allerdings der<br />

Anspruch der Allgemeingültigkeit, der sich zwischen den Zeilen in vielen Fällen<br />

wieder findet. Die Beispiele reichen von der teilweise hierarchischen Einteilung<br />

der Abbildungen in Diderots Enzyklopädie 86 bis zur Einordnung von Waren ins<br />

Zolltarifschema beim deutschen Zoll. 87 Als Sinnvoll aber dennoch subjektiv erweisen<br />

sich dabei o diejenigen Hierarchien, die von den Objekten selbst ausgehen,<br />

wie zum Beispiel die Synopsis zu Cassiano dal Pozzos Papiermuseum von Carlo<br />

Dati (Abb. 163), 88 oder die ad hoc erstellte Hierarchie der Diatheksbestände des<br />

Kunsthistorischen Instituts der HU-Berlin im Datenbanksystem IMAGO.

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