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Rezeption und Tradierung als Komplexes ... - Maximilian Schich

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II.2 Kunstgeschichte <strong>als</strong> Netzwerk 27<br />

des Dokuments handelt; aus der Sicht der Kunstgeschichte handelt es sich um<br />

eine Ver-zerrung des Dokuments, <strong>als</strong>o um ein sek<strong>und</strong>äres Produkt, streng genommen<br />

ein neues Dokument.<br />

Ausgerechnet Nollis Romplan von 1748 <strong>als</strong> Beispiel für ein historisches Dokument<br />

zu verwenden, ist darüber hinaus höchst problematisch. Der Plan übertri an<br />

geographischer Genauigkeit zahlreiche spätere Karten. Er entspricht modernen<br />

Standards <strong>und</strong> ist deshalb auch sehr leicht zu ent-zerren. Wie vielen Geographischen<br />

Informationssystemen (GIS) liegt Nollis Karte die Vorstellung eines allgegenwärtigen<br />

Raumrasters zu Gr<strong>und</strong>e, das sich theoretisch über die Kanten der Abbildung<br />

fortsetzt.<br />

David Summers zeigt die Entwicklung dieser Raumvorstellung auf <strong>und</strong> bezeichnet<br />

das Phänomen treffend <strong>als</strong> metaoptischen Raum, 47 eine Vorstellung, die sich erst<br />

im Laufe der Geschichte entwickelt <strong>und</strong> zunächst spezifisch für den westlichen<br />

Kulturkreis war.<br />

Wichtig ist, dass diese Raumvorstellung auf einer vorgegebenen Konvention<br />

beruht, genau wie die starre Definition der wissenschalichen Zeitschrienartikel.<br />

Man kann nicht davon ausgehen, dass sich alle (oder ein Großteil der) historischen<br />

Dokumente ohne weiteres in diesen Raum „referenzieren“ <strong>und</strong> „entzerren“<br />

lassen.<br />

Die Produktion von metaoptischen Dokumenten hat nicht zu irgendeinem Zeitpunkt<br />

die scheinbar schlechteren Dokumente ersetzt. Einige Vertreter der metaoptischen<br />

Vorstellung von denen wir Pläne besitzen, die sich ohne weiteres georeferenzieren<br />

ließen, haben auch Dokumente hergestellt, die sich nicht ohne weiteres<br />

in einen euklidschen Raum projizieren lassen. Umgekehrt werden auch lange<br />

nach der Einführung der metaoptischen „tyranny of the geometrical“ 48 Dokumente<br />

produziert, die einer anderen, nicht unbedingt f<strong>als</strong>chen Konvention folgen. James<br />

Ackerman hat dies eindrucksvoll belegt:<br />

Die Genauigkeit (accuracy) folgt der jeweiligen Konvention. Es gibt daher nicht<br />

nur die euklidsche Genauigkeit, sondern zahlreiche verschiedene Genauigkeiten.<br />

Jede Konvention besitzt ihre eigene.<br />

Piranesis Superweitwinckelveduten sind daher genauso wenig f<strong>als</strong>ch wie eine<br />

mielalterliche Miniatur oder eine in Ackermans personal perspective wiedergegebene<br />

Ruinenansicht des frühen 16. Jahrh<strong>und</strong>erts. 49 Jede Konvention hat ihren<br />

eigenen Zweck. Eine Georeferenzierung verzerrt den Gehalt des Dokuments im<br />

Zweifelsfall zur Unkenntlichkeit. In vielen Fällen ist es mindestens genauso interessant,<br />

das Dokument innerhalb seiner Konvention zu erforschen, <strong>als</strong> es in ein<br />

vorgegebenes Raumraster zu pressen. Bei der Entzerrung stellt man in der Regel<br />

geometrische Fehler fest. Gesteht man dem Dokument eine eventuell andere<br />

Konvention zu, so werden aus den geometrischen Fehlern o gehaltvolle Aussagen.<br />

Im Codex Destailleur HdZ 4151 der Kunstbibliothek in Berlin werden beispielsweise<br />

Gebäudeteile in einigen Zeichnungen – vermutlich um Papier zu<br />

sparen – nur abgekürzt wiedergegeben. Der angebliche Fehler ist hierbei eine<br />

intelligente Datenkompression. 50

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