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Rezeption und Tradierung als Komplexes ... - Maximilian Schich

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VI. Synopsis<br />

Dokumente, <strong>als</strong>o bereits während des Auaus des Netzwerks der <strong>Rezeption</strong>.<br />

Eine eindeutige Lokalisierung gibt es dabei in vielen Fällen nicht, da es in der<br />

Regel selbst zu sehr gesicherten Monumenten widersprüchliche oder zumindest<br />

divergierende Dokumente gibt.<br />

Der ideelle Auau eines Dokuments ist zum Teil schwierig zu rekonstruieren, da<br />

die physikalische Ordnung zumeist nicht direkt auf die ideelle Ordnung übertragbar<br />

ist. Der ideelle Auau lässt sich zwar o, selbst im Falle von schlecht<br />

erhaltenen Monumenten, im übergreifenden Vergleich erschließen, aber die Idee<br />

stimmt aufgr<strong>und</strong> der Überlieferungslage o nicht mit der physikalischen Erhaltung<br />

überein. Ein <strong>und</strong> dasselbe Dokument kann in unterschiedlichen Auewahrungszusammenhängen<br />

verschiedene Bedeutung besitzen.<br />

Ein überraschendes Ergebnis bezüglich des ideellen Auaus der Dokumente ist<br />

die Häufigkeit von Montagen, beziehungsweise zur Montage gedachten Fragmenten.<br />

Betroffen sind davon nicht nur Rekonstruktionsprojekte, in denen Gr<strong>und</strong>riß<br />

<strong>und</strong> Schnie aus Einzelteilen zusammengesetzt sind, sondern vor allem auch<br />

Veduten. Wie überraschend dieses Ergebnis ist, zeigt neben den Beispielen in<br />

Abschni 3.2 auch die Tatsache, dass selbst die Montage von aufeinanderfolgenden<br />

Folios wohlbekannter Vedutenbücher vor Fachpublikum breites Erstaunen<br />

auslöst. 8<br />

Der achrone, rein topologische Erkenntnisbereich der <strong>Rezeption</strong> betri die Korrelation<br />

der Monumente bzw. Dokumente. Die Visualisierung dieser Ko-Relation<br />

ergibt einen Überblick (big picture), der in der klassischen Forschung unerreichbar<br />

ist <strong>und</strong> zahlreiche neue Erkenntnisse in sich birgt.<br />

Das wichtigste Ergebnis bezüglich des achronen Erkenntnisraumes der <strong>Rezeption</strong><br />

betri die Gradverteilung. Sie folgt in beiden besprochenen Datenmengen einem<br />

power law, besitzt <strong>als</strong>o einige wenige sehr sehr stark verb<strong>und</strong>ene Knoten sowie<br />

einen langen Schweif (long tail) 9 weniger beziehungsweise fast gar nicht verlinkter<br />

Knoten.<br />

Das Netzwerk der <strong>Rezeption</strong> steht damit in Analogie zu zahlreichen anderen<br />

realen komplexen Netzwerken. Allgemein folgt aus der entsprechenden Gradverteilung,<br />

dass auch alle in den Abschnien 5.1 <strong>und</strong> 5.2 vorgestellten Eigenschaen<br />

<strong>und</strong> Prozesse untersucht werden können. Die vorliegende Arbeit kann hier selbstverständlich<br />

nur einen Einstieg bieten. Entsprechende Forschungen stehen nach<br />

wie vor am Anfang. Vielversprechend ist das Gebiet vor allem auch deswegen, da<br />

in der Netzwerkfroschung derzeit beinahe wöchentlich neue Eigenschaen <strong>und</strong><br />

Prozesse hinzukommen.<br />

Innerhalb der Kunstgeschichte mahnt die Entdeckung des long tail der <strong>Rezeption</strong><br />

zu einem zurückhaltenden Umgang mit dem derzeit heiß diskutierten Konzept<br />

des Kanons, da aus der vorhandenen Gradverteilung der <strong>Rezeption</strong> sowie aus der<br />

Selbstähnlichkeit dieser Gradverteilung folgt, dass die Vorstellung eines abgeschlossenen<br />

Kanons nicht legitim ist. Der Übergang zu weniger „wichtigen“<br />

Monumenten ist stets fliessend.<br />

Die gr<strong>und</strong>legende Frage darf daher nicht lauten wie der bestehende Kanon defi-

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