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Rezeption und Tradierung als Komplexes ... - Maximilian Schich

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234<br />

V. Zu komplexen Netzwerken<br />

Ein phänomenales historisches Beispiel einer Bildmatrix ist der um 1181 entstandene<br />

Klosterneuburger Altar des Nikolaus von Verdun (siehe Abb. 173). 131 Er lässt<br />

sich prinzipiell <strong>als</strong> eine Matrix mit drei Zeilen <strong>und</strong> 17 – ehem<strong>als</strong> 15 – Spalten beschreiben.<br />

Die zweite Zeile enthält das Leben Christi <strong>als</strong> Typus. Die erste <strong>und</strong> die<br />

drie Zeile enthalten jeweils vergleichbare Antitypen, d.h. Vorwegnahmen, aus<br />

dem Alten Testament. Horizontal ist die Matrize nach dem zeitlichen Verlauf der<br />

zweiten Zeile sortiert. Vertikal ist die Matrix so permutiert, dass die jeweils wichtigste<br />

aber späteste Darstellung, <strong>als</strong>o diejenige aus dem Leben Christi ins Zentrum<br />

rückt.<br />

Das Beispiel ist deswegen spektakulär, weil es sich tatsächlich um eine Visualisierung<br />

eines echten Netzwerkes handelt: Das Netzwerk der typologischen Verweise,<br />

das sich teilweise auch im Text der Biblia Sacra Vulgata in der Form von manuellen<br />

Hyperlinks findet. 132<br />

Historiographen<br />

Eine nützliche Mischform der Visualisierung, die verschiedene Eigenschaen der<br />

Netzwerk- sowie der Matrixvisualisierung verbindet ist der Historiograph. Er<br />

wurde von Eugene Garfield zusammen mit Irv Sher 1964 vorgestellt, um die Beantwortung<br />

wissenschasgeschichtlicher Fragestellungen anhand von Zitatedaten<br />

zu erleichtern (siehe oben s.v. Bibliometrische Eigenschaen). 133<br />

Prinzipiell werden im Historiograph die Knoten, <strong>als</strong>o die Publikationen im gerichteten<br />

Netzwerk der Zitate zeitlich angeordnet. Eine der beiden Achsen (in der<br />

Regel die y-Achse) ist dabei starr.<br />

Zusammen mit verschiedenen Filtertechniken – wie etwa der von Hummon <strong>und</strong><br />

Doraian vorgestellten Methode zur Extraktion des kritischen Pfades einer spezifischen<br />

Entwicklung in der wissenschalichen Literatur – ergibt sich dadurch ein<br />

wertvolles Analysewerkzeug. 134<br />

36 Jahre nach seiner ersten manuellen Anwendung beschloss Garfield den Prozess<br />

der Erstellung zu automatisieren. Vorläufiges Ergebnis ist das Expertensystem<br />

HistCite, das sowohl zur Datenauereitung <strong>als</strong> auch zur Visualisierung verwendet<br />

werden kann. Das Visualisierungsprogramm ist eine Weiterentwicklung<br />

des oben bereits angesprochenen Programmes Graphviz von AT&T. 135<br />

Abb. 174 zeigt einen Beispielgraphen der meistzitierten Schlüsselliteratur der Forschungsfelder<br />

Information Visualization, Co-Citation, Bibliographic Coupling, Scientometrics,<br />

<strong>und</strong> Dynamic Systems. Darin wird deutlich sichtbar, dass die Literatur der<br />

selbsternannten neuen Forschung an einem seidenen Faden mit älterer relevanter<br />

Literatur verb<strong>und</strong>en ist. 136<br />

Eine zu Garfields Historiographen vergleichbare Darstellung ist die berühmte<br />

Barr-Chart, die im Rahmen der 1936 eröffneten Ausstellung des Museum of<br />

Modern Art zu Kubismus <strong>und</strong> Abstrakter Kunst <strong>als</strong> Austellungsplakat diente <strong>und</strong><br />

auch den zugehörigen Katalog zierte (siehe Abb. 175). 137 Alfred H. Barr Jr., der<br />

Direktor des Museums, zeigt darauf seine sehr persönliche Sicht der Entwicklung

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