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Rezeption und Tradierung als Komplexes ... - Maximilian Schich

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IV. Zu <strong>Rezeption</strong> <strong>und</strong> <strong>Tradierung</strong> visueller Information<br />

lich einen deutlichen Unterschied zwischen visuellen <strong>und</strong> verbalen Konzepten im<br />

Gehirn gibt, dass es aber andererseits keine nach ihrer Art disjunkten Repräsentationen<br />

gibt. Wir müssen vielmehr annehmen, dass die Repräsentationen im Gedächtnis<br />

aus einem vollständigem Amalgam aller möglichen Sinneserfahrungen<br />

<strong>und</strong> Wissenskodierungen bestehen.<br />

Zu den angenommenen Wissenskodierungen gehören neben den geläufigen<br />

objekt-semantischen (Verbal-)Konzepten unter anderem kontinuierlich-spatiale<br />

visuelle Konzepte sowie solche von senso-motorischer Art. 54<br />

Die Verarbeitung von kontinuierlich-spatialer visueller Information lässt sich am<br />

besten anhand eines Phänomens andeuten, das sich laut Rentschler – frei nach<br />

Wigenstein – <strong>als</strong> visuelle Familienähnlichkeit (family resemblance) bezeichnen<br />

lässt. 55 Es zeigt in idealer Weise, dass die visuelle Wahrnehmung weit über die<br />

verbale Beschreibung von Objekten <strong>und</strong> deren Klassifikation in bekannte Kategorien<br />

hinausgeht.<br />

Allgemein bezeichnet der Umgang mit visueller Familienähnlichkeit – nach Rentschler<br />

– die Verarbeitung von nicht in Worten beschreiblichen visuellen Aspekten,<br />

die etwa sowohl bei der Zuweisung eines Kunstwerkes an einen Künstler, wie<br />

auch beim Erkennen eines pathologischen Bef<strong>und</strong>es auf einem Röngtenbild eine<br />

Rolle spielen können. Die dabei mögliche Differenzierung kann in beiden Fällen<br />

jedes verbale Konzept bei weitem übertreffen.<br />

Ein geläufiges Beispiel ist hierfür die visuelle Gleichartigkeit verschiedener H<strong>und</strong>erassen,<br />

die trotz ihrer äußerst unterschiedlichen Gestalt sofort <strong>als</strong> H<strong>und</strong>e erkannt<br />

werden. 56 Die Tiere werden hier zu einer polymorphen Kategorie zusammengefasst,<br />

deren einzelne visuelle Aspekte nicht immer gleichzeitig vorhanden sein<br />

müssen.<br />

Auau <strong>und</strong> Verarbeitung solcher polymorpher Kategorien gehört zur Kernkompetenz<br />

von Radiologen, Zoologen wie Kunsthistorikern, worin eine der<br />

schwierigsten Problematiken der Bildbeschreibung sowie der kunsthistorischen<br />

Argumentation im allgemeinen begründet sein düre: Jeder Vertreter der drei<br />

genannten Berufe ist im Rahmen seiner Arbeit dazu gezwungen unbeschreibliche<br />

Aspekte visueller Wahrnehmungen mit verbalen Konzepten zu umschreiben.<br />

Die damit verb<strong>und</strong>ene Problematik wird an folgendem Beispiel besonders deutlich.<br />

Joseph Forsyth spricht darin über die Kaiserthermen in Rom:<br />

„The walls of those baths run so generally into absides, that some lovers of<br />

system can see nothing but baths in the temple of Venus and Rome, in the<br />

great temple of Peace, in short in every ruin where they find such alcoves.<br />

But the alcove appears fully as frequent in the ruins of the Imperial palace,<br />

and of all ancient villas that I have seen. Vitruvius makes it a constituent<br />

part of every basilica; … In fact the alcove seems rather an imitation of the<br />

Praetorian tent than anything peculiar to a bath.” 57<br />

Sowohl die lovers of system, <strong>als</strong> auch Forsyth selbst, belegen hier das zunächst rein

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