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Schauspielhaus Zürich Zeitung #9

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1<br />

<strong>Schauspielhaus</strong><br />

<strong>Zürich</strong><br />

<strong>Zeitung</strong><br />

<strong>#9</strong>


2 3 Vorwort von Barbara Frey<br />

Abgründigkeit des<br />

Augenblicks<br />

Als Partner stehen wir dem <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Zürich</strong><br />

tatkräftig zur Seite.<br />

Grosse Auftrittesind ohne starke Partner im Hintergrund nicht denkbar.<br />

Deshalb unterstützen wir das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Zürich</strong>und andereausgewählte<br />

Kulturinstitutionen. Erfahren Sie mehr über unser kulturelles Engagement<br />

unter www.swissre.com/sponsoring<br />

Heinrich von Kleist war fasziniert von der<br />

Magie und Abgründigkeit des Augenblicks.<br />

Legendär ist seine Beschreibung jenes<br />

Moments, in dem er vor Caspar David<br />

Friedrichs „Mönch am Meer“ stand<br />

und eine unerhörte Erfahrung machte.<br />

Er fühlte sich, als sei er „der einzige<br />

Lebensfunke imweiten Reiche des Todes,<br />

der einsame Mittelpunkt im einsamen<br />

Kreis“. Er verglich das Gemälde „in seiner<br />

Einförmigkeit und Uferlosigkeit“ mit<br />

der Apokalypse. Wenn man es betrachte,<br />

sei es, „als ob einem die Augenlider<br />

weggeschnitten wären“. Er verpflanzte<br />

sich gewissermassen selbst indas Bild<br />

hinein, empfand sich als der dargestellte<br />

Mönch, der ins Nichts schaut –und es<br />

war ihm klar, wie sehr Friedrich als Maler<br />

eine neue, andere Welt entwarf und<br />

damit auch einen neuen Blick einforderte.<br />

Was Kleist sah, war keine lediglich<br />

virtuos gemalte Landschaft, war nichts<br />

Dekoratives oder ästhetisch Tröstliches,<br />

sondern die höchst beunruhigende<br />

Öffnung in eine monumentale Innenwelt,<br />

in welcher der betrachende Mensch ohne<br />

Halt umhergleitet, als flöge erdurch<br />

sein eigenes Ich wie durchs All. Kleist<br />

erkannte in Friedrich einen Bruder im<br />

Geiste.<br />

Wenn Sosias in „Amphitryon“ nach Hause<br />

kommt und dort sich selbst erblickt (den<br />

Gott Merkur in seiner, Sosias’ Gestalt),<br />

verliert eraugenblicklich den Boden<br />

unter den Füssen und kommt, sich<br />

selbst sehend, sich selbst abhanden.<br />

Penthesilea fühlt sich im nach ihr<br />

benannten Drama beim Anblick des<br />

Achill „in dem Innersten getroffen“, vom<br />

Donner gerührt, als sähe sie in einem<br />

einzigen Augenblick das ganze Schicksal<br />

aufblitzen, das ihr und Achill blüht.<br />

Gleichzeitig aber ist der verhängnisvolle<br />

Augenblick auch ein ekstatischer<br />

erotischer Moment; Penthesilea stürzt<br />

gleichsam in Achill hinein.<br />

Kleists Heldinnen und Helden folgen<br />

keinerlei moralischen Handlungsmustern,<br />

ihr Hunger nach Liebe ist rücksichtslos<br />

und unberechenbar und niemals geprägt<br />

von einer Sehnsucht nach Ordnung,<br />

Zugehörigkeit oder gar Bequemlichkeit.<br />

Sein Personal gewinnt keinerlei Aufschluss<br />

über sich selbst, keine Erkenntnis,<br />

die irgendwie verwertbar wäre und eine<br />

„Lebensoptimierung“ nach sich zöge,<br />

wie der heutige Mensch sie unablässig<br />

anstrebt. Genau deswegen sind<br />

seine Figuren so unwiderstehlich.<br />

Ihre Unfähigkeit, pragmatisch zu sein,<br />

sich an Nützlichkeitskriterien zu<br />

orientieren oder irgendeinem „Plan“<br />

zu folgen, macht sie für uns anmutig<br />

und furchterregend zugleich. Ihre<br />

Zärtlichkeit ist somonumental wie ihr<br />

Zorn, und die Masslosigkeit ihrer<br />

Empfindungen so befremdlich wie<br />

anrührend.<br />

Kleists eigene Erfahrung vor Friedrichs<br />

Gemälde macht ihn zu einem Komplizen<br />

all der Männer und Frauen, Knaben<br />

und Mädchen, die sein Werk bevölkern<br />

und unablässig unbeirrbar auf alle<br />

erdenklichen Abgründe zugehen, auf der –<br />

unbewussten –Suche nach dem<br />

Augenblick, der sie in die Ekstase, die<br />

blitzartige Erkenntnis, den erotischen<br />

Taumel, ins Nichts stürzen lässt.<br />

Weder mit psychologischem noch mit<br />

literaturwissenschaftlichem Deutungsfuror<br />

ist ihnen beizukommen. Je mehr wir<br />

von ihnen zu verstehen glauben, desto<br />

mehr entziehen sie sich uns. Und somit<br />

bleiben wir, an ihre Fersen geheftet,<br />

selbst hungrig und verletzlich.<br />

Inhalt<br />

3 Vorwort<br />

4 Die Umkehrung<br />

Kaspar Surber über „Der Prozess“<br />

und „Woyzeck“<br />

8 ImAusnahmezustand<br />

Gwendolyne Melchinger über<br />

„Amphitryon und sein Doppelgänger“<br />

im Pfauen<br />

10 Nichts, was nicht möglich ist<br />

Gespräch mit Henrike Johanna<br />

Jörissen und Nils Kahnwald über den<br />

Regisseur Antú Romero Nunes<br />

12 Sagen Sie jetzt nichts, Herbert Fritsch<br />

Der Regisseur im Porträt<br />

14 Filmwissenschaftler Günter Krenn<br />

über den Zauber der Bohème<br />

16 Schon gesehen? Szenen aus dem<br />

Repertoire –Fotogalerie<br />

20 Der Glücks(er)finder<br />

Claudius Körber im Porträt<br />

22 VonOdysseus bis Darth Vader<br />

Kinderreporter interviewen<br />

Schtärneföifi<br />

24 Ganz diskret und zoologisch privat<br />

Karolin Trachte über den „club<br />

diskret“ und die erste Theaterserie<br />

in der Kammer<br />

26 Geglückte Verwandlung<br />

Schicht mit Judith Janser, Leiterin der<br />

Maskenbildnerei<br />

28 Ins Theater mit Brigitte von der Crone<br />

„Der Prozess“ im Pfauen<br />

Titel<br />

Markus Scheumann in „Der Prozess“<br />

Rückseite<br />

Fritz Fenne, Michael Neuenschwander,<br />

Lena Schwarz und Carolin Conrad<br />

in „Amphitryon und sein Doppelgänger“


4<br />

5 Essay<br />

Die Umkehrung<br />

Woyzeck und Marie: Jirka Zett und Henrike Johanna Jörissen<br />

Zum Saisonauftakt sind am<br />

<strong>Schauspielhaus</strong> mit Franz Kafkas<br />

„Der Prozess“ und Georg Büchners<br />

„Woyzeck“ zwei grosse Stoffe der<br />

Weltliteratur zu sehen, die auf sehr<br />

unterschiedliche Weise die Frage<br />

nach dem Verhältnis von Gesellschaft<br />

und individueller Freiheit stellen.<br />

VonKaspar Surber<br />

Franz Woyzeck und Josef K. sind beide<br />

dreissig Jahre alt, K. wird exakt an<br />

seinem 30. Geburtstag in seiner Wohnung<br />

verhaftet. Das gleiche Alter kann ein<br />

Hinweis sein, dass die beiden Figuren<br />

etwas miteinander zu tun haben.<br />

Wer selbst schon den 30. Geburtstag<br />

erlebt hat, weiss, dass an diesem<br />

Tagdie Erinnerung an die Vergangenheit,<br />

an Kindheit, Jugend, Liebe, Beruf<br />

zusammenfällt mit dem Ausblick in die<br />

Zukunft, in die Möglichkeiten, die folgen<br />

werden. Jetzt kann, könnte nochmals<br />

alles geändert werden! Der 30. Geburtstag<br />

handelt vom Verhältnis des Einzelnen zur<br />

Gesellschaft. Ich rief drei meiner Freunde<br />

an, wir trafen uns und sprachen lange.<br />

Ein friedlicher, nur leicht bedrohlicher Tag.<br />

Woyzeck ist zudiesem Zeitpunkt bereits<br />

verfolgt, Josef K. wird gleich verhaftet.<br />

Sie werden vom Gesetz zugerichtet<br />

oder verlieren sich selbst darin. Georg<br />

Büchner hat, selbst noch jünger,<br />

das Drama seines 30-Jährigen zu Beginn<br />

des 19.Jahrhunderts niedergeschrieben.<br />

Damals wurden die Freiheitsrechte<br />

erkämpft und doch war schon absehbar,<br />

dass sie in eine neue, industrialisierte<br />

Ordnung führen, wo einer wie Woyzeck<br />

zur Disziplinierung, die nun in der Gestalt<br />

wissenschaftlicher Forschung aufscheint,<br />

seine Erbsen zu essen hat. Franz Kafka<br />

beginnt mit der Arbeit am „Prozess“ im<br />

Sommer 1914,als der mittlerweile kolonial<br />

expandierte, nationalistisch hochgeputschte<br />

Kapitalismus in den Ersten Weltkrieg<br />

übergeht.<br />

Dass beide Texte Fragmente bleiben,<br />

macht sie nur stärker, weil das Verhältnis<br />

des einen zu den anderen zwangsläufig<br />

offen bleibt. Sie zählen deshalb zu<br />

den wichtigsten Texten der modernen<br />

Literatur, weil sie klar machen, dass es<br />

eine Gesellschaft gibt, was auch immer<br />

uns die gegenwärtig vorherrschende<br />

Ideologie an individueller Freiheit gerade<br />

verspricht. Eine Gesellschaft, deren<br />

Recht die Menschen herrichtet, sie im<br />

glücklicheren Fall aber auch berechtigt,<br />

ermächtigt. Woyzeck und Josef K.<br />

sind keine glücklichen Fälle.<br />

Woyzeck: Ja, wahrhaftig, ich möcht mich<br />

nicht blutig mache.<br />

Käthe: Aber was hast duandie Hand?<br />

Woyzeck: Ich? Ich?<br />

Käthe: Rot! Blut.<br />

(Es stellen sich Leute um sie.)<br />

Woyzeck: Blut? Blut?<br />

Wirt: Uu Blut.<br />

Woyzeck: Ich glaub ich hab mich<br />

geschnitte, da an die rechte Hand.<br />

Wirt: Wie kommts aber an de Ellenbog?<br />

Woyzeck: Ich habs abgewischt.<br />

Wirt: Was, mit de rechten Hand an de<br />

rechte Ellboge? Ihr seid geschickt.<br />

Karl: Und da hat der Ries gesagt: ich<br />

riech, ich riech, ich riech Menschefleisch!<br />

Puh! Der stinkt schon.<br />

Woyzeck: Teufel, was wollt ihr? Was<br />

gehts euch an? Platz! Oder der erste –<br />

Teufel! Meint ihr, ich hätt jemand<br />

umgebracht? Bin ich Mörder? Was gafft<br />

ihr? Guckt euch selbst an! Platz da.<br />

(Er läuft hinaus.)<br />

Woyzeck, von der Wissenschaft und<br />

dem Militär diszipliniert, von der Freundin<br />

Marie betrogen, ist ein Gehetzter. Was<br />

Innenwelt ist und was aussen, verwischt<br />

sich in Büchners flirrender, fiebriger<br />

Montage. Es pocht hinter Woyzeck, unter<br />

ihm, er hält das Ohr an den Erdboden:<br />

„Hör ichs da auch, sagt es der Wind<br />

auch? Hör ichs, immer, immer zu, stich<br />

tot, tot?“ Woyzeck wird zur Tatgetrieben:<br />

Er bringt Marie um. Der Gerichtsdiener<br />

wird imSchlusssatz festhalten: „Ein guter<br />

Mord, ein ächter Mord, ein schöner<br />

Mord, so schön als man ihn nur verlangen<br />

tun kann, wir haben schon lange so<br />

kein gehabt.“<br />

Bin ich Mörder? Guckt euch selbst an!<br />

Kafkas Prozess braucht keine Tatmehr,<br />

der Text beginnt mit ihrer Abwesenheit:<br />

„Jemand musste Josef K. verleumdet<br />

haben, denn ohne dass er etwas Böses<br />

getan hätte, wurde er eines Morgens<br />

verhaftet“, heisst der berühmte erste Satz.<br />

Einer der Wächter erklärt die Verhaftung:<br />

„Unsere Behörde, soweit ich sie kenne,<br />

und ich kenne nur die niedrigsten Grade,<br />

sucht doch nicht etwa die Schuld in<br />

der Bevölkerung, sondern wird, wie es im<br />

Gesetz heisst, von der Schuld angezogen<br />

und muss uns Wächter ausschicken, das<br />

ist Gesetz. Wo gäbe es da einen Irrtum?“<br />

„Dieses Gesetz kenne ich nicht“, sagte K.<br />

„Desto schlimmer für Sie“, sagte der<br />

Wächter.<br />

„Es besteht wohl auch nur in Ihren<br />

Köpfen“, sagte K., er wollte sich<br />

irgendwie in die Gedanken der Wächter<br />

einschleichen, sie zu seinen Gunsten<br />

wenden oder sich dort einbürgern.<br />

Aber der Wächter sagt nur abweisend:<br />

„Sie werden es zu fühlen bekommen.“<br />

Ein Jahr lang bemüht sich Josef K.,<br />

mehr über das Gericht zu erfahren, irrt<br />

vergeblich durch Gerichtssäle, die sich<br />

in den Dachkammern heruntergekommener<br />

Stadtviertel befinden. Am Vorabend<br />

seines 31.Geburtstages kommen<br />

zwei Herren und bringen ihn in einen<br />

Steinbruch ausserhalb der Stadt. Einer<br />

legt ihm die Hand an die Gurgel,<br />

der andere stösst ihm das Messer ins<br />

Herz. „Wie ein Hund!“, lauten die<br />

letzten Worte von Josef K.<br />

Woyzeck ist ein Opfer der<br />

gesellschaftlichen Umstände, die<br />

Büchner, der Mediziner und Dramatiker,<br />

in all ihren Widersprüchen seziert.<br />

Die Menschen in seinen Stücken spielen<br />

nicht, sondern werden gespielt: Eine<br />

politisch aktuelle Erfahrung, die bei<br />

Büchner, dem Revolutionär, gerade nicht<br />

zu einer Ohnmacht führt. Er schlägt<br />

sich nicht parteiisch auf Woyzecks Seite,<br />

sondern schildert, ein weit stärkeres<br />

Plädoyer für den Schwachen, die<br />

existenzielle Dimension seines Schicksals.<br />

Josef K., und hier ist Kafkas Zeit einen<br />

Schritt weiter, macht sich im Prozess<br />

das Gesetz zueigen, indem er sich<br />

dagegen verteidigen will. Je mehr er sich<br />

wehrt, umso dominanter wird esin<br />

seinem Kopf. Kafka ist stark von der<br />

jüdischen Mystik geprägt: In der Parabel<br />

des Gefängniskaplans kommt ein Mann<br />

vor die Türdes Gesetzes, wo er ein<br />

Leben lang auf Eintritt wartet. Am Ende


6 7<br />

„Machen Sie keinen solchen Lärm<br />

mit dem Gefühl Ihrer Unschuld.“<br />

aus „Der Prozess“ von Franz Kafka<br />

Vorhersage der Bedürfnisse, die uns als<br />

Kunden zugeschrieben werden. Was<br />

wir im Internet finden, ist die Vorhersage<br />

unserer bisherigen Datenspur. Das Wort<br />

„googeln“ ist treffend: Wir arbeiten für<br />

einen Konzern, und das auch noch gratis.<br />

Zeichnete sich die Ordnung bis zum Ende<br />

des Kalten Krieges durch die Organisation<br />

von Massen aus, setzt die gegenwärtige<br />

Ideologie des Neoliberalismus die<br />

Individualität absolut –der Vorgang ist<br />

eine gesellschaftliche wie persönliche<br />

Privatisierung, was als vermeintliche<br />

Freiheit erscheint, ist häufig ein Kauf- oder<br />

Konsumzwang.<br />

Claudius Körber, Christian Baumbach, Nils Kahnwald und Markus Scheumann in „Der Prozess“<br />

fragt er den Türwächter, weshalb niemand<br />

ausser ihm Eintritt verlangte: „Hier konnte<br />

niemand sonst Einlass erhalten, denn<br />

dieser Einlass war nur für dich bestimmt.<br />

Ich gehe jetzt und schliesse ihn.“ Josef K.<br />

tritt im Prozess gegen einen vermeintlich<br />

labyrinthischen Kontrollapparat doch nur<br />

gegen sich selbst an. Kafkas Folgerung<br />

daraus war nicht die Revolution, sondern<br />

das Gelächter: Als er Freunden Teile<br />

aus dem „Prozess“ vorgelesen hat, soll<br />

er unbeherrscht gelacht haben.<br />

Wie zeigt sich die Gesellschaft und<br />

ihre Justiz heute, zu Beginn des<br />

21. Jahrhunderts? Ich habe den Eindruck,<br />

die Zeit mache gerade einen Salto:<br />

War der Einzelne, wie Woyzeck, ein von<br />

der Gesellschaft Gehetzter, war er<br />

daraufhin, wie Josef K., ihre Spiegelung,<br />

so ist der Einzelne heute seine<br />

Vorhersage: Unser künftiges Verhalten<br />

erscheint als Prognose aus unseren<br />

digitalen Spuren, beim Einkauf wie bei<br />

der Überwachung.<br />

Einige Feststellungen zur derzeitigen<br />

Ordnung: In ihrer wirtschaftlichen Logik<br />

zielt sie, angeleitet von der neoklassischen<br />

Schule, auf den kurzfristigen Eigennutz,<br />

wie er im Shareholder-Value-Denken<br />

zum Ausdruck kommt, in bloss noch in<br />

Sekundenschnelle gehaltenen Wertpapieren<br />

an der Börse, in flexibilisierten<br />

Arbeitsverhältnissen, in der jede und<br />

jeder zum eigenen Unternehmen<br />

wird.<br />

Der Wettbewerb zwischen kleinstmöglichen<br />

Einheiten wurde technisch durch die<br />

Erfindung der relationalen Datenbank<br />

in den 1970er-Jahren möglich: Die Daten<br />

werden nicht hierarchisch gespeichert,<br />

sondern von den Nutzern zueinander<br />

in Beziehung gesetzt. Die Programmierer<br />

in Kalifornien stellten sich als Nutzer<br />

einen Manager vor, dem es möglich sein<br />

sollte, folgende Frage zubeantworten:<br />

„Wie feuere ich alle Mitarbeiter, die im<br />

ersten Stock arbeiten?“<br />

Heute arbeiten wir als Userinnen und<br />

User von sozialen Medien für die grossen<br />

Internetkonzerne wie Google, Facebook<br />

oder Amazon: Alles, was wir sharen<br />

und liken, dient einer noch präziseren<br />

Die Disziplinierung bei Woyzeck läuft<br />

über die Pathologisierung, die<br />

Zuschreibung des Wahnsinns. Josef K.<br />

hat die Kontrolle verinnerlicht, bis er<br />

sich ihr hingibt als nackter Körper,<br />

„wie ein Hund“. Heute sind es die<br />

individuellen Wahlmöglichkeiten, welche<br />

die Individualität auf die des künftigen<br />

Konsumenten beschränkt. Wehe bloss,<br />

er oder sie könnte stören!<br />

Juristisch zeichnet sich die neue<br />

Ordnung durch die Umkehrung<br />

der Unschuldsvermutung aus. Sie wird<br />

legitimiert mit Floskeln wie: „Wer<br />

nichts zu verbergen hat, der hat auch<br />

nichts zu befürchten!“ Oder, im<br />

städtischen Alltag: „Erlaubt ist, was<br />

nicht stört!“<br />

In der Schweiz begann die Umkehrung<br />

in der Asylpolitik: Hier wurden erstmals<br />

Rayonverbote für einzelne Personen<br />

festgesetzt, die bestimmte Räume<br />

nicht betreten dürfen. Diese Verbote<br />

sind nichts anderes als ein dauernder,<br />

institutionalisierter Verdacht. Sie<br />

gelten heute in den Städten über<br />

Wegweisungsartikel auch für sogenannte<br />

Randgruppen wie beispielsweise<br />

Alkoholiker. Mit dem Hooligan-Konkordat<br />

wurde der Verdacht auf Fussballfans<br />

ausgedehnt.<br />

Der derzeitige Skandal um den<br />

US-Geheimdienst NSA zeigt die<br />

unermessliche Dimension der<br />

Entwicklung: VonBürgern rund um den<br />

Globus werden Mails, Telefone und<br />

Kreditkarten präventiv überwacht, um<br />

terroristische Anschläge zuverhindern.<br />

„Woyzeck“ (Ensemble)<br />

Die Dokumentarfilmerin Laura Poitras,<br />

welche die Dokumente des ehemaligen<br />

NSA-Mitarbeiters Edward Snowden<br />

enthüllt, wurde selbst jahrelang überwacht.<br />

Sie sagt: „Man setzt Menschen auf<br />

eine Liste, verhört sie während sechs<br />

Jahren bei ihren Reisen und sagt<br />

ihnen nie, warum. Das ist sowie bei<br />

Kafka.“<br />

Bradley Chelsea Manning, Edward<br />

Snowden oder Laura Poitras sind<br />

vielleicht am ehesten Figuren wie Franz<br />

Woyzeck oder Josef K. Sie machen<br />

die heutige Kultur der Vorbestimmung<br />

sichtbar und durchbrechen sie. In ihrem<br />

Widerstand erscheinen Gesellschaft<br />

und Individualität gleichzeitig. Ein<br />

glücklicher Ausgang ist steht für für sie sie vorläufig<br />

nicht zu erwarten. Wir, die wir keine<br />

Romanfiguren oder Internethelden sind,<br />

sollten zumindest mit der alltäglichen<br />

Abweichung von unseren Konsumprofilen<br />

beginnen.<br />

Kaspar Surber, geboren 1980, ist<br />

Journalist bei der Wochenzeitung WOZ<br />

in <strong>Zürich</strong>. Vonihm ist imEchtzeit-Verlag<br />

das Buch „An Europas Grenzen. Fluchten,<br />

Fallen, Frontex“ über die europäische<br />

Migrationspolitik erschienen.<br />

Der Prozess<br />

von Franz Kafka<br />

Fassung von B.Frey und C. Besier<br />

Regie Barbara Frey, Bühne Bettina Meyer,<br />

Kostüme Bettina Munzer, Video<br />

Andi A. Müller, Dramaturgie Christine Besier<br />

Mit Christian Baumbach, Klaus<br />

Brömmelmeier, Nils Kahnwald, Claudius<br />

Körber, Dagna Litzenberger Vinet,<br />

Markus Scheumann, Siggi Schwientek<br />

Seit 12.September im Pfauen<br />

Unterstützt von der René und Susanne<br />

Braginsky-Stiftung<br />

Woyzeck<br />

von Georg Büchner<br />

Regie Stefan Pucher, Bühne<br />

Stéphane Laimé, Katharina Faltner,<br />

Kostüme Marysol del Castillo,<br />

Musikalische Leitung Christopher Uhe,<br />

Video Meika Dresenkamp,<br />

Dramaturgie Andreas Karlaganis<br />

Mit Jan Bluthardt, Ludwig Boettger, Irm<br />

Irm Hermann, Hermann, Lukas Robert Holzhausen, Hunger-Bühler, Robert<br />

Hunger-Bühler, Henrike JohannaHenrike Jörissen, Johanna Isabelle Jörissen, Menke,<br />

Isabelle JohannesMenke, Sima, Johannes Jirka Zett Sima, sowie Jirka Zett,<br />

Roger Greipl, Christof Hipp Mathis,<br />

Jörg Hurschler, Becky Lee Walters<br />

Seit 13.September im Schiffbau/Halle<br />

Unterstützt von Swiss Re


8<br />

9Essay<br />

Im<br />

Ausnahmezustand<br />

„Träum ich etwa?“ Michael Neuenschwander, Fritz Fenne, Lena Schwarz und Carolin Conrad<br />

Nach einer grossartigen „Elektra“-<br />

Inszenierung in der Schiffbauhalle<br />

(Wiederaufnahme im November) wendet<br />

sich die Regisseurin Karin Henkel<br />

nun Kleists „Amphitryon“ mit seiner<br />

Doppelgängerthematik und seiner<br />

grenzenlosen Identitätsverwirrung zu.<br />

VonGwendolyne Melchinger<br />

Es gibt diese Momente, in denen man<br />

spürt, dass man wirklich und unwiderruflich<br />

man selbst ist und dass man lebend aus<br />

sich selbst und aus seinem Körper nicht<br />

mehr herauskommt. „Das Ich stösst dabei<br />

unvorbereitet auf sich selbst“, schreibt<br />

Peter Sloterdijk, „als voraussetzungslosen<br />

Fund. Der Selbstfindling erfährt sich<br />

in diesem Moment als das unheimliche<br />

Wesen, das schlechterdings kein Ding<br />

ist und das auch nicht im Widerschein<br />

der Dinge verstanden werden kann.“<br />

Aber was passiert, wenn ich mit diesem<br />

unverstandenen Bewusstsein auf andere<br />

Menschen treffe? Wir spiegeln einander<br />

unsere Zerrissenheiten und agieren –je<br />

nach Eignung und Neigung –miteinander<br />

auf glattem Boden.<br />

Während unsere Vorstellungen, Bilder, ja<br />

auch das Bewusstsein von uns selbst uns<br />

nur vermittelt durch andere zur Verfügung<br />

stehen, sind die daraus resultierenden<br />

Aktionen unvermittelt, direkt, real. Darin<br />

findet das Ich sich unverstellt. Und zwar<br />

ähnlich wie im Traum. Der nur mir gehört<br />

und dessen Bilder nur für mich allein<br />

sichtbar sind. Handelnd und träumend,<br />

im Realen und Irrealen, erlebt das Ich<br />

sich unmittelbar.<br />

In Kleists „Amphitryon“ geht es um<br />

die Urfrage der Existenz: Wer bin ich? Die<br />

Frage ist tückisch, denn wer bin ich, dass<br />

ich mir selbst fragwürdig geworden bin?<br />

Der fragwürdige Mensch hat bereits<br />

einen Bruch seines Selbstbewusstseins<br />

erlebt. Der sich in ungebrochener Identität<br />

mit sich selbst befindet, fragt so nicht.<br />

Trotzdem ist die Frage existentiell. Das<br />

„Selbst“ gehört zum Wesentlichen des<br />

Menschseins. Durch das Auftreten des<br />

Doppelgängers wird das Selbst-Bewusstsein<br />

gänzlich erschüttert. Und wenn Sosias<br />

fragt: „Bin ich mir meiner selber nicht<br />

bewusst?“, so offenbart seine Frage<br />

Unsicherheit und Zweifel an der eigenen<br />

Existenz.<br />

Der Mensch bei Kleist ist ein<br />

eigentümliches, widersprüchliches<br />

und vieldeutiges Wesen, weil er<br />

zugleich den unterschiedlichen Sphären<br />

und Registern zugehört und in jedem<br />

Versuch logischer Feststellung scheitern<br />

muss. Er ist ein Wesen, das Kategorien<br />

der Unterscheidung durcheinanderwirft:<br />

Geliebter und Gemahl, Gott und Tier.<br />

Selbstbewusstsein und Bewusstlosigkeit,<br />

Herrscher und Beherrschter, innigstes<br />

Gefühl und übelste Täuschung.<br />

Und wenn dann noch die Liebe ins<br />

Spiel kommt mit ihrem Anspruch<br />

auf Einzigartigkeit, Unverwechselbarkeit,<br />

Unwiederholbarkeit –wer liebt dann<br />

wen? Der eine den anderen oder im<br />

anderen den einen? Wo führt das hin?<br />

Natürlich ins Chaos der Gefühle. In<br />

Turbulenzen, die alles, was zuseinem<br />

sicheren Gang durchs Leben nötig ist,<br />

hinwegfegen. Wo das Gefühl die Sinne<br />

Lügen straft und umgekehrt, wo die<br />

Gedanken ins Trudeln geraten und ich<br />

steuerungslos dem Spiel preisgegeben<br />

bin, das die Götter mit mir treiben …<br />

Und ich merke dabei, dass ich mich im<br />

Kreis drehe. Ohne mir ins Gesicht sehen<br />

zu können. „Ich kann nicht um mich<br />

herumsegeln“, sagt Kierkegaard dazu.<br />

Kleist stürzt das Personal des „Amphitryon“<br />

in eine Identitätskrise, die im Verlust<br />

der Identität ihren Höhepunkt findet.<br />

Die Strukturen, die über das menschliche<br />

Leben bestimmen, sind nicht mehr<br />

verlässlich. Die Welt befindet sich im<br />

Ausnahmezustand. Auch die Verständigung<br />

mittels Sprache bietet keinen Halt.<br />

Erst recht nicht sie. Das Sprechen ist ein<br />

einziges Versprechen, man missversteht<br />

sich und die anderen. Kleists Figuren<br />

gelingt es ebenso wenig, sich selbst von<br />

den anderen wie Sein von Schein zu<br />

unterscheiden.<br />

Während die Diener Charis und<br />

Sosias versuchen, Kapital aus ihrer<br />

Identitätsverletzung zu schlagen,<br />

hat Jupiters Betrug existentielle Folgen<br />

für Amphitryon und Alkmene. Besonders<br />

Alkmene wird sukzessiv bis in ihr<br />

Innerstes erschüttert, so sehr, dass sie<br />

beginnt, an ihrem „innersten Gefühl“<br />

zu zweifeln. Sie stürzt ins Bodenlose.<br />

Zwar gibt sich Alkmene dem falschen<br />

Amphitryon freiwillig hin –wie kann sie<br />

auch wissen, dass sie nicht den richtigen<br />

in den Armen hält? –Jupiters Betrug<br />

zerstört aber ihr Selbstgefühl, das ganz<br />

von dem Ideal einer ungeteilten Liebe<br />

zu Amphitryon erfüllt ist.<br />

Doch Jupiter genügt das noch nicht.<br />

In seinem grenzenlosen Narzissmus<br />

steigert ernoch sein Verlangen. Er will<br />

als Jupiter und nicht als Amphitryon<br />

geliebt werden. So zwingt er Alkmene in<br />

einem Verhör zu einer Stellungnahme,<br />

die sie nicht geben kann, weil sie<br />

die wahren Umstände nicht kennt. Sie<br />

versucht an ihrer Liebe zu Amphitryon<br />

festzuhalten und demütigt damit Jupiters<br />

Verlangen. Auch Amphitryon wird<br />

an die äusserste Grenze des Erträglichen<br />

getrieben. Er, der Kriegsheld, verliert<br />

ohne eigenes Verschulden von einem<br />

Moment zum anderen alles, seine<br />

Ehefrau, sein Haus, seine Machtposition.<br />

Und seinen Verstand, auf den er immer<br />

bauen konnte. Sein Doppelgänger<br />

hat ihm Platz, Name, Bild, Erscheinung<br />

genommen, hat ihn ausgetauscht,<br />

ersetzt, ohne dass die anderen den<br />

Betrug bemerkten. Steht er an der Grenze<br />

zum Wahnsinn oder ist esnur ein Traum?<br />

Am Ende, wenn der Deus ex Machina<br />

regelrecht eingreift und der göttliche<br />

Jupiter die Situation aufklärt und<br />

damit scheinbar die Welt wieder in<br />

Ordnung bringt und Amphitryon<br />

zur Wiedergutmachung die Geburt des<br />

Halbgotts Herakles prophezeit, bleibt<br />

Alkmene fassungslos. Ihre Liebe und ihre<br />

Beziehung sind erschüttert und vielleicht<br />

sogar zerstört. Die Unschuld ihrer<br />

Liebe ist vernichtet. Sie wurde unschuldig<br />

schuldig. Alkmenes „Ach“ zeigt ihren<br />

und schliesslich den anhaltenden<br />

Ausnahmezustand aller.<br />

Amphitryon und sein Doppelgänger<br />

nach Heinrich von Kleist<br />

Regie Karin Henkel, Bühne Henrike Engel,<br />

Kostüme Klaus Bruns, Musik<br />

Tomek Kolczynski, Dramaturgie<br />

Gwendolyne Melchinger<br />

Mit Carolin Conrad, Fritz Fenne,<br />

Michael Neuenschwander,<br />

Lena Schwarz, Marie Rosa Tietjen<br />

Seit 27.September im Pfauen


10 Gespräch<br />

Nichts, was nicht<br />

möglich ist<br />

11<br />

„Ich bin ein Papier und werd’<br />

niemals beschrieben.“<br />

aus „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen<br />

Es ist sind kaum vier Jahre vergangen,<br />

da feierte das Feuilleton den Regisseur<br />

Antú Romero Nunes als das Wunderkind<br />

der deutschsprachigen Theaterlandschaft.<br />

Seither ist der Regisseur dem Label –<br />

Gott sei Dank! –entwachsen. Magischen<br />

Stoffen und seinen Wegbegleitern ist<br />

er aber erfreulicherweise treu geblieben.<br />

Ein Gespräch mit den neuen<br />

Ensemblemitgliedern Nils Kahnwald<br />

und Henrike Johanna Jörissen über<br />

ihre Arbeit mit dem Regisseur.<br />

VonJulia Reichert<br />

„Alles was hier passiert, ist Lüge“ –<br />

mit diesen Worten betritt ein Zauberer<br />

eine Bühne und beginnt dann,<br />

wahrhaftig zu zaubern. Dieser Moment,<br />

der Beginn von Antú Romero Nunes’<br />

Diplominszenierung, Schillers Fragment<br />

„Der Geisterseher“, hat bereits in vielerlei<br />

Hinsicht Marken gesetzt. Er verrät etwas<br />

von einer theatralen Arbeitsweise, die<br />

augenzwinkernd die Illusion zerstört,<br />

um ihre Splitter erst recht zum Funkeln zu<br />

bringen. Und er markiert den Beginn einer<br />

aussergewöhnlichen Theaterlaufbahn (der<br />

Zauberer war übrigens Ensemblemitglied<br />

Jirka Zett, mit dem Nunes jetzt<br />

regelmässig in <strong>Zürich</strong> zusammenarbeitet).<br />

Mit spielerischer Unbeschwertheit nahm<br />

sich der damals Mitte 20-jährige<br />

Regisseur noch des grössten Klassikers,<br />

der universellsten Fragestellung an. 2010<br />

folgte die Wahl zum Nachwuchsregisseur<br />

des Jahres, er war jüngster Hausregisseur<br />

am Maxim Gorki Theater Berlin,<br />

inszenierte in Hamburg, Frankfurt, <strong>Zürich</strong><br />

(„Solaris“), Wien –ein „romantischer<br />

Skeptiker (…), der an die Wahrheit von<br />

Gefühlen mit der gleichen Trotzigkeit<br />

glaubt wie an die Notwendigkeit, Wahrheit<br />

immer wieder zu befragen“ (so Till<br />

Briegleb in der Süddeutschen <strong>Zeitung</strong>).<br />

Eine Traumkarriere, klar. Im Gegensatz zu<br />

vielen anderen selbst- oder fremderklärten<br />

Wunderkindern ist Nunes keineswegs<br />

an den Erwartungen gescheitert, im<br />

Gegenteil. Seine Inszenierungen –knapp<br />

20 in nur vier Jahren –sind nach wie<br />

vor trotzig-ehrlich im Zugriff, jovial in der<br />

Handschrift und dabei zu melancholisch,<br />

zu existentiell, zu universell, um bloss<br />

jugendlich zu sein. In dieser Spielzeit gibt<br />

es von ihm in <strong>Zürich</strong> gleich zwei Arbeiten<br />

zu sehen: „Peer Gynt“, die<br />

Peer Gynt in den Armen seiner Mutter: Henrike Johanna Jörissen und Nils Kahnwald<br />

Neueinstudierung einer Produktion<br />

des Schauspiels Frankfurt, und<br />

eine Bearbeitung von Lewis Carolls<br />

„Alice“-Romanen –bevor er an<br />

die Bayerische Staatsoper in München<br />

weiterzieht, um dort zuinszenieren –<br />

mit kaum 30 Jahren. Ungelogen.<br />

Julia Reichert –Mit Antú Romero Nunes<br />

verbindet euch eine längere gemeinsame<br />

Geschichte, ihr kennt euch seit dem<br />

Studium. Was ist das Besondere ander<br />

Zusammenarbeit?<br />

Henrike Johanna Jörissen –Dass auch<br />

Schnapsideen ernsthaft auf die Bühne<br />

kommen können und dass die Grundidee<br />

für eine Szene erst einmal Spass machen<br />

kann. Da ist Antú wirklich ein Macher –<br />

der macht das dann wirklich (lacht).<br />

Nils Kahnwald –Tatsächlich verbringe ich<br />

mit ihm als Mensch einfach gerne<br />

Zeit. Sein Humor –den ich nicht immer<br />

komplett teile (lacht) –ist ein wesentlicher<br />

Verbindungsfaktor. Ich finde, dass er<br />

sehr humorvolles Theater macht, Theater,<br />

das etwas mit mir zu tun hat.<br />

JR –Ich habe den Eindruck, in seinen<br />

Arbeiten gibt es den Mut, auch naiv an<br />

eine Geschichte heranzugehen, ohne<br />

Zynismus und ohne klüger sein zu wollen<br />

als die Geschichte ...<br />

NK –Esgibt auch immer eine sehr gute<br />

Portion Grössenwahn, die ich sehr schön<br />

finde. Es gibt bei Antú erst einmal nichts,<br />

was nicht möglich ist ...<br />

HJJ –…weil er auch gerne zaubert!<br />

NK –Ja, er macht gerne Zaubertricks.<br />

HJJ –Erstellt eine Windmaschine mitten<br />

auf die Bühne, um dann so zu tun, als<br />

wäre sie nicht da ... (lacht) Das ist schon<br />

grossartig. Dabei ist sie ja offensichtlich da.<br />

JR –Aus solchen Mechanismen ziehen<br />

die Abende ihre Poesie, oder? Dass sie<br />

zaubern, mit einem Augenzwinkern ...<br />

HJJ –…und die Theatermittel<br />

Theatermittel sein lassen –eben weil<br />

sie so schön sind. Man spielt die<br />

schönste Liebesszene mit Windmaschine<br />

und Konfettikanone, um dann zu sagen:<br />

„Moment mal, das war jajetzt ganz<br />

schön. Aber kommen wir auf den Boden<br />

der Tatsachen zurück: es ist nur eine<br />

Windmaschine und nur eine<br />

Konfettimaschine …“<br />

NK –Esgibt immer wieder diese Brüche,<br />

die darauf verweisen, dass man auch<br />

selbst, als Schauspieler dort oben auf der<br />

Bühne, weiss, wo man ist. Dass man nicht<br />

gezwungen ist, so zu tun, als wäre man<br />

anderswo als im Theater.<br />

HJJ –... und dass klar ist, dass unten<br />

Leute sitzen und zuschauen. Die sind ja<br />

auch beteiligt und tragen ihren Teil dazu<br />

bei.<br />

JR –Jemand sagt: „Alles was hier passiert,<br />

ist Lüge“. Und trotzdem oder deswegen<br />

kann ich erst recht darauf hereinfallen.<br />

NK –Allein die Situation, wie „Peer Gynt“<br />

beginnt: Da kommen Schauspieler auf<br />

die Bühne, sammeln beim Publikum drei<br />

Begriffe ein und dann erzählt einer daraus<br />

eine Lügengeschichte. Und sofort ist<br />

das Thema greifbar, weil es mit allen im<br />

Raum zu tun hat.<br />

JR –Und am Schluss wird die<br />

Lügengeschichte doch wahr. Aber das<br />

dürfen wir hier noch nicht verraten ...<br />

NK –Nein, das dürfen wir nicht.<br />

JR –Diese Arbeitsweise hat ja auch eine<br />

gewisse Romantik ...<br />

NK –Eshat Kitsch. Da gehört auch Mut<br />

dazu. Wenn ich Inszenierungen von ihm<br />

sehe, in denen ich nicht selbst mitspiele,<br />

denke ich oft: „Oh nee, Antú, das kann<br />

man doch nicht machen.“ Und dann geht<br />

es doch, berührt eseinen doch.<br />

JR –Fehlt euch das manchmal sonst im<br />

Theater? Mut zum Gefühl?<br />

NK –Ich finde, im Theater gibt es auch<br />

oft einen falschen Mut zum Gefühl.<br />

Das kann auch sehr unangenehm sein<br />

beim Zuschauen.<br />

HJJ –Ich finde das schon ganz besonders<br />

an Antú, auch an ihm privat. Das ist<br />

wirklich seine Persönlichkeit.<br />

JR –Ist „Alice“ nicht auch so ein Stoff,<br />

in dem sich Magie und Theater treffen?<br />

Das Wunderland ist eine Welt, wo die<br />

Regeln nicht mehr gelten, wo man alles<br />

neu verhandeln kann und muss. Das<br />

kann verstörend sein, aber auch ganz<br />

befreiend. Ist das eine Metapher fürs<br />

Theaterspielen?<br />

HJJ –Häufig wird dieser Stoff jakomplett<br />

verniedlicht. Es gibt diesen Film mit<br />

Johnny Depp. Ich weiss es gar nicht,<br />

ist der für Kinder?<br />

JR –Der möchte wohl einfach beide<br />

Segmente bedienen.<br />

HJJ –Eigentlich verniedlicht er aber die<br />

Situation. Ich finde auch, es ist eher<br />

verstörend, was dapassiert.<br />

NK –Antú hat den schönen Satz gesagt,<br />

dass „Alice im Wunderland“ beginnt wie<br />

eine Geburt. Wenn du auf die Welt kommst,<br />

hast dunoch keine Realität –dann fällst<br />

du durch ein Loch und es geht los. Ich<br />

glaube jedenfalls, dass es ein idealer Stoff<br />

ist für Antú, weil er auch die Möglichkeit<br />

zum Zaubern eröffnet. Es ist jaein Märchen<br />

und ermöglicht einem, andere Realitäten<br />

zu öffnen, als die, die man lebt.<br />

JR –Auch ein wiederkehrendes Motiv,<br />

oder? Peer Gynt lügt sich eine andere Welt<br />

zusammen, weil die Welt, in der er lebt,<br />

nicht besonders wünschenswert ist. Auch<br />

Alice träumt sich weg aus einer strengen,<br />

viktorianischen, regelorienterten Welt.<br />

NK –Esgeht immer um die Sehnsucht<br />

nach etwas anderem.<br />

JR –Peer Gynt sagt ja bei euch: Die<br />

Realität ist keine Schuhsohle wert.<br />

NK –Das ist tatsächlich mein Lieblingssatz<br />

im Stück. Weil er so zutreffend ist. Ich<br />

würde das komplett unterschreiben.<br />

JR –Was ist für euch als Schauspieler<br />

wichtiger: Die Realität abzubilden oder<br />

eine Gegenwelt zu zaubern?<br />

HJJ –Letzteres. Auf jeden Fall.<br />

NK –Das geht mir auch so. Ich finde<br />

es immer schöner, Utopien zu entwickeln.<br />

Ich glaube auch nicht daran, dass die<br />

Menschen eine einzige Realität haben.<br />

Die Grundannahme bei „Peer Gynt“ war<br />

ursprünglich: Da kommt jemand und<br />

sagt, „Ich bin Peer Gynt“. Dann kommt<br />

ein anderer und sagt: „Nein, bist<br />

du nicht.“ Und dann gibt es die Suche<br />

danach, wer man eigentlich ist ... Mit<br />

diesem Faust-Motiv: Wer bin ich? wird<br />

auch die Realität in Frage gestellt.<br />

Viele interessante Stücke drehen sich<br />

darum. Die tiefste menschliche Frage,<br />

die die Menschen seit Jahrhunderten,<br />

Jahrtausenden beschäftigt. Und die sie<br />

dennoch nicht in den Griff kriegen.<br />

JR –Die Frage nach Identität ist jaauch<br />

eine Parallele zu Alice: Sie wächst<br />

und schrumpft und vergisst ihren Namen.<br />

NK –Andieser Frage kann man sich<br />

immer abarbeiten, weil sie auch ein<br />

Schmerzpunkt ist. Man kann sich damit<br />

arrangieren, aber es hat mit einer<br />

Trauer zu tun –darüber, was man ist und<br />

was man gerne wäre. Und sowohl mit<br />

Alice als auch mit Peer Gynt hat man die<br />

Möglichkeit, dass phantastische Dinge<br />

geschehen –darin gleichen sie sich ja auch.<br />

JR –Darin, dass doch alles möglich ist?<br />

NK –Ja. Aber es ist eben auch ein<br />

Kraftaufwand, alles möglich zu machen.<br />

Das kommt auch mit dem gesunden<br />

Grössenwahn, von dem ich vorhin<br />

gesprochen habe. Sich nicht zu<br />

beschneiden, sich nicht einzuschränken,<br />

sondern erst einmal zu sagen: Los<br />

geht die Reise und mal sehen, wo wir<br />

ankommen! Ich würde Probenarbeiten<br />

mit Antú auch immer als eine gute<br />

Art von Reise beschreiben. Die einen<br />

guten Startpunkt hat, dann geht es auch<br />

mal hoch und auch mal runter. Da ist<br />

Platz zum Atmen.<br />

Peer Gynt<br />

von Henrik Ibsen<br />

Regie Antú Romero Nunes, Bühne<br />

Florian Lösche, Kostüme Judith Hepting,<br />

Musik Johannes Hofmann,<br />

Video Sebastian Pircher,<br />

Dramaturgie Sibylle Baschung<br />

Mit Michael Goldberg,<br />

Henrike Johanna Jörissen, Nils Kahnwald<br />

Seit 20.September im Schiffbau/Box<br />

Neueinstudierung einer Produktion des<br />

Schauspiel Frankfurt<br />

Alice im Wunderland<br />

nach Lewis Carroll<br />

Regie Antú Romero Nunes, Bühne<br />

Florian Lösche, Kostüme Judith Hepting,<br />

Musik Johannes Hofmann,<br />

Dramaturgie Julia Reichert<br />

Mit Hilke Altefrohne, Henrike Johanna<br />

Jörissen, Nils Kahnwald, Claudius Körber,<br />

Jirka Zett sowie Anna Katharina Bauer,<br />

Lisa Marie Neumann<br />

Ab 8. November im Pfauen


12 Porträt<br />

Sagen Sie jetzt<br />

nichts, Herbert<br />

13<br />

„Die Gerechtigkeit macht zum ersten<br />

Male Ferien, ein immenses Gefühl.“<br />

aus „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt<br />

Fritsch<br />

Nach mehr als 15 Jahren wird ab<br />

dem 19.Oktober am <strong>Schauspielhaus</strong><br />

wieder eine Neuinszenierung von<br />

Dürrenmatts „Die Physiker“ zu sehen<br />

sein. Regie führt Herbert Frisch, dessen<br />

Inszenierungen u.a. an der Volksbühne<br />

am Rosa-Luxemburg-Platz inBerlin, am<br />

Residenztheater München, in Hamburg<br />

oder Bremen zu sehen sind und mehrfach<br />

zum Berliner Theatertreffen eingeladen<br />

wurden, zuletzt „Murmel Murmel“<br />

von Dieter Roth. Seine erste Opernarbeit<br />

war vergangene Spielzeit mit Eötvös’<br />

„Drei Schwestern“ am Zürcher Opernhaus<br />

zu sehen.<br />

VonSabrina Zwach<br />

Man trifft Herbert Fritsch am ehesten<br />

auf der Strasse. Er ist ein Geher. Er geht<br />

zur Probebühne und wieder zurück. Das<br />

sind lockere acht Kilometer Fussmarsch.<br />

Jeder Schritt auf dem Weg dorthin ist<br />

ein Gedanke. Herbert Fritsch bereitet<br />

sich auf seine Arbeit vor, indem er seinen<br />

Körper in Bewegung setzt. Auf der<br />

Probe angekommen, setzt er die Körper<br />

der Schauspieler in Bewegung. Schnell<br />

erhitzen sich alle bei Fritsch auf der<br />

Bühne, verrenken und verdrehen sich.<br />

Dabei geht es um etwas. Er inszeniert<br />

nicht mit dem Textbuch in der Hand,<br />

sondern mit einem schweissnassen<br />

Regie-Hemd am Leib, denn auch auf der<br />

Probe bleibt Herbert Fritsch in Bewegung.<br />

Den Inszenierungen sieht man die<br />

Körperlichkeit des Regisseurs an. Fritsch<br />

ist jedoch kein Zirkusdirektor oder<br />

Turnlehrer, sondern er verkörperlicht und<br />

sexualisiert jeden seiner Gedanken<br />

zum Stück. Die Geschichten werden bei<br />

ihm über die Körper erzählt, die dabei<br />

auch und unter anderem sprechen.<br />

Die Prioritäten und Erzählgewohnheiten<br />

verschieben sich dadurch bei Herbert<br />

Fritsch extrem. Man wirft ihm gerne<br />

vor, dass er die Geschichten nicht ernst<br />

nähme oder nicht erzähle, dass er<br />

sie nicht verstehe und auch nicht auf den<br />

Punkt bringen könne. Dem muss man<br />

entgegensetzen, dass alle Geschichten<br />

erzählt werden, nur eben anders.<br />

Nichts auf Herbert Fritschs erfolgreichem<br />

beruflichen Weg ist geradlinig. Er ist nicht<br />

geradlinig! 1951 in Augsburg geboren, wirft<br />

es ihn als Jugendlichen mit katholischer<br />

Prägung gehörig aus der Bahn. Ein kluger<br />

Jugendrichter verschont ihn vor allzu langer<br />

Haft und formuliert die Bewährungsauflage,<br />

unverzüglich eine Ausbildung anzufangen.<br />

Fritsch bewirbt sich an der Otto-<br />

Falckenberg-Schule in München, wird<br />

aufgenommen und nach dem Abschluss<br />

(heute sagt er, er hätte die Schule<br />

nur ein Jahr regulär besucht) an grosse<br />

Häuser als Schauspieler engagiert.<br />

Sein Weg als Regisseur und Bühnenbildner<br />

ist beispiellos und kerzengerade. Allerdings<br />

findet er ihn vergleichsweise spät.<br />

Anfang der 2000er-Jahre beginnt Fritsch<br />

zu inszenieren und kommt über Luzern,<br />

Halle, Oberhausen, Wiesbaden, Schwerin,<br />

Berlin, Hamburg, München nun –<br />

nachdem er in der letzten Spielzeit am<br />

Opernhaus inszenierte –nach <strong>Zürich</strong>.<br />

Seine Inszenierungen „Nora oder<br />

Ein Puppenhaus“, „Der Biberpelz“,<br />

„Die (s)panische Fliege“ und „Murmel<br />

Murmel“ wurden zum Berliner<br />

Theatertreffen eingeladen. 2013 wurde<br />

Herbert Fritsch Bühnenbildner des Jahres.<br />

Fritschs Grundannahme als Regisseur<br />

ist, dass alle Körper in einem Verhältnis<br />

stehen: Ganz naturwissenschaftlich<br />

und einleuchtend. Seine Grundannahme<br />

ist Physik: Er erzählt von der Ordnung<br />

der Dinge. Und sie ist Metaphysik, weil er<br />

von dem, was dahinter liegt, noch mehr<br />

erzählt. Während man sich im Theater<br />

nun gemeinhin darauf geeinigt hat, sich<br />

auf die Psychologie der Figuren zu<br />

konzentrieren, konzentriert Fritsch sich<br />

auf die Körper, auf alle Komplexe,<br />

unbewusste und bewusste Begierden, auf<br />

alle Verkrampfungen und Ekstasen oder<br />

eben –ganz naturwissenschaftlich –<br />

auf die Energie der Dinge, also der Körper.<br />

Keine Energie geht verloren, alles bleibt<br />

erhalten: Der Energieerhaltungssatz –<br />

ganz einfach und physikalisch. Das heisst,<br />

Fritsch versieht die Körper und den<br />

Raum mit einer sehr spezifischen, meist<br />

sexualisierten Energie, unter deren<br />

Einfluss dann die jeweiligen Figuren<br />

agieren und sich verhalten. Ausgedehnt<br />

wird die naturwissenschaftliche<br />

Herangehensweise durch die Gestaltung<br />

klarer Arrangements. Die Körper verhalten<br />

sich zueinander im Raum.<br />

Der Fritsch’sche Bühnen-Raum wird<br />

durch die Schauspieler-Körper sichtbar<br />

gemacht und vereinnahmt. Figuren<br />

begegnen sich über grosse Distanzen<br />

oder supernah. Räume werden<br />

aufgemacht und verteidigt –ähnlich<br />

wie in Feldsportarten, wie beim Fussball.<br />

Energie –Körper –Raum! Dürrenmatt<br />

beschrieb die Schweiz als Gefängnis.<br />

Fritsch hat dazu einen Raum gebaut,<br />

in dem er seinen physik-basierten<br />

Theateransatz mit den „Physikern“ und<br />

einem grossartigen Ensemble in<br />

<strong>Zürich</strong> zusammenbringen will. Für Herbert<br />

Fritsch ist nicht die Schweiz, sondern fast<br />

alles darum herum ein Gefängnis. Frei<br />

fühlt er sich auf den Proben und befreiend<br />

ist sein Lachen dort. Überhaupt: Eine<br />

Sache wird bei Herbert Fritschs Arbeiten<br />

ganz gross geschrieben, die die Physik<br />

leider nicht als Naturkraft erkennt: der<br />

Witz. Der Fehler, Fundament des Humors,<br />

Ironie, Zweideutigkeit, das Stolpern:<br />

All das wird der Physik für immer verborgen<br />

bleiben. Vielleicht, weil es menschlich,<br />

allzu menschlich ist und mit der Ordnung<br />

der Dinge imeigentlichen Sinn nichts<br />

zu tun hat? Für Fritsch jedenfalls ist es<br />

die Kraft, die hinter allem steht.<br />

Die Physiker<br />

von Friedrich Dürrenmatt<br />

Regie und Bühne Herbert Fritsch,<br />

Kostüme Victoria Behr, Dramaturgie<br />

Sabrina Zwach<br />

Mit Jan Bluthardt, Gottfried Breitfuss,<br />

Jean-Pierre Cornu, Corinna Harfouch,<br />

Wolfram Koch, Julia Kreusch,<br />

Miriam Maertens, Friederike Wagner,<br />

Susanne-Marie Wrage, Milian Zerzawy<br />

Ab 19.Oktober im Pfauen<br />

Unterstützt von der Charlotte Kerr<br />

Dürrenmatt-Stiftung<br />

Sie stecken mitten in den Proben zu<br />

Dürrenmatts „Physikern“. Können Sie uns<br />

eine kleine Kostprobe geben?<br />

Und wie hat man sich Sie beim<br />

Inszenieren vorzustellen?<br />

Dürrenmatt beschrieb die Komödie als<br />

schlimmstmögliche Wendung einer<br />

Geschichte. Teilen Sie seine Ansicht?<br />

Was schätzen Sie am Schauspielerberuf?<br />

Wie stellt man sich gemeinhin den Beruf<br />

des Regisseurs vor?<br />

Sie inszenieren zum zweiten Mal in<br />

<strong>Zürich</strong>. Wie erleben Sie die Stadt bzw.<br />

die Zürcherinnen und Zürcher?


14 Essay<br />

15<br />

Zauber der Bohème<br />

„Mir gefallen diese Dinge, die einen sosüssen<br />

Zauber haben, die von Liebe sprechen,<br />

vom Frühling, von Träumen und Hirngespinsten,<br />

diese Dinge, die Poesie heissen.“<br />

aus „Das Leben der Bohème“ von Aki Kaurismäki<br />

Aki Kaurismäki<br />

Was versteht man eigentlich unter<br />

der „Bohème“ und worauf beruft<br />

sich Aki Kaurismäki in seinem Film<br />

„Das Leben der Bohème“? Der<br />

Filmwissenschaftler Günter Krenn<br />

geht der Frage auf den Grund.<br />

Die Regisseurin Corinna von Rad,<br />

die sowohl im Schauspiel als<br />

auch im Musiktheater tätig ist, und<br />

zuletzt „Zwerg Nase“ im Pfauen<br />

inszenierte, wird sich ausgehend von<br />

Kaurismäkis „Leben der Bohème“<br />

diesem poetischen Stoff zusammen mit<br />

einem Ensemble von Schauspielern<br />

und Musikern widmen.<br />

VonGünter Krenn<br />

Bordellhalter, Lastträger, Literaten,<br />

Orgeldreher, Lumpensammler,<br />

Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler –<br />

solcherart bunt personifizierte Karl<br />

Marx einen Mitte des 19.Jahrhunderts<br />

in Mode gekommenen Begriff, „kurz<br />

die unbestimmte, aufgelöste, hin und her<br />

geworfene Masse, die die Franzosen<br />

la Bohème nennen.“ Honoré deBalzac,<br />

der den Begriff 1840 im Titel eines<br />

Bandes seiner „La Comédie humaine“<br />

verwendete („Ein Fürst der Bohème“)<br />

sah in ihnen Leute aus gutem Hause,<br />

Aristokraten und Bürgersöhne, aber auch<br />

Journalisten, Schriftsteller und Künstler,<br />

also eine Halbwelt aus Begüterten und<br />

Lebenskünstlern. Der Name selbst<br />

spielt auf Böhmen an, dem Land,<br />

aus dem nach der zeitgenössischen<br />

französischen Meinung die Roma<br />

herstammten (spätestens seit Monsieur<br />

Sarkozy wird inFrankreich anders<br />

zugeordnet).<br />

In der, quod erat demonstrandum,<br />

immer schon recht willkürlich auslegbaren<br />

Metapher Bohème vereint sich heute<br />

die idealisierte Vorstellung von nicht<br />

bürgerlichem Leben und künstlerischem<br />

Talent. Ihre Anhänger formierten sich<br />

nach der Juli-Revolution 1830 und<br />

rekrutierten sich vor allem aus dem<br />

Kleinbürgertum. Unter ihnen waren der<br />

Maler Gustave Courbet sowie die<br />

Schriftsteller Henri Murger und Jules<br />

Champfleury, die in Konkurrenz zu<br />

begüterten Künstlern wie Flaubert oder<br />

den Brüdern Edmond und Jules de<br />

Goncourt standen. Murger hat allerdings<br />

immer betont, dass sein Werk nicht<br />

1830 in Paris sondern „zu allen Zeiten<br />

und allerorts“ spiele. Er bezeichnet<br />

in seiner Vorrede zu seinem Buch<br />

„Scènes de la vie de Bohème“ mit dem<br />

Terminus Maler, Musiker, Schriftsteller,<br />

Bildhauer und Philosophen, die um<br />

ihre Existenz ringen, bestand aber<br />

darauf, dass für echte Bohémiens ihr<br />

unbürgerliches Leben nur ein<br />

Übergangsstadium darstellt, bis sie<br />

vom Ertrag ihrer Werke mehr als gut<br />

leben können.<br />

Die bühnentaugliche Bearbeitung der<br />

Buchvorlage erfolgte zunächst durch<br />

Murger selbst, der seinen Roman<br />

gemeinsam mit Théodore Barrière 1849<br />

in das Theaterstück „La vie de Bohème“<br />

umwandelte. Nicht zuletzt durch die<br />

Adaptierung des Stoffes durch zwei<br />

italienische Opernkomponisten, Ruggero<br />

Leoncavallo und vor allem Giacomo<br />

Puccini (1896), blieb der Bohème-Begriff<br />

denn auch in Murgers phantasievoller<br />

Ausprägung der geläufigste. Durch<br />

die ungebrochene Popularität von Puccinis<br />

Version liest sich Bohème heute als<br />

flexible Metapher zwischen überlebter<br />

Historie und verklärter Idylle, mit<br />

Akzentuierung auf letzterer. Bereits<br />

in der ersten literarischen Manifestation<br />

zeichnet sich ab: Die Ungebundenheit<br />

ihrer Lebenssituation erlaubt den witzigüberhobenen<br />

Tonder Bohémiens.<br />

Der Galgenhumor der Lebenskünstler<br />

schuf eine eigene Sprach- und Begriffswelt,<br />

um deren Akkordanz Murger sich sehr<br />

bemühte: „Alle Stilmischungen finden<br />

sich in diesem unerhörten Idiom,<br />

wo apokalyptische Wendungen neben<br />

Unsinn stehen, wo die Derbheit der<br />

Volkssprache sich mit phantastischen<br />

Perioden verbindet (...) ein Jargon,<br />

dessen Kühnheit die freiesten Sprachen<br />

übertrifft. Dieses Wörterbuch der<br />

Bohème ist die Hölle der Rhetorik und<br />

das Paradies des Neologismus.“<br />

In diesem Umfeld ist vermutlich der<br />

eigentliche Kern des Begriffes zu<br />

suchen, dort finden alle dramaturgischen<br />

Varianten Unterschlupf, von Murger<br />

über Puccini bis zu filmischen Variationen<br />

von Géza von Bolvary („Zauber der<br />

Bohème“, 1937) über Aki Kaurismäki<br />

(„Das Leben der Bohème“, 1992) bis hin<br />

zu Baz Luhrman („Moulin Rouge!“, 2001).<br />

Der Film hatte das populäre Thema<br />

früh für sich entdeckt. „Men die<br />

and governments change but the songs<br />

of ‚La Bohème‘ will live forever“ –<br />

lauten die Worte eines Briefes, mit dem<br />

Thomas Alva Edison im September<br />

1920 seinem Respekt für Puccinis Oper<br />

Ausdruck verleiht. Zehn Jahre zuvor<br />

hatte seine Gesellschaft „La Bohème“<br />

erstmals verfilmt, zahlreiche Stummund<br />

Tonfilmadaptierungen sollten folgen,<br />

die meist auf Puccini und weniger<br />

auf Murger basierten. Zu den Ausnahmen<br />

zählt Aki Kaurismäki, der bei seinem<br />

Film Wert auf die Feststellung legte,<br />

dass er sich nicht auf die Oper, sondern<br />

ausschliesslich auf Murger bezog.<br />

„Die Oper ist eine aussterbende Gattung“,<br />

heisst esbezeichnenderweise in<br />

seinem Film. Puccini hatte „La Bohème“<br />

allerdings nicht als Oper sondern<br />

wie das literarische Vorbild als „Szenen“<br />

bezeichnet. Die lyrische Komponente<br />

überwiegt gegenüber der dramatischen,<br />

wenngleich letztere sich speziell<br />

gegen Ende als unverzichtbar erweist.<br />

Die illustrative Kolorierung einzelner<br />

Situationen tritt an vielen Stellen vor die<br />

eigentliche Handlung, ohne dass diese<br />

jedoch dadurch vernachlässigt wird.<br />

Murger schrieb seine „Bohème“ in betont<br />

heiterem Stil, für „ein Lachen, das<br />

nahe den Tränen“ liegt. Die Handlung<br />

des Romans zentriert ziemlich<br />

gleichmässig jeden der vier männlichen<br />

Charaktere, einige Kapitel sind Mimi,<br />

ihrer Vorgängerin Francine und Musette<br />

gewidmet. Puccinis Oper balanciert<br />

in der Introduktion das männliche<br />

Quartett, um sich im weiteren Verlauf auf<br />

die beiden Paare und schliesslich das<br />

tragische der beiden zu konzentrieren. In<br />

der Vorlage Murgers verdingt sich Mimi<br />

ihren Unterhalt als Maitresse wechselnder<br />

Herrenbekanntschaften und nimmt auch<br />

ihre Liebe zu Rudolf als Teil eines grossen<br />

Spiels, dessen Einsatz sie stets selbst zu<br />

bestimmen trachtet. Die Oper wählte das<br />

unhappy end, also die, gemessen am<br />

literarischen Vorbild, nicht zu Ende erzählte<br />

Geschichte, denn Murgers Roman<br />

schliesst nicht mit Mimis Tod, sondern<br />

beschreibt danach noch die gutbürgerliche<br />

Karriere von Rodolphe und Marcel.<br />

Kaurismäkis „Das Leben der Bohème“<br />

zeigt moderne Bohémiens, über seine<br />

Version wurde geschrieben, dass, während<br />

bei Puccini die Pariser Atmosphäre die<br />

eigentliche Heldin sei, sich der Finne mehr<br />

für den Lebensstil seiner Protagonisten<br />

interessiere. Diese wären zwar nach<br />

wie vor von den Sehnsüchten des<br />

19.Jahrhunderts gesteuert, aber dennoch<br />

unverkennbar Menschen von heute:<br />

„So wie sie sich ihre Kleider beim Trödler<br />

zusammenstellen, kommen auch all<br />

ihre Eigenschaften heute vor. Sie sind<br />

postmoderne Individualisten.“<br />

Was wir heute als klassische Kunst<br />

definieren, meint Baz Luhrman, war<br />

bei ihrer Entstehung Pop: „Man glaubte,<br />

dass Shakespeare nicht von Dauer<br />

sein werde. Oder die griechischen<br />

Skulpturen. Die Akropolis war inbunten<br />

Disco-Farben bemalt –das ist die<br />

Wahrheit! ‚La Bohème‘ war die TV-Show<br />

ihrer Zeit.“ An einer Weiterdichtung<br />

des Bohème-Begriffs ist demnach wohl<br />

nicht zu zweifeln, zu gut kann sich<br />

jede neue Generation darin wiederfinden,<br />

sich ihre eigene Interpretation davon<br />

erstellen. Der offenbar unverzichtbare<br />

Mythos wird weiter gedeihen, wie es in<br />

„Bohemian Rhapsody“ von Queen heisst<br />

(um dem eingangs zitierten Personal<br />

noch die Rockmusiker zu addieren):<br />

„Any way the wind blows ...“<br />

Das Leben der Bohème<br />

nach dem Film von Aki Kaurismäki<br />

Regie Corinna von Rad, Bühne<br />

Piero Vinciguerra, Kostüme<br />

Sabine Blickenstorfer, Musik<br />

Jürg Kienberger, Dramaturgie<br />

Gwendolyne Melchinger<br />

Mit Klaus Brömmelmeier, Daniel Sailer,<br />

Jürg Kienberger, Dagna Litzenberger Vinet,<br />

Peter Conradin Zumthor, Nicolas Rosat,<br />

Vreni Urech<br />

Ab 2. November im Schiffbau/Box<br />

Unterstützt von der Gesellschaft der<br />

Freunde des <strong>Schauspielhaus</strong>es


16 Fotogalerie<br />

Schon gesehen?<br />

17<br />

Szenen aus<br />

dem Repertoire<br />

oben: „Die Geschichte von Kaspar Hauser“, Regie Alvis Hermanis; unten: „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen, Regie Antú Romero Nunes<br />

„Elektra“ nach Sophokles/Hofmannsthal/Aischylos/Euripides, Regie Karin Henkel –Wiederaufnahme im November!


18 19<br />

„Woyzeck” von Georg Büchner, Regie Stefan Pucher


20<br />

21 Porträt Claudius Körber<br />

Der Glücks(er)finder<br />

Neu im Ensemble: Der Schauspieler Claudius Körber<br />

Claudius Körber ist seit dieser Spielzeit<br />

Ensemblemitglied am <strong>Schauspielhaus</strong><br />

<strong>Zürich</strong>. In Barbara Freys Bühnenadaption<br />

von Kafkas Roman „Der Prozess“ steht<br />

er zum ersten Mal auf der Pfauenbühne.<br />

VonAndreas Karlaganis<br />

Claudius Körber stammt aus keiner<br />

Theaterfamilie. Auch in seinem<br />

Freundeskreis hatte keiner direkt etwas<br />

mit Theater zu tun. Jedenfalls nicht,<br />

wenn man sich unter Theater eine<br />

herkömmliche Bühne vorstellt.<br />

Aufgewachsen im Dresden der 80er-Jahre,<br />

hatte er als Kind eine viel weiter gehende<br />

Vorstellung davon, was Theater sein<br />

kann. Die prägt ihn bis heute.<br />

Theater –das bedeutete für den jungen<br />

Claudius Körber erst einmal das famose<br />

mütterliche Geschichtenerzählen. Oder<br />

die vielen Feiern, die in der<br />

Nachbarschaft zujeder Zeit und an<br />

allen Orten begangen wurden, wenn etwa<br />

eine Waschküche ausgebaut oder ein<br />

Treppenhaus renoviert worden war. Das<br />

Zelebrieren des Alltags also, sobald<br />

es eine Gelegenheit dazu gab. Ein Haus<br />

konnte auch ein Schiff und die Veranda<br />

deren Kommandozentrale sein. Im<br />

„Wünscheland“ durfte sich jeder einen<br />

Wunsch ausdenken, der augenblicklich<br />

von den anderen erfüllt wurde. So wurde<br />

gemeinsam überlegt und improvisiert,<br />

wie man dem Kollegen einen Amerika-<br />

Auswanderungsausflug herbeizaubern<br />

konnte.<br />

Wenig später kam dann das „eigentliche“<br />

Theater. Am Staatstheater suchte man<br />

Knaben, die singen konnten. Kurzerhand<br />

fand sich der Elfjährige auf der<br />

gewaltigen Dresdner Bühne und sang<br />

in einer Inszenierung von „Was ihr wollt“<br />

Vertonungen von Shakespeares Sonetten.<br />

Natürlich wurde auch dieses Ereignis<br />

zelebriert: Der grosse Bruder sah fast alle<br />

Vorstellungen und nahm seine Freunde<br />

mit. So erlebte man erneut gemeinsam<br />

einen schönen Abend. Ob man als<br />

Beteiligter auf der Bühne stand oder als<br />

Zuschauer dabei war, spielte weniger<br />

eine Rolle. Hauptsache, man hatte<br />

zusammen eine gute Zeit. Claudius war<br />

dabei mehr Vermittler und Mitagierender<br />

als Mittelpunkt.<br />

Diese soziale Komponente in seiner<br />

Sicht auf das Theater hat sich gehalten.<br />

An Stelle seiner Freunde sind es nun<br />

meist die Kollegen auf und hinter der<br />

Bühne, die von Bedeutung sind. „Woman<br />

hingeht –man ist sofort aufgefangen in<br />

einem Netz von Menschen, die irgendwo<br />

dasselbe wollen.“<br />

Zum Schauspielstudium reiste er ans<br />

renommierte Max Reinhardt Seminar<br />

nach Wien. Eine Schule, die ihm weniger<br />

einen bestimmten Stil vermittelte. Eher<br />

wurde er in Wien mit Theaterästhetiken<br />

konfrontiert, die er bislang nicht<br />

kannte und hatte die Gelegenheit, von<br />

verschiedensten Schauspielerkalibern<br />

zu lernen, die am Seminar als Dozenten<br />

tätig waren. Ist aus ihm ein Intellektoder<br />

Bauchschauspieler geworden? Er<br />

selbst beschreibt sich als Ausprobierer,<br />

der durchaus das genaue, reflektierte<br />

Arbeiten schätzt. Dinge bei den Proben<br />

zu erspielen ist ihm jedoch wichtiger<br />

als langes Reden. Zu Regisseuren sucht<br />

er eine Vertrauensbasis. Er schätzt es,<br />

wenn er das Gefühl hat: Da ist jemand,<br />

der einen lenkt, der alles sieht und<br />

der versteht, was man gerade probiert.<br />

Die Aufgabe des Schauspielers wiederum<br />

sei es, ein Gefühl dafür zu entwickeln,<br />

wo der Regisseur mit seinem Instinkt<br />

gerade hin wolle und dort anzudocken.<br />

Mit Sensibilität, mit Gespür, mit Hilfe des<br />

Intellekts und des Handwerks. Begreiflich,<br />

dass er es ablehnt, wenn in der<br />

Probenarbeit der gemeinsame Prozess<br />

ausbleibt, die Dinge imVornherein<br />

feststehen, der Schauspieler Ausführender<br />

bleibt.<br />

Wie geht er mit dem Fremdbestimmten<br />

um, dem man als Schauspieler in<br />

einem Ensemble oftmals ausgesetzt ist?<br />

Am <strong>Schauspielhaus</strong> Graz, wohin er<br />

direkt nach dem Studium engagiert<br />

wurde, hatte er aus nachvollziehbaren<br />

Gründen wenig Probleme damit. Er hatte<br />

stets das Glück, gute Rollen spielen zu<br />

dürfen. Gleich nach seinem Engagement<br />

wurde er als Ödipus besetzt. Nach<br />

dem Erfolg der Inszenierung folgten<br />

weitere Titelrollen, in denen er über die<br />

Stadtgrenze hinaus Aufmerksamkeit<br />

erregte. Für seine Darstellung als Hamlet<br />

(Regie Theu Boermans) und Peer Gynt<br />

(Regie Ingo Berk) erhielt er eine<br />

Nominierung für den österreichischen<br />

Theaterpreis Nestroy in der Kategorie<br />

„Bester Nachwuchsschauspieler“. Ein Jahr<br />

später wurde ihm der Publikumspreis<br />

übergeben. Fast zeitgleich entdeckte ihn<br />

Barbara Frey bei einem Vorsprechen.<br />

Seit ein paar Wochen ist ernun in der<br />

Schweiz. Was sind seine Eindrücke?<br />

Natürlich hatte er hier –einmal mehr! –<br />

Glück. Er fand gleich eine tolle Wohnung,<br />

während der Arbeit am „Prozess“ konnte<br />

er vor der Probe morgens direkt vom<br />

Haus aus ein Bad in der Limmat nehmen.<br />

Und er lernte interessante Menschen<br />

kennen, die Gelegenheit und Lust haben,<br />

Dinge weiterzuentwickeln, zu optimieren.<br />

Er erkennt hier „immer ein verstecktes<br />

Prozent Anarchie. Das gehört zur<br />

Optimierung vielleicht schon wieder dazu –<br />

das verrückte Moment, das freie Radikal,<br />

was ein sehr sympathischer Faktor ist.“<br />

Folgt ihm das Glück auf den Fersen?<br />

Und ist Glück überhaupt gut für den<br />

kreativen Prozess –woesamTheater<br />

doch vor allem darum geht, Probleme und<br />

Konflikte auszuloten? Beim Erarbeiten<br />

von Theaterrollen sucht Körber nicht in den<br />

tiefsten Abgründen und traumatischsten<br />

Erfahrungen aus dem eigenen Leben.<br />

Private Erlebnisse mag er nicht benutzen,<br />

um Gefühle auf der Bühne herzustellen.<br />

Es geht ihm viel mehr darum, die Phantasie<br />

für Konflikte im Umgang mit Menschen<br />

zu finden. Ein Verständnis füreinander<br />

zu entwickeln. Abzutasten, wie man<br />

miteinander reagiert, agiert, umgeht –<br />

daraus entsteht Kreativität. Das Verständnis<br />

für das Gemeinsame ist mit dem Theater<br />

verhaftet geblieben. Es scheint ihm Glück<br />

gebracht zu haben.


22 Kinderreporter<br />

VonOdysseus bis<br />

23<br />

Darth Vader<br />

Semfira –Und habt ihr schon einmal den<br />

Text vergessen?<br />

Sibylle –Ja, und auch kein anderes<br />

Bandmitglied wusste, wie es weiterging.<br />

Ich fragte also die Kinder. Und ein<br />

Mädchen kam dann auf die Bühne und<br />

hat mir gesagt, wie die zweite Strophe geht.<br />

Boni –Solche Aussetzer sind aber selten.<br />

Eher kommt es vor, dass sich beim<br />

Singen mal eine Textzeile verdreht.<br />

Manchmal wird der Sinn dadurch total<br />

verändert. Dann muss man aufpassen,<br />

dass man keinen Lachkrampf bekommt.<br />

Semfira –Sibylle, wann hattest duam<br />

meisten Lampenfieber?<br />

Sibylle –Vor den Konzerten habe ich kein<br />

grosses Lampenfieber mehr. Aber vor<br />

dem Theaterspielen. Also weiss ich, wann<br />

ich bestimmt das nächste Mal grosses<br />

Lampenfieber haben werde: nämlich vor<br />

der Odyssee!<br />

Sibylle Aeberli und Boni Koller im Gespräch mit den Kinderreportern<br />

Zum diesjährigen Familienstück<br />

„Die Odyssee“ für Kinder schreibt die<br />

Zürcher Band Schtärneföifi neue Songs<br />

und ist auch live auf der Bühne mit<br />

dabei. Unsere zwei Kinderreporter, die<br />

Schtärneföifi-Fans Semfira und Emil,<br />

haben die beiden Sänger Sibylle und Boni<br />

zum Gespräch in der Kantine im Schiffbau<br />

getroffen –und alles gefragt, was sie<br />

schon immer von ihnen wissen wollten ...<br />

Semfira –Sibylle, wie lange kannst du<br />

schon so gut singen?<br />

Sibylle –Ich weiss nicht, wie lange<br />

ich schon gut singe ... danke vielmals<br />

übrigens! Angefangen zu singen<br />

habe ich vermutlich gleichzeitig mit<br />

meinen ersten Sprechversuchen!<br />

Semfira –Boni, wie lange gibt es die<br />

Band schon unter diesem Namen und wie<br />

viele Konzerte habt ihr schon gespielt?<br />

Boni –Schtärneföifi gibt es seit 18 Jahren.<br />

Und den Bandnamen haben wir ebenfalls<br />

schon so lange. Pro Jahr spielen wir<br />

50 bis 70 Konzerte. Unser allererstes Lied<br />

„Heicho –ohni Znacht is Bett“ haben<br />

wir schon weit über 1000 Mal gesungen.<br />

Emil –Ist das Lied „Mir mached Fride“<br />

in Dur oder Moll?<br />

Boni (beeindruckt) –Soetwas hat noch<br />

nie jemand gefragt. Es ist inMoll und<br />

endet in Dur. Oder umgekehrt!<br />

Semfira –Sibylle, ich bin ja dein Fan!<br />

Hast duals Kind auch eine<br />

Lieblingssängerin gehabt?<br />

Sibylle –Nein, eigentlich nicht. Aber es<br />

gab ja auch keine Kinderbands damals.<br />

Ich liebte schon sehr früh die Beatles und<br />

meine erste Platte war „Ho-chi-ka-ka-ho”<br />

„Ho-chi-ka-ka-ho“<br />

von Sweet. Das klang wie Hosegaggi ho.<br />

Das fand ich super.<br />

Semfira –Ist euch mal was Peinliches<br />

auf der Bühne passiert?<br />

Sibylle –Einmal musste ich nach einem<br />

anstrengenden Lied extrem viel Wasser<br />

trinken, Wasser mit Bläterli. Als ich dann<br />

wieder ans Mikrophon ging, musste ich<br />

sehr laut rülpsen. Das kam direkt über die<br />

Lautsprecher. Und als mir dann auch<br />

noch „Scheisse“ rausrutschte, wollte ich<br />

vor Scham im Boden versinken.<br />

Semfira –Ich kenne die Geschichte.<br />

Odysseus wird darin fast von einem<br />

einäugigen Riesen gefressen. Der hat<br />

ihm versprochen, ihn als letzten zu<br />

verspeisen, um ihm einen Gefallen zu tun.<br />

Aber das ist jagar kein Gefallen! (lacht)<br />

Emil –Welche Rollen spielt ihr in der<br />

Geschichte?<br />

Sibylle –Wir spielen verschiedene Rollen.<br />

Unter anderem spiele ich die Zauberin<br />

Circe, die Odysseus verzaubern will und<br />

es nicht schafft. Daverliebt sie sich in<br />

Odysseus –denn sie ist noch nie einem<br />

Mann begegnet, der ihren Zauberkräften<br />

widerstehen konnte.<br />

Boni –Und ich spiele einen Gefährten von<br />

Odysseus, denn er ist mit zehn starken<br />

Männern auf seinem Schiff unterwegs.<br />

Sie kommen alle zusammen aus dem<br />

Krieg und obwohl sie alle ziemlich mutig<br />

und unerschrocken sind, wollen sie jetzt<br />

vor allem eins: nach Hause. Aber auf dem<br />

Weg dahin müssen sie viele Abenteuer<br />

überstehen. Zum Beispiel auch den<br />

einäugigen Riesen, von dem Semfira<br />

erzählt hat. So wird erbei uns im Stück<br />

aussehen. (Boni zeigt eine Skizze der<br />

Bühnenbildnerin, auf der der Zyklop mit<br />

seinen Schafen zu sehen ist.) Findet<br />

ihr den zum Fürchten?<br />

Emil –Nein, ich fürchte mich eher vor<br />

den Schafen, die haben Hörner und<br />

Schtärneföifi-Fans Semfira (7) und Emil (6)<br />

haben die Köpfe so nah zusammen.<br />

Ich finde übrigens, dass Töme, der<br />

Schlagzeuger von Schtärneföifi, sehr gut<br />

den Zyklopen spielen könnte. Welche<br />

Lieder werdet ihr denn spielen? Auch<br />

„Königin“?<br />

Sibylle –Nein, das spielen wir nicht,<br />

es gibt komplett neue Lieder! Lieder mit<br />

Geschichten aus der Odyssee.<br />

Emil –Sind sie schon fertig?<br />

Boni –Viele Liedtexte sind schon<br />

geschrieben. Die Ideen dazu sind<br />

zusammen mit der Regisseurin Meret<br />

Matter entstanden. Und die Musik<br />

schreiben wir derzeit. Allerdings werden<br />

wir auch während der Proben, die im<br />

Oktober beginnen, einiges<br />

weiterentwickeln. Das ist deswegen so,<br />

weil auch die anderen Schauspieler<br />

mitsingen werden. Das ist für uns auch<br />

etwas Neues.<br />

Semfira –Eine Frage zum Schluss: Habt<br />

ihr gewusst, dass in einem eurer Lieder<br />

Darth Vader mitspielt, nämlich im<br />

„Trotselbähnli“?<br />

Sibylle –Nein! Wie das denn?<br />

Semfira –Esgibt diese Stelle mit einem<br />

Blasebalg. Das hört sich genau an wie<br />

der Atem von Darth Vader!<br />

Boni –Dasind wir ja platt. So gut hat<br />

noch nie jemand zugehört! Und wir selber<br />

haben es gar nicht gemerkt!<br />

Dank an Theaterpädagogin<br />

Manuela Runge, die das Gespräch<br />

begleitet hat.<br />

Die Odyssee für Kinder<br />

nach Homer<br />

Familienstück ab 6Jahren<br />

mit Musik von Schtärneföifi<br />

Regie Meret Matter, Bühne<br />

Sara Giancane, Kostüme Renate Wünsch,<br />

Musik Schtärneföifi, Dramaturgie<br />

Karolin Trachte<br />

Mit Christian Baumbach, Fritz Fenne,<br />

Aaron Hitz, Lisa-Katrina Mayer,<br />

Johannes Sima, Dimitri Stapfer,<br />

Barbara Terpoorten und der Band<br />

Schtärneföifi:<br />

Sibylle Aeberli, Adrian Fiechter,<br />

Töme Haldimann, Boni Koller, Jean Zuber<br />

Ab 30. November im Pfauen


24 Zoo der Zeitgenossen /club diskret<br />

25<br />

Ganz diskret und<br />

zoologisch privat<br />

Mit dem „club diskret“ wird am<br />

24.Oktober eine Art öffentliches<br />

Wohnzimmer eröffnet: der ganz und<br />

gar mit Teppich überzogene Raum,<br />

den die Bühnenbildnerin Bettina<br />

Meyer für das neue Kammerformat<br />

entworfen hat, hat eine Bar –aber<br />

keine Bühne. Karolin Trachte stellt das<br />

neue Programm vor.<br />

Im „club diskret“ sind sie alle zu Hause:<br />

Der Basler Theatermacher Marcel Schwald<br />

verfasst für sein Konversationsformat<br />

„Host Club“ mit dem Zürcher Autor,<br />

Performer und Regisseur Andreas<br />

Liebmann und der Choreographin Lea<br />

Martini vier „conversation pieces“.<br />

Der Wissenschaftsjournalist Roland<br />

Fischer hat eine Live-Studie entwickelt,<br />

bei der alle Zuschauer zugleich Teilnehmer<br />

sind. Der Berner Autor Jonas Lüscher ist<br />

in „Geschichten verstrickt“ und berichtet,<br />

warum komplexe Zusammenhänge<br />

wie die Finanzkrise durch Erzählungen viel<br />

besser zu verstehen sind. Die drei<br />

jungen Autoren Anna Papst, Konstantin<br />

Küspert und Lukas Linder werden<br />

auf halber Strecke zum neuen Stück ihr<br />

Recherchematerial offenlegen –sogeht<br />

Neue Dramatik auch. Das Game-Designer<br />

Kollektiv „UrbanOut“ entwickelt ein<br />

interaktives Live-Computerspiel. In der<br />

„Radioshow“ bearbeitet Alexander Keil<br />

spielerisch Trends der Zeitgenossenschaft<br />

als Radio-Feature. In einer Stadtreportage<br />

begeben sich Magdalena Drozd, Liliane<br />

Koch und Lea Schregenberger auf die<br />

Spuren des Privaten im Öffentlichen und<br />

kommen Erstaunlichem auf die Spur.<br />

Donnerstags zum „club diskret“, das ist<br />

wie Fernsehschauen, aber live ... und<br />

nicht ganz so diskret! Die Bar ist bei jeder<br />

Vorstellung eine Stunde vor Beginn<br />

geöffnet.<br />

Im Format „club diskret spezial“ geht<br />

es dann weiter: Es entstehen zwei<br />

Theaterserien, die aus jeweils vier bzw.<br />

fünf Premieren bestehen und am Ende<br />

als Marathon nochmals zur Gänze<br />

gesehen werden können. Für die erste<br />

der beiden Serien hat die Münchner<br />

Regisseurin Antje Schupp das Projekt<br />

„Zoo der Zeitgenossen“ entworfen.<br />

Darin beschäftigt sie sich gemeinsam mit<br />

vier Schauspielstudierenden der ZHdK<br />

mit vier herrlichen Stereotypen: dem<br />

Hipster, dem Moneymaker, dem Nerd<br />

und dem Idealisten. Antje Schupp<br />

nennt das eine „Feldforschung“, weil sie<br />

sich gemeinsam mit den vier Spielern<br />

auf die Spur der Zeitgenossen begibt –<br />

jenen Wesen, über die man in einigen<br />

Jahrzehnten sagen wird: Das war<br />

2013!–und die heute natürlich trotz<br />

aller Klischees bald jeder Eindeutigkeit<br />

entbehren. Und obwohl es zunächst<br />

scheint, dass jeder dieser Typen nur in<br />

seiner ganz eigenen Währung rechnet –<br />

sei es der Lifestyle, der Kontostand,<br />

das Spezialwissen oder eben nichts<br />

geringeres als die Rettung der Welt –<br />

stellt sich bald heraus, dass die vier<br />

sich viel zu erzählen haben, ja sich<br />

vielleicht sogar ergänzen können. In vier<br />

zoologischen Kurzporträts stellen wir<br />

die Zeitgenossen vor ...<br />

club diskret<br />

Konzept Alexander Keil und Karolin Trachte,<br />

Grundraum Bettina Meyer<br />

Vonund mit Marcel Schwald,<br />

Andreas Liebmann, Lea Martini,<br />

Anna Papst, Jonas Gygax, Lukas Linder,<br />

Konstantin Küspert, Roland Fischer,<br />

Peter Jüni, Jonas Lüscher,<br />

Magdalena Drozd, Lea Schregenberger,<br />

Liliane Koch, Maike Thies und<br />

Nuria Krämer („UrbanOut“) sowie<br />

Schauspielern des Ensembles und vielen<br />

anderen<br />

Bar ab 19.30 Uhr, Beginn 20.30 Uhr<br />

Ab 24.Oktober im Pfauen/Kammer,<br />

jeden Donnerstag<br />

Unterstützt von Ittinger Amber<br />

Zoo der Zeitgenossen<br />

Eine Feldforschung<br />

Projekt von Antje Schupp<br />

Regie Antje Schupp,<br />

Grundraum Bettina Meyer, Ausstattung<br />

Prisca Baumann, Dramaturgie<br />

Karolin Trachte<br />

Vonund mit Steffen Link,<br />

Magdalena Neuhaus, Pascal Vogler,<br />

Alina Vimbai Strähler<br />

Eine Kooperation mit der ZHdK,<br />

Departement Darstellende Künste und Film<br />

Ab 1. November im Pfauen/Kammer<br />

#1 Der Hipster<br />

In seinem natürlichen Lebensraum im<br />

Umfeld von Vintage-Shops, Shared<br />

Workspaces und temporären Stadtgärten<br />

bewegt sich der Hipster in<br />

gemischtgeschlechtlichen Kleingruppen<br />

von meist zwei bis drei Exemplaren.<br />

Der Hipster ist ein natürlicher Nomade:<br />

Indem er durch seine Niederlassung<br />

in bestimmten Stadtteilen die dortige<br />

Gentrifizierung befördert, zerstört erseine<br />

eigene Lebensgrundlage –und muss in<br />

ein neues Habitat weiterziehen. Zwar<br />

lebt er meist infriedlicher Koexistenz<br />

mit der Familie der sogenannten<br />

Medienintellektuellen, doch bleiben<br />

die von ihm gewählten Orte der Balz<br />

und Nahrungsaufnahme durch den<br />

arttypischen Wissensvorsprung exklusiv:<br />

Wo der Mainstream ankommt, hat der<br />

Hipster die Bildfläche gerade verlassen.<br />

Natürliche Feinde der Hipsterpopulationen<br />

sind neben dem Mainstream wie auch<br />

dem Tourismus gerade die eigenen<br />

Artgenossen: Hipster hassen Hipster.<br />

Denn sie sind als Modeopfer, pseudopolitisch<br />

und „spoilt kids“ der oberen<br />

Mittelschicht in Verruf geraten. Auch die<br />

Ironie und ein vertiefter, unaufdringlicher<br />

Hedonismus sind Merkmale der<br />

„hipsteresken“ Lebensweise.<br />

#2 Der Moneymaker #3 Der Nerd #4Der Idealist<br />

Selbst infreier Wildbahn ist diese<br />

Art für Trapper und Fallensteller leicht<br />

aufzufinden: Der Moneymaker ist da,<br />

wo das Geld ist. Als Berater, Banker,<br />

Jung-Unternehmer und Gründer von<br />

Internet-Start-Ups treibt er sich in BWL-<br />

Studiengängen, auf Technologiemessen<br />

und in VIP-Lounges herum. Der<br />

Moneymaker ist umtriebig, aber sesshaft,<br />

im Beruf meist leistungsfreudig, belastbar<br />

und unabhängig. Der Moneymaker<br />

rechnet in bestechend ehrlichen<br />

Währungen: Geld und Flugmeilen. Im<br />

Umgang damit schwankt der Moneymaker<br />

stark zwischen dem arttypischen<br />

„hamstern“ und –bei Schlecht-Zins-<br />

Wetterlage und hoher Inflation –<br />

publikumswirksamem Verschleudern.<br />

Laufen die Wetten gut, ist kein Destillat<br />

zu teuer, kein Restaurant zu exquisit,<br />

keine Suite unbezahlbar –alles ist gerade<br />

gut genug. Zwar hat der Moneymaker<br />

mit dem Hipster ein gewisses Savoir vivre<br />

gemeinsam, seine Jagdgründe verteidigt<br />

er allerdings nicht mit dem besagten<br />

Exklusivwissen. Der karnivore Meilenkönig<br />

flaniert auf den Dachterrassen, von<br />

denen er den Aasfressern auf den Kopf<br />

spuckt, deswegen alleine, weil er es<br />

bezahlen kann.<br />

Unbeirrt von Mode, finanziellen Anreizen<br />

und der weit verbreiteten Sehnsucht<br />

nach kurzfristiger sozialer Anerkennung<br />

durch andere Bewohner des Ökosystems<br />

beackert der Nerd ein meist abseitiges<br />

oder unbekanntes Wissensfeld. Wo er<br />

fischt, fischt er allein –was seinem<br />

leicht soziophoben Temperament<br />

entgegenkommt: Der Nerd meidet das<br />

offene Feld und die direkte Konfrontation<br />

mit Artgenossen und Tieren anderer<br />

Arten. Die kleinen, über Jahre gewachsenen<br />

Sozialverbände zeichnen sich durch<br />

hohen Zusammenhalt und gemeinsame<br />

Interessensausrichtung aus. Statistisch<br />

kann in durchschnittlichen Nerdpopulationen<br />

eine überproportionale Anzahl von extrem<br />

intelligenten Exemplaren nachgewiesen<br />

werden. Auch weil Paarung und Balz<br />

im Leben des Nerds keine zentrale Stellung<br />

einnehmen, gilt er als ausgesprochen<br />

verspielte Gattung, kann er sich doch<br />

mehrere Stunden am Tagden für ihn<br />

charakteristischen Spielereien widmen,<br />

darunter Science-Fiction-Comics,<br />

Doppelspaltexperimente, programmierbare<br />

Taschenrechner, mittelalterliche<br />

Rollenspiele und selbstprogrammierte<br />

Browserspiele.<br />

Der Idealist konnte bisher selten längere<br />

Zeit erfolgreich in Gefangenschaft<br />

gehalten werden: Das freiheitsliebende<br />

Rudeltier lebt in unabhängigen, grösseren<br />

Sozialverbänden, in welchen er<br />

Lebensraum und Nahrung teilt. Als<br />

Lebensraum werden von klein- und<br />

mittelgrossen Idealisten-Gruppen<br />

leerstehende Häuser am Rande<br />

grosser urbaner Gebiete zwischengenutzt<br />

oder besetzt. Dort festigen sich<br />

die weitestgehend autonomen<br />

Zusammenschlüsse und bleiben häufig<br />

über Jahre stabil –dabei verteidigen sie<br />

die Orte der Niederlassung teils vehement<br />

gegen Habitatsansprüche anderer<br />

Gruppen. Neben hoher Standorttreue und<br />

besonderer Sensibilität für die<br />

Ausgeglichenheit im ihn umgebenden<br />

Ökosystem zeichnen den Idealisten seine<br />

besonderen Ambitionen zur langfristigen<br />

Veränderung der bestehenden<br />

Sozialsystems aus: Neuordnung oder<br />

Aufhebung der bestehenden Hackordnung<br />

zu Gunsten gleichberechtigter<br />

Machtverhältnisse, Neuverteilung von<br />

eroberten Nahrungsräumen, Verhinderung<br />

von Überfischung, besonderer Schutz<br />

für Minderheiten und geschwächte<br />

Rudelmitglieder etc.


26 27 Schicht mit Judith Janser Ruckstuhl<br />

Geglückte<br />

Verwandlung<br />

Seit 26 Jahren am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Zürich</strong>: Judith Janser Ruckstuhl, Leiterin der Maskenbildnerei<br />

Judith Janser Ruckstuhl, deren<br />

Vater schon am <strong>Schauspielhaus</strong><br />

Beleuchtungsmeister war, war<br />

bereits als kleines Kind vom Theater<br />

fasziniert und liebte die Verwandlung.<br />

Mittlerweile arbeitet sie selbst seit<br />

26 Jahren am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Zürich</strong>,<br />

seit Beginn der Spielzeit 2013/14<br />

ist sie Leiterin der Maskenbildnerei.<br />

Eva-Maria Krainz hat sie bei ihrer<br />

Arbeit im Schiffbau begleitet.<br />

10:00 Uhr Judith und ich treffen uns<br />

im ersten Stock des Schiffbaus im<br />

Schminkraum, wo sie gerade mit der<br />

Bestellung eines ganz speziellen<br />

Teint-Make-ups beschäftigt ist: „Homer<br />

Simpson-Gelb“, für die Gesichter<br />

jener Physiker-Darsteller, die sich in<br />

der Irrenanstalt aufhalten. Der richtige<br />

Farbton ist gemäss Katalog nur<br />

als Wasser-Make-up lieferbar, das<br />

im Ergebnis allerdings mehr wie<br />

Faschingsschminke denn professionelles<br />

Theater Make-up aussieht, erklärt Judith.<br />

Daher konnte sie die Herstellerfirma<br />

schliesslich zur Anfertigung eines<br />

Spezialprodukts für das <strong>Schauspielhaus</strong><br />

überreden.<br />

10:22 Uhr Neben dem Computer,<br />

an dem Judith gerade arbeitet, ist eine<br />

ihrer Mitarbeiterinnen gerade mit der<br />

Herstellung von Kunsthaartressen für die<br />

„Physiker“ beschäftigt: In Herbert Fritschs<br />

Inszenierung werden die drei Herren<br />

Newton, Einstein und Möbius Perücken<br />

aus sehr langem Kunsthaar tragen, die<br />

Judith und ihre Kolleginnen nach einiger<br />

Suche schliesslich in einem chinesischen<br />

Online-Shop für Manga-Produkte gefunden<br />

haben. Damit diese jedoch nicht zu<br />

unnatürlich einfarbig aussehen, werden<br />

nachträglich noch Haartressen in<br />

verschiedenen Farbtönen eingearbeitet.<br />

11:19 Uhr Neben den Manga-Haaren und<br />

zahlreichen anderen Perücken entdecke<br />

ich eine, die anscheinend verkehrt herum<br />

auf ihrem Modellkopf sitzt, die Haare<br />

stehen in alle Richtungen. Mit Absicht,<br />

wird mir erklärt: Jan Bluthardts Haare als<br />

Tambourmajor in „Woyzeck“ sollten<br />

besonders verrückt und schräg aussehen –<br />

die Idee, seine Perücke einfach verkehrt<br />

herum aufzusetzen, ist zufällig bei einer<br />

Anprobe entstanden und funktioniert<br />

offensichtlich richtig gut. Ganz allgemein<br />

würden Kostümbildner ihre Phantasie oft<br />

von Dingen, die sie zufällig hier sehen,<br />

inspirieren lassen, meint Judith –weshalb<br />

sie nicht viel von klinisch aufgeräumten<br />

Theaterwerkstätten hält.<br />

11:53 Uhr Die eigentliche Werkstatt der<br />

Maske ist aktuell (noch) eine Baustelle –<br />

sie wurde über den Sommer renoviert,<br />

um den technischen Anforderungen sowie<br />

den Auflagen des Gesundheitsschutzes zu<br />

entsprechen, die die modernen (durch<br />

den Film mitgeprägten) Sehgewohnheiten<br />

und die dafür verwendeten Materialien an<br />

die Maskenbildnerei stellen. Daher<br />

sieht es im Schminkraum, in dem die<br />

Schauspieler bald wieder für die<br />

Vorstellungen geschminkt und frisiert<br />

werden, zur Zeit noch etwas anders<br />

aus als sonst: Die Schminkstühle wurden<br />

bis zu den Endproben für Büchners<br />

„Woyzeck“ in den Keller gebracht, um<br />

Platz inder provisorischen Werkstätte zu<br />

schaffen. Etwas eng ist estrotzdem,<br />

aber Judith und ihre Kolleginnen haben<br />

beschlossen, das Beste aus der Situation<br />

zu machen: So oft esdas Wetter zulässt,<br />

übersiedeln sie etwa zum Perückenknüpfen<br />

ins Freie –imAtrium des Schiffbaus<br />

lässt essich bei warmen Temperaturen<br />

sogar besser arbeiten als in der „alten“<br />

Werkstatt im 3. Stock, wo es in den<br />

Sommermonaten oft unerträglich heiss<br />

gewesen sei.<br />

14:32 Uhr Auf meine Frage, was man<br />

als Maskenbildnerin alles können müsse,<br />

beginnt Judith aufzuzählen: Neben allen<br />

Fertigkeiten, die mit Make-up, Haaren<br />

und Perücken zu tun haben, zählen dazu<br />

natürlich auch Spezialeffekte wie z.B.<br />

das Schminken von Hautverletzungen,<br />

weiters das Modellieren von Masken und<br />

Gesichtsteilen oder manchmal sogar von<br />

ganzen Tieren. Wichtig ist es, bei alldem<br />

immer Ruhe zu bewahren und über viel<br />

psychologisches Feingefühl zu verfügen –<br />

beispielsweise, um sich vor Premieren<br />

nicht von der Nervosität der Schauspieler<br />

anstecken zu lassen. Last but not least<br />

muss man auch loslassen können: Wenn<br />

man z.B. zahlreiche (etwa 40bis 60)<br />

Arbeitsstunden in die Herstellung einer<br />

Perücke investiert hat, diese jedoch nach<br />

nur einer Bühnenprobe schon wieder<br />

verworfen wird –das eigene „Baby“ so<br />

schnell wieder aufgeben zu müssen, ist<br />

manchmal hart, gehört aber auch dazu.<br />

15:02 Uhr In ihren 26 Jahren hier am Haus<br />

hat Judith schon fast alles erlebt: Sie hat<br />

ihren Beruf hier erlernt und dann zunächst<br />

eine 50 Prozent-Stelle angenommen,<br />

die es ihr ermöglicht hat, daneben auch<br />

für Film und Fernsehen, verschiedene<br />

Theater- und Opernhäuser und sogar für<br />

einen Zirkus zu arbeiten. So unterliegt<br />

auch der Stellenwert, den die Maske<br />

am Theater hat, den unterschiedlichsten<br />

Strömungen –imMoment wird Judiths<br />

Abteilung zu ihrer grossen Freude wieder<br />

viel mehr geschätzt und genutzt, als dies<br />

in der Vergangenheit teilweise der Fall<br />

war, und die Zusammenarbeit mit dem<br />

Schauspielensemble macht grossen<br />

Spass.<br />

15:28 Uhr Zum Abschluss machen<br />

Judith und ich einen Rundgang durch<br />

die noch nicht ganz bezugsfertige<br />

Maskenwerkstatt und deren Herzstück,<br />

den neuen „Kapellenraum“, in dem<br />

künftig dank permanenter Versorgung mit<br />

Frischluft auch Lösungsmittel (die etwa<br />

bei der Herstellung von Glatzen zum<br />

Einsatz kommen) ohne Mundschutz (wenn<br />

auch nach wie vor inSchutzanzügen)<br />

verarbeitet werden können.<br />

16:12 Uhr Bald ist die neue Werkstatt<br />

fertig und der Endproben- und<br />

Vorstellungsbetrieb kann losgehen.<br />

Judith freut sich auf die neue Spielzeit<br />

und meint, das grösste Kompliment<br />

für sie sei immer, wenn Zuschauer ihre<br />

Arbeit gar nicht bewusst wahrnehmen<br />

und nach einer Vorstellung sagen,<br />

bei dieser Produktion hätte die Maske<br />

doch gar nichts zu tun gehabt. Das<br />

hört sie gerne, weil sie dann weiss: Die<br />

Verwandlung, von der sie bereits als<br />

Kind fasziniert war, ist geglückt.


28 Ins Theater mit ...<br />

Brigitte von der<br />

29<br />

Crone<br />

„Der Prozess“: Dagna Litzenberger Vinet und Markus Scheumann<br />

Seit März dieses Jahres ist Dr. Brigitte<br />

von der Crone Verwaltungsratspräsidentin<br />

des <strong>Schauspielhaus</strong>es. Sie arbeitet als<br />

Rechtsanwältin in <strong>Zürich</strong>.<br />

Am 12.September besuchte sie die<br />

Premiere von „Der Prozess“ in der Regie<br />

von Barbara Frey. Am Tagnach der<br />

Premiere hat sie unseren Fragebogen<br />

beantwortet.<br />

Vonwoher kamen Sie zu der Vorstellung<br />

ins <strong>Schauspielhaus</strong>?<br />

Ich kam von einem kleinen Znacht zu<br />

Hause. Da wir gleich um die Ecke wohnen,<br />

habe ich nur fünf Minuten zum Theater.<br />

Kannten Sie den Text vorher?<br />

Ja, ich kannte den Text. Ich habe ihn in<br />

jungen Jahren gelesen. Auch wusste<br />

ich, dass er einmal von Orson Welles<br />

verfilmt wurde, habe diesen Film<br />

aber nicht gesehen. Dass bzw. ob es<br />

auch Bühnenfassungen gibt, war mir<br />

nicht bekannt. In diesem Sinne war es<br />

für mich am Donnerstag in doppelter<br />

Hinsicht eine Premiere.<br />

In welcher Stimmung waren Sie in dem<br />

Moment, als im Zuschauerraum das Licht<br />

ausging?<br />

Ich war infreudiger Anspannung,<br />

Saisoneröffnung mit Kafka, wunderbar!<br />

Haben Sie während der Vorstellung<br />

gelacht, und wenn ja, worüber?<br />

Die Szene mit Siggi Schwientek als alter<br />

Anwalt senkrecht im Bett fand ich<br />

grossartig, ja, da habe ich gelacht.<br />

Ansonsten eigentlich nicht. Es gibt nach<br />

meiner Auffassung auch keine lustigen<br />

Passagen im Stück.<br />

Hat Sie etwas an der Vorstellung berührt?<br />

Wenn ja, was?<br />

Das einsame Leben von Josef K. ist<br />

trostlos, das hat mich berührt. Im Theater<br />

ist das aber weniger ausgeprägt als im<br />

Text selbst.<br />

Entsprach die Aufführung Ihren<br />

Erwartungen? Wenn ja, wie sahen diese<br />

aus? Wenn nein, warum nicht?<br />

Ich hatte keine konkreten Erwartungen.<br />

Anders als bei Stücken, die für die Bühne<br />

geschrieben sind, weiss man nicht,<br />

was einen erwartet und wie der Text<br />

umgesetzt werden wird. Bei Barbara<br />

Frey weiss ich, und ging deshalb davon<br />

aus, dass sie sich sehr intensiv mit<br />

dem Text auseinandersetzen und eine<br />

perfekt durchdachte Arbeit machen<br />

würde. Das hat auch zugetroffen, ich fand<br />

die Inszenierung ausgezeichnet.<br />

Hatten Sie während des Zusehens den<br />

Gedanken, dass es besser gewesen<br />

wäre, wenn Sie sich vor Ihrem Besuch<br />

noch einmal genauer über den Text<br />

und den Autor informiert hätten?<br />

Ich hatte noch Zeit, das Programmheft zu<br />

studieren. Das hat mir weitere<br />

Informationen geliefert.<br />

Finden Sie, dass die Aufführung etwas<br />

mit Ihnen zu tun hat? Wenn ja, was?<br />

Da ich selbst Anwältin bin, habe ich der<br />

damaligen Reputation meines Berufsstandes<br />

natürlich etwas mehr Beachtung geschenkt<br />

als wahrscheinlich jemand anderer.<br />

Mein Schluss war aber, dass sich der<br />

Rechtsstaat –obwohl er auch im Text<br />

mehrfach als solcher vorkommt –seit<br />

Kafkas Lebzeiten deutlich weiter entwickelt<br />

hat. Da muss man daher abstrahieren.<br />

Zudem lebte er in einer generell schwierigen<br />

Zeit. Im Übrigen bin ich überzeugt, dass<br />

wir Anwälte heutzutage gerade wegen<br />

der grösseren Rechtssicherheit in unserem<br />

Rechtsstaat einen besseren Ruf geniessen<br />

als damals –ich jedenfalls erlebe das<br />

glücklicherweise so.<br />

Was denken Sie als Juristin über Kafkas<br />

Werk? Gibt es Parallelen zur heutigen<br />

Rechtsprechung?<br />

<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Zürich</strong><br />

<strong>Zeitung</strong> <strong>#9</strong><br />

Herausgegeben von der<br />

<strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Zürich</strong> AG<br />

Zeltweg 5, 8032 <strong>Zürich</strong><br />

www.schauspielhaus.ch<br />

Intendanz Barbara Frey<br />

Kafka hat eine Welt beschrieben, die<br />

mit dem damaligen unsicheren und<br />

intransparenten System zusammenhing<br />

und überdies war erjemand, der die<br />

Welt als schwieriges Umfeld erlebte.<br />

Direkte Parallelen sehe ich in unserer<br />

Rechtsprechung glücklicherweise keine.<br />

Hingegen scheint mir das Stück ein<br />

flammendes Plädoyer für „due process“<br />

zu sein. Das ist auch bei uns wichtig und<br />

sollte nie verloren gehen. Unser Problem<br />

liegt heute aber mehr bei Instanzen<br />

staatlicher Verwaltung im Umgang mit<br />

Bürgern oder etwa imöffentlichen<br />

und kurzen Prozess der Medien als<br />

beispielsweise im Strafprozess, in dem<br />

diese Standards weitgehend gewährleistet<br />

sind.<br />

Wie zufrieden waren Sie mit dem<br />

Publikum? Haben Sie sich geärgert oder<br />

gefreut? Worüber?<br />

Es wurde oft anStellen gelacht, an<br />

denen ich nichts Lustiges entdecken<br />

konnte. Aber darüber geärgert habe<br />

ich mich nicht. Ich erlebe das fast<br />

bei jeder Vorstellung. Die Menschen<br />

sind unterschiedlich und haben<br />

auch einen unterschiedlichen Humor.<br />

Der Applaus am Schluss war toll,<br />

in diesem Sinne habe ich mich über<br />

das Premierenpublikum gefreut!<br />

Haben Sie sich nach der Vorstellung<br />

über das Stück unterhalten? Oder haben<br />

Sie auf dem Heimweg noch über etwas<br />

nachgedacht, das mit der Aufführung zu<br />

tun hatte?<br />

Ja, wir haben uns mit Bekannten gefragt,<br />

was wohl die Beweggründe waren,<br />

diesen Text überhaupt für die Bühne zu<br />

Redaktion Andreas Karlaganis,<br />

Eva-Maria Krainz, Gwendolyne Melchinger,<br />

Julia Reichert, Andrea Schwieter<br />

(Redaktionsleitung), Karolin Trachte<br />

Fotos<br />

Prisca Baumann S.24/25, Raphael Hadad<br />

S.22/23, Matthias Horn S.1/6/8/16 unten/<br />

17/28/32, Birgit Hupfeld S.10,<br />

T+T Fotografie S.4/7/13/16 oben/<br />

18/20/26, PD S.14<br />

adaptieren. Später haben wir uns darüber<br />

unterhalten, dass die Schauspieler<br />

wieder einmal eine grossartige Leistung<br />

gezeigt haben, insbesondere auch<br />

deshalb, weil jeder etwa vier Rollen<br />

spielte, die z.T. unterschiedlicher nicht<br />

hätten sein können. So spielt etwa<br />

Klaus Brömmelmeier einerseits den scharf<br />

bellenden Onkel und unmittelbar darauf<br />

kommt er als Künstler barfuss auf<br />

die Bühne. Nur Herr K.spielt immer sich<br />

selbst –Markus Scheumann auch<br />

ganz wunderbar, keine Frage –aber alle<br />

anderen wandeln sich laufend. Diese<br />

Regie passt hervorragend zum Stück, ja,<br />

setzt die ganze Ambivalenz des Textes<br />

perfekt um, fanden wir.<br />

Welche Frage würden Sie dem Regieteam<br />

dieser Aufführung gerne stellen?<br />

Was waren die Beweggründe, den Text<br />

auf die Bühne zu bringen? Kafka als<br />

Person oder der Inhalt des „Prozesses“?<br />

Welches Stück würden Sie gerne als<br />

nächstes sehen?<br />

Da ich lange Theaterstücke liebe,<br />

hätte ich gegen eine Bühnenadaption<br />

von „Anna Karenina“ absolut gar<br />

nichts einzuwenden. Ein wunderbares<br />

Gesamtkunstwerk. Ich würde aber<br />

gerne auch einmal etwas von Ernest<br />

Hemingway sehen, z.B. eine meiner<br />

Lieblingsgeschichten „The Short<br />

and Happy Life of Francis Macomber“<br />

aus „The Snows of Kilimanjaro“.<br />

Gestaltung velvet.ch/Nina Oppliger<br />

Druck Speck Print AG, Baar<br />

Auflage 20000<br />

Erscheint am 4.Oktober 2013<br />

Partner des <strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Zürich</strong>


30 31<br />

ROMAIN<br />

DURIS<br />

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DER SCHAUM DER TAGE<br />

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MICHEL GONDRY<br />

NACH DEM ROMAN VON<br />

BORIS VIAN<br />

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Mehr Kultur für ZürICh.<br />

Die Credit Suisse ist langjähriger Partner<br />

des <strong>Schauspielhaus</strong>es <strong>Zürich</strong>.<br />

credit-suisse.com/sponsoring


32<br />

„Ward, seit die Welt steht,<br />

so etwas erlebt?“<br />

aus „Amphitryon und sein Doppelgänger“<br />

nach Heinrich von Kleist, Regie Karin Henkel<br />

Jetzt im Pfauen!

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