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Armin Eidherr, Salzburg Motive in den jiddischen Autobiografien der ...

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Das radikale Verwirklichen dessen, was ihm se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Stimme als Notwendigkeit<br />

nennt, ist bestimmend für se<strong>in</strong> ganzes Leben, <strong>in</strong> dem er alle Kont<strong>in</strong>ente durchreist und<br />

bewohnt hat und das sich im Rückblick tatsächlich wie e<strong>in</strong> “Geschichtenbuch”<br />

ausnimmt.<br />

Dies trifft auch auf das Leben des Sohnes von Melech Rawitsch, Jossl Bergner, zu, <strong>der</strong><br />

sich “ständig schwanger mit me<strong>in</strong>em Vater” fühlt. (Bergner, 1997, S. 65)<br />

Hier soll nun nicht Jossl Bergners bewegtes Leben nacherzählt wer<strong>den</strong>. Statt dessen sei<br />

abschließend noch e<strong>in</strong>mal das Thema <strong>der</strong> Sprache, d.h. des Jiddischen, hervorgehoben.<br />

Jossl Bergners Muttersprache ist das Jiddische; se<strong>in</strong>e Autobiografie jedoch hat er auf<br />

Englisch <strong>der</strong> israelischen Journalist<strong>in</strong> Ruth Bondi erzählt, die sie wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> Buchform<br />

<strong>in</strong> hebräischer Sprache herausgegeben hat.<br />

Se<strong>in</strong>e Interviewer<strong>in</strong>, die aus Prag stammt, kritisiert er andauernd wegen ihrer<br />

Unkenntnis des Jiddischen: “Es ist verdammt schade, dass du ke<strong>in</strong> Jiddisch verstehst!”<br />

sagt er häufig (z.B. ibid., S. 76), o<strong>der</strong>: “Das hat mir <strong>der</strong> [jiddische] Dichter Mani Lejb<br />

erzählt, <strong>den</strong> du, aller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nach, nicht kennst ...” (ibid., S. 65) etc.<br />

Die Muttersprache wird zu etwas, an das man sich nur noch mit “Heimweh” und<br />

Wehmut er<strong>in</strong>nert: “In <strong>der</strong> Schule war die Unterrichtssprache das literarische Jiddisch,<br />

aber sowie es kl<strong>in</strong>gelte, waren wir schon draußen auf <strong>der</strong> Straße, wo wir unsere Sprache<br />

sprachen: das Warschauer Jiddisch.” (ibid., S. 35) O<strong>der</strong>: “Das Jiddische gibt es ja noch,<br />

aber das Volk ist verschwun<strong>den</strong>. Du kannst dir nicht vorstellen was das Jiddische war,<br />

was es bedeutete - e<strong>in</strong>e ganze Stadt, die Jiddisch sprach und Jiddisch las. Heute lehrt<br />

man Jiddisch an <strong>den</strong> Universitäten, aber das Volk, die Jiddischsprecher fehlen.” (ibid., S.<br />

61)<br />

Das Thema “Jiddisch” ist <strong>in</strong> Jossl Bergners Autobiografie ständig präsent; es schafft für<br />

ihn die Kont<strong>in</strong>uität se<strong>in</strong>er I<strong>den</strong>tität. Auch <strong>in</strong> Israel def<strong>in</strong>iert er se<strong>in</strong> Ju<strong>den</strong>tum über das<br />

Jiddische und die jiddische Kultur.<br />

Für H<strong>in</strong>de Bergner hatte die Entscheidung für das Jiddische e<strong>in</strong>e vor allem persönliche<br />

Bedeutung, ohne dass es damals notwendig war, dies ausdrücklich zu thematisieren.<br />

Auch für Melech Rawitsch war die Wahl des Jiddischen als alle<strong>in</strong>ige Sprache se<strong>in</strong>er<br />

schriftstellerischen Tätigkeit e<strong>in</strong>e bewusste Entscheidung, - mehr noch: wahrlich die<br />

e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, se<strong>in</strong>en humanistischen Idealen gemäß leben zu können. Jossl<br />

Bergner dagegen, dessen Buch die “autobiografische Trilogie” <strong>der</strong> Bergners abschließt,<br />

kann sich - da es an Jiddisch-Hörern und -Lesern fehlt - nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache<br />

äußern, die se<strong>in</strong>e kulturelle I<strong>den</strong>tität grundlegend bestimmt; - was ihm nur mehr bleibt,<br />

ist über diese Sprache und die mit dieser eng verbun<strong>den</strong>en Welt zu sprechen: e<strong>in</strong>e Welt,<br />

die Er<strong>in</strong>nerung gewor<strong>den</strong> ist ...<br />

Bibliografie:<br />

bergner, h<strong>in</strong>de: <strong>in</strong> di lange v<strong>in</strong>ternekht ... mishpokhe-zikhroynes fun a shtetl <strong>in</strong> galizye. 1870 -<br />

1900. Montreal 1946.<br />

bergner, h<strong>in</strong>de: belaylot hakhoref haarukim. Hebräische Übersetzung: Aria Aharoni. Tel Aviv:<br />

Am Oved, 1982<br />

Bergner, H<strong>in</strong>de: In <strong>den</strong> langen W<strong>in</strong>ternächten. Familiener<strong>in</strong>nerungen aus e<strong>in</strong>em Städtel <strong>in</strong><br />

Galizien (1870 - 1900). Übersetzung und Nachwort von <strong>Arm<strong>in</strong></strong> <strong>Eidherr</strong>. <strong>Salzburg</strong>/Wien:<br />

Otto Müller, 1995.

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