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Armin Eidherr, Salzburg Motive in den jiddischen Autobiografien der ...

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erweiterten englischen Übersetzung unter dem Titel “What I Meant to say” (Bergner,<br />

1997).<br />

Drei Biografien, - drei Generationen, drei Leben ... e<strong>in</strong> zu weites Feld, um es zur Gänze<br />

zu bearbeiten. Es ließen sich Konstanten und Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Sichtweisen anhand<br />

zahlreicher Themen und <strong>Motive</strong> durch die drei <strong>Autobiografien</strong> h<strong>in</strong>durch verfolgen:<br />

Partnerwahl und Heiratsvermittlung, Liebe, Hochzeiten, Familie, K<strong>in</strong><strong>der</strong>, E<strong>in</strong>stellung zu<br />

Abtreibung und Beschneidung; die Bedeutung von Literatur und Sprache(n), das<br />

Jiddische als Grundlage <strong>der</strong> kulturellen I<strong>den</strong>tität; das Ich und die I<strong>den</strong>titätsfrage im<br />

Zusammenhang mit dem biografischen Gestalten usf. Davon wer<strong>den</strong> hier nur e<strong>in</strong>ige<br />

Aspekte aufgezeigt, die vielleicht auch zu weiteren detaillierteren Analysen anregen.<br />

H<strong>in</strong>de Bergner war noch e<strong>in</strong>e typische Frau des osteuropäischen jüdischen Städtels.<br />

Isaac B. S<strong>in</strong>ger drückt das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vorwort folgen<strong>der</strong>maßen aus: “Generationen<br />

jüdischer Frauen sprechen aus diesem Buch, von dem es <strong>der</strong> Schriftsteller<strong>in</strong> nur mehr<br />

gelang, e<strong>in</strong>ige Kapitel fertigzustellen. (...) Wie jede wahre Kunst ist dieses Buch reich an<br />

Information, an allerhand E<strong>in</strong>zelheiten über das jüdische Städtel <strong>in</strong> Ostgalizien, jüdische<br />

Berufe und jüdische Kleidung. Alles ist dort vorhan<strong>den</strong>: Frömmigkeit und Aufklärung,<br />

Reichtum und Armut, Verwurzeltheit und Verbannung, tiefe Trauer und Lebenslust.”<br />

(bergner, 1982, S. 5; Übers.: Bergner, 1995, S.7 f.). Tatsächlich herrscht e<strong>in</strong>e<br />

überpersönliche Perspektive vor. Und doch spricht aus diesem Buch auch e<strong>in</strong> Ich, das<br />

sich von <strong>den</strong> traditionellen Rollen zu lösen beg<strong>in</strong>nt, sich e<strong>in</strong>en Weg zu e<strong>in</strong>er bewusst<br />

gewählten I<strong>den</strong>tität bahnt und sich schreibend selbst zu def<strong>in</strong>ieren versucht.<br />

Sicherlich ist dieses Ich noch tief im jüdischen Städtel Galiziens verwurzelt, <strong>in</strong> <strong>den</strong> das<br />

ganze Leben bestimmen<strong>den</strong> Traditionen und Riten, <strong>in</strong> <strong>den</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen des Alltags.<br />

Aber da Radymno “zwischen zwei größeren Städten” (Przemy´sl und Jaroslaw) lag,<br />

“hatte das Städtchen e<strong>in</strong>e Ten<strong>den</strong>z, sich von <strong>der</strong> verschimmelten Lebensweise zu<br />

emanzipieren.” (Bergner, 1995, S. 9; aus <strong>den</strong> Vorbemerkungen <strong>der</strong> Söhne.)<br />

H<strong>in</strong>de Bergner lebte quasi ihr ganzes Leben lang <strong>in</strong> Radymno. “Ihre weitesten Reisen<br />

waren nach Warschau, Wien, Lemberg, Krakau, Stanislaw.” (ibid., S. 10)<br />

“Die Idee, dass die Mutter ihre Er<strong>in</strong>nerungen nie<strong>der</strong>schreiben solle, kam von ihren<br />

Söhnen. Sie wussten, anhand des Stils und <strong>der</strong> Schreibweise ihrer Briefe, dass sie<br />

schriftstellerische Fähigkeiten besaß, und sie wussten auch, dass sie e<strong>in</strong>st sogar<br />

schriftstellerische Ambitionen hatte. Sie las ganze Tage lang <strong>in</strong> drei Sprachen: Jiddisch,<br />

Polnisch und Deutsch.” (ibid., S. 11)<br />

Von ihr wird das Schreiben ausdrücklich als Rekonstruktion des Ichs vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es “vorgegebenen” Lebensweges erfahren. Die Sätze beg<strong>in</strong>nen häufig mit<br />

Worten wie “Ich er<strong>in</strong>nere mich ...” o<strong>der</strong> “Wenn mich me<strong>in</strong> Gedächtnis nicht trügt, ...”<br />

o<strong>der</strong> “Ich er<strong>in</strong>nere mich noch daran, als ob es heute gewesen wäre, ...” u.ä. Die<br />

Entscheidung für das Jiddische als Sprache ihrer Lebenser<strong>in</strong>nerungen - und nicht für<br />

das Polnisch o<strong>der</strong> Deutsche - signalisiert e<strong>in</strong> Abstandnehmen von assimilatorischen<br />

Erwartungen und vom unh<strong>in</strong>terfragten Sich-Fügen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vorgegebene Rolle, sie<br />

signalisiert weiters die Solidarisierung mit ihren jiddischistischen Söhnen und <strong>den</strong><br />

Inhalten von <strong>der</strong>en Jiddischismus: das Bestehen auf e<strong>in</strong>er eigenen, gleichzeitig<br />

jüdischen und weltoffenen, von Kunst und Philosophie tief geprägten I<strong>den</strong>tität (vergl.<br />

dazu Bergner, 1995, S. 16) . - Melech Rawitsch betont später die ständige Revolte se<strong>in</strong>er

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