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Heft 1 - Sauerländer Heimatbund e.V.

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Sauerländer <strong>Heimatbund</strong><br />

SAUERLAND<br />

© Copyright Sauerlander <strong>Heimatbund</strong><br />

Gefordert durch<br />

Der Ministerprasident<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

•>>^.<br />

REI5<br />

OLPE<br />

SHB Meschede Sauerlaender <strong>Heimatbund</strong>


ISSN0177-8110<br />

Sauerländer <strong>Heimatbund</strong><br />

Nr. 1 / Marz 1990<br />

SAUERLAND<br />

SAUERLAND<br />

Zeitschrift des<br />

Sauerlander<br />

<strong>Heimatbund</strong>es<br />

L2767F<br />

© Copyright Sauerlander <strong>Heimatbund</strong><br />

SHB Meschede Sauerlaender <strong>Heimatbund</strong>


Sauerländer <strong>Heimatbund</strong><br />

SAUERLAND<br />

Leistung<br />

und Partnerschaft.<br />

DaB Sie die Dresdner Bank im betreuen, wie sie es von uns<br />

Kreise der ganz GroBen finden, hat erwarten. Denn erst die Technik<br />

viele Grunde. Einer davon: Bei einer groBen Bank gibt uns die<br />

alien unseren Bemuhungen und Zeit fur eine personliche, auf<br />

Leistungen steht ImmerderKunde die individuellen Probleme des<br />

im Mittelpunkt. GroBcomputer, einzelnen Kunden zugeschnittene<br />

Belegleser, elektronische Daten- Beratung. Daraus entstand die<br />

ubermittlung helfen uns, die vertrauensvolle Partnerschaft, die<br />

Flut der taglichen Geschafte uns nnit Kunden und Geschaftsschnell<br />

und zuverlassig abzu- freunden in aller Welt verwickeln<br />

und unsere Kunden so zu bindet.<br />

Dresdner Bank<br />

fy<br />

SHB Meschede Sauerlaender <strong>Heimatbund</strong><br />

© Copyright Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>


Sauerländer <strong>Heimatbund</strong><br />

SAUERLAND<br />

SAUERLAND Nr. 1 / Marz 1990<br />

Zeitschrift des<br />

Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>es<br />

Partnerschaft<br />

zwischen Eichsfeld und Sauerland<br />

Die umwalzenden politischen Ereignisse der letzten Monate<br />

in der Deutschen Demokratischen Republik haben den<br />

kommunalen Kontakten nach „druben" neuen Auftrieb gegeben.<br />

Nach Presseberichten bemiihen sich zur Zeit mehr<br />

als 700 Stadte und Gemeinden um die Partnerschaft mit einer<br />

Kommune in der DDR. Aus der Sicht des kurkolnischen<br />

Sauerlandes bestehen vielfaltige Beziehungen zu dem nur<br />

zwei Autostunden entfernten Eichsfeld, dessen growerer<br />

Teil, das Obereichsfeld mit Heiligenstadt, seit 1945 vom<br />

nordwestlich gelegenen Unteren Eichsfeld - mit Duderstadt<br />

- getrennt wurde.<br />

Frau Dr. Magdalena Padberg hat bereits friiher auf die alten<br />

Verbindungen hingewiesen. So war Friedrich Wilhelm<br />

Grimme von 1872 bis 1885 Direktor des Heiligenstadter<br />

Gymnasiums. Christine Koch erhielt wie viele andere aus<br />

dem Sauerland ihre padagogische Ausbildung im Eichsfeld.<br />

Die Olper Franziskanerinnen betreuen seit 1905 caritative<br />

Einrichtungen im Oberen Eichsfeld, und umgekehrt haben<br />

die Heiligenstadter Schulschwestern nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg ihr neues Mutterhaus im Bergkloster Bestwig eingerichtet.<br />

Inzwischen bemiihen sich der Kreis Olpe und der Hochsauerlandkreis<br />

um Partnerschaften mit den beiden Eichsfeldkreisen<br />

Heiligenstadt und Worbis. Mehr ere Stadte und<br />

Gemeinden des kurkolnischen Sauerlandes streben ebenfalls<br />

Kontakte mit vergleichbaren Kommunen im Eichsfeld<br />

an.<br />

Der Vorstand des Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>es hat vor<br />

einiger Zeit Verbindung mit der Schriftleitung der Eichsfelder<br />

Heimathefte in Heiligenstadt aufgenommen. Mit der<br />

Redaktion wurde der Austausch der jeweiligen Publikationen<br />

vereinbart, sicher eine gute Grundlage fiir spatere partnerschaftliche<br />

Begegnungen.<br />

Wir werden in der nachsten Ausgabe dieser Zeitschrift<br />

ausfuhrlich iiber die Kontakte zum Eichsfeld berichten.<br />

Dr. Adalbert Mullmann<br />

Aus dem Inhalt<br />

Seite<br />

Junge Universitat in Sijdwestfalen:<br />

Siegen 4<br />

Schatzkammer Propstei Belecke 8<br />

600 Jahre Orgelgeschichte<br />

in Oelinghausen 11<br />

Ateiierbesuch bei<br />

Anneliese Schmidt-Schottler 12<br />

Geehrt, geliebt, vergessen:<br />

Walter Volimer 14<br />

Die Restaurierung der „KnochenmUhie"<br />

in Fretter 16<br />

Bilder aus dem Sauerland -<br />

damais und heute 20<br />

Der Pirol -<br />

Vogei des Jahres 1990 21<br />

Geheimrezept aus Husten:<br />

Westhoffs Magenbitter 23<br />

Bucher - Schrifttum 26<br />

Personalien 32<br />

Leserbriefe 34<br />

Zu unserem Titelbild:<br />

Ein kleines Paradies ist im Marz das Naturschutzgebiet<br />

„Am Schlehen" unmittelbar an der BundesstraRe<br />

236 zwischen Werdohl und Eiringhausen/Plettenberg<br />

am SchloR Briininghausen des<br />

Baron von Wrede. Ungezahlte Marzenbecher<br />

bedecken den Boden eines kleinen Eichenwaldchens.<br />

„SAUERLAND" empfiehlt seinen<br />

Lesern, im nachsten Jahr einmai dieses Naturschutzgebiet<br />

zu besuchen. Es lohnt sich!<br />

Text und Foto: Friedhelm Ackermann<br />

Mitarbeiter dieses <strong>Heft</strong>es:<br />

Dr. Adalbert Mullmann, Brilon; Ullrich Georgi,<br />

Siegen; Dietmar Lange, Warstein; Werner<br />

Saure, Arnsberg; Georg Jurgens, Sundern-<br />

Endorf; Ursula Heyn-Benzin, Hagen; Dietmar<br />

Rost, Sundern; Heike Heinzel, Finnentrop/<br />

Mainz; Friedhelm Ackermann, Arnsberg; Hans<br />

Griinwald, Menden; Karl-Heinz Keller, Arnsberg;<br />

Heinz Pardun, Arnsberg; Dr. Mathias<br />

Pape, Olpe; ElmarSulk, Ruthen; Fritz Bamberg,<br />

Warstein; Norbert VoB, Dusseldorf.<br />

© Copyright Sauerlander <strong>Heimatbund</strong><br />

SHB Meschede Sauerlaender <strong>Heimatbund</strong>


Sauerländer <strong>Heimatbund</strong><br />

SAUERLAND<br />

Junge Universitat in Sudwestfalen: Siegen<br />

von Ullrich Georgi<br />

Welche Assoziationen verbindet man<br />

mit dem Wort Siegen? Zunachst vielleicht:<br />

anderes Wort fiir gewinnen. Oder; Stadt<br />

im Zentrum des Siegerlandes, gepragt<br />

durch Erzbergbau und Stahlindustrie. Den<br />

wenigsten wird sich die Assoziation Siegen<br />

- Universitatsstadt aufdrangen. Dabei<br />

ist Siegen seit 1972 Standort einer Universitat<br />

- Gesamthochschule mit heute<br />

rund 10 000 Studenten (s. GrafikSeite 6).<br />

Als Ende der 60er Jahre uber die Grundung<br />

weiterer wissenschaftlicher Hochschulen<br />

in Nordrhein-Westfalen diskutiert<br />

wurde, erinnerten sich einige der damals<br />

politisch Verantwortlichen an die Worte<br />

einer Abgeordneten des Siegener Kreistages,<br />

die 1962 die Errichtung einer Universitat<br />

in Siegen gefordert, mit ihrer Bemerkung<br />

damals aber lediglich „allgemeine<br />

Heiterkeit" hervorgerufen hatte. Im mittelstandisch<br />

gepragten Industrierevier<br />

Siegen-Olpe stand denn auch zunachst<br />

der Ausbau des praxisorientierten hoheren<br />

Bildungswesens im Vordergrund, so<br />

z. B. in der Errichtung der staatlichen Ingenieurschulen<br />

fur „Bauwesen" (vormals<br />

„Wiesenbauschule") und „Maschinenwesen<br />

und Elektrotechnik", der „H6heren<br />

Wirtschaftsfachschule" und der „Hoheren<br />

Fachschule fiir Sozialarbeit".<br />

Erst als man in der Gefahr stand, in der<br />

Hochschulgrundungswelle der spaten<br />

60er Jahre leer auszugehen und eine<br />

Keimzelle universitarer Ausbildung, die<br />

Abteilung Siegerland der Padagogischen<br />

Hochschule Westfalen-Lippe, zu verlieren,<br />

war rasches Handeln angesagt. Ein<br />

im Auftrag des Kreises Siegen von den<br />

Professoren Lohmar, Biedenkopf und<br />

Knapp erstelltes Gutachten „ Gesamthochschule<br />

im Kreis Siegen" bewies die<br />

Tragfahigkeit des siidwestfalischen<br />

Raumes fiir eine derartige Einrichtung<br />

und unterstrich auch die positiven strukturpolitischen<br />

Effekte, die eine solche<br />

Standortentscheidung mit sich bringen<br />

wurde. War im 1970 veroffentlichten<br />

„ Nordrhein-Westf alen-Programm 197 5"<br />

der NRW-Landesregierung noch kein<br />

Hinweis auf einen Universitatsstandort<br />

Siegen zu finden, so anderte sich dies binnen<br />

Jahresfrist. Im Fruhjahr 1971 fiel in<br />

Dusseldorf die Entscheidung, in Siegen<br />

eine der fiinf neuzugriindenden Gesamthochschulen<br />

einzurichten und darin die<br />

vorhandenen Bildungsangebote des tertiaren<br />

Sektors zu integrieren und um Be-<br />

reiche des universitaren Lehr- und Forschungsangebots<br />

zu erweitern.<br />

Die seinerzeit gegrtindete Universitat -<br />

Gesamthochschule - Siegen ist vor allem<br />

drei Zielen verpflichtet;<br />

- mehr Durchlassigkeit und Chancengleichheit<br />

im Bildungswesen herzustellen<br />

- theorie- und praxisorientierte Ausbildung<br />

enger miteinander zu verkniipf en,<br />

- die Regionalisierung des Studienangebots<br />

und des Forschungspotentials voranzubringen.<br />

Studium<br />

Zur Erreichung dieser Ziele wurden neben<br />

den herkommlichen Universitatsstudiengangen<br />

sogenannte integrierte Studiengdnge<br />

eingerichtet, die das besondere<br />

Charakteristikum einer Gesamthochschule<br />

darstellen und bei denen neben<br />

dem Abitur auch die Fachhochschulreife<br />

als Zugangsvoraussetzung anerkannt<br />

wird. Eine weitere Besonderheit der integrierten<br />

Studiengange besteht darin, daii<br />

sich die Studierenden erst im Verlauf des<br />

Grundstudiums entscheiden und qualifizieren<br />

mussen, ob sie ihre Ausbildung im<br />

mehr praxisorientierten Hauptstudium I<br />

(insgesamt mindestens sechs Semester)<br />

oder im mehr theoriebezogenen Hauptstudium<br />

II (insgesamt mindestens acht Semester)<br />

beenden wollen. Das weitgehend<br />

gemeinsame Grundstudium ermoglicht<br />

ein naheres Kennenlernen des Faches, ein<br />

Uberpruf en der Studienentscheidung und<br />

eine gezieltere Ausrichtung des Studiums<br />

auf den spateren Beruf.<br />

Neben den integrierten Studiengangen<br />

nach dem skizzierten Y-Modell (Chemie,<br />

Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Maschinentechnik,<br />

Wirtschaftswissenschaften)<br />

gibt es einen integrierten Studiengang<br />

„AuBerschulisches Erziehungs- und<br />

Sozialwesen", dessen einzelne Studienabschnitte<br />

aufeinander aufbauen und so AbschluBmoglichkeiten<br />

auf zwei unterschiedlichen<br />

Qualifikationsstufen ermoglichen.<br />

Seit dem Wintersemester 1988/<br />

89 gibt es in Siegen einen weiteren integrierten<br />

Studiengang im Bereich „Wirtschafts-Ingenieurwesen".<br />

Ebenfalls neu<br />

ist die Schwerpunktrichtung „Diplom-Ingenieur<br />

fur Internationale Projektierung"<br />

im Fachbereich Maschinentechnik, in der<br />

ingenieurwissenschaftliche Ausbildungsinhalte<br />

mit Fachfremdsprachen und landeskundlichen<br />

Studienelementen ver-<br />

knupft wurden. Durch die Eroffnung des<br />

integrierten Studiengangs „Technische<br />

Informatik" ist - neben der Moglichkeit,<br />

Informatik als Nebenfach in praktisch alien<br />

Ausbildungszweigen zu studieren - ein<br />

grundstandiges Studienangebot in diesem<br />

zukunftsorientierten Fachgebiet geschaffen<br />

worden.<br />

Neben den integrierten Studiengangen<br />

gibt es die Moglichkeit, Lehramts- und<br />

Magisterstudiengange mit zahlreichen Facherkombinationen<br />

und AbschluRmoglichkeiten<br />

(Lehramt Primarstufe, Sekundarstufe<br />

I und II) zu studieren. Reine Fachhochschulstudiengange<br />

gibt es dartiber<br />

hinaus in den Fachern Architektur-Stadtebau<br />

und Bauingenieurwesen.<br />

Mit den jetzt rd. 10 000 Studenten in<br />

zwolf Fachbereichen ist die Universitat -<br />

Gesamthochschule - Siegen die kleinste<br />

wissenschaftliche Hochschule in Nordrhein-Westfalen,<br />

wenn man von der Privatuniversitat<br />

Witten-Herdecke einmal<br />

absieht. „Klein - aber fein" konnte denn<br />

auch ihre Devise lauten. Klein, well es aufgrund<br />

der uberschaubaren Studentenzahlen<br />

- vor allem in den fortgeschrittenen<br />

Semestern - kaum uberf ullte Vorlesungen<br />

und Seminare gibt, fein, weil Professoren<br />

und wissenschaftliche Mitarbeiter Zeit fur<br />

personliche Gesprache finden, weil die<br />

„Einbeziehung der Studierenden in den<br />

ForschungsprozeB" keine leere Floskel ist<br />

und weil die Chancen auf einen Laborarbeitsplatz<br />

ungleich gunstiger sind als an<br />

den groBen Massenuniversitaten. So ist es<br />

kein Wunder, daR die Universitat Siegen<br />

beim Vergleich der Studiendauer an deutschen<br />

Hochschulen in vielen Fachern eine<br />

sehr gute Position einnimmt und ihr von<br />

den eigenen Studierenden bei der Frage<br />

nach der Qualitat der Studien- und Ausbildungsbedingungen<br />

eine Spitzenstellung<br />

unter den bundesdeutschen Hochschulen<br />

bescheinigtwird(s. dazu „DER SPIEGEL"<br />

Nr. 50/1989).<br />

Die inzwischen erreichte GroRenordnung<br />

schafft aber auch Probleme. Auf den<br />

vorhandenen 5 200 Studienplatzen drangeln<br />

sich rd. 10000 Studenten. Auch<br />

wenn die „Uberlastquote" sich in den einzelnen<br />

Fachbereichen unterschiedlich<br />

auswirkt, so ist doch in den besonders<br />

stark nachgefragten Studiengangen „Betriebswirtschaftslehre"<br />

sowie „Maschinentechnik<br />

- incl. Wirtschaftsingenieurwesen"<br />

- und „Elektrotechnik" vor allem<br />

in den Anfangssemestern eine GroRen-<br />

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SAUERLAND<br />

Hauptgebdude der Uni Siegen auf dem Haardter Berg in Siegen-Weidenau. Freigegeben Regierungsprdsidium Stuttgart Nr. 131-632<br />

ordnung erreicht, die einen weiteren Ausbau<br />

der Universitat Siegen dringend erf orderlich<br />

macht. Auch zum Wintersemester<br />

1989/90, das vielen anderen Universitaten<br />

bereits einen Ruckgang der Studienanfangerzahlen<br />

gebracht hat, ist diese<br />

Zahl in Siegen nochmals urn iiber 20 % gestiegen.<br />

Die aus den zahlreichen Hochschulsonderprogrammen<br />

seit kurzem f lie-<br />

Benden Mittel fiir Personal- und Sachkosten<br />

in den besonders stark belasteten Fachern<br />

sind zwar eine willkommene Hilfe,<br />

reichen fur eine dauerhafte Verbesserung<br />

der Ausbildungssituation und der Forschungskapazitaten<br />

aber bei weitem nicht<br />

aus.<br />

Der relativ unkomplizierte Zugang zu<br />

den Angeboten der Zentralen Einrichtungen,<br />

dazugehoren Universitatsbibliothek,<br />

Rechenzentrum und Audiovisuelles Medienzentrum,<br />

gehort ebenfalls zu den Vorzugen<br />

einer kleineren Universitat. Die<br />

Universitatsbibliothek verfugt derzeit<br />

uber rd. 900 000 Bande, jahriich kommen<br />

etwa 30000 weitere hinzu; 5000<br />

Zeitschriften werden im Abonnement ge-<br />

halten. Im Medienzentrum stehen nicht<br />

nur uber 10 000 Filmtitel auf Videocassetten<br />

fur Lehr- und Forschungszwecke zur<br />

Verfilgung, sondern es konnen auch Cerate<br />

fur eigene Produktionen ausgeliehen<br />

werden. Auch fur Filmschnitt und Nachbearbeitung<br />

der Beitrage stehen entsprechende<br />

Einrichtungen zur Verfugung.<br />

Forschung<br />

Aus zunachst bescheidenen Anfangen<br />

hat sich im Laufe der Zeit ein beachtliches<br />

Forschungspotential entwickelt, das auch<br />

fur die Infrastruktur und die weitere wirtschaftliche<br />

Entwicklung des heimischen<br />

Raumes wichtige Impulse vermittelt. Die<br />

Spannweite der Themen reicht von den<br />

Geistes- und Sozialwissenschaften ijber<br />

wirtschaftswissenschaftliche Projekte bis<br />

hin zu natur- und ingenieurwissenschaftlichen<br />

Fragestellungen, in deren Bearbeitung<br />

die Studierenden der hoheren Semester<br />

veil einbezogen sind. Ein Nachweis<br />

fiir die Qualitat der in Siegen betriebenen<br />

Forschungsaktivitaten sind die zahlreichen<br />

Kooperationen mit nationalen und<br />

internationalenForschungseinrichtungen<br />

und die kontinuierlich steigende Zahl von<br />

Projekten, die mit sogenannten „Drittmitteln"<br />

(Finanzmittel, die nicht aus dem normalen<br />

Haushalt der Universitat stammen)<br />

finanziert werden.<br />

Ein besonderer Schwerpunkt in den<br />

Geisteswissenschaften liegt auf dem Sektor<br />

„Medien". In Siegen ist 1986 ein Sonderf<br />

orschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) zum Thema<br />

„Asthetik, Pragmatik und Geschichte der<br />

Bildschirmmedien; Schwerpunkt: Fernsehen<br />

in der Bundesrepublik Deutschland"<br />

eingerichtet worden. AuBerdem<br />

gibt es ein „Institut fur empirische Literatur-<br />

und Medienforschung (LUMIS)" sowie<br />

ein „Institut fiir Sprachen im Beruf" -<br />

insgesamt ein sehr produktiver und renommierter<br />

Fachbereich fiir Sprach- und<br />

Literaturwissenschaften. Im Mai 1987 ist<br />

das erste geisteswissenschaftliche Graduiertenkolleg<br />

an einer deutschen Universitat<br />

in Siegen eroffnet worden. Zahlreiche<br />

in- und auslandische Kollegiaten sind<br />

inzwischen ins Graduiertenkolleg aufge-<br />

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SAUERLAND<br />

Gruner Horsaal<br />

Universitdtsbibliothek: Freihandaufstellung und Leseplatze<br />

nommen worden; exzellente Wissenschaftler<br />

der Geisteswissenschaften hielten<br />

und halten sich zu Vortragen und langeren<br />

Gastaufenthalten in Siegen auf.<br />

Eine weitere Siegener Spezialitat ist das<br />

„Forschungsinstitut fiir Geistes- und Sozialwissenschaften",<br />

dem sechs Professoren<br />

verschiedener Fachdisziplinen angehoren<br />

und das mit Einladungen zu Gastprofessuren<br />

und Symposien dazu beitragt,<br />

die internationaie und interdisziplinare<br />

Zusammenarbeit zwischen der Universitat<br />

Siegen und auswartigen Hochschulen<br />

zu fordern.<br />

Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften<br />

ist ebenfalls 1986 die Koordinierungsstelle<br />

fiir den DFG-Forschungsschwerpunkt<br />

„Monetare Makrookonomie"<br />

eingerichtet worden, ein Forschungsschwerpunkt,<br />

an dem unter der<br />

Leitung des ehemaligen Siegener Griindungsrektors<br />

Prof. Dr. Artur Woll insgesamt<br />

Wissenschaftler aus 21 Universitaten<br />

und Forschungseinrichtungen aus<br />

dem gesamten Bundesgebiet beteiligt<br />

sind.<br />

Im Fachbereich Physik sind die zahlreichen<br />

Kooperationen u. a. bei CERN in<br />

Genf, DESY in Hamburg, der DVR sowie<br />

mit der NASA hervorzuheben. In den ingenieurwissenschaftlichen<br />

Disziplinen<br />

sind die Forschungsarbeiten zur Strukturoptimierung,<br />

zur MeR- und Regelungstechnik<br />

und zur Entwicklung moderner<br />

Fertigungs- und Produktionsverfahren zu<br />

nennen, ohne daB damit .die Vielfalt der<br />

Forschungsaktivitaten in alien Fachbereichen<br />

auch nur annahernd skizziert ware.<br />

Im Rahmen der „Zukunftsinitiative Montanregionen<br />

(ZIM)" ist ein NRW-„Zen-<br />

trum fiir Sensorsysteme" an der Universitat<br />

Siegen eingerichtet worden, an dem<br />

Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete<br />

beteiligt sind. Die Bauarbeiten fur<br />

ein neues Institutsgebaude werden in Kurze<br />

beginnen.<br />

@<br />

10000<br />

2000-<br />

Entwicklung der Studentenzahlen<br />

Universitat und Region<br />

Mit dem heimischen Wirtschaftsraum<br />

ist die Universitat Siegen seit langem eng<br />

verbunden. Dabei reicht die Palette von<br />

Inf ormationsangeboten bis hin zu konkreten<br />

Entwicklungsprojekten, die z. B. der<br />

84/85 B6/87 B9/90<br />

Bini(!®0'Ki[firai©l!(iO'<br />

stud. insg.<br />

Slud.-Anf.<br />

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SAUERLAND<br />

Produktverbesserung, der Optimierung<br />

von Verf ahrens- und Produktionsablauf en<br />

oder der Oberwachung von Produktionsbzw.<br />

Verfahrensablaufen in der Umwelttechnik<br />

dienen. Dariiber hinaus stellt die<br />

Universitat gerade auch der heimischen<br />

Industrie hochqualifiziertes Personal zur<br />

Verfiigung, denn ca. 30% der Absolventen<br />

finden in der engeren Wirtschaftsregion<br />

einen Arbeitsplatz.<br />

Die Universitat ist fur den siidwestfalischen<br />

Raum aber auch selbst ein nicht zu<br />

unterschatzender Wirtschaftsfaktor. Mit<br />

(iber 1200 Beschaftigten gehort sie zu<br />

den groBten Arbeitgebern der Region.<br />

Von den uber 100 Millionen DM Haushaltsmitteln,<br />

die der Betrieb einer solchen<br />

Einrichtung jahrlich erfordert, bleibt der<br />

groBte Teil in Form von Gehaltern, aber<br />

auch Einkaufen und Lieferungen in der<br />

Region und tragt dort zur wirtschaftlichen<br />

Prosperitatbei. Zudeniiber 100 Millionen<br />

DM Haushaltsmitteln kommen pro Jahr<br />

nochmals iiber 15 Millionen DM hinzu, die<br />

einzelne Wissenschaftler aus der Hochschule<br />

zur Durchf uhrung von Forschungsund<br />

Entwicklungsprojekten erhalten, und<br />

wenn man versucht, die Ausgaben der<br />

Studierenden fiir Lebensunterhalt, Kultur-<br />

und Freizeitaktivitaten, Kauf von Biichern<br />

und anderen Lehrmitteln in eine solche<br />

Gesamtrechnung einzubeziehen,<br />

kommt man schnell auf eine GroBenordnung<br />

von 200 Millionen DM (Die Ausgaben<br />

pro Student mit DM 8 400 - im Jahr<br />

angesetzt).<br />

Nun gehen von einer Universitat nicht<br />

nurwirtschaftliche Impulse fiir die Rpqinn<br />

aus, in der sie sich befindet. Auf den<br />

Aspekt „Wissens- und Personaltransfer"<br />

ist bereits hingewiesen worden. Hinzu<br />

kommt eine Belebung und Befruchtung<br />

der kulturellen Szene, die durch eigene<br />

Aktivitaten der Hochschulangehorigen in<br />

vielen Bereichen eine Ausweitung erfahrt,<br />

durch das akademische Publikum<br />

aber auch fur Konzert- und Theaterveranstaltungen<br />

eine erhohte Attraktivitat gewinnt.<br />

Durch jahrlich wiederkehrende Veranstaltungen<br />

wie „Forum Siegen" und die<br />

„Mittwochsakademie" in Siegen und neuerdings<br />

auch in Olpe bietet die Universitat<br />

auch dem allgemeinen Publikum die<br />

Chance, sich mit wissenschaftlichen und<br />

aktuellen Fragestellungen aus vielen Fachbereichen<br />

zu beschaftigen; fiir bestimmte<br />

Berufsgruppen (z.B. Lehrer) werden<br />

Fort- und Weiterbildungsmoglichkeiten<br />

angeboten; in den technischen Fachbereichen<br />

gibt es ein umf angreiches Programm<br />

von Vorlesungen und Seminaren, die<br />

ebenfalls der Weiterqualifikation dienen.<br />

Betrachtet man das Einzugsgebiet der<br />

Universitat Siegen, so wird deutlich, daB<br />

das 1972 verkiindete Konzept von der Regionalisierung<br />

des Studienangebots und<br />

der Ausschopfung von Bildungsreserven<br />

voll erfullt wurde. So stammen aus dem<br />

Kreis Siegen-Wittgenstein seit Jahren<br />

konstant ca. 40% aller Studierenden;<br />

rechnet man den weiteren Einzugsbereich<br />

mit den Kreisen Olpe (uber 7 %), Altenkirchen,<br />

Westerwaldkreis und Lahn-Dill-<br />

Kreis hinzu, so erreicht diese Quote bereits<br />

60% (s. Grafik unten).<br />

Um die Zukunft der Universitat - Gesamthochschule<br />

- Siegen muB man sich<br />

heute - anders als noch vor drei bis vier<br />

Jahren - keine Sorgen machen. Die eindeutige<br />

Haltung von Politik, Wirtschaft<br />

und Burgern der Region bel den seinerzeitigen<br />

SchlieBungsgeruchten hat entscheidend<br />

dazu beigetragen, die Verbundenheit<br />

von Region und Universitat zu festigen<br />

und den politisch Verantwortlichen in<br />

Forschunqsminister Riesenhuber<br />

im Gesprdch mit Prof. Fett<br />

Dusseldorf bewiesen, daB die Standortentscheidung<br />

fur Siegen unumkehrbar ist.<br />

Durch die seit drei Jahren zu registrierende<br />

starke Aufwartsentwicklung bei den<br />

Studentenzahlen und der innovativen<br />

Kraft der Hochschule in der Fortentwicklung<br />

des Studienangebots hat sich die Existenzberechtigung<br />

einer Universitat im<br />

sudwestfalischen Raum zusatzlich erwiesen.<br />

Grafik: Studenten aus dem Nahelnzugsbereich der Universitat Siegen im Wintersemester 1989/90<br />

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SAUERLAND<br />

Schatzkammer Propstei Belecke<br />

Ein Museum fiir kirchliche Kunst<br />

von Dietmar Lange<br />

Seit einigen Jahren befassen sich die<br />

katholische Kirchengemeinde St. Pankratius<br />

in Belecke, die Stadt Warstein, das<br />

Westfalische Museumsamt in Munster<br />

und das Erzbischof liche Generalvikariat in<br />

Paderborn mit Planungen und Oberlegungen<br />

zur Errichtung eines Museums fiir<br />

kirchliche Kunst in den Propsteigebauden<br />

in Belecke. Der reichhaltige Bestand an liturgischem<br />

Gerat, Gemalden und Plastiken,<br />

der sich im Besitz der Propsteigemeinde<br />

befindet, gab dazu die ersten AnstoBe.<br />

Mit einer vielbeachteten Ausstellung<br />

im Jahre 1977, fiir die der geburtige<br />

WarsteinerDr. KarlBerndHeppe, Kustos<br />

am Stadtmuseum Dusseldorf, verantwortlich<br />

zeichnete, wurden die Kunstschatze<br />

erstmals einer weiten Bevolkerung gezeigt<br />

und erlautert. In diesem Zusammenhang<br />

entstand als uniiberhorbarer Tenor<br />

der Wunsch, zu einer dauernden Ausstellung<br />

in geeigneter Form zu gelangen.<br />

Mehrfache Oberlegungen fiihrten zur<br />

Wahl des im Herzen der nach dem Stadtbrand<br />

von 1805 wiederaufgebauten Altstadt<br />

Beleckes liegenden ehemaligen<br />

Propsteigebaudes, dessen Einzelfliigel bis<br />

zur Sakularisation jeweils mehreren Benediktinern<br />

aus dem 1072 gegrundeten Kloster<br />

Grafschaft Unterkunft boten und seit<br />

dieser Zeit in erster Linie dem Belecker<br />

Pfarrer als Wohn- und Wirtschaftsgebaude<br />

oder der allgemeinen Pfarrseelsorge<br />

dienten. Dabei erwies sich fiir die Unterbringung<br />

einer musealen Dauerausstellungdie<br />

1808 errichtete Propsteideele mit<br />

den umliegenden Wirtschaftstrakten als<br />

besonders geeignet. Sie war in den<br />

1960er Jahren einem kleinen Umbau unterzogen<br />

worden, so daB sie als Pf arr- bzw.<br />

Jugendheim der Seelsorge der Pfarrgemeinde<br />

passende Raumlichkeiten bieten<br />

konnte.<br />

Konzeption fiir ein Museum<br />

Grundgedanke bei der Erstellung einer<br />

fur die Einrichtung eines Museums unentbehrlichen<br />

Museumskonzeption war es,<br />

die Kunstgegenstande in sach- und fachgerechter<br />

Form zu prasentieren, sie damit<br />

in einen kunstgeschichtlichen Gesamtzusammenhang<br />

zu setzen und gleichzeitig<br />

ihr Eingebundensein in die unverwechselbare<br />

Geschichte der Kirche und Stadt in<br />

Belecke zu betonen. In diesem Zusammenhang<br />

soil das Museum in erster Linie<br />

„Kunstmuseum" sein, hier jedoch Kunstgeschichte<br />

mit der Historie der Stadt und<br />

ihrer Umgebung verbinden. Als weitere<br />

Die ehemalige Propsteideele, jetzt Schatzkammer Propstei Belecke<br />

Maxime wurde die Forderung gestellt, das<br />

Museum nicht nur als „Musentempel" einer<br />

kleinen Fachwelt zuganglich und interessant<br />

zu machen, sondern trotz und gerade<br />

aufgrund hochsensiblen und kostbaren<br />

Interieurs publikumsnah und besucherfreundlich<br />

zu wirken.<br />

„Alle Museen wenden sich von einer<br />

Schausammlungs- und Ausstellungstechnik<br />

ab, die in den 50er und 60er Jahren<br />

unter der Dominanz der Kunstmuseen<br />

und der Arrangeure und Designer gepf legt<br />

worden war: Danach sollten die Objekte<br />

selbst sprechen. Heute ist man wieder zu<br />

der Oberzeugung gekommen, daB alle<br />

Sammlungsgegenstande in den Ausstellungen,<br />

Katalogen, museumspadagogischen<br />

Veranstaltungen der Interpretation,<br />

derErlauterungbedurfen. Museumsund<br />

Ausstellungsfachleute verwenden<br />

deshalb immer mehr Sorgfalt auf die Methoden<br />

und Techniken der Vermittlung<br />

der Gegenstande".!<br />

So wird ein zukunftiges Angebot fiir<br />

den Museumsbesucher sich nicht nur auf<br />

die Information durch schriftliche Texttrager<br />

beschranken. Verschiedene Fuhrungen,<br />

die auf den Besucherkreis und insbesondere<br />

auch auf Kinder und Jugendliche<br />

abgestimmt sind, gehoren in derselben<br />

Weise dazu wie kunstgeschichtliche oder<br />

historische Vortragsabende, wie auch<br />

themenzentriertemuseumspadagogische<br />

Angebote: „Schule im Museum" insbesondere<br />

fiir den Kunst-, Geschichts- und<br />

Religionsunterricht. „Die Kirche in der<br />

mittelalterlichen Stadt", „Aufbau und<br />

Funktioneines Klosters," „Heiligenverehrung"<br />

und „Portratmalerei des Barock"<br />

reprasentieren nur einige intendierte museumspadagogische<br />

Angebote.<br />

Belecke und Kloster Grafschaft<br />

Die jahrhundertelange Beziehung zwischen<br />

der Propstei Belecke und dem Kloster<br />

Grafschaft sind die Ursache fiir die<br />

Fulle kostbarer Uberlieferung in unserer<br />

Zeit.<br />

Das 1072 durch den Kolner Erzbischof<br />

Anno II. von Koln (1056-1075) gestiftete<br />

Kloster errichtete kurze Zeit nach seiner<br />

Grtindung eine Niederlassung in Belecke<br />

und entsandte dorthin Benediktinerpatres,<br />

um ein konstruktives Seelsorgesystem<br />

in einer auch durch Zehntabgabe an<br />

das Mutterkloster gebundenen Landschaft<br />

einzurichten. Obrigens erinnert der<br />

Zehnthof in Warstein, dessen uberwiegende<br />

Bauteile aus dem 17. und 18. Jahrhundert<br />

stammen, noch heute an die wirtschaftliche<br />

Verflechtung in damaliger<br />

Zeit.<br />

Die Grundung der Propstei vollzog sich<br />

auf dem Grund und Boden des Klosters,<br />

spater geschah hier im Zuge der Machtpolitik<br />

der Kolner Erzbischofe in Auseinandersetzung<br />

mit den Grafen von Arnsberg<br />

die Stadtgrundung Beleckes im Jahre<br />

1296. Die Pfarrei Belecke - der Belecker<br />

Propst war gleichzeitig Pfarrer der Stadt -<br />

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SAUERLAND<br />

blieb bis 1803 dem Kloster Grafschaft inkorporiert<br />

und daruber hinaus enger verbunden<br />

als andere abhangige Pfarreien.<br />

Verschiedene im Kloster nicht mehr verwendbare<br />

Inventarien machten den Weg<br />

von Grafschaft nach Belecke. So fanden<br />

die drei alten Altare mit dem Neubau und<br />

der Neueinrichtung der Grafschafter Abteikirche<br />

im 1748/49 errichteten Kirchenschiff<br />

der Propsteikirche einen neuen<br />

Standort. Durch die geschickte Vermittlung<br />

des efiemaligen Grafschafter<br />

Konventualen und spateren Belecker<br />

Pfarrers Beda Behr O.S.B.(1802-1830)<br />

geiangte ein GroBteil der Grafschafter<br />

Kunstschatze im Zuge der Sakularisation<br />

1802/1803 in den Besitz der Pfarrei St.<br />

Pankratius. Uberdies vermachte der letzte,<br />

1816 in Warstein verstorbene Abt EdmundusRustige<br />

O.S.B. (1786-1816) der<br />

Belecker Kirche, seiner Beerdigungsstatte,<br />

die wertvolien Abtsinsignien.<br />

Ausstellung und Exponate<br />

Von besonderer Bedeutung innerhalb<br />

der Exponatenliste fur die museale Ausstellung<br />

sind in der Reihe liturgischen Gerats<br />

der „Pralatenkelch" (auch „Abtskelch"<br />

genannt) des Everhard von Cobbenrode<br />

aus dem Jahre 1509, von den<br />

Paramenten die „Rote Kapelle" und die<br />

„Goldene Kapelle" aus dem ersten Viertel<br />

des 18. Jahrhunderts und unter den zahlreichen<br />

Gemalden und Plastiken die beiden<br />

in Siegburg fiir Grafschaft gefertigten<br />

Ansichten des noch unversehrten Anno-<br />

Schreins aus dem Jahre 1764.<br />

In der Ausstattung der liturgischen Cerate<br />

nimmt der „Prdlatenkelch" von 1509 eine besondere<br />

Stellung ein.<br />

Die Gesamtausstellung in der ehemaligen<br />

Propsteideele umfaBt ca. 240 m^ an<br />

nutzbarer Prasentationsflache. Wesentiiches<br />

Kriterium bei der Erstellung der Konzeption<br />

war die Berilcksichtigung der unter<br />

Denkmalschutz stehenden Raum- und<br />

Gebaudestrukturen. Daruber hinaus muBte<br />

die im oberen ostlichen GeschoB sich<br />

befindende Kapelle St. Johannes Baptist,<br />

im Volksmund „Abtskapelle" genannt, ihren<br />

Charakter behalten, da sie auch weiterhin<br />

als kleiner, schmucker Gottesdienstraum<br />

der Pfarrseelsorge zur Verfiigung<br />

stehen sollte. Die einzelnen Thematiken<br />

der Ausstellung versuchen die Konstruktion<br />

eines Rundgangs durch die eng<br />

verflochtene Historie von Propstei, Kloster<br />

und Stadt unter dem Blickwinkel von<br />

Kunst und Geschichte. Er soli dem Besucher<br />

einen Eindruck von der Bedeutung<br />

Beleckes und Kloster Grafschafts in lokalem<br />

und regionalem Rahmen geben.<br />

Eine erste Abteilung widmet sich der<br />

Geschichte Beleckes im Mittelalter. StadtundBiirgerbuchvon<br />

1576 bzw. 1596 stellen<br />

in diesem Rahmen wertvolle Exponate<br />

dar. Eine Ausstellung zum Thema „Erzbischof<br />

Anno II. und seine Klostergriindung<br />

Grafschaft" beleuchtet das Leben und<br />

Werk dieses Heiligen und seine Verbindung<br />

zu dem von ihm gestifteten Kloster.<br />

Sie leitet uber zu einer Prasentation „ Grafschaft<br />

und Belecke", die sich insbesondere<br />

der gegenseitigen Verflechtung von<br />

Kloster und Pfarrei widmet und in der die<br />

Abtsportrats der letzten Grafschafter Abte<br />

neben ausgewahlten Archivalien klosterlicher<br />

Provenienz besondere Anziehungspunkte<br />

sein durften. Den regionalen<br />

Schwerpunkt setzt die Ausstellung<br />

„Kl6sterliche Tradition im Herzogtum<br />

Westfalen".<br />

Auf der Basis der geschichtlichen<br />

Kenntnis in Darstellung und Exponat zeigen<br />

der nordliche Teil der ehemaligen<br />

Der Anno-Schrein in der urspriinglichen Ausstattung, Vorderansicht; Gemalde aus dem Jahre 1764.<br />

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SAUERLAND<br />

10<br />

^: ^^<br />

•S§*Jt*<br />

^ Wi<br />

Em kleiner Gottesdienstraum im Museum: die Abtskapelle<br />

r<<br />

/<br />

Propsteideele sowie das gesamte ObergeschoB<br />

Werke kirchlicher Kunst. Die Thematiken<br />

„Heiligenverehrung im 17. und<br />

18. Jahrhundert" und „Marienbildnisse in<br />

Kunst und theologischem Verstandnis"<br />

werden im oberen GeschoE durch die Ausstellung<br />

der Paramente erganzt, womit<br />

der Besucher die eigentliche Schatzkammer<br />

betritt. Neben barocken Kaseln im<br />

Rahmen des liturgischen Farbenkanons<br />

und der „Goldenen Kapelle" sind die wcrtvollen<br />

Monstranzen, Ciborien, Kelche<br />

und weiteres liturgisches Gerat kostbare<br />

Zeugnisse schaffender kirchlicher Kunst.<br />

Das obere ostliche GeschoB beherbergt<br />

neben der eben schon erwahnten „Abtskapelle"<br />

mit einem sehenswerten Barockaltar<br />

in der ehemaligen Sakristei die<br />

verschiedenen Paramente der „Roten Kapelle".<br />

Obrigens laBt sich der Kapellenraum<br />

auch fur einfuhrende Vortrage und<br />

kleinere Veranstaltungen im Rahmen des<br />

allgemeinen Museumsbetriebs nutzen.<br />

Besondere Schwerpiinkte in der bisherigen<br />

Planung bestanden neben der Erstellung<br />

einer Museumskonzeption in der<br />

baulichen Aufnahme und Instandsetzung<br />

mit der Erstellung eines an konservatorischen<br />

Vorgaben gebundenen Klimakonzepts.<br />

Zur Zeit wird am Einbau eines hochsensiblen<br />

Sicherungssystems und den unmittelbaren<br />

Schritten zur Einrichtung gearbeitet,<br />

mit denen eine westfalische Museumsdesignerin<br />

beauftragt wurde.<br />

Erganzender Museumsbetrieb<br />

Einen erganzenden Katalog des Museumsbetriebes<br />

sieht das neue und im Bereich<br />

des Sauerlandes in dieser Form einmalige<br />

Haus in der Dokumentation und<br />

Forschung zum klosterlichen Leben im<br />

Sauerland in Schrift und Bild. Im Zusammenhang<br />

mit der benachbarten Propsteikirche<br />

mit ihrer sehenswerten barocken<br />

Inneneinrichtung und einem gotischen<br />

Marienbild aus dem untergegangenen<br />

Kloster Odacker bei Hirschberg wird dem<br />

Besucher der Weg auf den Propsteiberg<br />

gewiesen. Kirche und Museum bilden eine<br />

unzertrennbare Einheit.<br />

Das in der zweiten Halfte dieses Jahres<br />

seine Pforten of f nende Haus will nicht nur<br />

die lokale Museumslandschaft bereichern,<br />

sondern ein Stuck Kirchen- und Kloster-<br />

geschichte im Sauerland und in Westf alen<br />

in aufbereiteter Form darstellen. Fiir die<br />

kunftigen Gaste mag eine alte Inschrift am<br />

Torgebaude des Klosters Grafschaft gelten,<br />

die da sagt „DeVs trIVnVs e CoeLIs<br />

beneDICat Intrantes et egreDIentes" (Der<br />

dreieinige Gott im Himmel segne die Eintretenden<br />

und Scheidenden), fiir das Museum<br />

selbst eine weitere Inschrift am<br />

gleichen Graf schaf ter Gebaude „slnt<br />

aLeXanDer beneDICtVs et anno patroni<br />

ne LaeDant nostros fata finlstra Lares"<br />

(Schutzer seien uns Alexander, Benedikt<br />

und Anno, damit nicht bose Machte unserem<br />

Gluck schaden).^<br />

Anmerkungen:<br />

1 Pappermann, E. u. a. (Hrsg.): Kulturarbeit<br />

in der kommunalen Praxis, Koln<br />

1984, S. 102.<br />

2 Wiethoff, F.: Kloster Grafschaft und<br />

Wilzenberg, in: Spar- und Darlehnskasse<br />

Schmallenberg (Hrsg.): Monumenta<br />

Grafschaftensis, Schmallenberg 1975,<br />

S. 104.<br />

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SAUERLAND<br />

11<br />

600 Jahre Orgelgeschichte in Oelinghausen von Werner Saure<br />

Die groBe Musiktradition der Pramonstratenserkloster<br />

im Bereich der heutigen<br />

Stadt Arnsberg ist vielfach belegt (zuletzt<br />

Norbert Hoing in „750 Jahre Arnsberg"<br />

das Kloster Wedinghausen betreffend,<br />

S. 313 ff.). In London wurden Ende 1989<br />

vier Elfenbeinfloten aus dem Kloster Oelinghausen<br />

fur Qber 100 000 DM versteigert.<br />

Es verwundert auch nicht, daE im<br />

Staatsarchiv Munster eine StiftungsurkundevomPestdesHI.<br />

Urban 1390erhalten<br />

ist, in dem der aus dem Neheimer<br />

Burghaus Freseken stammende Dompropst<br />

von Munster und Kanoniker zu<br />

Soest, Wiihelm Freseken, eine Schenkung<br />

macht, nach der bereits damals in<br />

Oelinghausen eine Orgel erklang.<br />

„.. . urn mich in die frommen Gebete<br />

einzumischen und mich ihrer teilhaftig<br />

zu machen, schenke ich . . . durch diese<br />

Urkunde meinen innerhalb der Grenzen<br />

derPfarrei deralten Kirchezu Soest<br />

gelegenen Hof. . . dem uerehrungswurdigen<br />

Propst und den Nonnen zu Oelinghausen<br />

. . . Sie sollen verpflichtet<br />

sein das Fest der Hi Lucia mit Orgelspiel<br />

festlich zu begehen und zu halten"<br />

Der Freundeskreis Oelinghausen e. V.<br />

und die Pfarrei veranstalten aus AnlaB dieses<br />

fur Westfalen sehr seltenen Jubilaums<br />

eine Orgelfestwoche, uber die der H. H.<br />

Erzbischof Degenhardt die Schirmherrschaft<br />

ubernommen hat.<br />

MP-j^sBT vmwwoij* i.ajgr^a'&x. M»MU ;y^..i'&ii^!>.-.-


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SAUERLAND<br />

12<br />

Atelierbesuch bei Anneliese Schmidt-Schottler<br />

in Finnentrop-Bamenohl<br />

von Ursula Heyn-Benzin<br />

Der Mensch hat alien anderen Lebewesen<br />

etwas voraus: Er kann sich ein Bild<br />

machen. Er kann abbilden. Das macht bildende<br />

Kiinstler zu auRergewohnlichen<br />

Bewohnern des blauen Planeten Erde.<br />

Anneliese Schmidt-Schottler, die Bildhauerin<br />

und Malerin aus Finnentrop-Bamenohl,<br />

die am 26. Marz ihr 70. Lebensjahr<br />

vollendet hat, ist durch die Fahigkeit,<br />

sich ein Bild machen zu konnen, in hohem<br />

MaBe Mensch und Mitmensch geworden.<br />

Ihre Kunst steht nie im luftleeren Raum.<br />

Fur diese Kunstlerin hat Kunst immer das<br />

Ziel, human zu sein, Gemeinschaft zu stiften.<br />

Ober das kunstlerische Lebenswerk<br />

der kleinen, energiegeladenen, umwerfend<br />

sympathischen Frau konnte man<br />

eine weise Einsicht des russischen Dichters<br />

Boris Pasternak stellen: „Jede Kunst,<br />

sogar die tragische, ist ein Bericht uber<br />

das Gluck des Seins. Wir denken oft nicht<br />

daran, daB uns vor allem das eine auf getragen<br />

ist: die echte Stimme des Lebens nicht<br />

zu verfalschen."<br />

Elf Kinder wuchsen in dem Haus in Elkeringhausen<br />

bei Winterberg auf, in dem<br />

Anneliese Schmidt-Schottler am 26.<br />

Marz 1920 das Licht der Welt erblickte.<br />

Fiinf altere und fiinf jungere Geschwister<br />

scharften den Blick des Madchens f ruh f iir<br />

das lebenswichtige Miteinander und Fureinander,<br />

fiir alles, was lebt, atmet und<br />

dem Menschen bei seinem ewigen Versuch,<br />

sich die Erde untertan zu machen,<br />

anvertraut ist. Ihr immenses kunstlerisches<br />

Talent lie/5 sie bei guten Lehrern reif<br />

en. Die Prof essoren Kurt Schwippert und<br />

Karl Ehlers in Miinster waren beste Adressen.<br />

Eva Niestrath-Berger, die Witwe des<br />

Hagener Kiinstlers Karel Niestrath, erinnert<br />

sich, mit welcher Hochachtung ihr<br />

Mann von seiner begabtesten Schiilerin<br />

gesprochen hat, deren Werke dann auch<br />

ihren Weg machten.<br />

Anneliese Schmidt-Schottlers Jahre in<br />

Miinster, in einer Puppenstube von Atelier,<br />

in dem sie auch wohnte, trugen reiche<br />

Friichte. 1969 zog sie nach Finnentrop-<br />

Bamenohl in die letzte private Jugendherberge,<br />

die der unvergessene Jupp Schottler,<br />

dessen zweite Frau sie wurde, 1946<br />

mit einem vielfachen „Ohne" errichtet<br />

hatte: ohne Baugenehmigung, ohne Bezugscheine,<br />

ohne Behordenhilfe und ohne<br />

Bauunternehmer. Als Herbergsmutter<br />

in Bamenohl ist die Kunstlerin Anneliese<br />

Schmidt-Schottler hier und heute Lebenskunstlerin<br />

mit ansteckend positiver Welt-<br />

sicht. Noch immer ist ihr Atelier unter<br />

dem Dach des Fachwerkhauses ein Refugium<br />

der Phantasie, das Menschen aller<br />

Altersstufen gestreBt betreten, um es entspannt<br />

und mit neuem Lebensmut wieder<br />

zu verlassen. „Beginnen - versagen - aufrichten"<br />

ist der beziehungsreiche Titel<br />

einesihrer Werke. Bekenntnisse, Signale,<br />

Botschaften gehen von diesen Arbeiten<br />

und der Frau, die sie geschaffen hat, aus.<br />

Kunst im Miniaturformat gibt es in diesem<br />

Atelier vor allem zu bestaunen - Modelle in<br />

Wachs und Ton, kleine Bronzen, Anhanger.<br />

Mit solcher Kunst von Anneliese<br />

Schmidt-Schottler hat man allemale etwas<br />

Einmaliges am Hals.<br />

Foto: priuat<br />

Malerin wollte sie ursprunglich werden.<br />

Ihr kunstlerisches Schaffen ist ungewohnlich<br />

vielseitig: Olbilder und Zeichnungen,<br />

vor allem Portratstudien gehen<br />

den Plastiken oft voraus. Die Atmosphare<br />

in Kirchen und Schulen, Krankenhausern<br />

und Kindergarten wird von Skulpturen,<br />

die ihre unverwechselbare Handschrift<br />

tragen, bleibend gepragt.<br />

Was im Atelier klein und modellhaft ist,<br />

wirkt drauRen eindringlich und vorbildlich.<br />

Brunnen an markanten Platzen in<br />

Finnentrop und Attendorn sind ihr Werk.<br />

Oberregional bekannt wurde die Kiinstlerin<br />

durch das Steinrelief „Trauer und Trostung"<br />

in der Kapelle des Soldatenfried-<br />

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SAUERLAND<br />

13<br />

hofs am Stimm-Stamm zwischen Meschede<br />

und Warstein. In Bronze schuf sie die<br />

Gefallenen-Gedenkstatten in Altenhundem<br />

und Drolshagen. Viele Kleinplastiken<br />

ranken alle urn das groBe Thema „ Mutter<br />

und Kind". Die Kiinstierin votiert da ebenso<br />

still wie uberzeugend fur die Weitergabe<br />

alien menschlichen Lebens. Die MiRachtung<br />

der Mutter in diesem ach so aufgeklarten<br />

Jahrhundert ist fur sie ein ebenso<br />

erstaunliches wie erschiitterndes Phanomen.<br />

Zur Malerei, dem Ausgangspunkt ihres<br />

kiinstlerischen Strebens, fand Anneliese<br />

Schmidt-Schottler wieder, als sie sich als<br />

Bildhauerin langst einen festen Platz in<br />

der westfalischen Kiinstlerszene erobert<br />

hatte. Eine Ausstellung ihres malerischen<br />

und zeichnerischen Werkes vor zwei Jahren<br />

in der Politischen Akademie Biggesee<br />

in Attendorn-Neu-Listernohl vermittelte<br />

einer erstaunten Offentlichkeit unter dem<br />

Titel„EntscheidungfijrdasAuthentische"<br />

eine Begegnung mit der Kiinstierin von ei-<br />

It '<br />

Gefangene Bronze 1966<br />

Sitzfigur Keramik, farbig<br />

Fotos: VHS OIpe (Thomas Feldmann)<br />

ner ganz neuen Seite. Ihre Sprache ist leise,<br />

unaufdringlich, unvergeBlich. Auf den<br />

Biidern schlagt sie Farbakkorde an, die<br />

das Metier der Plastik mit ganz anderen<br />

kunstlerischen Gegebenheiten nicht erlaubt.<br />

Nun ehrt die Gemeinde Finnentrop<br />

die Kiinstierin mit einer umfassenden<br />

Werkschau im Rathaus; Eroffnung ist am<br />

Sonntag, 25. Marz, 11.00 Uhr.<br />

Anneliese Schmidt-Schottlers Leben<br />

ist reich und erfiillt. Sie ist ein Mensch, der<br />

Zeit hat, auch fiir die Kollegen in Kiinstlergemeinschaften<br />

und Berufsverbanden.<br />

Dort gilt ihr Wort, noch mehr ihr Beispiel.<br />

Die vielseitig begabte Frau singt in einem<br />

Madrigal-Chor und pflegt Herbergsgaste<br />

jeden Morgen nach Art des Hauses mit einem<br />

frohlichen Lied auf der Klampfe zu<br />

wecken. Das Prinzip Hoffnung uberstrahlt<br />

ihr Gesamtwerk. In der Offenbarung<br />

ihres Innenlebens, die sich in jedem<br />

ihrer Werke vollzieht, liegt nie die Gefahr<br />

der Preisgabe. Zu reich ist diese Kiinstierin,<br />

als daii sie sich erschopfen konnte.<br />

Arbeiten von Anneliese Schmidt-Schottler<br />

Foto: GUnter Benzin<br />

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14<br />

Geehrt, geliebt, vergessen<br />

Walter Vollmer starb vor 25 Jahren<br />

SAUERLAND<br />

von Dietmar Rost<br />

Wer kennt im Sauerland noch Walter<br />

Vollmer? Wer kann sich an seine Biicher<br />

erinnern? Wer weiR, daB er auf dem Arnsberger<br />

Waldfriedhof sein Grab fand?<br />

Dabei ist es keine 30 Jahre her, daE<br />

Walter Vollmer in den Arnsberger Buchhandlungen<br />

nach Neuerscheinungen stoberte,<br />

daB er taglich seinen Weg durch<br />

Arnsbergs StraBen zur Regierung nahm,<br />

wo er als Pressesprecher des Regierungsprasidenten<br />

Schlensker ein Jahrzehnt<br />

wirkte. In der Hellefelder StraBe in Arnsberg<br />

wohnte er, umgeben von einer unubersehbaren<br />

Anzahl Bucher, in seinem<br />

Junggesellenheim, in dem er liebevoll seine<br />

exotischen Pflanzen und Aquarien<br />

pflegte, saB dort an seinem alten Schreibtisch<br />

auf dem schonen Schreibtischstuhl<br />

und schrieb seine erfolgreichen Bucher.<br />

Erfolg hatte er; seine Bucher erreichten<br />

Auflagen, die manchen heutigen Autor<br />

vor Neid erblassen lassen: Seine „Schenke<br />

zur ewigen Liebe", bereits 1935 geschrieben,<br />

auch nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

noch gem gelesen und immer wieder<br />

aufgelegt, brachte es auf stolze 300000<br />

Exemplare, von den „P6ttersleuten" und<br />

dem „Traumschiff" wurden immerhin<br />

80000 verkauft. Einige altere Heimatf<br />

reunde werden sich vielleicht noch an den<br />

einen oder anderen Aufsatz aus Vollmers<br />

Feder im „Suerlanner" erinnern.<br />

Bei meinen Erkundigungen nach seiner<br />

Person in Arnsberg traf ich nur ganz<br />

wenige, die mir Auskiinfte geben konnten.<br />

ZumBeispiel: „Erwareinausgesprochen<br />

liebenswerter und bescheidener<br />

Mensch. Wenn Sie ijber ihn etwas schreiben,<br />

dann nur Positives. Alles andere tate<br />

ihm Unrecht." Oder: „Er war vollig anspruchslos,<br />

bescheiden und friedvoll.<br />

Aber ein Laster hatte er. Er rauchte pausenlos<br />

Zigaretten und trank 50 Tassen<br />

Kaffee am Tag." Und auch: „Viele Freunde<br />

hatte er sicher nicht." Manche Arbeitskollegen<br />

mogen ihn den „vertraumten<br />

Spinner" genannt haben, ihn, dessen Gedanken<br />

stets nach Verdichtung aller<br />

„himmlischen und irdischen Begebenheiten"<br />

suchten.<br />

Als Schriftsteller war er ein Suchender,<br />

ein Neugieriger, ein Grubler auch. Im Mittelpunkt<br />

seines Schreibens standen das<br />

Revier und seine Bewohner. „Es ist das<br />

groBe und unbestreitbare Verdienst von<br />

Walter Vollmer, das westfalische Ruhrgebiet<br />

als eine Industrielandschaft mit eigenem<br />

Charakter, auch mit eigenen Menschen,<br />

fur Westfalen, und nicht nur fur<br />

Westfalen allein, literarisch gewonnen zu<br />

haben." Diese Satze schreibt der Schriftsteller<br />

Erwin Sylvanus iiber Vollmer anlaBlich<br />

der Verleihung des Annette von<br />

Droste-Hulshoff-Preises an Walter Vollmer<br />

im Jahre 1955. Mit diesem Preis<br />

spricht Westfalen seine Anerkennung aus<br />

fur das vielfaltige dichterische Bemuhen<br />

Vollmers um das Revier. Seine Romane<br />

und Erzahlungen schildern den Menschen<br />

im Revier, den Kumpel, als einen Menschen,<br />

der wie jeder andere seinen Alltag<br />

zu bestehen hat und dabei doch in einer<br />

besonderen Weise: unter dem Revierschicksal.<br />

Der schonste Dank fur Vollmer<br />

war sicheriich, daB seine Bucher bald<br />

uberall in Deutschland gelesen wurden.<br />

Gedanken am See<br />

Walter Vollmer<br />

Es ist heller Tag. In der Mittagssonne liegt<br />

der See vor mir, weit ur^d still, ein Wasser<br />

voller Ceheimnisse. Wie ein Mensch sich<br />

Tagum Tagandert undsich dennoch gleichbleibt,<br />

dort, wo ihn In seinem tiefsten Innern<br />

die Stiirme nicht so leicht ergreifen,<br />

wie solch ein Mensch mit wechselnder Miene<br />

kommt mir auch der See vor, dariiber ich<br />

stehe auf weiter Briicke. Der Tag geht uber<br />

ihn dahln mit leichtem Winde. Goldgeglitzer<br />

funkelt auf seinen Wellen, ein breites,<br />

zitterndes Lichtband der Sonne.<br />

Ja, wie ein Mensch mit wechselnder Miene<br />

ist auch dieser See. Wechselvoll ist alles,<br />

was flieBt oder brennt oder dahinrast oder<br />

aufErden wachst, willig und gut in treuen<br />

Diensten, damonisch, wenn es seineFesseln<br />

sprengt.<br />

Auch diesem See kann man nicht trauen.<br />

Der Tag ist still. Die glasdiinne Luft ist klar<br />

und weit, da mag er ruhig Hegen und den<br />

Waldbergen ihr dunkles Spiegelbild in seinen<br />

Uferwassern gonnen. Er ist dennoch<br />

voller Geheimnisse. Naturlich glauben wir,<br />

daS alien Dingen auSer uns die Gedanken<br />

etwas Unbekanntes seien. Wir glauben es,<br />

aber wirwissen es nicht. Und, was keine Gedanken<br />

hege, guten oder bosen Willen, keinen<br />

Mut und keine Verzagnis, so etwas konne<br />

auch keine Geheimnisse haben: in sich<br />

selberseiesmachtlosundohneBewuBtsein.<br />

Aber singt nicht die LiebendeihrenJubelin<br />

den Windhinein, damiterihnforttrugezum<br />

GeliebteninderFerne?DenktnichtdieMutterdem<br />

davoneilenden Winde nach, daS er<br />

ihreWunscheundSorgendemSohnezutruge<br />

in der Feme? Raunt nicht der Wald sein<br />

SchtummerliedindunklerNachtallem,was<br />

lebt, in die grauen Nebel hinein, ins Unbekannte,<br />

als sei ihm eine Welt dahinter verborgen,<br />

welche die Sinne nicht erreichen?<br />

Hat nicht Novalis, der Fruhvollendete, ein<br />

nachdenkliches Wort gesagt, wenn er von<br />

allem geisterhaft Lebendigem spricht, dessen<br />

Stimmgedrohn wir horen miiBten, waren<br />

wir nicht so grob und taub?<br />

Die Sonne zerflattert, zerfUeBt und zergeht<br />

auf den flijchtigen Wellen. Dunkler stehen<br />

die Serge da. Eine machtvolle Wolke umhixngt<br />

ihren Leib mit goldenen Ketten und<br />

zieht langsam, ganz still, ohne Anteil an<br />

mir, dem See, den Bergen und meinen Gedanken<br />

nach Suden. Ich bin ihr gleichgiiltiger<br />

als der Wind, der sie trdgt.<br />

Graugdnse ziehen dahin. Sie rufen. Ich<br />

kannes nicht deuten, dieses helle Geklirr ihrer<br />

Stimmen. Sie rauschen dumpf drohnend<br />

iiber dem weiten Wasser der Sonne<br />

entgegen. Auch ihnen bin ich gleichgultig,<br />

ein Mensch bin ich, mag ich da stehen oder<br />

nicht, ach, was riihrt es sie schon? Was geht<br />

schon ein Mensch den andern an? Sind wir<br />

nicht einsam in uns selbst? Larmende, geschdftige,<br />

auf der Flucht vor unserer Einsamkeit<br />

befindliche Einsiedlerkrebse?<br />

Nun gldnzt die Sonne wieder hell und klar.<br />

Wieder schimmert der See im Licht. Ein<br />

blauer, dunkler Glanz traumt uber den stillen<br />

Waldhiingen. Ein Zaunkonig springt im<br />

WeiBdornstrauch auf und nieder. Er flotet<br />

still vor sich hin, warum, das weiB er nicht,<br />

er flotet einfach, undes ist trostlich anzuhoren.<br />

Was stort ihn der tote Hase, der am<br />

BrOckenpfeilerim Wasser treibt, dort, woes<br />

einen kleinen Strudel macht, so daB er sich<br />

dreht und dreht und kein Ende findet und<br />

im heilen Sonnenlicht da schwimmt! Gestern<br />

mag er ihn noch mit hetlem Gezirpe<br />

warnend aus dem Lager unter den Kriippel-<br />

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SAUERLAND<br />

15<br />

und wenn man an die Menschen in den<br />

Revierstadten und Zechensiedlungen<br />

dachte, so dachte man an Menschen, wie<br />

Vollmer sie geschildert hatte, an ein Ruhrgebiet,<br />

das nicht nur Arbeitsplatz, sondem<br />

auch geliebte Heimat sein kann.<br />

Sein Lebensweg und sein literarisches<br />

Schaffen, das 20 groEeTitelumfaBt, kann<br />

hier nicht ausfiihrlich beschrieben werden.<br />

Das soil an anderer Stelle, im Jahrbuch<br />

Westfalen 91, geschehen. Doch sei<br />

hier Vollmers letztes Werk erwahnt, seine<br />

500 Seiten umfassenden „Westfalischen<br />

Stadtebilder", an denen er jahrelang arbeitete,<br />

immer vender Angst geplagt, dieses<br />

letzte groBe Werk nicht mehr vollenden<br />

zu konnen. Genau zu seinem 60. Geburtstag,<br />

im Mai 1963, lag das erste Exemplar<br />

auf dem Tisch. Knapp zwei Jahre<br />

spater, am 17. 2.1965, starb Walter Vollmer<br />

und wurde auf dem Waldfriedhof in<br />

Arnsberg begraben.<br />

Von Ahaus bis Witten sind in seinem<br />

letzten Buch 95 westfalische Stadte in ihrer<br />

Eigenart und Vielf alt liebevoll betrach-<br />

Walter Vollmer<br />

tet und so lebendig und anschaulich beschrieben,<br />

dal? es auch heute noch eine<br />

Lust ist, darin zu lesen. Aus dem kurkolnischen<br />

und markischen Sauerland finden<br />

sich dort die Stadte Arnsberg, Attendorn,<br />

Balve, Brilon, Hallenberg, Iserlohn, Letmathe,<br />

Ludenscheid, Menden, Meschede,<br />

Neheim-Husten, Olpe, Plettenberg,<br />

Schmallenberg, Werdohl und Winterberg.<br />

Vor kurzem habe ich noch mit gro-<br />

Bem Vergniigen dieses bunte Stadtepanorama<br />

betrachtet.<br />

Sicherlich f ande eine in den Fakten und<br />

Daten uberarbeitete Teil-Ausgabe „Sauerlandische<br />

Stadtebilder" auch heute eine<br />

aufmerksame Leserschaft. Und der Arnsberger<br />

<strong>Heimatbund</strong> tate gut daran, durch<br />

Instandsetzung seines Grabes, das ich nur<br />

mit Muhe finden konnte, und durch das<br />

Anbringen einer Taf el an seinem langjahrigen<br />

Wohnhaus in Arnsberg die Erinnerung<br />

an einen Schrif tsteller wachzuhalten,<br />

der aus dem Ruhrgebiet kam, uber das<br />

Ruhrgebiet vielgelesene Biicher schrieb,<br />

seinen Lebensabend aber in Arnsberg verbrachte,<br />

in dieser Stadt, wo die Ruhr noch<br />

sehr idyllisch ist. Wie sehr Walter Vollmer<br />

unsere sauerlandische Landschaft liebte,<br />

zeigen seine „Gedanken am See", die hier<br />

folgen sollen.<br />

eichen aufgescheucht haben, heutekennter<br />

ihn nicht mehr, erflotet und wippt mit dem<br />

steilen Schwanz. Vielleicht haben auch ihn<br />

die tuckischen Glitzerwasser schon morgen,<br />

irgendwo im bliitterdunklen Waldbach,<br />

leise, dunke! strudeind iiber flachem<br />

Grunde am Fuli einer Birke?<br />

Singe nur, Zaunkonigl Kleiner, griin-gelber<br />

WeiBdornspringer, flote nurl VJie bald umhuUt<br />

uns alle die Nacht mit weiten, dunklen<br />

Manteln derstummen Finsternis, mich und<br />

dich! Fur einige Stunden bis zur kommenden<br />

Friihe, wenn dich der Hdher weckt und<br />

mich das Gewissen ruft, dem Tage zu dienen.<br />

Aberdavon verstehst du nichts!<br />

Unser Schicksal riihrt den See nicht. Ob wir<br />

beide vergehen oder morgen und aUe Tage<br />

da sind, dem Leben zugetan, das bleibt ihm,<br />

der segelnden Wotke, den schimmernden<br />

alten Bergen gam gleichgultig, aber auch<br />

wir, mein kleiner Steilschwanz, haben nur<br />

wenig miteinander gemeinsam, es sei denn<br />

den sicheren Tod ~ man muR das alles nur<br />

recht bedenken.<br />

Endlos dreht sich der Hase um sich selber.<br />

Seine wei&eBlume leuchtet. Die Sonne legt<br />

ihr Rotgefunkel dariiber hin, und ich sehe<br />

mirimmer noch das stummeSchauspiel an,<br />

obes ein Sinnbild sein konnte, das man achten<br />

miiBte. Ich weifi es nicht. Niemand vermag<br />

es zu sagen.<br />

1st doch alles stumm und verschwiegen, was<br />

auRer uns ist, unbekannt und voller Tauschungen!<br />

So, als wartees auf uns: der weite<br />

See mit seinen spielerischen Ufern, die gewaltigen<br />

Berge, die uns anschauen mit undurchdringlichen,<br />

bartigen Waldgesichtern,<br />

die uielen springenden Flutlichterder<br />

ewigen Sonne, wie sie dahineilen, glitzern,<br />

stromen, strahlen und leuchten, so, als warte<br />

die game Welt nur auf uns, auf dich und<br />

mich, dali wir ihr unseren Sinn zuwenden.<br />

WohlanlDaswollenwirtunlUndichhabees<br />

kaum recht bedacht, da singt es schon im<br />

Winde, und obgleich ich nichts verstehe,<br />

riihrt es wundersam mein Herz an, das eben<br />

noch Traurigem, Weltverhrenem griibelnd<br />

nachsann.<br />

Wohlan! Briiderlich warmirgeworden, was<br />

feindlich vor mir schwieg, als ich dunkel<br />

sann und mich abwandte. Tiefund trostlich<br />

gab mir die Welt das Leben zuriick iiber dem<br />

schwarzen Grunde des Sees und meiner Gedanken.<br />

Denn alles fordert die Welt, die<br />

weite und ratselvolle, alles verlangt sie von<br />

uns: Kampf und Opfer, Glauben und Hin-<br />

wendungzu ihr! Tie/ unter der Oberflache<br />

des Scheins halt sie den Sinn verborgen, der<br />

ihr und uns gegeben 1st.<br />

Wohlan! Ich will nicht trUumen. Ich will<br />

nicht langer fragen, den See schon gar<br />

nicht, der nur in seinen Wassern glitzert<br />

und schweigt. Und auch den Vogel im<br />

Strauch nicht, der noch weniger weiii als ich<br />

und vielleicht gerade darum so munter fidtet.<br />

Noch sehe ich die Mittagssonne iiber der<br />

Welt an den stillen Wassern. Das unendliche<br />

Licht, daraus wir alle leben soUen.<br />

Vor kurzem, vor der Morgenrote, lag alles<br />

hier noch in Dunkelheit verborgen, binnen<br />

kurzem, nachderAbendrote, wirdeswleder<br />

so sein, aber das Licht vergeht dennoch<br />

nicht und verweilt nicht, und es ist alles ein<br />

groBes Riitsel mit hundert verschlossenen<br />

Tiiren undSiegeln. GewiB 1st nureins in dieser<br />

Welt: Bewahrung!<br />

Woher ich das weiB?Das kann dir niemand<br />

sagen: der See nicht, die Berge nicht, der<br />

Vogel im Strauch nicht und ich selber erst<br />

recht nicht. Ich glaube es, und es hat mich<br />

niemand gelehrt, daB ich dir einen Namen<br />

nennen konnte, mein Freund!<br />

aus: Westfalenspiegel 7/1953<br />

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SAUERLAND<br />

16<br />

Die Restaurierung der „Knochenmuhle" in Fretter<br />

Eine denkmalpflegerische MaBnahme besonderer Art<br />

von Heike Heinzel<br />

Bestimmend fur den Erhalt von denkmalwurdigen<br />

Objekten war uber lange<br />

Zeit allein deren asthetischer Wert, der abhangig<br />

war vom subjektiven Empfinden<br />

einzelner Personen oder Gruppen. In den<br />

letzten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts<br />

hat - wie das „Gesetz zum Schutz und zur<br />

Pflege der Denkmaler im Lande Nordrhein-Westfalen"<br />

vom 11. Marz 1980<br />

zeigt - ein Umdenken stattgefunden. In<br />

§ 2 Abs. 1 heiBt es dort: „Denkmaler sind<br />

Sachen, Mehrheiten von Sachen und<br />

Teile von Sachen, an deren Erhaltung und<br />

Nutzung ein offentliches Interesse besteht,<br />

wenn die Sachen bedeutend fiir die<br />

Geschichte des Menschen, fur Stadte,<br />

Siedlungen oder fiir die Entwicklung der<br />

Arbeits- und Produktionsverhaltnisse sind<br />

und fiir die Erhaltung und Nutzung kunstlerische,<br />

volkskundliche oder stadtebauliche<br />

Griinde vorliegen." i)<br />

Nachdem die Aufmerksamkeit der<br />

Denkmalpf lege und des Denkmalschutzes<br />

lange fast ausschlieBlich auf Sakralbauten,<br />

Burgen, Schlosser, stadtische Wohn- und<br />

Geschaftshauser und auf Objekte der<br />

landlichen Architektur gerichtet gewesen<br />

ist, besinnt man sich in zunehmendem<br />

MaBe auch auf die Bedeutung technischer<br />

Kulturdenkmaler. Ihr Erhalt tragt dazu bei,<br />

Knochenmuhle (Schema)<br />

I<br />

alte Techniken, die Verwendung bestimmter<br />

Materialien sowie Arbeits- und<br />

Produktionsverhaltnisse auch fiir die folgenden<br />

Generationen nachvollziehbar zu<br />

machen und Verstandnis fur die oft harte<br />

Arbeit unserer Vorfahren zu wecken. Ein<br />

Beispiel fiir ein solches Denkmal im heimischen<br />

Raum ist die „Knochenmtihle" in<br />

Fretter, Gemeinde Finnentrop, die einzige<br />

erhaltene Knochenmuhle mit eisernem<br />

Stampfwerk in Westfalen.<br />

Wenn hier von der „Knochenmuhle"<br />

die Rede war, so ist diese Bezeichnung eigentlich<br />

nicht exakt. Korrekt ware es, von<br />

einer „Knochenstampfe" zusprechen, da<br />

das Ausgangsprodukt, die Knochen, nicht<br />

gemahlen, sondern zerstampft wird.<br />

Trotzdem soil der Begriff verwendet werden,<br />

da auch in den offiziellen Schreiben<br />

des Amtes fur Denkmalpf lege und der Gemeinde<br />

Finnentrop beide Bezeichnungen<br />

synonym gebraucht werden.<br />

Ruhrmanns Hof und Miihle<br />

Die Knochenmtihle in Fretter gehort<br />

zum Hof der Familie Ruhrmann. Auf dem<br />

Hof stand bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges,<br />

d. h. bis zum Einmarsch der Amerikaner<br />

in Fretter, eine Getreidemtihle -<br />

„Ruhrmanns Muhle" -, die durch BeschuE<br />

Zeichnung: Gemeindeverwaltung Finnentrop<br />

den Hammen zum Opfer fiel. Diese Getreidemuhle<br />

wird erstmals 1536 im<br />

Schatzregisterdes Herzogtums Westfalen<br />

erwahnt. Als Besitzer wird Reckhart Molner<br />

genannt.^) Nach der Orts- und Pfarrchronik<br />

von Fretter mul^ten die Kolonen<br />

des Freiherrn von Fiirstenberg ihr Getreide<br />

in Mullers Miihle, d. h. in dieser Muhle,<br />

mahlen lassen. Sie war mit dem Muhlenbann<br />

belegt. Auch hier stand das Wasserrecht<br />

und damit die Zulassung zum Bau<br />

und Betrieb von Muhlen dem Grundherrn<br />

zu, ebenso die Verhangung des Muhlenbanns.<br />

In PreuBen wurde der Miihlenbann<br />

erst 1810 endgultig aufgehoben, fiir das<br />

Sauerland vermutlich erst nach dem Wiener<br />

Kongrel? (1814/15), als das Herzogtum<br />

Westfalen preuRisch wurde.<br />

„Der Bann wirkte sich in verschiedener<br />

Weise aus. War er auf eine Muhle gelegt,<br />

dann bedeutete das, daB ein bestimmter<br />

Personenkreis in einer bestimmten Muhle<br />

mahlen lassen muEte. Damit sollte die<br />

wirtschaftliche Grundlage des Anfangers<br />

oder Dauerpachters gesichert werden.<br />

Die Herrschaft wiederum konnte fiir diese<br />

,Bannmuhlen' die Abgaben entsprechend<br />

erhohen."^) Dieser Umstand erklart vielleicht,<br />

warum Molner schon im 16. Jahrhundert<br />

die hochsten Steuern zu zahlen<br />

hatte - ein Ausdruck fur den relativen<br />

Wohlstand des Hofes. Ahnlich hoch belastet,<br />

namlich mit einem Gulden, war Hermann<br />

Rembergh, der zweitgroEte Bauer<br />

des Dorfes.*) DreiBig Jahre spater, 1565,<br />

liegen die Steuern gar bei zwei Gulden; die<br />

Diskrepanz zwischen „arm" und „reich"<br />

im Dorf ist gewachsen. 1756 wird Johann<br />

Jodokus Bitter, genannt Remberg, als<br />

zweiter Miihlenbesitzer genannt. Rembergs<br />

Muhle war eine Zwangsmuhle fur<br />

die Pachter des Grafen von Plettenberg-<br />

Lenhausen. Eine Auflistung des Viehbestandes<br />

um 1808 weist Remberg und<br />

Ruhrmann (alias Molner) als die Bauern<br />

mit dem groBten und wertvollsten Viehbestand<br />

aus. Beide besaBen neben Schweinen<br />

und Schafen Pferde, Kuhe und Rinder.<br />

Ein Blick auf die Hofe tiber zwanzig<br />

Hektar um 1930 zeigt, daB Ruhrmanns<br />

Hof immer noch zu den groBten und ertragreichsten<br />

zahlt. Ob und inwieweit der<br />

Muhlenbesitz den relativen Wohlstand der<br />

beiden genannten Bauern mehrte, ist eine<br />

Vermutung und kann nicht eindeutig belegt<br />

werden. Im Volksmund gibt es aber<br />

einige Sprichworter, die auf den Wohl-<br />

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SAUERLAND<br />

17<br />

Das Gebdude vor der /iV<br />

Friedel Schmidt<br />

vorhanden sind noch das guReiserne<br />

Stampfwerk der Knochenmiihle und die<br />

Antriebswelle mit den Zahnradiibersetzungen.<br />

Ober diesen Antrieb konnte zusatzlich<br />

ein Schleif stein betrieben werden,<br />

der ebenfalls noch erhalten ist und dazu<br />

diente, landwirtschaftliches Gerat wie<br />

Sensen etc. zu scharfen. Der Antrieb des<br />

Stampfwerks erfolgte durch ein oberschlachtiges<br />

Wasserrad.<br />

Oberschlachtige Wasserrader wurden<br />

hauptsachlich bei geringer Wasserzufuhr<br />

errichtet: Das Wasser wird uber einen<br />

„Kandel" - eine Holzrinne - von oben auf<br />

die Ruckseite des Rades geleitet. Es flieBt<br />

in Kasten, die zwischen den Radrandern<br />

nach unten und seitlich geschlossen sind.<br />

Der Antrieb erf olgt durch das Gewicht des<br />

Wassers. Um 1900 wurde die Knochenmuhle<br />

als Zusatzbetrieb zur vorhandenen<br />

Getreidemiihle von einem Muhlenbauer<br />

aus Meschede errichtet.'=)<br />

stand der Miiller und den Neid der ubrigen<br />

Bevolkerung Riickschlusse zulassen. Es<br />

heiBt da zum Beispiel: „Eine Miihle wie ein<br />

Hutchen ist besser als ein Gutchen."<br />

Oder: „So viel Locher im Sieb - so viel<br />

Miiller sind Dieb."^) Der Exkurs uber die<br />

Entwicklung der Hof groBe sollte verdeutlichen,<br />

weshalb es uberhaupt zum Bau einer<br />

Knochenmiihle kommen konnte, da<br />

sie lediglich eine Zusatzmuhle darstellte.<br />

Eine weitere technische Einrichtung dieser<br />

Art konnte aber nur auf einem groBen<br />

Hof eingerichtet und unterhalten werden.<br />

Lage und Technik der Miihle<br />

Die Knochenmuhle liegt etwas abseits<br />

vom Hof der Familie Ruhrmann an der<br />

Schondelter StraEe in Fretter. Es handelt<br />

sich um ein eingeschossiges Fachwerkgebaude<br />

mit Satteldach. Die Giebel sind zur<br />

StraBe und zum Vorfluter hin ausgerichtet.<br />

Die Giebeldreiecke sind verbrettert,<br />

die Gefache weiB verputzt. Das gesamte<br />

Gebaude steht auf einem Bruchsteinsockel.<br />

Im Innern der Muhle befindet sich eine<br />

Kammer, die zur Wasserseite hin eingebaut<br />

worden und durch eine innenliegende<br />

Treppe begehbar ist. Eine weitere<br />

Treppe fuhrt zum Balken, auf dem die<br />

Knochen gelagert wurden. Vollstandig Im Innern der Muhle. Foto: Gemeinde Finnentrop<br />

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SAUERLAND<br />

von Herrn Ruhrmann hat sich der Betrieb<br />

nicht mehr rentiert. GroBe Chemiekonzerne<br />

brachten billigen Kunstdunger auf<br />

den Markt, und die Zahl der in der Landwirtschaft<br />

Beschaftigten nahm durch den<br />

vermehrten Einsatz von Maschinen ab.<br />

Die Notwendigkeit, Winterarbeit fur diese<br />

Menschen bereitzuhalten, entfiel damit.<br />

Hinzu kam, daE in den 50er Jahren vom<br />

Staat Pramien fur die Stillegung von Muhlen<br />

gezahlt wurden - ein Umstand, der unter<br />

anderem das groEe „Muhlensterben"<br />

in den darauffolgenden Jahren erklart.<br />

Heutzutage seien, sagte Herr Ruhrmann,<br />

dem Betrieb einer Miihle mit Wasserrad<br />

auch durch andere Faktoren Grenzen<br />

gesetzt: Die verstarkte Aufforstung<br />

mit Fichten und der Riickgang des Laubwaldes<br />

in den letzten Jahrzehnten fuhrten<br />

dazu, daE Oberflachenwasser schneller im<br />

Boden versickere und eine halbwegs konstante<br />

Wasserzufuhr auf die Muhlrader<br />

nicht mehr gewahrleistet sei.<br />

Die restaurierte Knochenmiihte.<br />

Das Ausgangsprodukt, die Knochen<br />

von Rindern und Schweinen, bezog man<br />

vom Metzger oder Altwarenhandler, der<br />

neben Lumpen, Eisen und Papier auch<br />

Knochen sammelte und zum Verkauf anbot.<br />

Bevor die Knochen weiterverarbeitet<br />

werden konnten, muEten sie ein bis zwei<br />

Jahre zum Trocknen auf dem Dachboden<br />

der Miihle abgelagert werden; die Restfeuchte<br />

wurde so entzogen. Die Weiterverarbeitung<br />

zu Knochenmehl geschah im<br />

Winter - einer Zeit, die in der Landwirtschaft<br />

durch den geringsten Arbeitsanfall<br />

gepragt ist. Diese typische Winterarbeit<br />

diente also auch dazu, die auf dem Hof beschaftigten<br />

Personen mit Arbeit zu versorgen<br />

und keinen „Leerlauf" aufkommen zu<br />

Foto: Amt fiir Agrarordnung, Siegen<br />

lassen. Pro Winter wurden, je nach Witterung,<br />

30 bis 40 Zentner Knochenmehl<br />

hergestellt. Starker Frost konnte die Arbeit<br />

jedoch beeintrachtigen. Eis, welches<br />

sich am Wasserrad absetzte, konnte,<br />

wenn es nicht rechtzeitig abgehackt wurde,<br />

zum Brechen der Schaufeln fuhren<br />

und war von jedem Miihlenbesitzer gefurchtet.<br />

Im Friihjahr wurde das kalziumund<br />

phosphathaltige Knochenmehl als<br />

Dunger fiir die Felder benutzt und gelegentlich<br />

dem Viehfutter beigemischt. Es<br />

diente ausschlieBlich der Deckung des Eigenbedarfs.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die<br />

Knochenmuhle stillgelegt. Laut Aussage<br />

Sicherung und Erhalt<br />

DaE uns die Knochenmuhle dennoch<br />

erhalten bleibt, ist dem KulturausschuE<br />

der Gemeinde Finnentrop zu verdanken.<br />

Am 20. Februar 1987 beantragte die Gemeinde<br />

Finnentrop beim Westfalischen<br />

Amt fur Denkmalpflege in Munster die<br />

Eintragung der Knochenmtihle in die<br />

Denkmalliste der Gemeinde. Am 25. Februar<br />

1987 gab das Amt fur Denkmalpflege<br />

dem Antrag statt und gewahrte einen<br />

ZuschuE in Hohe von 10 000 DM. In der<br />

Denkmalwertbegrundung heiEt es: „ Diese<br />

Knochenmuhle stellt nach Auf f assung des<br />

Westfalischen Amtes fur Denkmalpflege<br />

ein Denkmal im Sinne des § 2 DSchG NW<br />

dar. Diese Knochenmiihle ist bedeutend<br />

fur die Geschichte des Menschen, der<br />

Siedlung Fretter sowie zur Darstellung der<br />

Arbeits- und Produktionsverhaltnisse auf<br />

einembauerlichen Betrieb ... Fur die Erhaltung<br />

und Nutzung liegen wissenschaftliche<br />

und volkskundliche Griinde vor. Wissenschaftliche<br />

Grunde deshalb, da diese<br />

Knochenmiihle nach unserem Kenntnisstand<br />

die einzig erhaltene ihrer Art (mit eisernem<br />

Stampfwerk) in Westfalen darstellt...<br />

Volkskundliche Griinde liegen<br />

deshalb vor, weil diese Knochenmiihle fur<br />

den Ort und die Zeit, in der sie gebraucht<br />

wurde, typisch ist und die Lebensform ihrer<br />

Zeit in einer bauerlichen Umwelt dokumentiert."<br />

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SAUERLAND<br />

19<br />

Im Sommer 1987 wurde mit den Restaurierungsarbeiten<br />

begonnen. Balken<br />

im Fachwerk wurden ausgetauscht und<br />

das Dach neu eingedeckt. Der Unterwasserbereich<br />

wurde entrumpelt, die Mechanik<br />

instandgesetzt und das Wasserrad rekonstruiert.<br />

Die Gesamtkosten von rund<br />

70000 DM wurden vom Westfalischen<br />

Amt fur Denkmalpflege in Munster, dem<br />

Amt fur Agrarordnung in Siegen und der<br />

Gemeinde Finnentrop ubernommen.<br />

Nach Beendigung der Restaurierungsarbeiten<br />

wurde die Knochenmuhle am 14.<br />

August 1989 im Rahmen einer kleinen<br />

Feierstunde offiziell eingeweiht und steht<br />

nun interessierten Besuchern und Schulklassen<br />

zur Besichtigung zur Verfugung.<br />

1) Vgl. auch H.G. Gahlen. H.D. Schonberg: Denkmalrecht<br />

Nordrhein-Westfalen. Koln 1981; K.-H. Rothe: Denkmah<br />

schutzgesetz Nordrhein-Westfalen. Berlin 1981.<br />

2) Vgl G.Becker, E. Dcitenberg, V. Kennemann: Fretter - Ein<br />

sauerlandisches Dorf und seine Bewoiiner. Fretter 1985,<br />

S. 14.<br />

3) Vgl. F.W. Weber: Die Geschichte der Miihien und des Mulierhandwerks<br />

der Pfalz. Otterbach 1979, Kap. XIV(Die Rechtsverhaltnisse<br />

der MCihlen und Miiller).<br />

4) Vgl hierzuundzumFolgenden: Becker, Deitenberg, Kennemann<br />

(wie Anm. 2), S. 14 und S. 135ff.<br />

5) Volkskundliches tiber Muhlen und Miiller findet sich ebenfalls<br />

bei Weber 1979 (wie Anm. 3), S. 159-173.<br />

6) Im Folgenden die inhaltliche Wiedergabe eines Interviews<br />

mit Herrn Fritz Ruhrmann, dem Besitzer der Knochenmiihle,<br />

das ich im Dezember 1987 mit ihm fuhrte. Herr Ruhrmann<br />

verstarb 1988.<br />

Zeuge der Technikgeschichte:<br />

Das Reiterstellwerk<br />

in Finnentrop<br />

Ein Stellwerkgebaude der Deutschen<br />

Bundesbahn, um 1920 an der Lennestrecke<br />

in Finnentrop erbaut, zahlt nach<br />

Auffassung von Fachleuten des Westfalischen<br />

Amtes fur Denkmalpflege beim<br />

Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

(LWL) eindeutig zu den „ Zeugen der Technikgeschichte".<br />

Stellwerkgebaude - in<br />

diesem Fall handelt es sich um ein soge-<br />

nanntes Reiterstellwerk - entwickelten<br />

sich im Laufe der Zeit zu wichtigen Einrichtungen<br />

des Schienenverkehrs; mit ihrer<br />

Hilfe konnte die Sicherheit und Regelung<br />

des Betriebes iiberwacht werden,<br />

ebenso die Signal- und Weichenstellung.<br />

Die Funktionen eines Reiterstellwerks<br />

lassen sich am auKeren Erscheinungsbild<br />

ablesen. Der Stellwerksraum mit seinen<br />

groBen Fenstern liegt uber den Gleisen.<br />

Der massive, zweigeschossige Gebaudeteil<br />

enthalt technische Anlagen und<br />

Nebenraume. Das Gebaude an der Bamenohler<br />

StraBe in Finnentrop dokumentiert<br />

einen wichtigen Teil der Eisenbahngeschichte<br />

Westfalens und zeigt die L6-<br />

sung einer besonderen Bauaufgabe in der<br />

Bahnhofsarchitektur nach dem Ersten<br />

Weltkrieg. Dank der Verwendung natiirlicher<br />

Baustoffe aus dem Sauerland, wie<br />

Schiefer und Holz, paiit das Gebaude gut<br />

in das Landschaftsbild; das denkmalwerte<br />

Objekt soil unter Schutz gestellt werden.<br />

Text und Foto: LWL<br />

Reiterstellwerk ar) der Bahristrecke, die das Ruhrgebiet mit dem Siegerland verbindet, in Finnentrop.<br />

Foto: LWL<br />

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SAUERLAND<br />

20<br />

Bilder aus dem Sauerland - damals und heute<br />

von Friedhelm Ackermann<br />

Die Bilder zeigen die<br />

gleiche Partie an der<br />

westlichen Stadtmauer<br />

von Ruthen.<br />

Das ditere Foto ist in<br />

den zwanziger Jahren<br />

entstanden und zeigt<br />

2 typische Fachwerkhduser.<br />

Im Hintergrund<br />

die Hugel des<br />

Mohnetals. Eine voUig<br />

uerdnderte Situation<br />

bietet sich dem Fotografen<br />

uon heute. Beide<br />

Hduser sind Idngst<br />

abgerissen und durch<br />

neue ersetzt worden.<br />

Aus einem unverwechselbaren<br />

Dorfensemble<br />

wurde eine<br />

austauschbare Stadtteilansicht.<br />

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SAUERLAND<br />

21<br />

Der Pirol - Vogel des Jahres 1990<br />

von Hans Grunwald<br />

Der Riickgang des farbenprachtigen<br />

Pirols [Oriolus oriolus (Linne 1758)] in<br />

verschiedenen deutschen Landschaften<br />

veranlaRte Natur- und Umweltschutzer<br />

dazu, ihnzum „Vogel des Jahres 1990" zu<br />

erklaren.<br />

Sowohl die deutsche wie auch die wissenschaftliche<br />

Gattungs- und Artbenennung<br />

versuchen, den melodisch-flotenden<br />

Revierruf „dudlio" nachzuahmen, ahnlich<br />

wie beim Kuckuck oder Zilpzalp. Das<br />

Mannchen tragt ein leuchtend gelbes<br />

Kleingefieder mit schwarzen Flugeln und<br />

schwarzem Schwanz, der seitlich ebenfalls<br />

gelb eingefaBt ist. Der Schnabel ist<br />

kraftig rot; durch das gleichfalls rote Auge<br />

zieht sich eine dunkle Markierung, die<br />

ziemlich kurzen Beine sowie die FuEe sind<br />

bleigrau getont. Weibchen und Jungvogel<br />

sehen mehr gelblichgriln aus. Fliigel und<br />

Schwanz sind dunkler gefarbt, die Unterseite<br />

zeigt im Kehl-, Brust- und Bauchbereich<br />

auf hellem Untergrund eine dunkle<br />

Strichelung.<br />

Der etwa 24 cm lange, amselgroRe Vogel<br />

- wegen seiner Farbung auch „Goldamsel"<br />

genannt - ist in der Regel nur durch<br />

seinen kraftigen und klangvollen Revierruf<br />

auszumachen; zu sehen bekommt man<br />

ihn kaum, da er sich als Kronenbruter fast<br />

nur in den oberen Wipfelregionen von<br />

Laubbaumen aufhalt und nur bei der Suche<br />

von Nistmaterial oder Nahrung in angrenzende<br />

offene Feld- und Wiesenflachen<br />

fliegt, um dann wieder im spechtartigen<br />

Wellenflug in die Baumwipfel zuruckzukehren.<br />

Er kommt vornehmlich in wassernahen<br />

Auwaldern, Parkanlagen, Obstgarten,<br />

Hofeichen und Windschutzheckenvor.<br />

Ertrifftdurchweg Anfang Mai<br />

im hiesigen Brutgebiet ein und wird deshalb<br />

auch „Pfingstvogel" genannt. Der<br />

ebenf alls hauf ige Name „ Vogel Bulow" ist<br />

wiederum eine Lautimitation des Hauptrufes.<br />

Das kunstvoll geflochtene, halbkugelige<br />

Hangenest wird meist in einer waagerechten<br />

Astgabel hoch im Baum bef estigt,<br />

oft in Eichen, Pappeln, Weiden oder Birken.<br />

Das Gelege enthalt 3 bis 5 glanzend<br />

weiBe, glattschalige Eier, die gelegentlich<br />

rosa angehaucht sind und bisweilen kleine<br />

dunkle Flecken aufweisen. Die Jungvogel<br />

krallen sich bei windigem Wetter schon<br />

fruh in die Nestwandung, um nicht hinauszufalien.<br />

Spater klettern sie geschickt im<br />

Geast auf und ab. Sie werden mit allerlei<br />

Insekten gefiittert, wobei selbst die<br />

Pirolmdnnchen (nach Kacher) u. Hangenest (aus Graf).<br />

Zeichnungen: Veronika Grunwald, 1990.<br />

haarigen Raupen von Prozessionsspinnern<br />

und anderen Faltern nicht verschmaht<br />

werden. Die Vorliebe des Pirols<br />

fur Kirschen macht die Bezeichnung<br />

„Kirschvogel" oder „Kirschdrossel" verstandlich.<br />

Der heimische Pirol ist die einzige Art<br />

seiner Gattung in Europa, das er vom au-<br />

Eersten Westen bis in den fernen Osten<br />

bewohnt. Dasselbe gilt fur Sudeuropa,<br />

ausgenommen wohl Griechenland und<br />

Kreta. Auch in den nordlichen Randzonen<br />

Afrikas brutet er, wahrend er im nordlichen<br />

Europa nur die sudostlichen Teile<br />

Schwedens und Englands besiedelt. Er bevorzugt<br />

in Europa durchweg die Ebenen,<br />

nur sehr selten trifft man ihn in Hohen<br />

uber 600 m an. Der Zug des Pirols in die<br />

Oberwinterungsgebiete des mittleren<br />

West- und Ostafrika beginnt oft schon Ende<br />

Juli oder Anfang August. Leider stellt<br />

man ihm auf dem Zug haufig genug nach,<br />

auBerdem ist er auch im Winterquartier<br />

selbst durch Jagd, Fang und Pestizide bedroht.<br />

Der Pirol in Wcstfcilen<br />

Fur den westfalischen Brutbestand<br />

wird auf „starke Fluktuationen iibcr die<br />

einzelnen Jahre" und auf einen deutlichen<br />

Ruckgang in den letzten Jahren hingewiesen,<br />

dies allerdings schon 1969. (H.<br />

Schierholz: a.a.O.). Das eigentliche Sauerland<br />

ist pirolfrei. Nur wenige Bruten im<br />

nordlichen Randgebiet unterhalb 300 m<br />

Hohe wurden bekannt, z. B. bei Letmathe.<br />

Vom Ruhrtal gibt es drei Nachweise<br />

(Hesse/Sell: a.a.O.). Die Verbreitungskarte<br />

dieser Autoren weist nach Norden<br />

zu bis zur sudwestlichen Abdachung des<br />

Teutoburger Waldes und Wiehengebirges<br />

eine groRere Zahl von Ruf nachweisen auf,<br />

die wohl weitgehend mit Brutvogeln identisch<br />

sind. Der Verbreitungsschwerpunkt<br />

liegt in verschiedenen Regionen des Munsterlandes.<br />

Fiir das nordliche Sauerland<br />

sei an dieser Stelle noch eine Beobachtung<br />

vom 29. 5. 1968 nachgetragen. Im<br />

Oesebachtal nahe der Edelburg zwischen<br />

Hemer und Menden wurde im Rotbuchen-<br />

Eichen-Wald der Revierruf eines Pirolmannchens<br />

verhort sowie der Vogel auch<br />

selbst beobachtet (W. Fellenberg/W.<br />

Prunte: a.a.O.). Das Habitat nahe der<br />

Edelburg konnte als charakteristisch fiir<br />

den Pirol angesehen werden, blieb aber<br />

trotzdem eine Ausnahme.<br />

Lebensraume schwinden<br />

In der Bundesrepublik mehren sich die<br />

Meldungen uber den Ruckgang des Pirols<br />

in den letzten Jahren. In Nordrhein-Westfalen<br />

und Hamburg wurde er in der Roten<br />

Liste der bedrohten und gefahrdeten Arten<br />

in die Kategorie A.3 (= „gefahrdet")<br />

eingestuft. Die wesentliche Gefahrdung<br />

des „Charaktervogels lichter Auwalder,<br />

Bruchwalder und gewassernaher Geholze"<br />

liegt darin, daE diese Lebensraume<br />

mehr und mehr „kultiviert" werden und<br />

verschwinden. Dies bringt auch Verande-<br />

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Sauerländer 22 <strong>Heimatbund</strong><br />

SAUERLAND<br />

rungen im Nahrungsangebot mit sich, das<br />

zudem oft stark durch Chemikalien oder<br />

Pestizide belastet ist. Vernichtung von Auwaldern,<br />

FluBbegradigungen, Eindeichungen,<br />

Trockenlegungen, Umwandlung<br />

von Laub- zu Nadelwaldern, Beseitigung<br />

von Streuobstwiesen zerstoren<br />

wichtige Lebensraume, nicht nur fur den<br />

Pirol.<br />

SchutzcnaBnahmen<br />

So schlagen denn die Naturschutzverbande<br />

und Vogelschutzer einen ganzen<br />

Katalog von SchutzmaBnahmen vor:<br />

Erhaltung und Schutz der Au- und<br />

Bruchwalder sowie anderer feuchter<br />

Landschaftsteile, ebenso wie der Uferregionen<br />

von stehienden und f lieKenden Gewassern.<br />

Verzicht auf Trockenlegung und<br />

weiteren Umbruch von Wiesen- und<br />

Grunland. Zusammenarbeit bei alien wasserwirtschaftlichen<br />

MaBnahmen mit Natur-<br />

und Umweltschutzverbanden. Reduzierung<br />

von Chemikalien auf ein Minimum.<br />

Erhaltung von Streuobstwiesen und<br />

baumbestandenen Parks, Windschutzgurteln,<br />

Alleen. Erarbeitung von Schutzkonzepten<br />

auf nationaler und internationaler<br />

Ebene, deren Durchsetzung und Oberwachung.<br />

Kontinuierliche Information und<br />

Offentlichkeitsarbeit. (Vgl. Wassmann)<br />

Der bedrohte „Vogel des Jahres 1990"<br />

ist ein weiterer SYMBOLVOGEL zuneh-<br />

Literaturhinweis:<br />

Fellenberg, W. / Prunte, W.: In Frohling. W, & Harengard, M.<br />

(1969: „Sanimelberichtf. d. Zeitu. MarzbisOkt. 1968". Anthus<br />

6, H. 1, p. 31-44 und Kartei von W, Fellenberg.<br />

Gesellschaft Rhein. Ornithologen & Westfal. Ornith. Gcsellschaft:<br />

In „Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefahrdeten<br />

Pflanzen und Tiere," 2. Fassung, LOLF, Recklinghausen<br />

(1986).<br />

Hcckenroth, H.: In „Atlas der Brutuogel Niedersachsens 1980<br />

u. des Landes Bremen mit Erganzungen aus d. Jahren 1976-<br />

1979", Hannover (1985)<br />

Graf, J.: „Tierbestimmungsbuch", Munchen (1961)<br />

Hesse, M. & Sell, M.: „Zur Brutuerbreitung des Pirols (Oriolus<br />

oriolus) in Westfalen"; in Alcedo 2, H. 3 (1975)<br />

Kacher, H.: In „Das Kruger Lexikon der Tiere", Munchen (1977)<br />

Peterson, R. & Mountfort, G.: „Die Vogel Europas", Hamburg/<br />

Berlin (1961)<br />

Reinsch, H. H.: ..Familie Pirole"; in ..GrzimeksTierleben", B. 9,<br />

Munchen (1980)<br />

Schierholz, H.: In: Avifauna von Westfalen", Munster (1969)<br />

Seattle: „Wir sind ein Teil der Erde". Olten u. Freiburg (1982)<br />

Wassmann, R.: „Vogel des Jahres 1990 - Der Pirol", DBV-<br />

Merkblatt Nr, 90/1-025, Bonn (1990)<br />

mender Gefahrdung von Lebensraumen,<br />

die nicht nur seinen Fortbestand bedroht,<br />

sondern die gesamte Umwelt armer und<br />

oder macht. Zum notwendigen Umdenken<br />

und zur aktiven Mithilfe sind wir alle<br />

aufgerufen und verpflichtet! - Es ware ein<br />

groBer Irrtum zu meinen, es gehe hier bloB<br />

um die Erhaltung „nur" einer Vogelart.<br />

Vielmehr steht das Verschwinden ganzer<br />

Landschaf ten und Lebensraume mit ihrer<br />

Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf dem<br />

Spiel. Sie alle sind wesentlich Mitgcschopfe<br />

unserer Umwelt und Erde.<br />

Wie sagte doch der „wilde" rote Hauptling<br />

zum weiBen amerikanischen Prasidenten?<br />

„Was immer den Tieren geschieht, geschieht<br />

bald auch den Menschen. Alle<br />

Dinge sind miteinander verbunden.<br />

Denn das wissen wir, die Erde gehort<br />

nicht den Menschen, der Mensch gehort<br />

zur Erde. Alles ist miteinander verbunden."<br />

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Naturschutz<br />

auf dem Friedhof<br />

Naturschutz auf dem Friedhof ist der<br />

Titel einer umfangreichen Broschure, die<br />

die Landesanstalt fur Okologie, Landschaftsentwicklung<br />

und Forstplanung<br />

(LOLR Nordrhein-Westfalen soeben herausgegeben<br />

hat. Die Broschure geht zu<br />

Recht von der Pramisse aus, daB den<br />

Friedhofen in zunehmendem MaBe eine<br />

neue Aufgabe erwachst, namlich die der<br />

Grunflache mit wichtigen sozialen und<br />

okologischen Funktionen:<br />

• Friedhof e werden immer mehr zu wichtigen<br />

Elementen der Griinflachenkonzepte<br />

unserer Stadte.<br />

• Friedhofe gelten als Oasen der Stille<br />

und Entspannung und dienen in erheblichem<br />

Umfang der „Stillen Erholung" des<br />

Stadters.<br />

• Friedhofe haben eine positive Wirkung<br />

auf das Stadtklima und die lufthygienischen<br />

Bedingungen.<br />

• Friedhofe stellen darilber hinaus wichtige<br />

Lebensraume fur die Tier- und Pflanzenwelt<br />

dar.<br />

Die Broschure stellt die Friedhofstypen<br />

dar und berichtet ausfuhriich uber Flora<br />

und Fauna der Friedhofe sowie die Pflege,<br />

Entwicklung und Gestaltung von Friedhofen<br />

aus okologischer Sicht. Ein ausfuhdi-<br />

ches Literatur- und Stichwortverzeichnis<br />

rundet die gelungene Veroffentlichung<br />

ab. Sie kann kostenlos bei der LOLF,<br />

Leibnizstr. 10,4350 Recklinghausen, bezogen<br />

werden. Red.<br />

Das Sandkopfchen ist<br />

„Blume des Jahres 1990"<br />

Die Stiftung zum Schutze gefahrdeter<br />

Pflanzen hat das Sandkopfchen (jasione<br />

montana) zur Blume des Jahres 1990 erklart.<br />

Damit soil auf den gefahrdeten Lebensraum<br />

der Pflanze, die Trockenrasenflachen,<br />

hingewiesen werden. Die kalkarmen<br />

Gebiete, auf denen das Sandkopfchen<br />

wachst, gelten als unwirtschaftlich<br />

und werden deshalb oft in Acker oder<br />

Grunland umgewandelt oder auf gef orstet.<br />

Die Blume heiEt auch Berg-Sandkopfchen,<br />

Berg-Sandglockchen, Bergnelke<br />

oder Schafsskabiose. Ihre vielen hellblauen<br />

kleinen Bluten stehen als kugelformiges<br />

Kopf chen zusammen und wirken in<br />

der kargen Umgebung anziehend fiir Insekten.<br />

Im Saueriand ist die Blume selten;<br />

Nachweise (1865 und 1930) finden sich<br />

fur den Ehrenscheid bei Winterberg (vergleiche<br />

Fritz Runge, Die Flora Westfalens,<br />

1955). PI.<br />

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SAUERLAND<br />

Geheimrezept aus Husten: Westhoff s Magenbitter<br />

23<br />

von Karl-Heinz Keller<br />

„lch bezeuge hierdurch, daB ich nur allein<br />

durch den Magenbitter des Herrn<br />

Westhoff in kurzer Zeit von meinen Leibsciimerzen<br />

befreit worden bin" schreibt<br />

im Juli 1892 ein Mann namens Knuf in Husten,<br />

von Beruf Postgehulfe. Sclion damals<br />

maciite ein Destillat von sich reden,<br />

das fortan als ..Westhoff s Magenbitter"<br />

beriihrnt wurde. Den heilsamen Schnaps.<br />

der in einem Atemzug mit anderen bekannten<br />

Sorten genannt werden muB, erfand<br />

Josef Westhoff aus Husten im Jahre<br />

1889. Westhoff war urspriinglich landwirtschaftlicher<br />

Lehrer gewesen. Seine<br />

Kenntnisse nutzte er: Er war einer, der die<br />

Natur schatzte und vor allem deren Heilkraften<br />

vertraute. Seit 100 Jahren nun<br />

wird in Husten ..Westhoff's Magenbitter"<br />

hergestellt. Und seit der Postgehulfe Knuf<br />

die lindernde Wirkung des Produktes erkannt<br />

hat. half es vielen Menschen. Noch<br />

heute geben Sauerlander und Menschen<br />

in anderen Regionen beispielsweise nach<br />

einem uppigen Mahl den guten Rat: ..Das<br />

ist nur mit einem Westhoff in Ordnung zu<br />

bringen!"<br />

Im Jahre 1889 grundete Josef Westhoff,<br />

der schon 1913 mit knapp 60 Jahren<br />

starb. das Unternehmen auf Sellen Hof in<br />

Husten, dessen Produktion spater in die<br />

BahnhofstraBe, gegenuber den Huttenwerken.<br />

verlagert wurde. Josef Westhoff<br />

komponierte aus mehr als 24 Bitter- und<br />

SiiBkrautern einen wohlschmeckenden<br />

Magenbitter. Die Krauter - u.a. Wacholder,<br />

Waldmeister. Faulbaumrinde. Kiimmel.<br />

Anis. EngelsiiBholz. Berberitzen. Enzian,<br />

Heidelbeerbiatter, Bitterklee und<br />

Hopfen - werden luftgetrocknet, nur ein<br />

einziges Mai verwendet und in Eichenholzfassern<br />

gelagert. wo der ..Westhoffsche"<br />

seine letzte Reife erhalt. Essenzen<br />

und Zucker werden nicht verwendet. es<br />

kommt einzig und entscheidend auf die<br />

Mengenverhaitnisse an - und das Ganze<br />

bleibt auch nach einhundert Jahren Betriebsgeheimnis.<br />

Um die Jahrhundertwende war .Westhoff<br />

ein Renner. Um seinen guten Namen<br />

vor Nachahmern zu schutzen, sah sich Josef<br />

Westhoff gezwungen. beim Kaiserlichen<br />

Patentamt in Berlin die amtliche Eintragung<br />

in das Warenzeichenregister zu<br />

beantragen. die am 8. August 1908 auch<br />

tatsachlich erfolgte. Erst mit Pferdefuhrwerken.<br />

dann mit eigenen LKW's und per<br />

Bahn wurde ..Westhoff' im Sauerland und<br />

in ganz Westfalen ausgeliefert. sogar in<br />

Eine Original-Flasche wit „Westhoff's-Magenbitter"<br />

aus den Anfdngen der Produktion.<br />

Schlesien und OstpreuBen, spflter in den<br />

USA und in deutschen Clubs in Manila/<br />

Philippinen wurde er wegen seines Geschmacks<br />

und seiner Wirkung hoch geschatzt.<br />

Werbung mit Gedichten und SprQchen<br />

Gold- und Silberauszeichnungen beweisen<br />

die Qualitat des Hiistener Heilschnapses,<br />

der vielfach von Experten getestet<br />

und mit „Gut" bewertet worden ist<br />

Bekannt jedoch ist Westhoff's Magenbitter<br />

auch durch die gezielte Werbung geworden,<br />

deren Wert Josef Westhoff fruh<br />

erkannt hat. Gegenstande davon aus alten<br />

Zeiten haben die heutigen Hersteller<br />

noch in Handen: Ascher, Tabakdosen, Pokale,<br />

Klischees, eine Literflasche aus den<br />

fruhen Jahren dieses Jahrhunderts und<br />

unzahlige Gedichtchen und Spruchlein,<br />

mit denen der Magenbitter-Erfinder fur<br />

sein Produkt im ganzen Sauerland warb.<br />

Von ihm stammt auch das „Westhoff-Gedicht",<br />

das sich im VersmaB des „Liedes<br />

der Deutschen" (Deutschlandlied) von<br />

Hoffmann von Fallersleben reimt: „Hast<br />

du Kopfweh, hast du Bauchweh, krabbelt's<br />

dir im Ruckenstrang, sitzt der Kater<br />

dir im Nacken, kollert's dir im Magen<br />

bang: Nimm getrost nur einen Westhoff-<br />

Oder besser: nimm dir zwei, und sofort<br />

vergeht das Bauchweh und das Krabbeln<br />

ist vorbei!"<br />

Eine stoize Erscheir)ung - Magenbitter-Hersteller Josef Westhoff mit seiner Familie.<br />

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24<br />

SAUERLAND<br />

Briefmarkengeld<br />

Wie die heutigen Hersteller, Hartwig<br />

Voss und Bertram Brokelmann, auf Umwegen<br />

erfuhren, hat der geschSftstuchtige<br />

Magenbitter-Erfinder zur Zeit der gro-<br />

6en Inflation, Anfang der zwanziger Jahre,<br />

auch sogenanntes Briefmarkengeld<br />

herausgegeben, das als Kapselgeld unter<br />

den zahlreichen Arten von Briefmarken<br />

eine Sonderstellung einnahm. Im Gegensatz<br />

zu der oft primitiven und improvisierten<br />

Ausfiihrung anderer Ausgaben<br />

sieht das Kapselgeld nicht nach „Notgeld"<br />

aus, und in vielen Fallen sollte es auch weniger<br />

den Kleingeldmangel lindern, sondern<br />

als „Reklamegeld" findigen Werbeund<br />

Geschaftsleuten zu Geld verhelfen.<br />

Josef Westhoff liel3 bedruckte Zelluioldkapseln<br />

von 30 Millimetern herstellen, die<br />

Den Wertder Werbunghatte Josef Westhofffrtiherkannt. So veranstaltetenauchseineNachfolgerKampagnen.<br />

DasBildzeigt dieTeilnehmeran einem Staffellauf, den dieFirma Westhoff zu<br />

Beginn der 30er Jahre organisierte.<br />

Einige handschriftliche Gedichte von<br />

Josef Westhoff sind noch vorhanden. So<br />

eines vom 12. MSrz 1904: ..Mensch, willst<br />

du auf dieser Erden / glucklich und zufrieden<br />

werden / und vor Krankheit nicht<br />

erzittern: Dann trink .Westhoffs Magenbittem'!"<br />

Der dichtende Untemehmer<br />

fuhr, wie gesagt, kreuz und quer durchs<br />

Sauerland und verkaufte den Magenbitter.<br />

Dabei wurden viele edie Tropfen probiert,<br />

und Josef Westhoff durfte sich nie<br />

aus geschaftlichen Griinden verschlie-<br />

6en. Da er aber findig war, „schluckte" er<br />

nicht formlich, sondern lieS in einem unbeobachteten<br />

MomentOberschilssiges in<br />

einen hohlen Stock flieSen.<br />

Werbesprtichlein Westhoff'scher Art, in runde Kunststoffhullen gesteckt.<br />

Die „Kehrseite der Medaille": Inflationsgelu nm. unefmarken, von Sammlern begehrt.<br />

Wannt Froijohr wert<br />

Wann de Sap gait int Holt,<br />

wann de Biarke wert grain<br />

un de Planten schaitet<br />

in de Lucht,<br />

do wert mey wane enge<br />

int Hius -<br />

dann sin iek et sat -<br />

dann matt iek riut.<br />

Bo diusend Blaimkes<br />

blogget imme Grunne<br />

un lachet siek gial<br />

und bunt,<br />

do lachet se mey<br />

int Hiarte -<br />

do sin iek vergnaiget -<br />

do blogge iek aok.<br />

Wann de Sunne blenket<br />

un scheynet klor<br />

und frisk,<br />

do sin iek warme<br />

un lecht,<br />

ase wenn meyn Hiarte<br />

Sunnenried wor.<br />

Bo de Baukfink raipet,<br />

bo de Laiwerke flott<br />

un wellt mey wat Laiwet<br />

vertellen,<br />

do sin iek nit male,<br />

nit krank -<br />

de Viigelsang<br />

hiat mi kuraiert.<br />

Dietmar Rost<br />

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SAUERLAND<br />

25<br />

auf der einen Seite bestiickt waren mit<br />

Briefmarken und ruckseitig folgende<br />

Werbesprijche aufwiesen: „In keinem<br />

Haushalte fehle Westhoffs Magenbittern,<br />

Die beste Hausmedizin. Zu haben in<br />

Restaurants und Drogerien." Oder: „Der<br />

Edelbranntwein Scliepp-op. Uberall zu<br />

tiaben. Jos. Westiioff, Husten" und: „Erstklassig<br />

sind Westiioff's Edellikore." Das<br />

Westiioff'sche Kapselgeld wird heuteje<br />

Einzelexemplar mit 900 Mark unter<br />

Sammlern geiiandelt, Es war im heimischen<br />

Raum das einzige Geld dieser Art,<br />

das im Umlauf war.<br />

Durcti Kriegswirren und Inflation kam<br />

die Firma .Westhoff Magenbitter' in fi-<br />

Msmn<br />

VSloUftMtiUtta-<br />

•ft* S^|BU«&»»»1»8«i|[»W.<br />

nanzielle Sctiwierigkeiten. Die Werbung<br />

muBte eingestellt werden, und so geriet<br />

der hervorragende iVIagenbitter als Produkt<br />

mit der lindernden Wirkung etwas in<br />

Vergesseniieit Nie wurdejedocii die Produktion<br />

aufgegeben. Die streng geiieime<br />

Rezeptur ist von einem direkten Nactifahren<br />

von Josef Westiioff iViitte der 60er<br />

Jaiire an den inzwischen verstorbenen<br />

nu<br />

DD<br />

SiJdwesthangJage<br />

direkt am Wald.<br />

GrolBziJgige<br />

offene Bebauung<br />

mit GriJnzonengestaltung.<br />

Unverbaubarer<br />

Fernsicht ijber<br />

das Dorf.<br />

Freiherr von Fiirstenberg<br />

^D DDSDD<br />

Fabrikanten Josef Voss verSuBert worden.<br />

Die jetzigen Inhaber, Hartwig Voss<br />

und Bertram Brokelmann, sind die Garanten<br />

dafur, daS der ..Westiioffsclie"<br />

auch weiterhin als sauerlandische Spezialitat<br />

erhalten bleibt und hochsten Qualitatsanforderungen<br />

standhalt.<br />

Exclusive Bauplatze im IHochsauerland<br />

Komplette<br />

ErschlieBung<br />

durchgefijhrt.<br />

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moglich.<br />

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iZZl<br />

DP<br />

'^ ><br />

Der Magenbitter-Hersteller Josef Westhoff war auch ein frommer Mann. Hier ein Gedichtvon ihm<br />

daserumdieJahrhundertwendegeschriebenhat:„ImgrolienTempoderNaturfindestdudesgrollen<br />

Gottes Spur. Doch willst du Gott noch groBer sehen, dar)n bieibe unterm Kreuze stehen."<br />

Fotos und Repros: K. H. Keller<br />

Jetzt schon vormerkcn:<br />

Die Mitgliederversammlung des SHB findet am Samstag,<br />

dem 1. September 1990 in Warstein statt.<br />

IM SAUERLAND IN:<br />

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Sauerländer 26 <strong>Heimatbund</strong><br />

BUCHER • SCHRIFTTUM<br />

SAUERLAND<br />

Handirk 1989<br />

Grafschaft, Latrop, Schanze<br />

in Wort und Bild<br />

Die 7. Ausgabe der seit 1983 jahrlich<br />

herausgegebenen Heimatnachrichten fur<br />

die Orte Grafschaft, Latrop und Schanze<br />

unter dem Titel Handirk ist seit Anfang<br />

Dezember im Umlauf.<br />

Auf nunmehr 88 Seiten hat das siebenkepfige<br />

Redaktionsteam mit zwoif Einzelbericiiten<br />

wieder eine Ausgabe zusammengestellt,<br />

die sich naiitios in die bislierigen<br />

sechs Ausgaben einreiht. 45 Bilder<br />

und Abbildungen lockern den Handirk<br />

auch diesmal wieder in interessanter Art<br />

auf.<br />

Das ZSjahrige KirciiweilTjubiiaum der<br />

Pfarrkirciie St. Georg in Grafscliaft stellt<br />

den Hauptbericht der diesjahrigen Aus-<br />

HANDIRK<br />

m<br />

GRAFSCHAFT<br />

LATROP<br />

SCHANZE<br />

IN WORT UND BILD<br />

Ausgabe Nr. 6 (1989)<br />

gabe dar. in anscliauliclier Weise wird<br />

hierin sowolil die Gescliictite der beiden<br />

ersten „Leutekirchen" bis zuruck in die<br />

Grundungszeit des Klosters Grafscliaft<br />

im Jaiire 1072 nachvollzogen, als aucii<br />

erstmalig ausfiilirlich die Entsteiiung und<br />

der Bau der heutigen Pfarrkirciie wiedergegeben.<br />

Weitere Tliemen sind der eiiemalige<br />

Gesangverein Westfalia Latrop<br />

und der lieutige Gemisclite Chor Latrop<br />

sowie die Situation in Grafscliaft bei Ausbrucii<br />

des Zweiten Weltkrieges vor 50<br />

Jahren.<br />

Ein siclier niciit aiitagliclies Ereignis<br />

stellt die Aufkiarung eines Grafschafter<br />

VermiBtenschicksales nach 46 Jahren<br />

dar, das erst durch die Obergabe von weiteren<br />

Listen mit Namen verstorbener<br />

deutscher Kriegsgefangener beim Besuch<br />

von Generalsekretar Gorbatschow<br />

im Juni 1989 mOglich war. Die Aufarbeitung<br />

der Geschichte der Soldatengraber<br />

bei Schanze ruft das Schicksal der hier im<br />

April 1945 gefallenen deutschen Soldaten<br />

wieder in Erinnerung.<br />

Einen weiteren Schwerpunkt der diesjahrigen<br />

Ausgabe stellt der Bericht ,,100<br />

Jahre Aussichtsturm auf dem Wilzenberg"<br />

dar. DerTurmbau konnte in diesem<br />

Jahr endlich durch ErhQhung um insgesamt<br />

7 m vollendet werden. Dieser in seiner<br />

Art einzige Aussichtsturm im Land<br />

der „tausend Berge" wird sicher zukiinftig<br />

ein noch beliebteres Wander- und<br />

Ausflugsziel auf dem ..Heiligen Berg des<br />

Sauerlandes", dem Wilzenberg bei Grafschaft,<br />

werden. Das <strong>Heft</strong> enthalt welter<br />

einen Ruckblick auf die Amerika-Reise<br />

1988 des Tambourkorps Grafschaft, eine<br />

Erganzung zur Geschichte der wiedergefundenen<br />

ehemaligen Grafschafter Klosterglocken<br />

aus dem Jahre 1625 sowie<br />

Kurzberichte uber aktuelle Ereignisse in<br />

den drei Orten Grafschaft, Latrop und<br />

Schanze. Es foigen Einzelbeitrage aus<br />

dem Vereinsleben und einige DOnekes<br />

und Sinnspruche in plattdeutscher Sprache.<br />

Mit dem Bericht ..Inschriften im Bereich<br />

des Klosters Grafschaft" werden in<br />

anschaulicher Weise die lateinischen Inschriften<br />

in den alten Mauern des geschichtstrachtigen<br />

Klosters Grafschaft<br />

aufgefuhrt und ubersetzt; eine sicher<br />

willkommene Aufforderung, diese sinnvollen<br />

religiosen Inschriften bei einem Besuch<br />

des schonen, gepflegten Klostergelandes<br />

einmal selbst zu entdecken.<br />

Als kleines Geschenk fiir Verwandte,<br />

Freunde und Bekannte bietet sich die<br />

speziell fur den „Handirk" erstellte Sammelmappe<br />

(furje funf Ausgaben) an, die,<br />

wie auch noch alle bisherigen Ausgaben,<br />

uber die nachstehende Adresse bezogen<br />

werden konnen. Red.<br />

Handirk-Ausgabe 1989; herausgegeben von der St. Sebastlan-Schutzenbruderschaft<br />

1825 Grafschaft e. V.; zu beziehen<br />

uber: Hans Robert Schrewe. Grafschaft, Hauptstr. 20.<br />

5948 Schmallenberg (Tel.: 02972/1546).<br />

Verkaufspreis: 5,- DM; Sammelmappe 3,- DM.<br />

Umweltatlas der<br />

Stadt Schmallenberg<br />

Nicht nur fur die Mitglieder des Rates,<br />

sondern fur jeden Burger der Stadt, der<br />

sich seiner Umwelt verpflichtet weiB, ist<br />

seriose, von Verharmlosung und Obertreibung<br />

freie Sachinformation zum Umweltschutz<br />

erforderlich. Dies betonen<br />

Burgermeister Otto Schulte und Stadtdirektor<br />

Rudolf Topp in dem im Juli 1989<br />

herausgegebenen Umweltatlas der Stadt<br />

Schmallenberg, in dem eine Bestandsaufnahme<br />

und eine Bestandsanalyse der wesentlichen<br />

Umweltbereiche in der Stadt<br />

vorgenommenwird. Die 151 Seiten starke<br />

Broschure (Auflage 1000 Stuck) ist in die<br />

Kapitel Abfallwirtschaft, FlieRgewasser,<br />

Wald und Natur- und Landschaftsschutz<br />

gegliedert. Mehrfarbig gedruckte Karten<br />

verdeutlichen die Aussagen.<br />

So liegt eine auch jedem interessierten<br />

Burger verstandlich formulierte und umfangreiche<br />

Bestandsaufnahme vor, der<br />

man die baldige Umsetzung der auf gezeigten<br />

Losungsvorschlage im Umweltbereich<br />

wunscht - und Nachfolger in anderen<br />

Stadten und Gemeinden des Sauerlandes.<br />

PI-<br />

Westfalen im Vormarz<br />

1815 bis 1833<br />

Das hier anzuzeigende Buch ist zu etwa<br />

zwei Drittelneine Quellenpublikation. Sie<br />

enthalt 608 Zeugnisse aus Zeitungen und<br />

zeitgenossischen Akten, insbesondere<br />

den amtlichen Berichten der Regierungen,<br />

Landrate und Burgermeister (S. 157<br />

bis 495). Davor steht eine als „Einfuhrung"<br />

iiberschriebene Auswertung dieser<br />

Quellen (S. 11 bis 156). Sie zeichnet ein<br />

umfassendes Bild der wirtschaftlichen und<br />

allgemeinen politischen Verhaltnisse in<br />

Westfalen im Zeitalter der Restauration.<br />

Die Note und Sorgen der Bevolkerung, die<br />

Hungerjahre, die Armenfiirsorge und die<br />

verschiedenen Sparten der Erwerbstatigkeit,<br />

dabei die Ertragslage der Landwirtschaft,<br />

die Probleme des Gam- und Leinwandgewerbes<br />

und der Metallindustrie<br />

finden ausreichend Berucksichtigung.<br />

Ausfuhrlich wird die Haltung der Bevolkerung<br />

zum preuBischen Staat und den Zeitereignissen<br />

erortert, schlieElich die<br />

Stimmungslage in Westfalen in den zwanziger<br />

Jahren und die Reaktion der Bevolkerung<br />

auf die Julirevolution in Paris.<br />

Fur die Ortsgeschichtsschreibung ist<br />

das abschlieBende Personen- und Ortsregister<br />

hilfreich, zumal zu den Personen<br />

kurze biographische Angaben beigefiigt<br />

sind.<br />

Friedrich Keinemann: Westfalen im Zeitalter der Restauration<br />

und der Julireuolution 1815 bis 1833.<br />

Quellen zur Entwicklung der Wirtschaft, zur materiellen Lage<br />

der Bevolkerung und zum Erscheinungsbild der Volksstimmung.<br />

Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Westfalen<br />

XXII A; Geschichtliche Arbeiten zur westfalischen Landesforschung.<br />

Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Gruppe, Band 5.<br />

Munster: Asctiendorff 1987. 517 S., kart. 98,- DM.<br />

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SAUERLAND<br />

27<br />

Wintersport im Sauerland<br />

in friihercr Zeit<br />

Dem ruhrigen Verlag Walter Podszun<br />

in Brilon ist die Herausgabe eines Buches<br />

zu danken, auf das sicher viele Freunde<br />

des Wintersports gewartet haben. Dietmar<br />

Sauermann von der Volkskundlichen<br />

Kommission fur Westfalen weist in seinem<br />

Geleitwort zu Recht darauf bin, daB<br />

es sicb bei diesem Werk um eine erste<br />

grundlegende und systematische Darstellung<br />

der Geschicbte des Wintertourismus<br />

im Sauerland handele. Die Autorin Barbel<br />

Michels, seit langerer Zeit in Rehsiepen/<br />

Schmallenberg wohnhaft, hat mit viel<br />

HeiB - und offenbar auch mit viel Findergluck<br />

- umfangreiches Material zur Geschicbte<br />

des Wintersports im Sauerland<br />

zusammengetragen. Viele der uber 500<br />

zum Teil groEformatigen Abbildungen<br />

werden erstmals veroffentlicht.<br />

Vor ziemlich genau 100 Jahren tauchten<br />

die ersten Skilaufer im Astengebiet<br />

auf. Der Oberforster Hagemann aus Winterberg<br />

soil 1889 als ersterdie langen Holzer<br />

benutzt haben. Mit ihren mannshohen<br />

Stocken und den unformigen Brettern bewegten<br />

sich die Skilaufer so eigenartig,<br />

daE sie in der Bevolkerung zunachst ausgelacht<br />

wurden. Bald aber fanden sich<br />

Nachahmer, die schnell die Vorzuge der<br />

„Schneeschuhe" erkannten. Schoninden<br />

Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wurde<br />

der Wintersport zu einem wichtigen Teil<br />

des Fremdenverkehrs und damit zu einem<br />

bedeutsamen Wirtschaftsfaktor fur das<br />

obere Sauerland. Die Autorin zeichnet<br />

aber nicht nur die Entwicklung im touristischen<br />

Bereich nach, sondern bezieht auch<br />

das Skispringen, den Bob- und Rodelsport<br />

sowie die Tatigkeit des 1907 in Altastenberg<br />

gegrundeten Skiclubs Sauerland in<br />

die Darstellung ein. Der interessierte Laie<br />

wird besonders dankbar dafiir sein, daR<br />

auch ein sehr instruktiver Beitrag uber die<br />

Entwicklung des Skilaufs in den nordischen<br />

Landern und in Deutschland gebracht<br />

wird. Ihm folgt eine detaillierte Beschreibung<br />

der Entwicklung der Skiausriistung,<br />

angefangen von den Holzbrettern<br />

mit der norwegischen „Meerrohrbindung"<br />

bis bin zur modernen Herstellung<br />

von Skiern fiir den Massentourismus.<br />

Besonders vergnuglich liest sich der<br />

Abschnitt uber „Skikleidung im Wandel<br />

der Zeit". Im Wortlaut wird ein Bericht aus<br />

dem „K6lnischen Volksblatt" vom 31. Ja-<br />

Skilaufer des Fredeburger Turnuereins im Winter 1912/13<br />

nuar 1914 wiedergegeben, in dem es unter<br />

der Oberschrift „uber die schamlose<br />

Tracht der Sportweiber zu Winterberg"<br />

heiRt: „Ein wahrer Skandal in des Wortes<br />

ernstester Bedeutung ist das, was man in<br />

diesen Wintertagen zu Winterberg im<br />

Saueriand und in den benachbarten Orten<br />

Zu Beginn des 20. Jahrhur)derts gewann der<br />

Wintersport allmahlich die Herzen immer<br />

mehr Einheimischer. Das Foto zeigt drei Siedlinghauser<br />

Skifahrer auf der StraHe zwischen<br />

Siedlinghausen und Bodefeld in) Winter<br />

1906/07.<br />

^t '?^.<br />

zu sehen bekommt. Ich meine die Kleidung<br />

so vieler Frauenzimmer. Nicht bloB<br />

auf den Sportplatzen, sondern auch in den<br />

StraBen unserer Stadtchen und Dorfer<br />

sieht man diese modernen Sportweiber in<br />

Mannerkleidung rudelweise herumlaufen,<br />

zum Arger aller Erwachsener und zum Ar-<br />

Drei Marsberger Damen in Winterberg, um<br />

1935. Weil es damals unschicklich war, als<br />

Frau Hosen zu tragen, wurden in Marsbergzunachst<br />

Rocke uber die Hosen gezogen, die im<br />

Zug aber im Reisegepack verschwanden. Die<br />

Namen der Drei: Martha Boxberger, Annemarie<br />

Boxberger, Hertha Schmerheim.<br />

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28<br />

SAUERLAND<br />

gernis fiir unsere heranwachsende Jugend."<br />

Angesichts der letzten schneearmen<br />

Winter liest man mit etwas Wehmut, was<br />

die Autorin uber den Winteralltag unserer<br />

Eltern und GroReltern schreibt: Wie die<br />

Dorfbewohner nach tagelangen Schneesturmen<br />

ihre Hauser oft nicht verlassen<br />

konnten und Lebensmittel durch die<br />

Schornsteine zugereicht wurden; wie die<br />

Leute formlich Tunnels durch den Schnee<br />

bohren muEten, um aus ihren Hausern zu<br />

kommen, und wie Kinder mit ihren Rodelschlitten<br />

vom Strohdach herunterfuhren.<br />

Der Preis des Buches ist nicht niedrig.<br />

Angesichts der hervorragenden Ausstattung<br />

und des fundierten Inhalts wird das<br />

Werk trotzdem - und zu Recht - seine Leserinnen<br />

und Leser finden.<br />

Dr. Adalbert Mullmann<br />

Barbel Michels: Wintersport im Sauerland in fruherer Zeit.<br />

Brilon: Verlag Waller Podszun. 1989. 344 Seiten, GroRformat,<br />

mehr als 500 Abbildungen. 88- DM.<br />

Landleben auf<br />

Schulwandbildem<br />

Eine neue Reihe von Bildbanden zur<br />

westfalischen Volkskunde gibt das Westfalische<br />

Freilichtmuseum Detmold in Zusammenarbeit<br />

mit dem Landwirtschaftsverlag<br />

Munster-Hiltrup heraus. Von alten<br />

Landfahrzeugen bis zu Schulwandbildem,<br />

von typischen westfalischen Mobeln bis<br />

zur uberlieferten Obstkultur auf dem<br />

Lande stellen die Bucher dieser Reihe viele<br />

volkskundliche Einzelthemen vor.<br />

Mit einer knappen fachlichen Einfuhrung<br />

versehen werden historische Fotografien<br />

neben den zahlreichen originaien<br />

Objekten des Freilichtmuseums abgebildet.<br />

Die Bande widmen sich dabei insbesondere<br />

der Darstellung von regionalen<br />

Unterschieden im landlichen Kulturgut.<br />

Als erster Titel der Reihe erschien<br />

„Landleben auf Schulwandbildem".<br />

GroEe Schulwandbilder wurden seit<br />

mehr als 100 Jahren als Anschauungsmittel<br />

im Unterricht verwendet. Sie haben<br />

mit ihren bunten, attraktiven und eingangigen<br />

Darstellungen die Vorstellungswelten<br />

vieler Schiilergenerationen gepragt.<br />

Mehr als 120 solcher Abbildungen in diesem<br />

Bildband widmen sich der Lebensund<br />

Arbeitswelt der Menschen auf dem<br />

Land in fruherer Zeit. Viele der alten<br />

Wandbilder stammen aus westfalischen<br />

Landschulen und wurden vom Westfalischen<br />

Freilichtmuseum Detmold gesammelt.<br />

Ein ganz bestimmtes „Bild vom Landleben"<br />

wird durch die Wandtafeln vermittelt.<br />

Es ist oft von der geschichtlichen Realitat<br />

weit entfernt. So fehlen etwa oft die<br />

landwirtschaftlichen Maschinen auf den<br />

allermeisten Schulwandbildem, obwohl<br />

es sie bereits friih gab. Das Leben auf dem<br />

Lande wird auf den Bildem mehr oder weniger<br />

als eine Idylle dargestellt, die allseits<br />

einen harmonischen Eindruck erwecken<br />

soil. Man muB schon genau hinsehen, um<br />

viele in Wirklichkeit schwere landwirtschaftliche<br />

Arbeiten wie Rubenziehen<br />

oder Kartoffellesen zu entdecken.<br />

Der Band enthalt zahlreiche schone<br />

Farbabbildungen, mit deren Hilfe man<br />

nachvollziehen kann, daB die Schulkinder<br />

im Unterricht Phantasie und positive Gefijhle<br />

gegenuber ihrer Heimat entwickeln<br />

sollten und konnten. Red.<br />

Kurt Droge: Landleben auf Schulwandbildem. Westfalische<br />

Volkskunde in Bildem, 1. Band. Munster-Hiltrup: LandwirtschaftsverlagGmbH.<br />

1988. 166 Seiten, zahlreiche z.T. farbige<br />

Abbildungen. 32,-DM.<br />

Kloster Oelinghausen und<br />

die historischen Orgeln<br />

Das Kloster der Pramonstratenserinnen<br />

zu Oelinghausen, im Jahre 1174 von<br />

einem sonst in der Heimatgeschichte<br />

nicht naher bekannten Kolner Ministerialen<br />

Sigenand von Batthusen und seiner<br />

Gattin Hathewigis gestiftet, darf als eines<br />

der bedeutendsten, reichsten und vornehmsten<br />

Frauenkloster in der westfalischen<br />

Landschaft bezeichnet werden. Fiigen<br />

wir, um vollstandig zu sein, gleich hinzu,<br />

daR es zunachst ein Doppelkloster fur<br />

Manner und Frauen war, bis es seit etwa<br />

1180 aufgrund eines Beschlusses des Generalkapitels<br />

des Ordens in ein Frauenkloster<br />

umgewandelt wurde. Die Griindungszeit<br />

f allt in das Jahrhundert, in dem die von<br />

den Orden der Zisterzienser und Pramonstratenser<br />

maBgeblich getragene kirchliche<br />

Reformbewegung im Kampf gegen<br />

eine um sich greifende Verweltlichung das<br />

uberkommene christliche Welt- und Gottesbild<br />

wieder erneuem und es den Menschen<br />

gelautert vermitteln wollte.<br />

Die Geschichte des Klosters umfaBt einen<br />

Zeitraum von acht Jahrhunderten,<br />

wenn wir von dem Einschnitt und dem da-<br />

mit verbundenen Substanzverlust, den die<br />

Sakularisation im Jahre 1804 der Klostertradition<br />

zugefiigt hat, einmal absehen,<br />

Seine Bauten und die Kunstwerke im Innern<br />

der Kirche, die bei Kennern als Kleinode<br />

sakraler Kunst im sauerlandischen<br />

Raum gelten, umfassen einen Zeitraum,<br />

der sich von der Romanik bis zum Rokoko<br />

erstreckt.<br />

Nunmehr haben Harald Polenz und<br />

Willfried Michel mit Unterstutzung des<br />

Freundeskreises Oelinghausen in einem<br />

durch Darstellung und Bildausstattung<br />

gleichermaBen hochst eindrucksvollen<br />

Buch in gut ausgewahlten Teilbereichen<br />

die Geschicke des Klosters von der Grundung<br />

uber die Sakularisation und daruber<br />

hinaus aufgezeigt. Einen Querschnitt<br />

durch nahezu acht Jahrhunderte bewegter<br />

Klostergeschichte, in denen sich auch<br />

ein groBer Teil der sauerlandischen Heimatgeschichte<br />

mit Ausblicken in andere,<br />

groBere landesgeschichtliche Dimensionen<br />

oder Zusammenhange widerspiegelt,<br />

lassen die Verfasser vor dem Leser erstehen.<br />

Mit viel Liebe zum Detail berichten<br />

sie uber die Beziehungen des Klosters und<br />

seiner Insassen zu den damaligen Landes-<br />

herren, den Graf en von Arnsberg und den<br />

Erzbischofen von Koln, uber die Kunstwerke<br />

im Kloster und nicht zuletzt (iber das<br />

mittelalterliche Glaubens- und Ordensleben<br />

in seinen Hohen und Tiefen. - Eingehende<br />

Abhandlungen sind den Beziehungen<br />

des Klosters zu der Familie von Furstenberg,<br />

die sich Oelinghausen stets sehr<br />

verbunden gefijhlt hat, und hier wiederum<br />

dem Wirken der Abtissin Ottilia von Furstenberg<br />

gewidmet, die den Konvent von<br />

1585 bis 1621 geleitet hat. Sie war eine<br />

Schwester des 1613 zum Landdrosten im<br />

Herzogtum Westfalen beruf enen Caspars<br />

von Furstenberg, der sich zur Zeit der<br />

Truchsessischen Wirren nachdriicklich<br />

fur die Aufrechterhaltung des katholi-<br />

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SAUERLAND<br />

29<br />

schen Bekenntnisses im kurkolnischen<br />

Sauerland eingesetzt hatte, und wird in<br />

den mittelalterlichen Quellen als recht tatkraftig<br />

sowie als eine „Frau von mannlichem<br />

Wesen" geschildert. Das Geschehen<br />

in den kriegerisciien, stiirmischen<br />

Zeiten, die durch den Wechsel des Kolner<br />

Erzbischofs und Kurfiirsten Gebhard<br />

TruchseR von Waldburg zum kalvinistischen<br />

Bekenntnis (1582/83) uber die<br />

hiesigen Lande und namentlich deren Kloster<br />

hereingebrochen waren, klingt hier<br />

vernehmlich an. - Ein zeitgenossisches<br />

Olbild der Abtissin Ottilia von Furstenberg,<br />

die sich um das Kloster und dessen<br />

Vermogensverhaltnisse in der damaligen<br />

Zeit ansehnliche Verdienste erworbcn<br />

hat, befindet sich ubrigens heute noch in<br />

der Klausur des erhaltenen Klosterflugels.<br />

Ein ausfuhrlicher gestaltetes Kapitei<br />

des Buches ist den „Annotationen" dieser<br />

Abtissin gewidmet. Es sind dies die Aufzeichnungen<br />

der Ottilia von Furstenberg<br />

(insgesamt 27 Seiten im Folioformat), die<br />

lange Zeit als „verschollene Tagebiicher"<br />

galten. Sie enthalten Nachrichten uber<br />

BaumaRnahmen, Anschaffungen fur die<br />

Ausstattung der Kirche, Ernteertrage,<br />

Freibeutereinfalle in der Truchsessischen<br />

Zeit und in den folgenden Jahren sowie<br />

ausfiihrliche Inventarlisten. Der Originalitat<br />

halber im Wortlaut abgedruckt, veranschaulichen<br />

sie in einpragsamer Weise<br />

das Leben in einem adligen Frauenkloster<br />

und vermitteln daruber hinaus recht aufschiul^reiche<br />

Eindrucke von der damaligen<br />

klosterlichen Ordnung, vom allgemeinen<br />

Zeitgeschehen, aber auch der Kuiturund<br />

Wirtschaftswelt im ausgehenden Mittelalter<br />

und in der beginnenden Neuzeit.<br />

Verschiedene Kunstwerke von Rang<br />

und Namen, so unter anderem ein romanischer<br />

Kruzifixus aus der zweiten Halfte<br />

des 12. Jahrhunderts und mehrere spatgotische<br />

Apostelfiguren, sind durch Beitrage<br />

von Dr. Johannes Hohmann mit einfuhlsam<br />

gewahlten Worten und in gekonnter<br />

Skizzierung ihrer kiinstlerischen<br />

und religiosen Bedeutung feinsinnig gewiirdigt.<br />

Fassen wir insoweit zusammen: Entstehung<br />

des Klosters, sein Werden und<br />

Wachsen, Religion und kulturelle Leistung,<br />

wirtschaftlicher Reichtum, Aufstieg<br />

und Niedergang des Ordenslebens,<br />

Umwandlung in ein freiadliges weltliches<br />

Damenstift in den Jahren 1617 /18 nebst<br />

dem sich daraus ergebenden Konf likt zwischen<br />

dem Pramonstratenserorden und<br />

dem nunmehrigen Damenstift („Handstreich"<br />

des Abtes Gottfried Reichmann<br />

vonWedinghausenam24. Oktober 1641<br />

und Ruckgewinnung Oelinghausens als<br />

Kloster fur den Pramonstratenserorden)<br />

sowie die bedeutsamen, wertvollen Kunstwerke<br />

im Kloster sind in der Darstellung<br />

gut herausgearbeitet; sie konnen als die<br />

das Buch pragenden Themen genannt<br />

werden. Eine flussige Textgestaltung, die<br />

beziehungslose Wiedergaben von Fakten<br />

und Zahlen vermeidet, sowie sorgfaltig<br />

ausgewahltes Bildmaterial verdienen anerkennende<br />

Hervorhebung.<br />

Ein weiterer Teil befaBt sich mit den<br />

Orgeln der Klosterkirche zu Oelinghausen.<br />

Eine ganzseitige Abbildung der historischen<br />

Orgel der Kirche leitet in diesen<br />

Abschnitt uber, der interessante Einzelheiten<br />

uber die verschiedenen Orgeln des<br />

Klosters im Laufe der Jahrhunderte enthalt.<br />

In erster Linie ist allerdings hier wohl<br />

wegen der zahlreichen fachbezogenen<br />

Ausf uhrungen (Analysen ihrer Haupt- und<br />

Brustwerke, Register und deren Klangfulle<br />

u.a.m.) der Kenner des Orgelbaus angesprochen.<br />

Das Buch klingt aus mit einer Beschreibung<br />

der Anlage und Bepflanzung, kurzum<br />

der Flora des ehemaligen Klostergartens.<br />

Wir durf en diese Seiten als ein kulturhistorisches<br />

Zeugnis einer alten klosterlichen<br />

Gartenkultur mit vielen heute seltener<br />

gewordenen Heil- und Gewurzpflanzen<br />

ansprechen, die im Volksglauben des<br />

Sauerlandes fur Hausrezepte sowie auch<br />

zur Krauterweihe am Fest Mariae Himmelfahrt<br />

und Palmenweihe vor Ostern seit<br />

alters her eine bedeutende Rolle gespielt<br />

haben.<br />

Alles in allem: ein heimatgeschichtlich<br />

wertvollesBuch, dasumfassende, tiefgreifende<br />

Forschungen und eine sorgfaltige<br />

Auswertung archivalischer Materialien,<br />

hohe Sachkunde und eine eingehende<br />

Hinwendung zu den behandelten Themen<br />

erkennen laEt. Heimatfreunde sowie<br />

uberhaupt eine geschichtlich interessierte<br />

Leserschaft werden das Buch als eine willkommene<br />

Bereicherung begruRen.<br />

Heinz Pardun<br />

Haral Polenz / Willfried Michel:<br />

Kloster Oelinghausen und die historischen Orgeln 1174 bis<br />

1804. Mit Fotografien von Uli Brockfeld.<br />

208Seiten, Efalin-EinbandmitSchutzumschlag, Fadenheftung.<br />

Iserlohn. Hans-Herbert Monnig Verlag. (1989) DM 42,-.<br />

Heimatkalender des<br />

Kreises Soest 1990<br />

Der diesjahrige Heimatkalender hat<br />

seinen Schwerpunkt in einem Wirtschaftszweig,<br />

von dem man nie gedacht<br />

hatte, daE er auch im Kreis Soest in<br />

Schwierigkeiten geraten konnte - der<br />

Landwirtschaft. Unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />

werden Lage und Entwicklung<br />

von Land- und Forstwirtschaft aufgezeigt.<br />

Das Vergangene, das Bestehende,<br />

auch das sich Verandernde wird in zahlreichen<br />

Beitragen geschildert und erhellt.<br />

Das Kalendarium wird von Beschreibungen<br />

und Abbildungen von Bildstocken,<br />

Wegekreuzen und Heiligenhauschen<br />

im Kreis Soest begleitet. Auch einige<br />

Beitrage und weitere Fotos sind diesem<br />

Thema gewidmet. Welche Vielfalt! PI.<br />

...LIEBER<br />

„GANZ ALTER<br />

SCHNEIDER"<br />

H.&F.SCHNEIDER KORNBRENNEREI<br />

NUTTLAR-HOCHSAUERLAND<br />

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SAUERLAND<br />

750 Jahre Amsberg<br />

Der Arnsberger <strong>Heimatbund</strong> hat zum<br />

750jahrigen Stadtjubilaum Arnsbergs<br />

erne schwergewichtige, reprasentativ aufgemachte<br />

Stadtgeschichte vorgelegt. Sie<br />

umfaBt etwa 40 groBere Einzelbeitrage<br />

unterschiedlicher Qualitat, vom wissenschaftlich<br />

fundierten Aufsatz bis zur<br />

Sammlung Arnsberger Sagen und Donekes.<br />

Die erzahlende Geschichtsschreibung<br />

ist seit den achtziger Jahren stetig auf dem<br />

Vormarsch und hat in Oberblicksdarstellungen<br />

zur deutschen Geschichte groBe<br />

Publikumserfolge erzielt. Diese Tendenz<br />

(gute Lesbarkeit bei wissenschaftlicher<br />

Fundierung) muRte eigentlich bei den<br />

„modernen" heimatgeschichtlichen Darstellungen,<br />

die sich an ein nicht spezialisiertes<br />

breites Lesepublikum wenden, voll<br />

durchschlagen, indem die lokale Geschichte<br />

unter Einbeziehung neuer Forschungsergebnisse<br />

in den groEen politischen,<br />

wirtschaftlichen, soziaien und kulturellen<br />

Entwicklungsgang eingebettet<br />

wird. Eine Stadt wie Amsberg bote sich<br />

mit den mehrfachen Verwaltungsfunktionen,<br />

die sie seit Jahrhunderten ausijbt,<br />

und in ihrer soziaien und konfessionellen<br />

Vielschichtigkeit fiir eine solche Darstellungsweise<br />

geradezu an - besser als jede<br />

andere Stadt im Sauerland.<br />

An dem hier anzuzeigenden Band, der<br />

sich selbst als „Lesebuch" versteht, werden<br />

die Probleme traditioneller heimatgeschichtlicher<br />

Darstellung, wie sie sich<br />

auch fiir andere in Arbeit befindliche sauerlandische<br />

Stadtgeschichten stellen, so<br />

recht anschaulich (bezeichnenderweise ist<br />

das Paradebeispiel erzahlender Geschichtsschreibung,<br />

Thomas Nipperdeys<br />

Deutsche Geschichte 1800-1866<br />

[1983], in keiner Anmerkung erwahnt).<br />

Nur in wenigen Beitragen, beispielhaft in<br />

Harm Kluetings groEem Aufsatz uber<br />

Amsberg als Hauptstadt und Wechselresidenz<br />

in der Zeit der Kolner Kurfilrsten<br />

1371-1802, ist es gelungen, die<br />

Stadtgeschichte nicht isoliert, sondern im<br />

groEeren historischen Kontext, vor allem<br />

der westfalischen Landesgeschichte zu<br />

betrachten, Entwicklungslinien nachzuzeichnen<br />

und komplizierte Sachverhalte<br />

eher beilauf ig zu erlautern,. Manfred Schones<br />

Beitrag etwa uber Amsberg unter<br />

hessen-darmstadtischerHerrschafthatte<br />

die Reformpolitik in den Rheinbund-<br />

staaten, die zum bevorzugten Forschungsfeld<br />

der letzten fiinf zehn Jahre geworden<br />

ist und eine vollige Neubewertung erfahrenhat,<br />

starker akzentuieren konnen. Der<br />

wissenschaftliche Gehalt vieler Beitrage<br />

verliert sich, da Belege oder Literaturhinweise<br />

fehlen, wie in den bereits 1965 verfaRten<br />

Beitragen Fritz Schumachers uber<br />

Amsberg im Vormarz, in der Weimarer<br />

Republik und im „Dritten Reich"; sie hat-<br />

ten unter Berucksichtigung der neueren<br />

zeitgeschichtlichen Forschung uberhaupt<br />

neu geschrieben werden miissen. Die im<br />

Kulturkampf auf einanderstoRenden Interessen<br />

von Staat und Kirche batten gerade<br />

am Beispiel Arnsbergs mit seinem evangelischen<br />

Regierungsprasidenten bei<br />

uberwiegend katholischer Bevolkerung,<br />

aber evangelischem Bildungsburgertum,<br />

zu einer interessanten Fallstudie verdichtet<br />

werden konnen.<br />

Besonders gelungen ist Hermann Herbolds<br />

Beitrag Ciber Arnsbergs Burgerschaft<br />

im Wandel der Zeit, der die konservative<br />

Arnsberger „Beamtencolonie"<br />

als die lange Zeit tragende Schicht der<br />

BiJrgerschaft und damit Arnsbergs Sonderstellung<br />

unter den sauerlandischen<br />

Stadtenherausarbeitet. Diestandige Fluktuation<br />

in der (evangelischen) Beamtenschaft<br />

hat Amsberg vor der geistigen Erstarrung<br />

bewahrt, die in anderen Stadten<br />

des Sauerlandes nachwirkt. Der wohl<br />

wertvollste Beitrag ist der im Anhang abgedruckte<br />

Vortrag Wilhelm Kohls von<br />

1988 iiber Die mittelalterliche Stadt<br />

Amsberg unter besonderer Berucksichtigung<br />

ihrer GrOndungsgeschichte.<br />

Kohl unterzieht die angebliche Stadtrechtsurkunde<br />

von 1238 einer quellenkri-<br />

tischen Priifung und klassifiziert sie als<br />

sog. Erinnerungsurkunde, die ein mindestens<br />

drei Jahrzehnte hoheres Alter der<br />

Stadt nahclegt.<br />

Nach Karl Feaux de Lacroix' Gesch ichte<br />

Arnsbergs von 1895 bietet der Band<br />

ein wichtiges Zwischenergebnis der Forschungen<br />

zur Arnsberger Geschichte, zumal<br />

die Beitrage durch ein Register gut erschlossen<br />

sind. Der Band hatte noch an<br />

Wert gewonnen, wenn ihm eine Auswahlbibliographie<br />

beigegeben worden ware.<br />

Kolumnentitel wurden ihn leichter benutzbar<br />

machen. Der Wunsch, eine den neuesten<br />

Forschungsstand ref lektierende Geschichte<br />

Arnsbergs aus einem GuB zu besitzen,<br />

ist mit diesem Werk noch nicht erfullt.<br />

Dr. Matthias Pape<br />

750 Jahre Amsberg. Zur Geschichte der Stadt und ihrer Burger.<br />

Hg. V, Arnsberger <strong>Heimatbund</strong> e. V. (Redatition: M. Gosmann<br />

u.a.). Amsberg: Strobel 1989. (674 S.) ISBN 3-87793-025-5.<br />

78,- DM<br />

Suttroper Lesebuch<br />

Die Beschaftigung mit vergangener<br />

Wirklichkeit ist fiir alle Menschen interessant,<br />

fur viele fesselnd; manche suchen<br />

auch einen Gegenpol zu den heutigen, allzu<br />

oft als hektisch empfundenen Lebensumstanden.<br />

In jedem Fall ist der Umgang<br />

mit Gewesenem lohnenswert: Lassen sich<br />

doch nur so manche gegenwartigen Verhaltnisse<br />

erklaren, viele Fragen beantworten.<br />

Das „Suttroper Lesebuch", von den<br />

Lehrerinnen und Lehrern der Grundschule<br />

Suttrop (Stadt Warstein) herausgegeben,<br />

ist entstanden aus der Grundidee,<br />

Kindern heutige und friihere Suttroper<br />

Lebenswirklichkeit nahezubringen. Dabei<br />

sollten zwei Dinge erreicht werden: Erstens<br />

etwas uber Vergangenes zu lernen<br />

und zweitens, selbstandig zu forschen und<br />

die Ergebnisse in Wort und Bild festzuhalten.<br />

Dadurch entstanden eigene Sachhefte,<br />

die auch fur Erwachsene interessant<br />

waren und zur Weiterarbeit anregten. Im<br />

Laufe der Zeit wurde dann das gesammelte<br />

Material so umfangreich, daB mit anderen<br />

Texten zusammen ein iiber 300 Seiten<br />

umfassendes Buch herausgekommen<br />

ist.<br />

Das „Suttroper Lesebuch" will keine<br />

Heimatchronik sein; und man mochte sagen,<br />

gerade deswegen behalf es seinen<br />

Reiz, es ofters in die Hand zu nehmen und<br />

Bilder und Texte auf sich wirken zu lassen.<br />

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SAUERLAND<br />

31<br />

Und dieses ist sicher nicht nur fiir Suttroper<br />

von Interesse, weil man in manchem<br />

die Lebenswirklichkeit anderer Sauerlander<br />

Orte wiederfindet.<br />

Das Buch ist in vier groBe Teile eingeteilt:<br />

In einem erst en Teil bescinreibt es die<br />

bauerliche Welt, in einem zweiten die industrielle.<br />

Suttrop kann auf eine lange<br />

Tradition der Kohlerei, des Eisenhiittenwesens<br />

und des Kaiksteinabbaus zuruckblicken<br />

- aucin darin ist es manch anderen<br />

Saueriander Ortschaften ahnlich. Die<br />

Vieifaltigkeit regionaler Industriegeschichte<br />

wird anschaulich dargestellt, aus<br />

dem Allgemeinen wird das Spezielie fur<br />

dieses Dorf hergeleitet. Ein drittes Kapitel<br />

beschaftigt sich mit dem Krankenhaus fiir<br />

Psychiatrie, welcfies am Rande Suttrops<br />

liegt, und dessen Menschen standig in das<br />

Dorfleben eingescfilossen werden. JVIan<br />

spurt, wie ernst es flier Burgerinnen und<br />

Burger mit cfiristlicher Nacfistenliebe und<br />

aufgeschlossener Nachbarschaft nehmen,<br />

wie gewinnbringend fur weiteres Leben<br />

die selbstverstandlicfien Erfafirungen<br />

sind, die gerade Kinder mit den Krankenhausbewohnern<br />

machen konnen. Zu<br />

Recfit wird diesem Teil im Buch ein breiter<br />

Raum gelassen. Texte und Bilder anzuschauen<br />

lohnt sich besonders fiir Nicht-<br />

Suttroper.<br />

In einem vierten Abschnitt wird „ Leben<br />

in Suttrop" beschrieben, die Schule, das<br />

Kirchengeschehen und das Vereinsleben.<br />

Besonders interessant ist der Absatz iiber<br />

die Siedlung schlesischer Familien, die<br />

nach dem Krieg aus ihrer angestammten<br />

Heimat vertrieben wurden. Hier erfahrt<br />

man ein StiJck Weltgeschichte, deren Ereignisse<br />

auf Ortsgeschichte direkt ausstrahlen.<br />

Textquellen und Literatur sowie ein<br />

Dank an die Forderer, ohne die das Buch<br />

so nicht moglich gewesen ware, schlieBen<br />

das Buch ab. Neben den durchweg interessanten<br />

Texten - Erklarungen, zum<br />

Nachdenken anregende Geschichten sowie<br />

Anekdotisches - bietet es viele anschauenswerte<br />

Bilder und Fotos; sie vermitteln<br />

so manches und liefern einen besonderenReiz:<br />

Das „SuttroperLesebuch"<br />

entpuppt sich nicht nur als ein Lese-Buch,<br />

sondern auch als Bilder-Buch, fur Kinder<br />

und Erwachsene. Elmar Sulk<br />

Suttroper Lesebuch, fiir Kinder und Erwachsene. Suttrop und<br />

die Westfalisctien Kliniken. Hrsg.: Lehrerinnen und Letirer der<br />

Grundschule Suttrop. Redaktion: Berntiard Mues. 1989. 342 S.<br />

24-DM.<br />

Geseke -<br />

eine Stadt wird vorgestellt<br />

Erstmalig hat die Stadt Geseke zusammen<br />

mit dem Verein fur Heimatkunde Geseke<br />

e.V. einen Stadtfuhrer herausgebracht,<br />

der die historischen Sehenswurdigkeiten<br />

und die Stadtgeschichte vorstellt.<br />

Stadtarchivarin Monika Ortmanns<br />

zeichnete die Chronik der Stadt Geseke,<br />

die viele Jahrhunderte zum kolnischen<br />

Kirchenstaat gehorte, auf; Dr. Hermann<br />

Hinteler berichtet iiber die Kirchen, KIoster<br />

und Kapellen, Steinwerke und Fachwerkhauser,<br />

Adelssitze und Burgen, uralte<br />

Linden, Heiligenhauschen und Schnadsteine.<br />

Die mit schwarz-weiBen und farbigen<br />

Fotos versehene Schrift enthalt am<br />

Ende einen Stadtplan. Insgesamt liegt<br />

eine Broschure vor, die dem Interessierten<br />

ein guter Begleiter durch die Ge-<br />

schichte der Stadt und zu ihren Sehenswurdigkeiten<br />

ist. (1987. 42 S.) Red.<br />

Ecclesia Warsteinensis<br />

750 Jahre Kirche in Warstein<br />

12 3 7 wird erstmals eine Kirche zu Warstein<br />

erwahnt, Grund genug, das 750jahrige<br />

Jubilaum auch mit einer Schrift zu<br />

feiern.<br />

Das vorliegende Werk fuEt auf einer<br />

Staatsarbeit fur das hohere Lehramt an<br />

Schulen im Fachbereich Katholische<br />

Theologie, die der Schriftleiter Dietmar<br />

Lange erstellte. Um den ortlich bezogenen<br />

Rahmen des Baches weiterzustecken,<br />

wurden verschiedene Beitrage anderer<br />

Autoren hinzugezogen. Dazu gehoren<br />

u. a. Drobner: Pankratius-Leben, Legende,<br />

Verehrung; Gelhard: St. Petrus-Werden<br />

und Wachsen einer jungen Gemeinde;<br />

Fricke: Die evangelische Gemeinde in<br />

Warstein - ein Blick in die Geschichte;<br />

Troster: Die Warsteiner Hospitalbruderschaft<br />

und ihr Krankenhaus „Maria-Hilf".<br />

Ein eigenes Kapitel widmet Lange der Geschichte<br />

der Juden in Warstein. Hier<br />

schlieBt er eine Lucke, die langst hatte<br />

„bearbeitet" werden mussen.<br />

Bei der Darstellung der Geschichte der<br />

Pfarrei St. Pankratius (vor allem fur die<br />

Zeit von 600 bis 1300) versucht Lange,<br />

die sich aus der unzureichenden Quellenlage<br />

ergebenden Probleme durch einen<br />

strukturgeschichtlichen Ansatz zu losen.<br />

Das heiEt, er versucht die Entstehungsgeschichte<br />

der Pfarrei Warstein durch Analogiesetzung<br />

mit bekannten Entwicklungen<br />

groBerer politischer und kirchlicher<br />

Institutionen zu rekonstruieren. Das setzt<br />

beim Leser „Anteilnahme" voraus. Bei<br />

der professionellen Art des Herangehens<br />

an den „Stoff" weiB der Autor um die Erleichterung<br />

des Verstandnisses durch Bilder<br />

und Dokumente. Der Charakter eines<br />

„Nachschlagewerkes" wird von Anfang<br />

bis zum Ende durchgehalten. Das geschieht<br />

nicht zuletzt durch Stichworte am<br />

Seitenrand. Das AuBere des Baches ist ansprechend.<br />

Der Leser muB nicht unbedingt<br />

kapitelweise nacheinander lesen, er<br />

kann auch mal darin nur schmokern.<br />

Fritz Bamberg<br />

Ecclesia Warsteinensis. 750 Jatire Kirctie in Warstein. Im Auftrag<br />

der Pfarrei St. Pankratius hrsg. von Dietmar Lange. Warstein<br />

1987. 212 S., 28,50,- DIVI.<br />

Herzhafter Grufi aus<br />

dem Hochsauerland<br />

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32<br />

SAUERLAND<br />

PERSONALIEN<br />

Der Vorsitzende des Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>es,<br />

Oberkreisdirektor a. D. Dr.<br />

Adalbert Miillmann, erhielt von Papst<br />

Johannes Paul II. den Silvesterorden verliehen.<br />

Erzbischof Dr. Johannes Joachim<br />

Degenhardt uberreichte die Urkunde<br />

und die Insignie des papstlichen Ordens<br />

bei der letzten Sitzung des Kirchensteuerrates<br />

im Erzbistum Paderbom, dem<br />

Dr. Mullmann seit 1970 angehort.<br />

*<br />

Regierungsprasident Richard Griinschlager,<br />

der noch vor kurzem seinen<br />

60. Geburtstag feiern konnte, trat, wie es<br />

allgemein hieE, aus gesundheitlichen<br />

Grunden vorzeitig in den Ruhestand. Die<br />

Landesregierung ernannte Frau Dr. Raghilt<br />

Berve zu seiner Nachfolgerin. Sie<br />

trat am 19. Februar ihr Amt an. Sie ist die<br />

erste Regierungsprasidentin in Nordrhein-Westfalen.<br />

Oberkreisdirektor Rolf<br />

Marling, Soest, sagte als dienstaltester<br />

Oberkreisdirektor des Regierungsbezirks<br />

dazu: „Die Sonne geht unter - wenden wir<br />

uns der Morgenrote zu!"<br />

*<br />

70 Jahre alt wurde am 12. Januar<br />

Oberschulrat a.D. Franz Clemens<br />

Feldmann aus Neheim. Obwohl er erst<br />

vor wenigen Jahren in seine Heimatstadt<br />

zuriickkehrte, hatersichvielerlei Verdienste<br />

erworben. Als Vorsitzender des <strong>Heimatbund</strong>es<br />

Neheim-Hiisten hat er den<br />

Heimatgedanken neu belebt und bedeutende<br />

Akzente gesetzt.<br />

Zahlreiche Ausstellungen und Schriften,<br />

z.B. ,,625 Jahre Neheim und Hilsten",<br />

beiegen den Einsatz des Jubilars fur<br />

die gute Sache. In seiner Funktion als<br />

Ortsheimatpfleger gab Feldmann vielfaltige<br />

Anregungen zur Neugestaltung der<br />

Stadt. Der Erhalt wichtiger Kulturguter<br />

und historischer Bauten lag ihm am Herzen.<br />

Der <strong>Heimatbund</strong> ernannte ihn zum<br />

Ehrenvorsitzenden, und die Stadt Arnsberg<br />

verlieh ihm den Ehrenring.<br />

*<br />

Sparkassendirektor Herbert Kleinsorge,<br />

Finnentrop, feierteam 16. Januar<br />

die Vollendung seines 60. Lebensjahres.<br />

Seit 26 Jahren Vorstand der Sparkasse<br />

Finnentrop, sitzt Herbert Kleinsorge seit<br />

1975 auch im Olper Kreistag. Ihm ist es zu<br />

verdanken, daB sich die Sparkassen-<br />

Zweigstellen in der Gemeinde Finnentrop<br />

bewu/^t dem Baustil der Sauerlander Dorfer<br />

anpassen; wie Gemeindedirektor HeE<br />

formulierte: „Ein Beitrag zur Dorferneue-<br />

rung". Viele andere Aktivitaten (und Finanzierungen)<br />

im Kindergartenbereich,<br />

in der Kulturpflege und der ortlichen<br />

Heimarbeit gehen auf Herbert Kleinsorge<br />

zuruck. Zum Geburtstag erbat er sich statt<br />

personlicher Geschenke eine Spende fur<br />

die Renovierung der Kapellenfenster in<br />

Weringhausen.<br />

*<br />

Ein „Freund der Heimat" (Westfalenpost),<br />

Abteiiungsdirektor a.D. Heinz<br />

Pardun, wurde am 17. Februar 70 Jahre<br />

alt. Erster Vorsitzender Dr. Adalbert Mullmann<br />

gratulierte ihm mit vieien ehemaligen<br />

Kollegen und zahlreichen Heimatfreunden<br />

personlich.<br />

Der Arnsberger Heinz Pardun machte<br />

Abitur am Gymnasium Laurentianum,<br />

studierte Jura und wandte sich der Staatsverwaltung<br />

zu. Er tat Dienst bei den Regierungsprasidenten<br />

Dusseldorf und Aachen<br />

und kehrte dann nach Arnsberg zuruck.<br />

Als Mitglied des Arnsberger <strong>Heimatbund</strong>es<br />

und des Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>es<br />

wandte er sich insbesondere nach seiner<br />

Pensionierung als Abteiiungsdirektor der<br />

Regionalgeschichte zu. Er schrieb in der<br />

Stadtekundlichen Schriftenreihe der<br />

Stadt Arnsberg den Band „ Die Herren von<br />

Rudenberg". Vor rund fiinf Jahren ubernahm<br />

er von Karl-Heinz Strothmann das<br />

Amt des Kreisheimatpflegers des Hochsauerlandkreises.<br />

Mit uniibertroffener<br />

Sachkunde koordiniert er die Arbeit der<br />

Heimatpf leger der Stadte und Gemeinden<br />

im Kreis und wirkt in den Vorstanden des<br />

Arnsberger und des Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>es.<br />

*<br />

Der Bundestagsabgeordnete Franz<br />

Miintefering aus Sundern feierte am<br />

16. Januar 1990 die Vollendung seines<br />

50. Lebensjahres. Mitglied des Bundestages<br />

ist er seit dem 10. Juni 1975. Von<br />

1969 bis 1979 sal? er fur seine Partei, die<br />

SPD, im Gemeinde- und spateren Stadtrat<br />

von Sundern.<br />

*<br />

Gemeindedirektor a. D. Ernst VoUmer,<br />

seit der letzten Kommunalwahl Mitglied<br />

des Rates seiner Gemeinde Finnentrop,<br />

erhielt fur seine langjahrige Tatigkeit<br />

im Aufsichtsrat der Siedlungs- und Baugenossenschaft<br />

Meschede die Ehrenmedaille<br />

des Gesamtverbandes der Gemeinniitzigen<br />

Wohnungswirtschaft in Silber. Seit<br />

dem 1. November 1989 gehort Ernst Vollmer<br />

dem Vorstand der Siedlungs- und<br />

Baugenossenschaft Meschede an.<br />

^ranffurter^llgemeine<br />

ZeiTUNO POR DEUTSCHLAND<br />

Personalien<br />

Dieter-Julius Cronenberg 60<br />

Dieter-Julius Cronenberg ist ein charakteristischer<br />

und untypischer Liberaler zugleich.<br />

Charakteristisch, weil er ein selbstandiger<br />

Unternehmer ist, individualistisch,<br />

lebensklug und weltzugewandt.<br />

Untypisch ist er, weil er zugleich katholisch<br />

und sozialpolitisch tatig ist. Bundesr<br />

tagsvizeprasident Cronenberg laBt sich die<br />

freie und kampferische parlamentarische<br />

Rede nicht nehmen. Nach Studien in<br />

Lausanne, Siidfrankreich und in Munster,<br />

nach studentenpoUtischer Aktivitat, fiihrt<br />

er seit 1960 seinen Familienbetrieb. Der<br />

Verkauf einer einzelhen SeriSe ist ihm<br />

genauso wichtig wie ein groBer Auftrag.<br />

Nach dem Eintritt in die FDP 1961 und<br />

dem Beginn in der Kommunalpolitik im<br />

heimischen Arnsberg wurde er 1976 in den<br />

Bundestag gewahlt. Seit dem 14. Dezember<br />

1984 ist er einer der vier Vizeprasidenten.<br />

Am Donnerstag ist er 60 Jahre alt<br />

geworden, nicht nur des Protokolls wegen<br />

mit Gluckwunschen von „ganz Bonn" und<br />

aus seiner Heimat bedacht. (his.)<br />

Anmerkung der Rcdaktion: Mit dem Donnerstag ist der 8. Februar<br />

dieses Jahres gemeint.<br />

AmSonntag, 7. Januar, feierte Geistlicher<br />

Rat und Pastor i. R. Bemhard Starke<br />

in Bracht mit vieien Mitbrudern und<br />

Glaubigen sein 50jahriges Priesterjubilaum.<br />

Biirgermeister Rotger Belke-<br />

Grobe, Schmallenberg, dankte vor etwa<br />

450 Gasten fiir den Dienst am Mitmenschen,<br />

nicht zuletzt auch als Ortsheimatpfleger.<br />

Dechant Heinz Reperich erinnerte<br />

an die groRen Siegerlander Katholikentage,<br />

die sein Vorganger inszeniert<br />

hatte, und an die Walburga-Woche in<br />

Wormbach, die auf den Jubilar zuruckgeht.<br />

Er meinte, daB ein Pastor Starke in<br />

Ruhe nicht vorstellbar sei, und „der Starke<br />

ist am machtigsten allein".<br />

*<br />

Bundesprasident Dr. Richard von<br />

Weizsacker verlieh dem Burgermeister<br />

der Stadt Attendorn, Josef Riienauver,<br />

fur seine jahrzehntelange kommunalpolitische<br />

Tatigkeit das Verdienstkreuz am<br />

Bande des Verdienstordens. Der jetzt im<br />

Ruhestand lebende Studiendirektor gehorte<br />

von 1964 bis 1969 dem damaligen<br />

Gemeinderat Helden, der damaligen<br />

Amtsvertretung Attendorn und danach<br />

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SAUERLAND<br />

33<br />

der Stadtverordnetenversammlung Attendorn<br />

an. 1975 wurde er stellvertretender<br />

Burgermeister; 1978 trat er an die<br />

Spitze des Rates. Schon seit 1969 ist Josef<br />

Ruenauver Vorsitzender des CDU-<br />

Stadtverbandes Attendorn.<br />

*<br />

Der aus Heggen stammende, dort am<br />

13. Mai 1910 geborene Komponist Hans<br />

Stcmberg, der seit Jahren in Coburg<br />

lebt, steht im Mittelpunkt einer Veranstaltung<br />

seiner Heimatgemeinde Finnentrop<br />

am 10. Juni dieses Jahres. Aus AnlaB des<br />

80. Geburtstages des vor allem in Bayern<br />

bekannten Musikers und Komponisten,<br />

dem vor kurzem ein Buch gewidmet wurde<br />

(SAUERLAND Nr. 1/89), wird ein<br />

Festakt veranstaltet werden, bei dem<br />

mehrere Kompositionen des Jubilars zu<br />

Gehor gebracht werden. Voraussichtlich<br />

werden mitwirken Musiker der Sudwestf<br />

alischen Philharmonie sowie Schiiier und<br />

Lehrer der Musikschule Attendorn/Finnentrop;<br />

die Laudatio wird voraussichtlich<br />

der Vorsitzende des Bayerischen Musikrates,<br />

Professor Dr. Suder, halten.<br />

*<br />

Der langjahrige stellvertretende Landrat<br />

des Hochsauerlandkreises bis zu den<br />

Kommunalwahlen des letzten Jahres, Rudolf<br />

Kraft aus Scharfenberg, erhielt das<br />

Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Rudolf<br />

Kraft war 33 Jahre lang ununterbrochen<br />

in der Kommunalpolitik tatig, namlich in<br />

Scharfenberg, im Briloner Kreistag, im<br />

Briloner Stadtrat und bis zum 1. Oktober<br />

1989 im Kreistag des Hochsauerlandkreises.<br />

Nach der Auszeichnung dankte der Geehrte<br />

dafur, daB er in der Gemeinschaft<br />

habe leben und auch fiir sie Verantwortung<br />

habe ubernehmen konnen. Er appellierte<br />

an die Kommunalpolitiker, keine<br />

personlichen Angriffe anstelle sachlicher<br />

Auseinandersetzungen zu fuhren.<br />

Im Alter von 61 Jahren starb am 25. Januar<br />

der Vorsitzende und Geschaf tsf iihrer<br />

des Grafschafter Verkehrsvereins Herbert<br />

Beste. Er war seit 1975 als engagierter<br />

Ortsheimatpfleger tatig. Als Mitglied<br />

des Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>es wuRte<br />

er viele Anregungen fur die Forderung<br />

der Heimatarbeit zu geben. Der Trager<br />

des Bundesverdienstkreuzes gehorte zudem<br />

seit 1945 dem Sauerlandischen Gebirgsverein<br />

an und bekleidete hier fiihrende<br />

Funktionen.<br />

In der Reihe der Stadtischen KammerkonzerteOlpe<br />

1989/90, die sich diesmal<br />

insbesondere der zeitgenossischen Musik<br />

zuwendet, werden am 3. Mai auch Kompositionen<br />

des 1955 in Ahaus geborenen,<br />

in Bonn lebenden Komponisten Michael<br />

Denhoff zu horen sein; es spielt das<br />

Auryn Quartett. Michael Denhoff verfaBte<br />

bisher mehr als siebzig Kompositionen.<br />

Auf dem letzten Westfalentag am 3. September<br />

erhielt er den mit 10 000 DM dotierten<br />

Annette von Droste-Hulshoff-<br />

Preis des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.<br />

Bei dem Konzert in Olpe wird<br />

der Komponist eine Einfiihrung in sein<br />

Schaffen geben.<br />

*<br />

Nach schwerer Krankheit verstarb am<br />

20. Februar Stadtdirektor a.D. Envin<br />

Krollmann kurz vor Vollendung seines<br />

60. Lebensjahres. Er war, 20 Jahre lang,<br />

der erste Stadtdirektor der 1969 gegriindeten<br />

Stadt. Er war der eigentliche Motor<br />

der Stadtwerdung und wurde nicht zuletzt<br />

deshalb „Vater der Stadt Lennestadt" genannt.<br />

Neben seiner unermudlichen Arbeit<br />

als Stadtdirektor hatte er (wie er wohl<br />

zu Recht meinte, zuwenig) Zeit, uber philosophische,<br />

literarische und religiose<br />

Fragen nachzudenken.<br />

*<br />

Kurz nach Vollendung seines 70. Lebensjahres,<br />

die er am Dreikonigstag 1990<br />

feiern konnte, starb am 3. Februar Paul<br />

Falke, Trager des GroEen Bundesverdienstkreuzes,<br />

Ehrenburger und Altbiirgermeister<br />

der Stadt Schmallenberg und<br />

Ehrenprasident des Gesamtverbandes der<br />

Deutschen Maschen-Industrie. Der geschaftsfuhrende<br />

Gesellschafter der Falke-<br />

Gruppe, die ihm wesentlich Wachstum<br />

und heutige Bedeutung des Unternehmens<br />

verdankt, diente seiner Heimatstadt<br />

Schmallenberg 32 Jahre lang als Biirgermeister,<br />

namlich von 1952 an, als er erstmals<br />

zum Stadtvertreter gewahlt wurde,<br />

bis 1984. Er blieb bis zum Oktober 1989<br />

im Stadtrat.<br />

„Hohes VerantwortungsbewuBtsein,<br />

Entscheidungsfreude, Liebe zu seiner sauerlandischen<br />

Heimat, dazu Sparsamkeit<br />

und eine auBerordentlich solide Amtsfuhrung<br />

waren Grundsatze seiner Arbeit. Als<br />

Anwalt aller Burger hatte Paul Falke fiir<br />

deren Anliegen stets Verstandnis und<br />

sorgte sich personlich um Erledigung. Die<br />

Stadt Schmallenberg hat mit dem Tode<br />

von Paul Falke einen vorbildlichen Mitburger<br />

und herausragenden Kommunalpolitiker<br />

verloren, dessen Wirken uns Verpflichtung<br />

ist", schlieBt der Nachruf der<br />

Stadt Schmallenberg.<br />

*<br />

Im Alter von 84 Jahren starb in Hagen<br />

am 19. Januar Theo Ewers, friiherer<br />

Herbergsvater und Geschaftsfuhrer des<br />

Jugendherbergswerks Westfalen-Lippe.<br />

Theo Ewers war der erste Herbergsvater<br />

auf Burg Bilstein, von 1947 bis 1960. Mit<br />

ihm ist das Wiederentstehen demokratischer<br />

Jugendarbeit nach dem Kriege in<br />

Westfalen, verbunden mit lebhafter kultureller<br />

Betatigung (Singen, Spiel und<br />

Tanz), aufs engste verbunden.<br />

Wat de Schwuatdrossel singet.<br />

Froijohr - Froijohr - Froijohr! Fuin - fuin - wat fuin!<br />

Bo mag niu wual - giwitt, witt, witt - mein Graitken suin?<br />

Hi, jia-hi-jia-me suiht et nit.<br />

Wuit wuit - wuit kann't nit suin.<br />

Graite, Graite, Graitken! Bo biste, bo bliste?<br />

Kumm, kumm, kumm, kumm goh met, goh met.<br />

(Graitken latt sik flataiern)<br />

Graite, Graite, wann ik flaite, kummeste nit, kiimmeste nit.<br />

Fitt fitt! (niu froget Graitken wat et soil:)<br />

Froijohr - Froijohr - Froijohr! Winter trock, Winter trock.<br />

Kumm, kumm, kumm got met. Wat dan-n-n? frog doch nit!<br />

Alle Sock, alle Sock: Nestken buggen - Hochtuit maken,<br />

Jia gewiR! Wat dann suR, wat dann suB? Suih, suih. SuiBte wual!<br />

(Graitken kiimmet).<br />

Johann Schulte<br />

(Meschede, 1864-1944)<br />

Graitken = Gretchcn<br />

flat5i«rn = jymand wiederholt bitten<br />

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Sauerländer 34 <strong>Heimatbund</strong><br />

SAUERLAND<br />

LESERBRIEFE<br />

Aisk<br />

Sao liawet se<br />

in Sius un Brius drop loK<br />

un se verplampert, bat<br />

de Eere ues te baien hiat.<br />

Es is, arr' wenn se alle Dage<br />

en Fest te feyern barren.<br />

En Fest matt sieker aok mol seyn;<br />

un wenn et dann is wiasen,<br />

dann matt de LeBte imme Hius<br />

de Lechter losken.<br />

Noa uesem graoten Fest,<br />

bat alle Dage feyert weerd,<br />

do gaihert Lecht<br />

van seiwer iut. Norbert Voss<br />

In eigener Sache<br />

Druck und Vertrieb einer Zeitschrift kosten Geld,<br />

auch wenn alle ubrige Arbeit - Schreiben, Fotografieren,<br />

Redaktion einschlieRlich Layout - ehrenamtlich,<br />

das hei(5t kostenlos, freiwillig und<br />

gern getan wird. Die gestiegenen Druck- und<br />

Portokosten der letzten Jahre zwangen den Vorstand,<br />

der Mitgliederversammlung am 30. September<br />

1989 eine Preiserhohung vorzuschlagen.<br />

Die Mitgliederversammlung hat daraufhin<br />

einstimmig (!) beschlossen, den Jahresbezugspreis<br />

von 9,00 auf 12,00 DM anzuheben. Mehrere<br />

Mitglieder brachten dabei zum Ausdruck,<br />

daR dieser Preis fur die vier <strong>Heft</strong>e des Jahres -<br />

wenn sie so gut blieben wie bisher - nicht zuviel<br />

seien.<br />

Vorstand und Redaktionsstab danken fur diesen<br />

Zuspruch und hoffen, daR wegen der notwendig<br />

gewordenen Preiserhohung kein Bezieher von<br />

SAUERLAND verlorengeht. PI.<br />

SAUERLAND. Zeitschrift des Sauerlander <strong>Heimatbund</strong>es<br />

(friitier Trutznachtigaii, Heimwactit und Sauerlandruf)<br />

23. Jatlrgang • <strong>Heft</strong> 1 • Marz 1990<br />

ISSN 0177-8110<br />

Herausgeber und Vcrlag; Sauerlander <strong>Heimatbund</strong> c.V.,<br />

Postfacfi 1140, 5948 Schmalienberg<br />

Vorsitzcndcr: Dr. Adalbert MuUmann, Jupiterweg 7, 5790<br />

Brilon, Tel. (02961) 1340. Stellv. Vorsitzender: Karl-Josef<br />

Luster-Haggeney, Sctiwartmecke, 5942 Kirchhundem 3, Tel.<br />

(02723)72538.<br />

Geschaftsstelle: Geschaftsfuhrerin Hiltraut Schiittler, Postfach<br />

1140, 5948 Scfimallenberg, Tel. (02972) 30062. Konten:<br />

Stadtsparkasse Schmalienberg (BL2 46052855)<br />

40 011116. Postschcckamt Dortmund (BLZ 440100 46) 48 76 -<br />

461.<br />

Jahrcsbeitrag zum Sauerlander <strong>Heimatbund</strong> einschlielSlich des<br />

Bezuges dieser Zeitschrift 12,- DM. Einzelpreis 4,- DM.<br />

Erscheinungsweise vierteljahrlich.<br />

Redaktionsstab: Knut Friedrich Platz (Vors.), Sebastiansweg<br />

10, 5960 OIpe, Tel. (0 27 61) 812 58 (d), 6 33 01 (p). Hans Wcvering<br />

(techn. Redaktion, SchloRstrafJe 54, 5760 Arnsberg 2,<br />

Tel. (02931) 890071(d), 3262 (p).<br />

FriedhelmAckermann, Arnsberg. GiintherBecker, Lennestadt.<br />

Fritz Droste, Elpe. Theo Hundt, Olpe. Heinz Lettermann, Olsberg.<br />

Heinz-JosefPadberg, Meschede. KiemensPropper, Arnsberg.<br />

Werner Riemer, Arnsberg. Dietmar Host, Sundern. Josef<br />

Wiegel, Schmalienberg.<br />

Anzeigenverwaltung: Strobel-Verlag A. Strobe! KG, Zur<br />

Feldmiihle 9, 5760 Arnsberg 2, Tel. (02931) 890021, Telex<br />

17293136, Fax; 02931-890038.<br />

Layout: Werner Ahrens, Grafik-Designer grad. BOG, Balve.<br />

Gesamtherstellung: Strobel-Druck, Zur Feldmuhle 11,<br />

5760 Arnsberg 2, Tel. (02931) 890071.<br />

Josef a Berens-Totenohl<br />

Im Aufsatz „Westfalische Kulturpolitik<br />

auf dem Priifstand" in Nr. 3, September<br />

1989 wird kritisch auf Josefa Berens-Totenohl<br />

abgehoben.<br />

Ich bin unsicher, ob diese Einordnung<br />

der sauerlandischen Schriftstellerin in die<br />

„Blut- und Boden-ldeologie" objektiv ist.<br />

Josefa Berens-Totenohl war jahrzehntelang<br />

mit Christine Koch befreundet. Nach<br />

ihrem festen Heimisch-Werden in Gleierbruck<br />

hatte sie standigen Kontakt mit der<br />

nur wenige Kilometer entfernt wohnenden<br />

Christine Koch. Unzahlige Male<br />

nahm die ehemalige Lehrerin und Malerin<br />

den Weg durchs Gleiertal nach der in<br />

Bracht residierenden Lyrikerin und Gastwirtsfrau<br />

Christine Koch. Die eine war die<br />

suchende Griiblerin, die andere die glaubig-feste<br />

Bekennerin.<br />

Meiner Meinung nach ist die Autorin<br />

von „Der Femhof" und „Frau Magdlene"<br />

in das Denkfeld von Martin Heidegger geraten,<br />

dessen 100. Geburtstag vor wenigen<br />

Monaten begangen wurde. Heidegger<br />

suchte seit 1920 als beredter Philosoph<br />

(„der gottlose Theologe") die Antwort<br />

auf die Heimatlosigkeit und Existenzleere<br />

der entwurzelten GroBstadtmassen.<br />

Vielleicht ist Josefa Berens-Totenohl dieser<br />

Heideggerschen epochemachenden<br />

Orientierung anzugliedern. Jedenfalls erscheint<br />

mir eine faire und sachkundige Beschaftigung<br />

mit der Dichterin vonnoten.<br />

Robert Schmelzer, Kirchhundem<br />

Anmerkung der Redaktion:<br />

In ihrem Aufsatz hat Frau Dr. Erika Richter das<br />

Buch von Karl Ditt, RaumundVolkstum, besprochen<br />

und daraus auch zu Josefa Berens-Totenohl<br />

referiert. Ditt stutzt sich hierbei auf das ausfuhrliche<br />

und kritische Werk von Renate von Heydebrand<br />

„Literatur in der Provinz Westfalen 1815<br />

bis 1945. Ein literarhistorischer Modeil-Entwurf.<br />

Munster 1983".<br />

Sicher ware es fair, wenn einmal untersucht wurde,<br />

inwiefern Josefa Berens-Totenohl dem Sauerland<br />

zu literarischem Prof il verholfen und seine<br />

Natur dichterisch gestaltet hat. Ihre stilistische<br />

Kraft ist sicher unbestreitbar. Aber fiir eine solche<br />

rein literarisch/lokal orientierte Untersuchung<br />

ist es vielleicht zu friih (?), denn ihr steht<br />

die ideologische Haltung der Schriftstellerin<br />

noch im Wege.<br />

Diese Zeitschrift wird zu diesem Thema auf die<br />

ersten Ruschhaus-Tage der westf alischen Literatur<br />

zuruckkommen, die vom 10. bis 12. Marz<br />

1989 stattfanden, insbesondere zu dem dort behandelten<br />

Thema „ Westf alische Schriftstellerinnen<br />

im Dritten Reich und ihre kulturpolitische<br />

Forderung". Red.<br />

Zum Titelbild<br />

des letzten <strong>Heft</strong>es<br />

Zum Titelbild der Nr.4/1989 der Zeitschrift<br />

SAUERLAND mochte ich dem Fotografen<br />

Friedhelm Ackermann und der<br />

Redaktion meine Anerkennung aussprechen.<br />

Ober die gelungene Aufnahme und<br />

die Veroffentlichung zur Weihnachtszeit<br />

haben sich mit mir etliche Bewohner der<br />

Homert, also der unmittelbaren Nachbarschaft<br />

der alten Klosterkirche, gefreut.<br />

Kloster Brunnen ist fiir viele nicht einfach<br />

nur der Ort der heimatlichen Idylle, sondern<br />

daruber hinaus Statte der Begegnung<br />

mit Geschichte und Kultur, vor allem<br />

aber mogliche Wirklichkeit der Glaubenserfahrung<br />

und Gottesbegegnung. Deshalb<br />

sollten wir auch nicht von der „ehemaligen<br />

Kath. Wallfahrtskirche" sprechen.<br />

Die Kirche des Klosters Brunnen<br />

hat ihre Anziehungskraft, die durch das<br />

fruhere Kloster und durch die Verehrung<br />

des heiligen Antonius von Padua begrundet<br />

ist, bis heute nicht verloren. Kloster<br />

Brunnen ist immer noch Wallfahrtskirche!<br />

Georg Jurgens, Sundem-Endorf<br />

Neue Mitglieder<br />

bzw. Abonnenten<br />

Hermann Wessel, Brilon<br />

Karlheinz Kesting, Bergisch-Gladbach<br />

Franz Hegener, Medebach<br />

Dr. Walter Hostert, Ludenscheid<br />

D. Frhr. von Fiirstenberg, Ruthen-Kortlinghausen<br />

Josef Voss, Schmalienberg<br />

Karl Drees, Mohnesee-Korbecke<br />

Johannes Behme-Kempe, Dusseldorf<br />

Klaus Bongards, Erkrath<br />

Hedwig Habitzki, Meschede<br />

Hans-Rainer Becker, Brilon-Madfeld<br />

Barbel Michels, Schmalienberg<br />

K. Padberg Evenboer, Ermelo<br />

Hubert u. Hedwig Steinrucken,<br />

Olsberg-Gevelinghausen<br />

Friedhelm Appelhans, Salzkotten-Verne<br />

Reinhard Loos, Brilon<br />

Michael Vogel, Balve<br />

Kurverwaltung Winterberg<br />

Carl Ottersbach, St. Augustin<br />

Winfried Kock, Menden<br />

Josef Koster, Balve-Mellen<br />

Dr. Karl-Heinz Heiner, Balve-Mellen<br />

Gisela van der Grinten, Balve-Sanssouci<br />

Karl Heinz Kilimann, Arnsberg 1<br />

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SAUERLAND<br />

OhneSaat<br />

gibfs keine<br />

Ernte<br />

Wer ernten will, muB zur<br />

rechten Zeit aussaen. Und was<br />

dann heranwachst, will gut<br />

gehegt sein. Nicht anders ist<br />

es beim Geld. Auch hier helBt<br />

es rechtzeitig aussaen, also<br />

zu sparer).<br />

Welche Heifer waren hier<br />

bessergeeignet als unsere<br />

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Damit es zu gesundem<br />

Wachstum und reicher Ernte<br />

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Hochsauerland • Sparkasse Finnentrop • Sparkasse Lennestadt-Kirchhundem • Sparkasse Meschede • Stadtsparkasse<br />

Marsberg • Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden • Stadtsparkasse Schmallenberg.<br />

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SAUERLAND<br />

JMt herzhaften<br />

Grnfien aus dem<br />

Sauerlandr<br />

C. & A. Veltins Brauerei, 5778 Meschede-Grevenstein/Hochsauerland, Telefon 02934/710<br />

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