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Heft 3 - Sauerländer Heimatbund e.V.

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Sauerländer <strong>Heimatbund</strong><br />

SAUERLAND<br />

77<br />

Zwangsorganisation „Reichsarbeitsdienst"<br />

auch die freiwillige Vorform mit<br />

einem negativen Odium beiegt. Weil im<br />

allgemeinen nur nocii wenig dariiber bekannt<br />

ist, mu6 etwas ausfuiirliciier berichtet<br />

werden.<br />

Pastor V. Bodelsciiwingh von der<br />

Anstalt Bethel geJiOrte in Westfalen zu<br />

den initiatoren des Freiwilligen Arbeitsdienstes.<br />

In einem bemerkenswerten Akt<br />

oekumenischer Zusammenarbeit hatte<br />

der Protestant dem Paderborner Bischof<br />

Kaspar Klein angeboten, auf dem Truppenijbungsplatz<br />

Sennelager ein zwar<br />

konfessionell getrenntes, aber in der<br />

technischen Arbeitsorganisation gemeinsam<br />

wirkendes Arbeitsdienstlager<br />

zu errichten.<br />

Die praktische Umsetzung des Vorschlags<br />

fiel dem Diozesanprases der<br />

Merkblatt<br />

fiir die Staumiihler<br />

Arbeitsdienstwilligen, welche in landwirt-<br />

schafdiche Arbeitsstellen vermittelt werden.<br />

katholischen Arbeitervereine in Paderborn<br />

zu. Das war der Domvikar Heinrich<br />

Marx, der sich spater dem Sauerland<br />

auf s engste verbunden hat Von 1933-<br />

1958 war er Pastor in Bodefeld und ein<br />

angesehener Heimatforscher in unserem<br />

Raum. Mit groSer Tatkraft griff er die Idee<br />

des Freiwilligen Arbeitsdienstes auf und<br />

organisierte das im Ersten Weltkrieg von<br />

englischen Kriegsgefangenen gebaute<br />

Lager Staumiihle zu einer Unterkunft fiir<br />

„Alu"- und „Kru"-Leute um, d.h. mannliche<br />

Empfanger von Arbeitslosen- und<br />

Krisenunterstutzung, die sich auf eine<br />

Ausschreibung hin freiwillig meldeten.<br />

Trager der Einrichtung war der Diozesanverband<br />

Paderborn der katholischen<br />

Arbeitervereine Westdeutschlands und<br />

das Arbeitsamt Paderborn. Als Taschengeld<br />

erhielten die in den Lagerlisten<br />

„Dienstwillige" genannten Manner taglich<br />

50 Pfennig. Dafiir sollten sie an dem<br />

groBen Projekt mitarbeiten, das nach damaligen<br />

Schatzungen bei ..Anwendung<br />

von Maschinen auf das MindestmaS", wie<br />

Domvikar Marx in einem Aufsatz in der<br />

Reihe ..Heimat und Scholle" schrieb, Tausenden<br />

Arbeit fiir 10 Jahre versprach: Regulierung<br />

der Ems und damit Melioration<br />

des Emslandes - eine Aktion, die spater<br />

von den „Moorsoldaten" der nationalsozialistischen<br />

Konzentrationslager in einer<br />

entsetzlichen Pervertierung des ursprijnglichen<br />

Ansatzes fortgefuhrt<br />

werden muBte.<br />

Domvikar Marx suchte fiir seine katholischen<br />

Dienstwilligen eine seelsorgliche<br />

Betreuung. Und hier kehrt die Darstellung<br />

zu ihrem Ausgangspunkt zuruck.<br />

Auf einer Tagung iiber die Organisation<br />

des Freiwilligen Arbeitsdienstes in Duisburg<br />

lernte Marx im Jahr 1931 Josef<br />

Kayser kennen, der gerade seine erste<br />

Stelle als Kaplan an der Propsteikirche in<br />

Dortmund angetreten hatte.<br />

Kurz nach der ersten Begegnung, so<br />

schildert es Josef Kayser, der noch heute<br />

iiber ein bewundernswertes Gedachtnis<br />

verfugt, habe ihm Marx auseinandergesetzt.<br />

daB er im Lager „ein herrliches Feld<br />

der Betatigung" finde und mit seinen drei<br />

Berufen: als Priester, als Ingenieur und<br />

gewesener Kompaniefuhrer der geeignete<br />

Mann fiir die Lagerleitung sei. So begann<br />

Kaysers Aufgabe als Lagerkaplan.<br />

Jetzt trafen sich der Schwung desjungen<br />

Geistlichen und des Geologen, und mit<br />

Stolz berichtet er noch heute iiber die damals<br />

geleistete Arbeit: „Wir rigolten 320<br />

Morgen Heide bis zu 1.50 m durch die<br />

Ortsteinschicht, wir bauten 5 Siedlungsdorfer,<br />

regulierten die Grimke usw. (rigolen=tief<br />

umstechen)" Dabei ging es allerdings<br />

weniger um die Effizienz der Arbeit<br />

als um die Bemiihung, diejungen Stadter<br />

wieder zu erdnahem Tun zu fiihren und<br />

die Verantwortung vor der Schopfung zu<br />

wecken. Das ist auch in einem von Marx<br />

und Kayser gemeinsam unterzeichneten<br />

Merkblatt spurbar, das im Tenor von<br />

Demut vor der Natur, nicht im Sinne des<br />

Pralat Josef Kayser 1984 - hinter dem Findling<br />

am Hauseingang in Eickelborn<br />

„Machet euch die Erde untertan!" gepragt<br />

ist. Das Emblem des Merkblatts:<br />

„Fur Gott und Volk! faBt die Antriebskrafte<br />

der Leiter sinnfallig zusammen.<br />

Zum religiosen Fundament noch ein<br />

paar Hinweise Kaysers: „Ein Kreuzweg<br />

wurde gebastelt, ein Turm gebaut, fiir<br />

den Pralat Wolker die Glocke stiftete, jeden<br />

Morgen nach der Messe war die<br />

Arbeitseinteilung."<br />

Die besonderen MeBintentionen deuten<br />

den Versuch an, in einer die politischen<br />

Spannungen der Krisenzeit iiberwolbenden<br />

Deutschland-Mystik alle Gegensatze<br />

zu ignorieren: „Fur die Freiheit<br />

des deutschen Arbeiterstandes" - „0b<br />

Hitler Oder Thalmann, wir niitzen<br />

Deutschland"...<br />

Ganz lieBen sich die zeitgenossischen<br />

Richtungskampfe allerdings nicht wegdenken.<br />

Krafte, die den Freiwilligen<br />

Arbeitsdienst zu einer Art paramilitarischer<br />

Organisation umfunktionieren<br />

wollten, regten sich allenthalben. Es gab<br />

auch Resonanz dafiir unter den Arbeitsleuten.<br />

Wie ware es sonst verstandlich,<br />

daB sie ihren Kaplan angingen, er solle<br />

ihnen doch den Parademarsch beibringen<br />

- in Holzschuhen!...<br />

Kayser war ein vielgesuchter Multiplikator<br />

der Arbeitsdienstidee. In einer<br />

Ansprache im Berliner Rundfunk vom<br />

Fruhjahr 1932, deren Manuskript glilcklicherweise<br />

erhalten ist, eriauterte er seine<br />

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