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S 6<br />
<strong>Christus</strong> <strong>Elf</strong> <strong>Visionen</strong><br />
Auf diesem Bilde jetzt die fremden Lichte<br />
schien ein Geschenk zu sein von dem Gesichte<br />
des Mannes, den der Maler davor fand;<br />
in kalte Kanten krallte er die Hand,<br />
und hingehetzt von hundert Ängsten floh<br />
die Seele ihm mit feigem Flügelbreiten<br />
zu allen Hoffnungen und Heimlichkeiten<br />
und wähnt: sie wird bei einer die bereiten<br />
Fluchtfenster finden in das Nirgendwo.<br />
Doch eh sie noch zurückgefunden, - gleiten<br />
des Bleichen Blicke von dem Bild und leiten<br />
das leise Wort: "Warum malst du mich so?"<br />
"Bin ich denn so an deinem Bett gesessen,<br />
wenn deine Furcht aus Kinderfiebern schrie,<br />
und in dem Mahnen der Marienmessen -<br />
war das die Miene, die dir Mut verlieh?<br />
Und dann - am Grabe deiner Mutter - wie<br />
entstieg ich da den zitternden Zypressen?<br />
Hast du im Weiterschreiten mich vergessen,<br />
und meine Züge, warum malst du sie?"<br />
Sein Fragen senkte sich so frühlingsstill,<br />
wie eine frühe Blüte sinkt vom Baume<br />
die heil in Halmen harrt, ob tief im Traume<br />
ein lieber Wind sie spielend wählen will, -<br />
allein der Maler, scheu von Scham und Schuld,<br />
zertritt die zarte mit der Ungeduld<br />
des bangen Sklaven.