23.06.2014 Aufrufe

Christus, Elf Visionen.

Rainer Maria Rilke, Christus Elf Visionen

Rainer Maria Rilke, Christus Elf Visionen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

S 50<br />

<strong>Christus</strong> <strong>Elf</strong> <strong>Visionen</strong><br />

Denn ihr seid lang gestorben, und den Jungen<br />

ist Lied und Lachen gar so bald verklungen<br />

in einer Zeit, die nur mit Eisen sprach.<br />

Jetzt sind die Gassen alle kalt und und brach,<br />

und Trauer nur, in halbem Traum gesungen,<br />

langt oft den flüchtenden Erinnerungen<br />

aus einem engen grauen Hause nach.<br />

Von keinem Lande wissen eure Stufen,<br />

und alles kam, wie es die Vorsicht will.<br />

Der Hochmut hohe Häuser starben still,<br />

und nur die Kirchen dauern noch und rufen."<br />

"Ja, Herr", spricht jetzt der Doge und entfaltet<br />

die Hände nicht. "Der Todes Ohnmacht waltet<br />

mit tausend tiefen Schauern über uns.<br />

Und deine Glocken locken lauten Munds.<br />

Du giebst noch immer große, reiche Feste<br />

und machst, daß deine gernbereiten Gäste<br />

in deinen Hallen Elend und Gebreste<br />

vergessen und wie Kinder selig sind.<br />

Und jedes Volk, das gerne noch als Kind<br />

sich fühlen mag, folgt in die Prachtpaläste<br />

die du ihm aufgetan und betet blind.<br />

Doch ich bin alt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!