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Christus, Elf Visionen.

Rainer Maria Rilke, Christus Elf Visionen

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S 1<br />

<strong>Christus</strong> <strong>Elf</strong> <strong>Visionen</strong><br />

1<br />

Der blinde Knabe<br />

An allen Türen blieb der blinde Knabe,<br />

auf den der Mutter bleiche Schönheit schien,<br />

und sang das Lied, das ihm sein Leid verliehn:<br />

"Oh hab mich lieb, weil ich den Himmel habe."<br />

Und alle weinten über ihn.<br />

An allen Türen blieb der blinde Knabe.<br />

Die Mutter aber zog ihn leise mit;<br />

weil sie die andern alle weinen schaute.<br />

Er aber, der nicht wußte, wie sie litt,<br />

und nur noch tiefer seinem Dunkel traute,<br />

sang: "Alles Leben ist in meiner Laute."<br />

Die Mutter aber zog ihn leise mit.<br />

So trug er seine Lieder durch das Land.<br />

Und als ein Greis ihn fragte, was sie deuten,<br />

da schwieg er, und auf seiner Stirne stand:<br />

Es sind die Funken, die die Stürme streuten,<br />

doch einmal werd ich breit sein wie ein Brand.

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