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Christus, Elf Visionen.

Rainer Maria Rilke, Christus Elf Visionen

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S 27<br />

<strong>Christus</strong> <strong>Elf</strong> <strong>Visionen</strong><br />

Und meine Reue. Nein, ich bin es nicht,<br />

ich bin kein Gott!..."<br />

"Du kannst nicht viel vertragen,<br />

mein Lieber. Welch ein drolliges Gegirr.<br />

Kaum wirbelt noch ein Glas dir aus dem Magen<br />

zu Herz und Hirn, schon sprichst du wahn und wirr.-<br />

Nein, nein, du bist nicht Gott, mach dir nicht Sorgen,<br />

und niemand wird dich so verklagen. Nein.<br />

Doch wart du Blasser, bis zum nächsten Morgen<br />

sollst du ein wenig König sein.<br />

Ja, willst du? Wart, ich werde wenn mirs glückt<br />

aus diesen Rosen dir die Krone schmieden.<br />

Und sind sie nicht mehr frisch, gieb dich zufrieden,<br />

mein hoher Herr, du hast sie selbst zerdrückt.."-<br />

Und ihre Finger fügen jetzt geschickt<br />

zu krausem Kranze Rose an um Rose,<br />

auch welke Blätter sind hineingestickt.<br />

Sie legt ihn auf das Haupt, das regungslose<br />

aus leeren Augen ihr entgegenblickt,<br />

dann klatscht sie in die Hände, lacht und nickt:<br />

"Bravissimo, die echte Königspose!"<br />

Schon kommt der Morgen nach den Scheiben zielen;<br />

die ersten Speere stecken in den Dielen<br />

hell, wie sie just durchs fahle Fenster fielen.<br />

Und gegenüber schmilzt schon auf dem Dach<br />

die Dämmerung.

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