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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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Erkrankungen dienen. Ein bekanntes Beispiel für Letzteres ist<br />

die Tiefenhirnstimulation bzw. deep brain stimulation (DBS), die<br />

vor allem bei der Parkinson-Krankheit, aber in geringem Umfang<br />

auch schon bei schwerer Depression und anderen Krankheitsbildern<br />

eingesetzt wird (Decker und Fleischer 2008; Fiedeler 2008). 66<br />

Diese neuen Technologien stoßen vor allem deshalb auf starkes<br />

Interesse vieler Human-Enhancement-Befürworter, weil sie diese<br />

als Vorboten neuartiger Artefakte zur Steigerung menschlicher<br />

kognitiver Fähigkeiten (cognitive enhancement), zur besseren (und<br />

letztlich völligen) Kontrolle menschlicher Emotionen (mood enhancement)<br />

sowie zur Erschließung neuartiger Kommunikationsmöglichkeiten<br />

zwischen Menschen sowie zwischen Mensch und<br />

Maschine ansehen. 67 Bei vielen enthusiastischen Befürwortern eines<br />

umfassenden «Human Enhancement» kulminieren diese Hoffnungen<br />

auf eine fortschreitende «Cyborgisierung» des Menschen<br />

in den Visionen avancierter Mensch-Maschine-Symbiosen, die zur<br />

Grundlage einer neuen, ins Weltall expandierenden Zivilisation<br />

werden. Zumindest insoweit dies mit weitreichenden Visionen zur<br />

Hirnforschung und zur Forschung zu Künstlicher Intelligenz verbunden<br />

wird, bestehen dann sogar Hoffnungen, in der Zukunft<br />

eine Quasi-Unsterblichkeit des individuellen menschlichen Geists<br />

technisch bewerkstelligen zu können. 68<br />

Wie sieht nun bei Tieren die aktuelle Realität im Bereich avancierter<br />

Hirn-Maschine-Schnittstellen aus? Experimente mit solchen<br />

Schnittstellen finden bereits seit einigen Jahren statt. 69 An<br />

66 Heutzutage existieren viele verschiedene Typen von Gehirn-Maschine-Schnittstel-<br />

len, die bspw. nach der Intensität des Eingriffs (<strong>Grunwald</strong> 2008), hinsichtlich der Sig-<br />

nalrichtung (Donoghue 2002) oder in ableitende und stimulierende Systeme (Clausen<br />

2009) unterteilt werden können.<br />

67 Siehe bspw. die Internetseite von Kevin Warwick, der sich bereits im Jahr 1998 sei-<br />

nen ersten Mikrochip implantieren ließ: http://www.kevinwarwick.com/.<br />

68 Vgl. zu diesen Visionen bspw. <strong>Coenen</strong> (2008); <strong>Coenen</strong> et al. (2009); <strong>Grunwald</strong><br />

(2008) und verschiedene Beiträge in <strong>Coenen</strong> et al. (2010).<br />

69 Ein praktisches Ergebnis dieser Forschungen war die Entwicklung von Technologien,<br />

die eine Fernsteuerung von Tieren ermöglichen (2.2.4.). Im Jahr 2002 erfolgte hier ein<br />

Durchbruch als es gelang, das Hirn von Ratten so zu stimulieren, dass deren Bewe-<br />

gungen präzise gesteuert werden konnten (Talwar et al. 2002), was sich potenziell für<br />

verschiedene Zwecke nutzen lässt.<br />

Nagetieren und Affen wurde bereits mehrfach gezeigt, dass durch<br />

implantierte Elektroden neue Formen der Steuerung von Maschinen<br />

möglich sind. Durch die sukzessive Aktivierung von Neuronenaffen<br />

konnten Affen bspw. lernen, einen Cursor auf einem<br />

Monitor zu bewegen und auf bestimmte Ziele zu richten (Chapin<br />

et al. 1999; Wessberg 2000; Nicolelis und Chapin 2002; Carmena<br />

et al. 2003; Hoag 2003; Donoghue 2002; Lebedev und Nicolelis<br />

2006; vgl. Santhanam et al. 2006). Nicolelis (2003) zeigte, dass<br />

die Kontrolle der Aktivität von 32 Bewegungszellen im Teil des<br />

Cortex, der für die Handbewegung verantwortlich ist, es – nach<br />

intensivem Training – einem Affen erlaubt, einen vom Körper getrennten<br />

künstlichen Arm zu nutzen. 70 Im Jahr 2008 zeigten auch<br />

Velliste und seine Gruppe, dass entsprechend trainierte Affen mit<br />

implantierten Elektroden dazu in der Lage sind, Roboterarme<br />

so zu kontrollieren, dass sie mit diesen Objekte greifen und sich<br />

bspw. selbst Nahrung zuführen können. Auch «virtuelle» Arme,<br />

die auf einem Monitor gezeigt werden, wurden bereits von Affen<br />

gesteuert. Die Aktivität auf dem Monitor wird von einem Computerprogramm<br />

erzeugt, das wiederum auf «virtuelle» Bewegungen<br />

des Affen reagiert und dabei mit den Elektroden im Motor-Kortex<br />

verbunden ist. Der Computer reagiert sozusagen auf die Aktivität<br />

im Affenhirn und simuliert neuronale Feedback-Mechanismen<br />

(London et al. 2008). Zudem wurden Affen, deren Arme vorher<br />

temporär gelähmt worden waren, erfolgreich darauf trainiert, über<br />

die Gehirn-Computer-Schnittstelle den eigenen, vorübergehend<br />

gelähmten Arm zielgerichtet zu bewegen (Moritz et al. 2008).<br />

Die Fernsteuerung von externen Objekten mittels Hirnaktivität<br />

ist also seit einigen Jahren Realität in Tiermodellen, und sie war bereits<br />

auch schon bei Menschen erfolgreich (Scott 2006; Birnbaumer<br />

und Cohen 2007; Wolpaw 2007; Kalaska 2008; Hatsopoulos und<br />

Donoghue 2009). Auch in diesem Bereich kann aber nur bedingt<br />

von einer Verbesserung von Fähigkeiten der Tiere gesprochen werden.<br />

In einigen Fällen wurden bspw. vorher Tiere gelähmt oder geschädigt,<br />

um die besondere Situation der menschlichen Patienten<br />

70 Diese auch von Einrichtungen der US-Militärforschung finanzierten Arbeiten von<br />

Nicolelis haben innerhalb der Debatte über «Converging Technologies» auch deshalb be-<br />

sondere Beachtung gefunden, da Nicolelis an den Aktivitäten der bedeutendsten US-ame-<br />

rikanischen Initiative zu «Converging Technologies» beteiligt war (vgl. Nicolelis 2002).<br />

66 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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