Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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01.11.2012 Aufrufe

gischen Forschung bereits stattgefunden. So werden im Rahmen der Schmerzforschung – insbesondere hinsichtlich Krankheiten mit akuten Schmerzen – Tiermodelle hergestellt, die ein reduziertes Schmerzempfinden an den Tag legen (Mogil und Basbaum 2000; Lariviere et al. 2001; Lacroix-Fralish et al. 2007; Leo et al. 2008). Grundsätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob und inwiefern verminderte Fähigkeiten eine Verbesserung sein können (3.3.2). Im Rahmen der Forschung zu neuronalen Korrelaten des Bewusstseins 63 wird versucht, sog. «Zombie-Mäuse» herzustellen, transgene Mäuse, die so bezeichnet werden, weil bei ihnen alle Neuronen eines besonderen Typs abgeschaltet sind (Nirenberg und Meister 1997; No et al. 1996; Koch und Crick 2001; Koch 2004). Ziel ist die Herstellung von Mäusen, die ein komplexes Verhalten an den Tag legen, aber keine mäusetypischen Anzeichen von Bewusstsein zeigen. Inwieweit Mausmodelle für die Untersuchung dieser diffizilen Problematik nützlich sein können, ist unklar – andere relevante Forschung findet bspw. mit Makaken als Versuchstieren statt (Cowey und Stoerig 1995). Offenkundig besteht aber in diesem Zusammenhang ein nicht unerhebliches Interesse an Mäusemodellen. So spricht sich bspw. Changeux (2006) für eine verstärkte Forschung dieser Art insbesondere mit gentechnisch modifizierten Mäusen aus. Aus gezielten Modifikationen in neuronalen Gehirnstrukturen der Mäuse könnten wichtige Daten zu neurologischen Krankheiten und Störungen beim Menschen gewonnen werden (vgl. auch Labarca et al. 2001; Steinlein 2004; Engel und Sine 2005; Changeux und Edelstein 2005). Schließlich werden auch Psychopharmaka für Tiere entwickelt, die selbstverständlich ebenfalls an Tieren getestet werden. So hat die US-amerikanische Food and Drug Administration kürzlich drei solcher Medikamente für die Behandlung von Hunden zugelassen. Sie sollen zur Behandlung von Trennungsängsten sowie von kognitiven Problemen eingesetzt werden, was möglicherweise auch Aussichten auf eine psychopharmakologische Steigerung besonderer Fähigkeiten von Tieren eröffnet (2.3.4). 63 Koch und Crick (2001) vertreten die Auffassung, dass eine Bestimmung der neuro- nalen Korrelate des Bewusstseins bei Tieren es möglich machen könne, transgene Zom- bie-Mäuse herzustellen, die komplett ohne Bewusstsein sind (vgl. auch Koch 2004). 2.1.8 Hirnforschung und Neurotechnologien Die Idee einer elektronischen Messung von Gehirnaktivitäten wurde bereits in den 1920er Jahren entwickelt (Berger et al. 1929). In den 1950er Jahren begannen Forscher, Elektroden in Versuchstieren zu implantieren. Besonders bekannt wurde José Delgado für seine Forschungen zur gesteuerten Bewegung unterschiedlicher «Cyborg-Tierarten» (Horgan 2005). Im Jahr 1963 trat Delgado in einer Arena während eines Stierkampfs in Spanien auf. Einer seiner Cyborg-Stiere griff ihn an, und er stoppte das Tier mit einem Knopfdruck (Horgan 2005; Marshall 2008). Delgado zog einige Kritik auf sich, es kam schon damals zu heftigen Diskussionen, ob solche Forschungen vertretbar sind (Valenstein 1973). 64 Er selbst setzte sich mit seiner Methode explizit gegen den damals weitverbreiteten psychochirurgischen Eingriff der Lobotomie ab. 65 Mit seinen Versuchen mit den Schimpansen Paddy und Carlos konnte Delgado in den 1960er Jahren zeigen, dass sich Elektroden so implantieren lassen, dass sie bestimmte Signale empfangen, die von der Amygdala der Tiere produziert werden (Delgado 1969). Fetzt (1969) veröffentlichte dann wichtige Ergebnisse zur Konditionierung durch Eingriffe im Kortex von Affen (cortical spike trains). In den 1980er und 1990er Jahren verlor diese Forschung an Bedeutung, in jüngster Zeit ist aber ein Gegentrend dazu festzustellen. Die Forschung und Entwicklung im Bereich neuartiger Gehirn- Maschine-Schnittstellen sind ein vieldiskutierter Bereich in der aktuellen Debatte über «Human Enhancement» und «Converging Technologies». Ziel ist die Entwicklung von Neuroprothesen, also Schnittstellen zwischen Nervensystem und elektrischen Bauteilen. Implantierte Elektroden sollen neue Handlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten bspw. für Querschnittsgelähmte eröffnen oder auch zur Behandlung schwerer neurologischer und psychischer 64 Die New York Times widmete Delgado eine Titelgeschichte, in der er als Prophet einer neuen psychozivilisierten Gesellschaft bezeichnet wurde (Horgan 2005). 65 Antonio Egas Moniz, der Entwickler der Lobotomie, erhielt im Jahr 1949 (zusam- men mit Walter Hess) den Nobelpreis. Aufgrund der Nebenwirkungen und der kurz da- rauf folgenden Entwicklung von Neuroleptika verschwand die Lobotomie jedoch bald als Methode. Die Verleihung des Nobelpreises an Egas Moniz ist bis heute umstritten. Siehe dazu Horgan 2005. 64 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie 65

gischen Forschung bereits stattgefunden. So werden im Rahmen<br />

der Schmerzforschung – insbesondere hinsichtlich Krankheiten<br />

mit akuten Schmerzen – Tiermodelle hergestellt, die ein reduziertes<br />

Schmerzempfinden an den Tag legen (Mogil und Basbaum<br />

2000; Lariviere et al. 2001; Lacroix-Fralish et al. 2007; Leo et al.<br />

2008).<br />

Grundsätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage,<br />

ob und inwiefern verminderte Fähigkeiten eine Verbesserung sein<br />

können (3.3.2). Im Rahmen der Forschung zu neuronalen Korrelaten<br />

des Bewusstseins 63 wird versucht, sog. «Zombie-Mäuse»<br />

herzustellen, transgene Mäuse, die so bezeichnet werden, weil bei<br />

ihnen alle Neuronen eines besonderen Typs abgeschaltet sind (Nirenberg<br />

und Meister 1997; No et al. 1996; Koch und Crick 2001;<br />

Koch 2004). Ziel ist die Herstellung von Mäusen, die ein komplexes<br />

Verhalten an den Tag legen, aber keine mäusetypischen Anzeichen<br />

von Bewusstsein zeigen. Inwieweit Mausmodelle für die<br />

Untersuchung dieser diffizilen Problematik nützlich sein können,<br />

ist unklar – andere relevante Forschung findet bspw. mit Makaken<br />

als Versuchstieren statt (Cowey und Stoerig 1995). Offenkundig<br />

besteht aber in diesem Zusammenhang ein nicht unerhebliches Interesse<br />

an Mäusemodellen. So spricht sich bspw. Changeux (2006)<br />

für eine verstärkte Forschung dieser Art insbesondere mit gentechnisch<br />

modifizierten Mäusen aus. Aus gezielten Modifikationen in<br />

neuronalen Gehirnstrukturen der Mäuse könnten wichtige Daten<br />

zu neurologischen Krankheiten und Störungen beim Menschen<br />

gewonnen werden (vgl. auch Labarca et al. 2001; Steinlein 2004;<br />

Engel und Sine 2005; Changeux und Edelstein 2005).<br />

Schließlich werden auch Psychopharmaka für Tiere entwickelt,<br />

die selbstverständlich ebenfalls an Tieren getestet werden. So hat<br />

die US-amerikanische Food and Drug Administration kürzlich<br />

drei solcher Medikamente für die Behandlung von Hunden zugelassen.<br />

Sie sollen zur Behandlung von Trennungsängsten sowie<br />

von kognitiven Problemen eingesetzt werden, was möglicherweise<br />

auch Aussichten auf eine psychopharmakologische Steigerung besonderer<br />

Fähigkeiten von Tieren eröffnet (2.3.4).<br />

63 Koch und Crick (2001) vertreten die Auffassung, dass eine Bestimmung der neuro-<br />

nalen Korrelate des Bewusstseins bei Tieren es möglich machen könne, transgene Zom-<br />

bie-Mäuse herzustellen, die komplett ohne Bewusstsein sind (vgl. auch Koch 2004).<br />

2.1.8 Hirnforschung und Neurotechnologien<br />

Die Idee einer elektronischen Messung von Gehirnaktivitäten wurde<br />

bereits in den 1920er Jahren entwickelt (Berger et al. 1929). In<br />

den 1950er Jahren begannen Forscher, Elektroden in Versuchstieren<br />

zu implantieren. Besonders bekannt wurde José Delgado für<br />

seine Forschungen zur gesteuerten Bewegung unterschiedlicher<br />

«Cyborg-Tierarten» (Horgan 2005). Im Jahr 1963 trat Delgado in<br />

einer Arena während eines Stierkampfs in Spanien auf. Einer seiner<br />

Cyborg-Stiere griff ihn an, und er stoppte das Tier mit einem<br />

Knopfdruck (Horgan 2005; Marshall 2008). Delgado zog einige<br />

Kritik auf sich, es kam schon damals zu heftigen Diskussionen, ob<br />

solche Forschungen vertretbar sind (Valenstein 1973). 64 Er selbst<br />

setzte sich mit seiner Methode explizit gegen den damals weitverbreiteten<br />

psychochirurgischen Eingriff der Lobotomie ab. 65 Mit<br />

seinen Versuchen mit den Schimpansen Paddy und Carlos konnte<br />

Delgado in den 1960er Jahren zeigen, dass sich Elektroden so implantieren<br />

lassen, dass sie bestimmte Signale empfangen, die von<br />

der Amygdala der Tiere produziert werden (Delgado 1969). Fetzt<br />

(1969) veröffentlichte dann wichtige Ergebnisse zur Konditionierung<br />

durch Eingriffe im Kortex von Affen (cortical spike trains).<br />

In den 1980er und 1990er Jahren verlor diese Forschung an Bedeutung,<br />

in jüngster Zeit ist aber ein Gegentrend dazu festzustellen.<br />

Die Forschung und Entwicklung im Bereich neuartiger Gehirn-<br />

Maschine-Schnittstellen sind ein vieldiskutierter Bereich in der<br />

aktuellen Debatte über «Human Enhancement» und «Converging<br />

Technologies». Ziel ist die Entwicklung von Neuroprothesen, also<br />

Schnittstellen zwischen Nervensystem und elektrischen Bauteilen.<br />

Implantierte Elektroden sollen neue Handlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten<br />

bspw. für Querschnittsgelähmte eröffnen oder<br />

auch zur Behandlung schwerer neurologischer und psychischer<br />

64 Die New York Times widmete Delgado eine Titelgeschichte, in der er als Prophet<br />

einer neuen psychozivilisierten Gesellschaft bezeichnet wurde (Horgan 2005).<br />

65 Antonio Egas Moniz, der Entwickler der Lobotomie, erhielt im Jahr 1949 (zusam-<br />

men mit Walter Hess) den Nobelpreis. Aufgrund der Nebenwirkungen und der kurz da-<br />

rauf folgenden Entwicklung von Neuroleptika verschwand die Lobotomie jedoch bald<br />

als Methode. Die Verleihung des Nobelpreises an Egas Moniz ist bis heute umstritten.<br />

Siehe dazu Horgan 2005.<br />

64 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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