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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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Eines der ersten bekannten Tiermodelle im Bereich des Neuro-<br />

Enhancement war die sog. «intelligente Maus» (auch als «doogie<br />

mouse» bekannt), die zur Untersuchung der Möglichkeiten genetischer<br />

Verbesserung von Lern- und Gedächtnismechanismen<br />

hergestellt wurde (Tang et al. 1999). Die Überexpression eines bestimmten<br />

Rezeptors (NMDA Rezeptor 2B; abgekürzt als NR2B)<br />

im Vorderhirn der Maus führte zu einer Steigerung der synaptischen<br />

Aktivität bei elektrischer Stimulation sowie zu Verbesserungen<br />

des Gedächtnisses und der Lernfähigkeit in unterschiedlichen<br />

Verhaltenstests (wie bspw. dem «Morris Wasserlabyrinth» 60 ). Die<br />

Besonderheiten dieses Rezeptors fanden auch in der Folgezeit Beachtung.<br />

So wurden seine Rolle in verschiedenen Lebensphasen<br />

der Maus (Cao et al. 2007) und unterschiedliche Weisen der Genexpression<br />

(Cui et al. 2005) getestet.<br />

Weitere Beispiele sind die ORL1-Knockout-Maus – ORL1 ist<br />

ein nozizeptiver Rezeptor –, die verbesserte Lernmechanismen und<br />

LTP (long-term potentiation) 61 gezeigt hat (Mamiya et al. 2003),<br />

sowie die Harvey-ras-transgene bzw. Hras-transgene Maus, die das<br />

Oncogen Hras in erregenden Prinzipalneuronen exprimiert (Kushner<br />

et al. 2005). In ihrem Überblick über den Einsatz transgener<br />

Tiermodelle zur Erforschung von Lernmechanismen unterscheiden<br />

Lee und Silva (2009) drei Generationen: Die erste Generation<br />

bilden Knock-In-Mutanten, in die für Lernmechanismen interessante<br />

Gene eingeführt wurden, sowie in ihren Keimbahnzellen<br />

modifizierte Knock-Out-Tiere (vgl. dazu bspw. Grant et al. 1992;<br />

Silva et al. 1992). In der zweiten Generation wurden räumliche<br />

und temporale Kontrolle als Parameter eingeführt, indem bspw.<br />

das Tetrazyklin-System 62 zur Ein- oder Ausschaltung der transgenen<br />

Expression verwendet wird (Tsien et al. 1996; Mayford et<br />

60 Dieser Verhaltenstest wird in einem runden Becken durchgeführt, das mit trübem<br />

Wasser gefüllt ist und am Rande Markierungen hat. In diesem Becken befinden sich un-<br />

ter der Oberfläche Plattformen, die unsichtbar sind. Die Mäuse werden trainiert, selbst-<br />

ständig diese Plattformen zu finden und sich deren Position zu merken. Siehe dazu:<br />

http://www.watermaze.org/.<br />

61 Dieses Phänomen stellt eine lang andauernde Verstärkung der synaptischen Übertra-<br />

gung dar.<br />

62 Tetrazyklin ist ein antibiotischer Stoff, der die bakterielle Proteinsynthese und das<br />

bakterielle Wachstum hemmt.<br />

al. 1999; Ohno et al. 2001; vgl. zu anderen transgenen Manipulationen<br />

auch Kida et al. 2002). Die dritte Generation basiert<br />

auf der Nutzung der chemischen Regulation von Proteinen (wie<br />

Kinasen) und eröffnet neue Möglichkeiten in der Erforschung<br />

neuronaler Plastizität (Wang et al. 2003). Heutzutage zielt die Forschung<br />

darauf ab, gentechnische Verfahren mit einer verfeinerten<br />

räumlichen und temporalen Kontrolle – mit Blick auf spezifische<br />

Neuronen – zu entwickeln (Zhang et al. 2007). Insgesamt haben<br />

die Forschungen mit transgenen und Knockout-Mutanten auch<br />

gezeigt, dass die bei der Verbesserung von Lernmechanismen involvierten<br />

Mutationen sehr vielfältig sind (siehe Tabelle 1 in Lee<br />

und Silva 2009).<br />

Allerdings zeigen sich bei diesen Tiermodellen auch einige<br />

Probleme, insbesondere hinsichtlich der Nebenwirkungen von<br />

Veränderungen kognitiver Fähigkeiten. Die «doogie mouse» litt<br />

unter chronischen Schmerzen, und die Hras-transgene Maus entwickelte<br />

schnell eine Form von Krebs (Lehrer 2009). Überdies<br />

muss eine Verbesserung des Gedächtnisses nicht immer von Vorteil<br />

sein. Man denke bspw. an traumatische Erfahrungen oder an<br />

die Berichte über Menschen mit einem extrem guten Gedächtnis,<br />

die unter Überforderung durch ein Übermaß an detaillierten Erinnerungen<br />

litten (und bspw. sprachliche Bilder nicht verstehen<br />

oder auch Gesichter von langjährigen Bekannten zuweilen nicht<br />

erkennen konnten; vgl. für einen bekannten Fall: Lehrer 2009).<br />

Die «doogie mouse» lernte sehr schnell, aber sie entwickelte Angstreaktionen<br />

gegenüber relativ harmlosen Reizen, was für eine<br />

Wildmaus ein starker Nachteil wäre (Lehrer 2009). Eine ähnlich<br />

wie die «doogie mouse» modifizierte Maus ist ebenfalls anfälliger<br />

für Stress als ihre nicht veränderten Artgenossen (Malleret et<br />

al .2001).<br />

Eine potenzielle, kontrovers diskutierte Modifikation tierischer<br />

Fähigkeiten, die von einigen als eine Möglichkeit der Verbesserung<br />

von Tieren zu deren Vorteil angesehen wird, ist die Herstellung<br />

leidens- oder empfindungsunfähiger Tiere. Die Diskussion<br />

über derartige potenzielle Modifikationen hat sich im Rahmen<br />

der philosophischen und tierethischen Debatte über die Vertretbarkeit<br />

gentechnischer Eingriffe entwickelt und insbesondere<br />

solcher, die tierische Eigenschaften radikal verändern und reduzieren<br />

(3.3.2). Versuche in dieser Richtung haben in der neurolo-<br />

62 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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