Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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01.11.2012 Aufrufe

dass diese menschlichen Stammzellen in einer besonderen Gehirnregion der Maus bleiben, sich dort weiter entwickeln und dann in andere Regionen migrieren können (Tamaki et al. 2002). Bereits im Jahr 2002 fragte der Leiter der Gruppe, die diese Untersuchung durchführte, nach der ethischen Vertretbarkeit eines geplanten Experiments. Er wollte menschliche neuronale Zellen in das Gehirn einer besonderen Mauslinie transplantieren, die aufgrund eines Defekts nur einige Tage nach der Geburt überleben kann, weil fast alle ihre Neuronen absterben. Daraufhin wurde eine Gruppe aus Ethikexperten gebildet, die 2002 zu dem Ergebnis kam, dass dieses Experiment vertretbar sei (Greely et al. 2007). Es wurde allerdings aus anderen Gründen dann nie durchgeführt. Derselbe Forscher ist auch durch die Idee bekannt geworden, eine Maus mit einem Gehirn herzustellen, das nur aus menschlichen Neuronen besteht, die sog. «Stuart Little»-Maus (Langton 2005). Soweit ersichtlich existiert aber ein solches Modell bis heute nicht. Auch für die Forschung zu Parkinson und Hirnschlag werden menschliche Neuronen oder neuronale Stammzellen in Tiermodellen verwendet (Cai et al. 2009; Darsalia, Kallur und Kokaia 2007; Pruszak und Isacson 2009; vgl. Wernig et al. 2008; O’Keeffe et al. 2008). Zudem werden transgene Mäuse als Modelle für die Transplantation von neuronalen Stammzellen auf menschliche fötale Gewebe genutzt (Thompson und Björklund 2009). Solche Experimente werden mit dem Ziel der Beobachtung und Erforschung der Eigenschaften von Neuronen oder neuronaler Vorläuferzellen durchgeführt, also nicht zur Herstellung von Lebewesen mit veränderten Eigenschaften. Eine Verbesserung des Zustands der Tiere kann hier eintreten, es handelt sich aber wiederum nur um Tiere, die bestimmte Symptome menschlicher Krankheiten zeigen, oft aufgrund vorheriger, gezielter «Verschlechterungen». Ein interessanter Fall sind Experimente, bei denen Material aus Wachteln in Hühnerhirne transplantiert und danach festgestellt wurde, dass diese Hühner einige für Wachteln spezifische Verhaltensweisen zeigten (Balaban 1997; Long et al. 2001; vgl. Balaban 2005). Auf dieses Experiment wird häufiger verwiesen (bspw. in Hüsing et al. 2001, dort Kap. 8.4.4), wenn es um die Frage geht, ob bei der zellulären Xenotransplantation eventuell Transfers von Persönlichkeitsmerkmalen stattfinden können. Hinsichtlich des «Animal Enhancement» ist dieses Experiment aber auch unabhängig davon Interesse, da sich hier eine Möglichkeit der Ausstattung von Tieren mit neuen Fähigkeiten zeigt. 2.1.7 Neuropharmakologie und Hirnforschung Die Geschichte der modernen Neuropharmakologie beginnt zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit den neuen Erkenntnissen über die Arbeitsweise des Nervensystems. Vor der Identifizierung der Neurotransmitter (wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin) in den 1950er Jahren wurden Medikamente, die Effekte auf das Nervensystem hatten, allerdings verabreicht, ohne die Korrelation zwischen Substanz und Nervensystem zu kennen. Dies änderte sich dann mit der Entwicklung neuer neurochemischer Messverfahren, und die Voltage-clamp-Methode (Methode der geklemmten Spannung) ermöglichte die Analyse der Ionenkanäle und der Nervenaktionspotentiale. Zur Erforschung neuropsychiatrischer Krankheiten werden heute sehr viele –insbesondere auch transgene – Tiermodelle hergestellt (Bannermann et al. 2006). Auch die Forschung zu Wirkstoffen für kognitives «Enhancement» sowie zu den Effekten von Psychopharmaka auf gesunde Menschen gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung (Galert et al. 2009). Eine Voraussetzung dafür ist der Umstand, dass die Untersuchung von Lernmechanismen beim Menschen für die Erforschung vieler weitverbreiteter Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Schizophrenie relevant ist. Obwohl über ihre Wirksamkeit und Sicherheit bisher wenig bekannt ist, werden einige Substanzen bereits als mögliche Neuro-Enhancement-Mittel gehandelt 59 , und die Forschung zu solchen Mitteln nimmt zu (Lee und Silva 2009). Transgene Tiermodelle, die bestimmte Symptome menschlicher neurologischer Krankheiten oder Störungen nachahmen, werden hergestellt, um die Mechanismen der jeweiligen Krankheit oder Störung zu verstehen, Hypothesen über ihre genetische Basis zu prüfen und um neue Medikamente zu testen. Ein Beispiel ist hier die bereits erwähnte Stathmin-Knock-out-Maus (siehe 2.1.1), eine der als «furchtlose Maus» bezeichneten Tiere, die als Modelle für Angst und Panikattacken genutzt werden (Shumyatsky et al. 2005). 59 Vgl. Repantis (2009); siehe auch den knappen Überblick in Coenen et al. (2009). 60 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie 61

dass diese menschlichen Stammzellen in einer besonderen Gehirnregion<br />

der Maus bleiben, sich dort weiter entwickeln und dann in<br />

andere Regionen migrieren können (Tamaki et al. 2002). Bereits<br />

im Jahr 2002 fragte der Leiter der Gruppe, die diese Untersuchung<br />

durchführte, nach der ethischen Vertretbarkeit eines geplanten Experiments.<br />

Er wollte menschliche neuronale Zellen in das Gehirn<br />

einer besonderen Mauslinie transplantieren, die aufgrund eines<br />

Defekts nur einige Tage nach der Geburt überleben kann, weil<br />

fast alle ihre Neuronen absterben. Daraufhin wurde eine Gruppe<br />

aus Ethikexperten gebildet, die 2002 zu dem Ergebnis kam, dass<br />

dieses Experiment vertretbar sei (Greely et al. 2007). Es wurde<br />

allerdings aus anderen Gründen dann nie durchgeführt. Derselbe<br />

Forscher ist auch durch die Idee bekannt geworden, eine Maus mit<br />

einem Gehirn herzustellen, das nur aus menschlichen Neuronen<br />

besteht, die sog. «Stuart Little»-Maus (Langton 2005). Soweit ersichtlich<br />

existiert aber ein solches Modell bis heute nicht. Auch für<br />

die Forschung zu Parkinson und Hirnschlag werden menschliche<br />

Neuronen oder neuronale Stammzellen in Tiermodellen verwendet<br />

(Cai et al. 2009; Darsalia, Kallur und Kokaia 2007; Pruszak und<br />

Isacson 2009; vgl. Wernig et al. 2008; O’Keeffe et al. 2008). Zudem<br />

werden transgene Mäuse als Modelle für die Transplantation von<br />

neuronalen Stammzellen auf menschliche fötale Gewebe genutzt<br />

(Thompson und Björklund 2009).<br />

Solche Experimente werden mit dem Ziel der Beobachtung und<br />

Erforschung der Eigenschaften von Neuronen oder neuronaler<br />

Vorläuferzellen durchgeführt, also nicht zur Herstellung von Lebewesen<br />

mit veränderten Eigenschaften. Eine Verbesserung des Zustands<br />

der Tiere kann hier eintreten, es handelt sich aber wiederum<br />

nur um Tiere, die bestimmte Symptome menschlicher Krankheiten<br />

zeigen, oft aufgrund vorheriger, gezielter «Verschlechterungen».<br />

Ein interessanter Fall sind Experimente, bei denen Material aus<br />

Wachteln in Hühnerhirne transplantiert und danach festgestellt<br />

wurde, dass diese Hühner einige für Wachteln spezifische Verhaltensweisen<br />

zeigten (Balaban 1997; Long et al. 2001; vgl. Balaban<br />

2005). Auf dieses Experiment wird häufiger verwiesen (bspw. in<br />

Hüsing et al. 2001, dort Kap. 8.4.4), wenn es um die Frage geht, ob<br />

bei der zellulären Xenotransplantation eventuell Transfers von Persönlichkeitsmerkmalen<br />

stattfinden können. Hinsichtlich des «Animal<br />

Enhancement» ist dieses Experiment aber auch unabhängig<br />

davon Interesse, da sich hier eine Möglichkeit der Ausstattung von<br />

Tieren mit neuen Fähigkeiten zeigt.<br />

2.1.7 Neuropharmakologie und Hirnforschung<br />

Die Geschichte der modernen Neuropharmakologie beginnt zu<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts mit den neuen Erkenntnissen über<br />

die Arbeitsweise des Nervensystems. Vor der Identifizierung der<br />

Neurotransmitter (wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin)<br />

in den 1950er Jahren wurden Medikamente, die Effekte auf das<br />

Nervensystem hatten, allerdings verabreicht, ohne die Korrelation<br />

zwischen Substanz und Nervensystem zu kennen. Dies änderte<br />

sich dann mit der Entwicklung neuer neurochemischer Messverfahren,<br />

und die Voltage-clamp-Methode (Methode der geklemmten<br />

Spannung) ermöglichte die Analyse der Ionenkanäle und der<br />

Nervenaktionspotentiale.<br />

Zur Erforschung neuropsychiatrischer Krankheiten werden<br />

heute sehr viele –insbesondere auch transgene – Tiermodelle hergestellt<br />

(Bannermann et al. 2006). Auch die Forschung zu Wirkstoffen<br />

für kognitives «Enhancement» sowie zu den Effekten von<br />

Psychopharmaka auf gesunde Menschen gewinnt in diesem Zusammenhang<br />

an Bedeutung (Galert et al. 2009). Eine Voraussetzung<br />

dafür ist der Umstand, dass die Untersuchung von Lernmechanismen<br />

beim Menschen für die Erforschung vieler weitverbreiteter<br />

Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Schizophrenie<br />

relevant ist. Obwohl über ihre Wirksamkeit und Sicherheit bisher<br />

wenig bekannt ist, werden einige Substanzen bereits als mögliche<br />

Neuro-Enhancement-Mittel gehandelt 59 , und die Forschung zu<br />

solchen Mitteln nimmt zu (Lee und Silva 2009). Transgene Tiermodelle,<br />

die bestimmte Symptome menschlicher neurologischer<br />

Krankheiten oder Störungen nachahmen, werden hergestellt, um<br />

die Mechanismen der jeweiligen Krankheit oder Störung zu verstehen,<br />

Hypothesen über ihre genetische Basis zu prüfen und um neue<br />

Medikamente zu testen. Ein Beispiel ist hier die bereits erwähnte<br />

Stathmin-Knock-out-Maus (siehe 2.1.1), eine der als «furchtlose<br />

Maus» bezeichneten Tiere, die als Modelle für Angst und Panikattacken<br />

genutzt werden (Shumyatsky et al. 2005).<br />

59 Vgl. Repantis (2009); siehe auch den knappen Überblick in <strong>Coenen</strong> et al. (2009).<br />

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