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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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wichtiges Kerngebiet des Gehirns. Solche Mäuse haben ein reduziertes<br />

Gedächtnis in Bezug auf (in der Amygdala kontrollierte)<br />

Angsterfahrungen. Sie können daher gefährliche Situationen mangels<br />

angeborener Mechanismen nicht erkennen. Nicht auf diese<br />

Weise modifizierte Mäuse wurden mit den Stathmin-Knockout-<br />

Mäusen verglichen, indem beide Gruppen zunächst konditioniert<br />

wurden, einen elektrischen Schock mit einem besonderen Ton zu<br />

assoziieren, und danach nur den Ton zu hören bekamen. Während<br />

sich die nichtmodifizierten Mäuse beim Hören des Tons deutlich<br />

ängstlich verhielten, zeigten die Knock-out-Modellen weit weniger<br />

starke Reaktionen. Im Jahr 2007 stellten Wissenschaftler der<br />

Universität Tokio dann transgene Mäuse her, deren Riechsystem<br />

so verändert wurde, dass sie über keine angeborenen Mechanismen<br />

in Bezug auf schlechte oder gefährliche Gerüche verfügen.<br />

Im Internet zirkuliert ein Video, in dem eine solche Maus sich<br />

einer Katze nähert und sich sogar an sie anschmiegt (Kobayakawa<br />

et al. 2007). 31 Auch dieses als «furchtlose Maus» bekannte Modell<br />

zeigt aber kein «Enhancement» im Sinn einer tatsächlichen<br />

Angstüberwindung, sondern es handelt sich lediglich um eine veränderte<br />

Reaktion auf Gerüche. Zudem lässt sich fragen, ob es sich<br />

beim Ausschalten von Angst überhaupt um eine Verbesserung<br />

handelt, da Angstmechanismen unter normalen Bedingungen von<br />

entscheidender Bedeutung für das Überleben sind. Die Forscher<br />

versprechen sich von diesen Modellen neue Erkenntnisse zur Behandlung<br />

menschlicher psychischer Störungen wie Panikattacken<br />

oder das posttraumatische Stresssyndrom sowie neue Einblicke in<br />

Angstmechanismen. Nach Ansicht des koreanischen Genetikers<br />

Kim Dae-soo zeigrn diese Experimente, dass sich diese transgenen<br />

Mäuse nicht deshalb vor Katzen fürchten, weil diese ihre<br />

natürlichen Feinde sind, sondern aufgrund spezieller Netzwerke<br />

im Gehirn, die sich eventuell kontrollieren lassen (Fox News 2007).<br />

Es findet eine Entkoppelung der Angstreaktion von einem natürlichen<br />

Schlüsselreiz statt.<br />

In jüngerer Zeit wird in wissenschaftlichen Publikationen zunehmend<br />

von «humanisierten» Tiermodellen (vor allem Mäusen)<br />

gesprochen, womit gentechnisch veränderte Tiere gemeint sind, in<br />

deren Genom menschliche Gene eingeführt worden sind (vgl. zum<br />

31 Siehe: http://www.youtube.com/watch?v=UJP8HKDfB7c.<br />

Folgenden bspw. Ahrens und Peter 2008; Hims et al. 2007). Die<br />

Humanisierung der Tiermodelle kann dabei bereits durch kleine<br />

Veränderungen stattfinden, wie bei Tiermodellen, bei denen<br />

ein einziger Aminosäureaustausch in einem Oberflächenprotein<br />

(Willebrand factor) von Mäuseblutgefäßen dazu führt, dass injizierte<br />

menschliche Blutplättchen bei induzierter Verletzung einen<br />

Blutpropf bilden können. Teilweise werden auch ganze Genloci<br />

ausgetauscht, insbesondere um deren Wirkung zu erforschen. Von<br />

diesen Tiermodellen erhofft man sich wiederum bspw. eine bessere<br />

Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen (Macchiarini et<br />

al. 2005; Shultz et al. 2007; vgl. 2.1.5) – also keine direkte «Verbesserung»<br />

der Tiere im Sinne eines «Enhancement». Die «Humanisierung»<br />

von Tieren bzw. die progressive Einführung menschlicher<br />

Genkonstrukte ins tierische Genom ist Gegenstand einer ethischen<br />

Kontroverse zur Chimärenbildung (3.3.4), und sie verdient als ein<br />

Hintergrundaspekt der Enhancement-Debatte Beachtung.<br />

Ein weiteres bekanntes Beispiel eines gentechnisch veränderten<br />

Tiermodells ist die sog. «Nacktmaus», die so heißt, weil sie keine<br />

Körperbehaarung hat. Es handelt sich um eine Knock-Out-Mutante,<br />

bei der das FOXN1-Gen manipuliert wurde. Solche Mäuse<br />

wurden früher auch mittels einer spontanen Mutation dieses<br />

Gens gezüchtet, also ohne eine gentechnische Veränderung. Sie<br />

haben keinen Thymus 32 und damit ein sehr stark eingeschränktes<br />

Immunsystem. Aus diesem Grund sind bei der Haltung dieser<br />

Mäuse spezielle Maßnahmen erforderlich, wie die Einrichtung einer<br />

pathogenfreien Umgebung oder auch die Verabreichung von<br />

Medikamenten (Mecklenburg et al. 2005). Solche Mäuse sind<br />

zudem wegen des Mangels an Haaren weniger attraktiv für ihre<br />

Artgenossen (Zhang et al. 2010). Menschen, die eine Mutation in<br />

diesem Gen aufweisen, sind ebenfalls athymisch und haben Probleme<br />

mit ihrem Immunsystem. Dieses Mausmodell ist auch im<br />

Rahmen der Xenotransplantationsforschung von Bedeutung, weil<br />

die Abstoßungsreaktion von Fremdgeweben vermindert ist. Bilder<br />

solcher Mäuse haben öffentliche Aufmerksamkeit erregt und eine<br />

ethische Kontroverse ausgelöst, ob es sich hier nicht um eine Art<br />

von Qualzucht handele. Dieses Tiermodell ist ein hervorstechen-<br />

32 Ein Organ des lymphatischen Systems der Wirbeltiere, das notwendig für eine nor-<br />

male Entwicklung des Immunsystems ist.<br />

44 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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