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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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Versuchstierkunde der Begriff des Environmental Enrichment<br />

durchgesetzt, der alle Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen<br />

und zur aktiven Förderung des tierischen<br />

Wohlergehens umfasst, wie bspw. Beschäftigungsmaterialien oder<br />

Konstruktionen zur Förderung artspezifischen Verhaltens. Dafür<br />

werden auch Auszeichnungen vergeben, wie bspw. die «Animal<br />

Enhancement awards» vom John Hopkins Center for Alternatives<br />

to Animal Testing. 9<br />

Vor kurzem hat Shiranee Pereira, eine indische Wissenschaftlerin,<br />

die Einführung eines vierten «R» für Rehabilitation vorgeschlagen.<br />

Nach diesem Prinzip sollen die Kosten der Nachsorge und der Rehabilitation<br />

der Tiere nach den Experimenten einen Teil der Forschungskosten<br />

bilden (Pereira und Tettamanti 2005). 10<br />

Die Ergebnisse ethologischer Untersuchungen sind auch nützlich<br />

für alle anderen Umgebungen, in denen Tiere gehalten werden,<br />

insbesondere in Zoos (vgl. Bekoff et al. 2002). Für Menschenaffen<br />

existiert in einigen Ländern (wie Großbritannien, Neuseeland, Österreich<br />

und Schweden) das Verbot der Durchführung von Versuchen.<br />

11<br />

Es wird kontrovers diskutiert, ob eine angereicherte Haltung mit<br />

Environmental Enrichment zur Erhöhung der Variabilität der Versuchsergebnisse<br />

führt und damit problematisch sein kann (dazu Tsai<br />

et al. 2002) oder ob im Gegenteil die systematische Variation von<br />

Umweltbedingungen bei Tierversuchen zu aussagekräftigeren und<br />

besser reproduzierbaren Ergebnissen führt (Würbel und Garner<br />

2007; Richter et al. 2009; Hamm 2009; Herrmann und Ratsch 2010).<br />

Trotz solcher Kontroversen hat sich weitgehend die Idee durchgesetzt,<br />

dass verbesserte Haltungsbedingungen zu guter Wissenschaft<br />

gehören, weil andere Umwelteinflüsse, die auf das Versuchstier einwirken<br />

wie Tierpfleger, Geräusche Gerüche, Experimentator usw.<br />

9 Siehe: http://caat.jhsph.edu/programs/awards/AWE/index.htm.<br />

10 Dieses Prinzip versteht sie als Erweiterung eines im Jahr 1960 in Indien in Kraft<br />

getretenen Gesetzes, nach dem das Tier vor, während und nach dem Experiment keinen<br />

unnötigen Schmerzen, Leiden und Schäden ausgesetzt werden darf.<br />

11 In der Diskussion zu diesem Thema wird auch von einigen Autoren die Forderung er-<br />

hoben, den Menschenaffen (oder auch anderen Tieren wie Delphinen) spezielle, an die<br />

Menschenrechte angelehnte Rechte zuzugestehen (Cavalieri und Singer 1994; White<br />

2007; s. auch http://www.greatapeproject.org).<br />

ebenfalls Störfaktoren darstellen, was sich bspw. auch in den europäischen<br />

Leitlinien für die Unterbringung und Pflege von Tieren,<br />

die für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendet<br />

werden, niedergeschlagen hat (Europäische Kommission 2007).<br />

Obwohl sich im Laufe der Zeit Mindeststandards, wie zum<br />

Beispiel humane endpoints 12 bei der experimentellen Nutzung,<br />

entwickelt haben, ist in vielen Fällen ein Konflikt zwischen Interessen<br />

des Labortieres und dem wissenschaftlichem Zweck des<br />

Experiments nicht zu vermeiden. Generell werden im Experiment<br />

Tiere für wissenschaftliche Zwecke verwendet, und diese Zwecke<br />

bestimmen damit den Sinn ihrer Nutzung. Dieser Konflikt<br />

existiert auch innerhalb der 3R-Prinzipien selbst (vgl. AnimAl.<br />

See 2004), insbesondere zwischen Verfeinerung (Refinement) und<br />

Verminderung (Reduction). Es können sich Fälle ergeben, in denen<br />

die Reduzierung der Zahl der genutzten Tiere in einem einzelnen<br />

Experiment dazu führt, dass mehrere Versuche notwendig werden,<br />

sodass die Gesamtzahl der verwendeten Tiere sich erhöht. 13<br />

2.1.2 Grundlagenforschung und Erforschung von Krankheiten<br />

Das Gebiet biologisch-medizinischer Grundlagenforschung ist das<br />

breiteste Einsatzgebiet von Tiermodellen und strebt, wie der Name<br />

schon sagt, danach, die Grundlagen biologischer Mechanismen<br />

zu erklären, was dann für spezifische Anwendungen nützlich ist.<br />

Wissenschaftstheoretisch wird die Existenz einer scharfen Linie<br />

zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung schon länger<br />

immer wieder bestritten. Die Kontroverse erlangt aber im Fall der<br />

12 Hier handelt es sich um Abbruchkriterien des Experiments. In festgelegten Momen-<br />

ten, die dann je nach Versuch variieren können, muss das Experiment unterbrochen und<br />

das Tier getötet werden, um erhebliche unnötige Belastungen zu vermeiden.<br />

13 Dieser Konflikt ist von besonderer Bedeutung im Fall von gentechnisch veränderten<br />

Tiermodellen. Da ein gentechnisch verändertes Tiermodell besondere phänotypische<br />

Merkmale zeigen kann, die sich von denen einer ursprünglichen Tierart unterscheiden,<br />

stellt ein solches Tiermodell quasi «eine Art an sich» dar (Falkner et al. 1997; Salomon<br />

et al. 2001). Für eine genaue Bestimmung der Bedürfnisse dieser Modelle wäre dann<br />

die Züchtung von weiteren Tieren dieser neuen Art notwendig, um mehr über deren<br />

artgerechte Tierhaltung in Erfahrung zu bringen (Van der Meer 2001; Robinson et al.<br />

2003; vgl. <strong>Ferrari</strong> 2008).<br />

34 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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