Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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01.11.2012 Aufrufe

io, info, cogno), sollen Nanotechnologien, Biotechnologien, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Neurotechnologien (einschließlich der relevanten Wissenschaften wie bspw. die Kognitionswissenschaft) konvergieren. Diese Konvergenz soll radikal neue Möglichkeiten eröffnen, wobei in dem genannten Bericht (Roco und Bainbridge 2002) die Verbesserung menschlicher performance fokussiert wird. Nanotechnologien und -wissenschaften stellen demnach die für die Konvergenz erforderlichen Schlüsselkompetenzen bereit. Da die nanotechno logischen Analyse- und Manipulationsverfahren im Prinzip überall anwendbar sein sollen, könnte eine gezielte Manipulation auf atomarer und molekularer Ebene die Verbindungen zwischen den Technikbereichen herstellen, aber auch zwischen lebenden und technischen Systemen. Letztlich, so die Vorstellung der Promotoren, sei es für den nanotechnologischen Zugriff unerheblich, ob ein Bestandteil eines Steins oder einer Zelle nanotechnologisch untersucht oder manipuliert wird. Insofern kommt der Nanotechnologie in der Konvergenzhypothese eine besondere Bedeutung zu. Die Vorstellung, dadurch die Grenzen zwischen technischen Systemen und lebenden Organismen überschreiten zu können, lebende Systeme bzw. einzelne ihrer Funktionen technisch nachzubauen oder neue erfinden zu können (wie dies die Synthetische Biologie anstrebt, vgl. Boldt, Müller und Maio 2009), betrifft selbstverständlich auch den Tierbereich. Die Nutzung entsprechender Wissensbestände und von technischem Können ist dort genauso möglich wie am Menschen, wobei im Fall von Tieren zudem ein anderer moralischer Status vorliegt. Durch Tierexperimente (Kap. 2.1) werden vielfach Verfahren einer «technischen Verbesserung» des Menschen erprobt. Bei der Untersuchung des Entwicklungsstandes beim Einsatz konvergierender Technologien an Tieren erwies sich der starke Begriff von NBIC-Konvergenz als wenig hilfreich, also das Konzept einer Konvergenz aller vier genannten Disziplinen. In diesem Bericht wird die NBIC-Konvergenz also als ein Prozess verstanden, bei dem die volle NBIC-Konvergenz vor allem eine Zukunftsperspektive darstellt. Relevante Tendenzen sind hier bspw. die Anreicherung der molekularbiologischen Forschung und Technik mit neurophysiologischen Methoden und die Verbindung von Informations- und Kommunikationstechnologien mit genetischen Verfah- ren. Beim «Animal Enhancement», und dies ist eine wesentliche Hypothese dieses Berichts, findet ein «evolutionärer» Prozess statt, in dem bisherige «Verbesserungstechniken» unter Zuhilfenahme neuer, konvergenztechnologischer Verfahren und Erkenntnisse weiterentwickelt werden. Die Konvergenz ist hier kein revolutionärer Sprung in eine andere Dimension der Möglichkeiten des «Verbesserns» hinein, sondern erwächst aus der Basis bereits eingeführter Technologien der menschlichen Veränderung von Tieren. 1.5 Spannungsfelder, Kontroversen und Forschungsfragen Das «Animal Enhancement» wirft prinzipielle Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Tier auf. Diese sind in der Regel – anders als manche Fragen beim «Human Enhancement» – nicht völlig neu, sondern haben, wie die technischen Veränderungen von Tieren durch Menschen, eine lange Tradition. Es sind weniger radikale Umbrüche und Paradigmenwechsel durch die Nutzung der konvergierenden Technologien zu erwarten als vielmehr graduelle Verschiebungen und neue Akzentuierungen – die möglicherweise unbemerkt und schleichend vor sich gehen könnten, ohne dass eine ethische Reflexion und gesellschaftliche Verständigung über diese Entwicklungen erfolgt. Es ist daher ein dringliches Anliegen, die Selbstaufklärung der Gesellschaft in Bezug auf den veränderten Umgang mit Tieren zu befördern. Dazu soll dieser Bericht vor allem beitragen. Das «Animal Enhancement» ist, anders als das «Human Enhancement», kulturell und historisch nicht ungewöhnlich. Die Domestizierung von Wildtieren und ihre Weiterentwicklung durch Züchtung und Haltung lassen sich ebenfalls als «Verbesserungen» relativ zu menschlichen Zwecksetzungen verstehen. Das Muster ist also durchaus vertraut. Daher stellt sich die Frage, warum dieser Prozess nun auf einmal Anlass für ein Innehalten und für ethische Überlegungen sein sollte. Der Grund dürfte einerseits darin liegen, dass die Geschwindigkeit, mit der Tiere heute an menschliche Nutzungsinteressen angepasst werden, aufgrund wissenschaftlichtechnischer Verfahren wie der Gentechnik, aber auch aufgrund der ökonomischen Zwänge der industrialisierten Landwirtschaft erheblich gestiegen ist. Erhebliche Veränderungen von Tieren dau- 26 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie 27

io, info, cogno), sollen Nanotechnologien, Biotechnologien,<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Neurotechnologien<br />

(einschließlich der relevanten Wissenschaften wie<br />

bspw. die Kognitionswissenschaft) konvergieren. Diese Konvergenz<br />

soll radikal neue Möglichkeiten eröffnen, wobei in dem genannten<br />

Bericht (Roco und Bainbridge 2002) die Verbesserung<br />

menschlicher performance fokussiert wird. Nanotechnologien und<br />

-wissenschaften stellen demnach die für die Konvergenz erforderlichen<br />

Schlüsselkompetenzen bereit. Da die nanotechno logischen<br />

Analyse- und Manipulationsverfahren im Prinzip überall anwendbar<br />

sein sollen, könnte eine gezielte Manipulation auf atomarer<br />

und molekularer Ebene die Verbindungen zwischen den Technikbereichen<br />

herstellen, aber auch zwischen lebenden und technischen<br />

Systemen. Letztlich, so die Vorstellung der Promotoren, sei es für<br />

den nanotechnologischen Zugriff unerheblich, ob ein Bestandteil<br />

eines Steins oder einer Zelle nanotechnologisch untersucht oder<br />

manipuliert wird. Insofern kommt der Nanotechnologie in der<br />

Konvergenzhypothese eine besondere Bedeutung zu.<br />

Die Vorstellung, dadurch die Grenzen zwischen technischen Systemen<br />

und lebenden Organismen überschreiten zu können, lebende<br />

Systeme bzw. einzelne ihrer Funktionen technisch nachzubauen<br />

oder neue erfinden zu können (wie dies die Synthetische Biologie<br />

anstrebt, vgl. Boldt, Müller und Maio 2009), betrifft selbstverständlich<br />

auch den Tierbereich. Die Nutzung entsprechender Wissensbestände<br />

und von technischem Können ist dort genauso möglich<br />

wie am Menschen, wobei im Fall von Tieren zudem ein anderer<br />

moralischer Status vorliegt. Durch Tierexperimente (Kap. 2.1)<br />

werden vielfach Verfahren einer «technischen Verbesserung» des<br />

Menschen erprobt.<br />

Bei der Untersuchung des Entwicklungsstandes beim Einsatz<br />

konvergierender Technologien an Tieren erwies sich der starke<br />

Begriff von NBIC-Konvergenz als wenig hilfreich, also das Konzept<br />

einer Konvergenz aller vier genannten Disziplinen. In diesem<br />

Bericht wird die NBIC-Konvergenz also als ein Prozess verstanden,<br />

bei dem die volle NBIC-Konvergenz vor allem eine Zukunftsperspektive<br />

darstellt. Relevante Tendenzen sind hier bspw. die Anreicherung<br />

der molekularbiologischen Forschung und Technik mit<br />

neurophysiologischen Methoden und die Verbindung von Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien mit genetischen Verfah-<br />

ren. Beim «Animal Enhancement», und dies ist eine wesentliche<br />

Hypothese dieses Berichts, findet ein «evolutionärer» Prozess statt,<br />

in dem bisherige «Verbesserungstechniken» unter Zuhilfenahme<br />

neuer, konvergenztechnologischer Verfahren und Erkenntnisse<br />

weiterentwickelt werden. Die Konvergenz ist hier kein revolutionärer<br />

Sprung in eine andere Dimension der Möglichkeiten des<br />

«Verbesserns» hinein, sondern erwächst aus der Basis bereits eingeführter<br />

Technologien der menschlichen Veränderung von Tieren.<br />

1.5 Spannungsfelder, Kontroversen und Forschungsfragen<br />

Das «Animal Enhancement» wirft prinzipielle Fragen nach dem<br />

Verhältnis von Mensch und Tier auf. Diese sind in der Regel –<br />

anders als manche Fragen beim «Human Enhancement» – nicht<br />

völlig neu, sondern haben, wie die technischen Veränderungen von<br />

Tieren durch Menschen, eine lange Tradition. Es sind weniger radikale<br />

Umbrüche und Paradigmenwechsel durch die Nutzung der<br />

konvergierenden Technologien zu erwarten als vielmehr graduelle<br />

Verschiebungen und neue Akzentuierungen – die möglicherweise<br />

unbemerkt und schleichend vor sich gehen könnten, ohne dass eine<br />

ethische Reflexion und gesellschaftliche Verständigung über diese<br />

Entwicklungen erfolgt. Es ist daher ein dringliches Anliegen, die<br />

Selbstaufklärung der Gesellschaft in Bezug auf den veränderten<br />

Umgang mit Tieren zu befördern. Dazu soll dieser Bericht vor<br />

allem beitragen.<br />

Das «Animal Enhancement» ist, anders als das «Human Enhancement»,<br />

kulturell und historisch nicht ungewöhnlich. Die Domestizierung<br />

von Wildtieren und ihre Weiterentwicklung durch<br />

Züchtung und Haltung lassen sich ebenfalls als «Verbesserungen»<br />

relativ zu menschlichen Zwecksetzungen verstehen. Das Muster ist<br />

also durchaus vertraut. Daher stellt sich die Frage, warum dieser<br />

Prozess nun auf einmal Anlass für ein Innehalten und für ethische<br />

Überlegungen sein sollte. Der Grund dürfte einerseits darin liegen,<br />

dass die Geschwindigkeit, mit der Tiere heute an menschliche<br />

Nutzungsinteressen angepasst werden, aufgrund wissenschaftlichtechnischer<br />

Verfahren wie der Gentechnik, aber auch aufgrund<br />

der ökonomischen Zwänge der industrialisierten Landwirtschaft<br />

erheblich gestiegen ist. Erhebliche Veränderungen von Tieren dau-<br />

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