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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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4. Animal Enhancement – zusammenfassende Thesen<br />

Aus dem Überblick über relevante Entwicklungen und Tendenzen<br />

im Bereich des «Animal Enhancement» lässt sich bereits ersehen,<br />

dass von «Verbesserung» in Bezug auf Tiere in einem deutlich<br />

unterschiedlichen Sinn als in Bezug auf «Human Enhancement»<br />

gesprochen wird – und geredet werden sollte. Die Nutzung von Tieren<br />

für menschliche Zwecke ist der entscheidende Faktor, der die<br />

wissenschaftlich-technischen Interventionen in Tiere grundlegend<br />

bestimmt und vor dessen Hintergrund das «Animal Enhancement»<br />

stattfindet und bewertet werden muss. Gerade in der Nutzung von<br />

Versuchstieren bleibt das advokatorisch verstandene «Interesse»<br />

der Tiere und seine Rolle in den Bewertungen unterbestimmt.<br />

Der Begriff «Enhancement» ist reich an Bedeutungen und<br />

wird auch in Bezug auf den Menschen unterschiedlich verstanden.<br />

Dennoch gibt es in der Diskussion eine starke Tendenz, diesen<br />

Begriff positiv zu verstehen. Schon die Herkunft der Debatte aus<br />

den Diskussionen zur Anwendung von Biotechnologien im reproduktiven<br />

Bereich und in Bereichen wie der ästhetischen Chirurgie<br />

(Parens 1998; vgl. Bostrom und Savalescu 2009) zeigt deutlich,<br />

dass es hier um das Interesse des Patienten bzw., allgemeiner,<br />

des an der Verbesserung seines Lebens interessierten Menschen<br />

geht. Kritisch betrachtet werden dann Faktoren wie bswp. sozialer<br />

Anpassungsdruck, die Tendenz der Medikalisierung der Gesellschaft<br />

und die Kommerzialisierung der Medizin (<strong>Coenen</strong> et al.<br />

2009; Juengst 2009; Schöne-Seifert und Talbot 2009). Dagegen<br />

ist im Bereich der Anwendungen auf Tiere zunächst gar nicht<br />

klar, welche Kriterien für die Definition des Interesses des Tiers<br />

ausschlaggebend oder gesellschaftlich konsensfähig sein können.<br />

Hier spiegeln sich also auch die grundlegenden Unterschiede im<br />

moralischen und rechtlichen Status von Menschen und Tieren<br />

sowie die Kontroversen über Tierschutz und -rechte in unserer<br />

Gesellschaft wider.<br />

Vor diesem Hintergrund erscheint es zum derzeitigen Zeitpunkt<br />

besonders relevant, den Gebrauch des Begriffs «Enhancement» zu<br />

klären, als Voraussetzung dafür, ihn dann im tierischen Bereich<br />

einzusetzen. In den aktuellen Debatten besteht dabei offensichtlich<br />

eine Spannung zwischen dem Versuch einer (zumindest scheinbar)<br />

neutralen Definition («Enhancement» als Veränderung einer<br />

Eigenschaft über das speziestypische Maß hinaus), einer explizit<br />

positiven Definition («Enhancement» als eine Steigerung, die per<br />

definitionem eine Verbesserung und gut ist) sowie einem oft nur<br />

impliziten, allgemeinen Verständnis, in das u a. eine Vielfalt von<br />

technikvisionären, utopischen und dystopischen Zukunftsbildern<br />

und -erwartungen einfließt. Durch den gewaltigen Anspruch, den<br />

Menschen und das Leben selbst zu «verbessern», sind die Debatten<br />

über «Enhancement» zugleich Teil des umfassenden Diskurses<br />

über die Rolle und den Wert von Wissenschaft und Technologie<br />

in unserem Zeitalter, auch mit Blick auf die großen globalen Probleme<br />

und Menschheitsthemen (Hunger, Krieg, soziale Ungerechtigkeit,<br />

Umweltschutz etc.).<br />

Auch das «Animal Enhancement» kann daher unterschiedlich<br />

verstanden werden, oft entsprechend den Differenzen zwischen<br />

den genannten Auffassungen. Wenn auch zuweilen (wie bspw. in<br />

S. Chan 2009) «Enhancement» als per definitionem positiv und<br />

damit – auf Basis eines angenommenen Interesse des Tiers – als<br />

moralisch geboten eingestuft wird, stellt sich tatsächlich die Aufgabe,<br />

advokatorisch (Kap. 1) das Interesse des Tieres, seine Verbesserung<br />

und die Nutzungs- und sonstigen gesellschaftlichen<br />

Kontexte eines «Animal Enhancement» als ethische und politische<br />

Fragen zu behandeln. Eine Auslegeordnung dazu kann helfen,<br />

gesellschaftlich-politische und auch Expertendiskurse zu diesen<br />

Fragen anzuleiten, diese aber selbstverständlich nicht bündig mittels<br />

ethischer Reflexion «lösen».<br />

Die Frage des «Animal Enhancement» hängt dabei auch von<br />

der Bestimmung der Rolle moderner Wissenschaft und Technik<br />

in unserer Gesellschaft ab. Die wissenschaftlich-technologische<br />

Konvergenz und (derzeit wohl mindestens noch im selben Maße)<br />

die Konvergenz von Technikvisionen – mit ihren vielfältigen, die<br />

Zukunft unserer Gesellschaft betreffenden Aspekten – sind dabei<br />

von besonderem Interesse. Dies betrifft sowohl «klassische»<br />

tierethische Fragestellungen und Probleme als auch die Wechsel-<br />

160 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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