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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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ihnen vorher gar nicht zugekommen sind (Jotterand 2008, <strong>Grunwald</strong><br />

2008, Kap. 9.3.3). Schon diese Unterscheidungen machen<br />

deutlich, wie semantisch komplex die lebensweltlich so einfach<br />

erscheinende Rede vom «Verbessern» ist.<br />

Weite Teile der Enhancement-Debatte machen semantisch<br />

keine Unterschiede zwischen diesen Alternativen, sondern versuchen<br />

ausschließlich die Grenze zwischen Heilen und Verbessern<br />

zu klären. Laut Lenk (2002) hat sich der Begriff «Enhancement»<br />

in Abgrenzung zum Therapiebegriff entwickelt und dient zur Bezeichnung<br />

pharmakologischer und technologischer Interventionen<br />

an gesunden Menschen, ausgenommen präventive Eingriffe.<br />

In diesem Sinne haben sich spezifische Begriffe entwickelt, um<br />

unterschiedliche Anwendungen zu bezeichnen: man spricht von<br />

Neuroenhancement oder von «Cognitive Enhancement» zur Bezeichnung<br />

der geplanten Verbesserung kognitiver oder psychischer<br />

Fähigkeiten und von «Gendoping» zur Verbesserung der Genaktivität,<br />

die insbesondere in der Debatte über Sport verwendet wird<br />

(siehe Gerlinger et al. 2008; vgl. WADA 2008).<br />

Die Abgrenzung zwischen Therapien als Maßnahmen, einen<br />

«normalen» Zustand wiederherzustellen, und einem darüber hinaus<br />

weisenden Verbessern dominiert als Basisunterscheidung<br />

(Mittelstrass 1974) den Begriff des «Human Enhancement», und<br />

das ist auch prima facie verständlich. Denn begrifflich und dem<br />

lebensweltlichen Verständnis entsprechend ist eine Verbesserung<br />

des Menschen kategorial verschieden von der Heilung von Krankheiten<br />

oder der Kompensation von Unfallfolgen. Jegliches Heilen<br />

ist an der regulativen Idee eines gesunden Menschen orientiert. Es<br />

wäre sonst in sich sinnlos. So zeigt bspw. der pragmatische Blick in<br />

die Praxis des ärztlichen Handelns: Ein Augenarzt «weiß», welches<br />

Sehvermögen dem eines normal-gesunden Menschen entspricht<br />

und wird keine Maßnahmen ergreifen bzw. vorschlagen, wenn<br />

ein Patient dieses Niveau erreicht. Das Heilen endet, wenn der<br />

Patient gesund ist, was auch immer dies im Einzelnen bedeuten<br />

mag, während ein Verbessern prinzipiell nie endet (s.o.). In der<br />

medizinischen Praxis dürfte recht häufig ein teils explizites, teils<br />

implizites «Wissen» über die Grenze zwischen Heilen und Verbessern<br />

das ärztliche Handeln anleiten.<br />

Dies bedeutet aber keineswegs, dass sich sozusagen ontologisch,<br />

also aufgrund objektiver Daten, ein Heilen von einem Verbessern<br />

grundsätzlich und trennscharf unterscheiden lässt. Denn die ärztliche<br />

Urteilskraft in Bezug auf diese Unterscheidung stützt sich<br />

nicht nur auf Daten, sondern auch auf kulturell eingeübte und normative<br />

Kriterien für «Gesundheit». Dementsprechend bewegt sich<br />

ein Teil der begrifflichen Enhancement-Debatte im Spannungsfeld<br />

zwischen Normativismus und Naturalismus, indem es um die Frage<br />

geht, ob Gesundheit und Krankheit sich nur deskriptiv erfassen<br />

lassen oder ob sie immer auch normative Komponente enthalten.<br />

Viele Autoren betonen die Normativität des Gesundheits- und somit<br />

des Krankheitsbegriffes. Diese Begriffe unterliegen danach<br />

positiven oder negativen Bewertungen von Zuständen, die vom soziokulturellen<br />

Kontext abhängig sind (siehe bspw. Engelhardt 1976,<br />

1982; Margolis 1981). Gesundheits- und Krankheitsbegriff sind danach<br />

zwischen Naturbezug und Werturteil definiert und enthalten<br />

sowohl deskriptive als auch normative Komponenten. Lanzerath<br />

(2008) konzipiert den Gesundheitsbegriff als einen praktischen<br />

Begriff in Bezug auf Grundzustände des menschlichen Daseins<br />

und betont seine Relationalität im soziokulturellen Gefüge:<br />

«Insofern ergibt sich die Normativität des Gesundheitsbegriffs<br />

schon daraus, dass er alle die physischen und psychischen Bedingungen<br />

umfasst, ohne die der Mensch nicht das Lebewesen zu sein<br />

vermag, das die Fähigkeit besitzt, sittliches Subjekt zu sein. Wenn<br />

wir aber das sittliche Subjekt als unbedingtes Gut betrachten und<br />

ihm Würde zuschreiben, dann muss die Gesundheit im Sinn der<br />

psychophysischen Verfasstheit, die Voraussetzung des Subjektseins<br />

ist, selbst ein schützenwertes Gut sein» (Lanzerath 2008, S. 207).<br />

Welche Eigenschaften «gesunde Menschen» haben sollen, ist danach<br />

nicht naturwissenschaftlich festzulegen, obgleich naturwissenschaftliche<br />

Daten hierfür relevant sind. Ontologisch, d. h. durch<br />

konkrete und präzise anzugebende Eigenschaften lässt sich daher<br />

sicher keine klare Abgrenzung zwischen Heilen und Verbessern<br />

bestimmen. Daraus folgt, dass die Unterscheidung von Therapie<br />

und «Enhancement» immer auch normativ ist (vgl. bspw. Buchanan<br />

et al. 2001; Clausen 2008a):<br />

Ein normativer Krankheitsbegriff bedeutet nicht, dass sich<br />

Handlungen kranker Personen in besonderer Weise moralisch<br />

16 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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