Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ... Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

01.11.2012 Aufrufe

vergleichsweise jungen monotheistischen Religionen sind bspw. Vorschriften zum Umgang mit Tieren wie auch Tiermetaphern zum Teil von zentraler Bedeutung. Durch neuzeitliche Wissenschaft und Technik gewinnt in diesen am Tier orientierten Selbstverortungsprozessen ein Drittes an Einfluss, nämlich die Maschine. Die kartesianische Deutung des Menschen als beseelte Maschine geht einher mit einer Deutung des Tiers als einer unbeseelten, was Akzeptanz für die erste Deutung geschaffen haben mag. Die neuartige Form der Herabwürdigung des Tiers im Vergleich zum Menschen findet ihre Begründung in der Gleichsetzung von Tier und Maschine. Zugleich wird das dem Menschen Eigene in Abgrenzung nicht nur vom Tier (wie in monotheistischen und anderen religiösen Traditionen), sondern auch von der Maschine definiert. Der Leib des Menschen, entrückten Geists, wird wie das Tier immer tiefer wissenschaftlich durchdrungen und technisch erklärt. Der Aufstieg der Menagerien fiel, vielleicht bezeichnend, in den gleichen Zeitraum, in dem die lang anhaltende Faszination durch anthropomorphe oder zoomorphe Automaten und Scheinautomaten entstand. Dass einige der größten Attraktionen, wie der Schachtürke (ein angeblicher, tatsächlich aber von einem Menschen gelenkter Schachroboter im 18. Jahrhundert), auch die technische Simulation menschlichen Geistes vortäuschten, mag man als verfrühten Vorboten der heutigen Visionen einer «starken» künstlichen Intelligenz ansehen. Die Maschine erhebt sich hier scheinbar erstmals über das Tier, insofern sie sich dem Menschen in dem annähert, das diesen definiert. Moderne Naturwissenschaft und Medizin erweitern ihren Zugriff auf den Menschen mit einem Menschenbild, das beim Blick auf das Physische eher Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier als Unterschiede betont. In der sog. Darwinschen Kränkung der Menschheit 158 wird der Mensch dann in eine Abstammungsreihe 158 Sigmund Freud schrieb: «Zwei Kränkungen ihrer naiven Eigenliebe hat die Mensch- heit im Laufe der Zeiten von der Wissenschaft erdulden müssen. Die erste […] knüpft sich an den Namen Kopernikus […]. Die zweite dann, als die biologische Forschung das angebliche Schöpfungsvorrecht des Menschen zunichte machte, ihn auf die Ab- stammung aus dem Tierreich und die Unvertilgbarkeit seiner animalischen Natur ver- wies» (Freud 1989, S. 283f.). Freud nennt Charles Darwin dann als einen der Verur- sacher der zweiten Kränkung. Dieser hatte im Schlusssatz von Die Abstammung des mit zahllosen Lebewesen gestellt, «niedereren» gar als Tieren. Der Tierkörper des mittels Wissenschaft und Technik nach den Sternen greifenden Menschen, des immer höher Zivilisierten, wird zunehmend als Makel empfunden. In diesem Zusammenhang entstehen die frühen Visionen eines radikalen «Human Enhancement», von denen sich die heutigen (wie die der organisierten Transhumanisten) kaum unterscheiden (vgl. dazu Coenen et al. 2010). Dabei kristallisiert sich – in einer Traditionsreihe, die ungefähr von 1870 bis 1930 reicht – das Zukunftsbild des «mechanischen Menschen» heraus und insbesondere das Ziel, den homo sapiens durch fortschreitende Ersetzung seiner natürlichen biologischen Anteile in eine seiner selbst bewusste, denkende Maschine zu verwandeln. 159 Im weiten Feld der konvergierenden Technologien wird heute – in beiden der (vulgär)kartesianisch säuberlich getrennten Bereiche «Geist» und «Körper» – sowohl an der Anthropomorphisierung als auch an der Zoomorphisierung der Maschine gearbeitet. Emblematischen Charakter in Bezug auf die geistige Sphäre hat hier der Schachcomputer Deep Blue, Sieger gegen den Schachweltmeister Garri Kasparow in den Jahren 1996 und 1997 und wahrhafter Erbe des Schachtürken, wobei Deep Blue einer anthropomorphen Gestalt nicht mehr bedurfte. Der durch Transfer auf Maschinen unzerstörbare gewordene menschliche Geist der transhumanistischen Zukunftsvisionen kann – wie die rein artifizielle Intelligenz, seine neue Partnerin oder Herrin – Körper beliebig wählen, wenn gewünscht auch auf artifizialbiologischer Basis. Während die Träume von der «starken» künstlichen Intelligenz und einer finalen Loslösung des verehrten Geists von seinem tierischen Leib immer wieder aufs Neue florieren, zuletzt gerade auch in der Debatte über «Converging Technologies», tummeln sich in den virtuellen Menagerien der Technophilen-Websites – wie auch real auf den einschlägigen Messen – verschiedenste zoomorphe Menschen (1871) geschrieben, dass der Mensch trotz seines kulturellen Fortschritts und gottähnlichen Intellekts doch noch «in seinem Körper den unauslöschlichen Stempel eines niederen Ursprungs» trage (Darwin 1875, S. 380). 159 Diese ideengeschichtliche Entwicklung kulminiert in gewisser Hinsicht in einem 1929 erschienenen visionären Essay des Kristallographen und Wissenschaftsforschers John Desmond Bernal. Vgl. zu dieser Thematik bspw. Coenen (2009). 150 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie 151

vergleichsweise jungen monotheistischen Religionen sind bspw.<br />

Vorschriften zum Umgang mit Tieren wie auch Tiermetaphern<br />

zum Teil von zentraler Bedeutung.<br />

Durch neuzeitliche Wissenschaft und Technik gewinnt in diesen<br />

am Tier orientierten Selbstverortungsprozessen ein Drittes an<br />

Einfluss, nämlich die Maschine. Die kartesianische Deutung des<br />

Menschen als beseelte Maschine geht einher mit einer Deutung<br />

des Tiers als einer unbeseelten, was Akzeptanz für die erste Deutung<br />

geschaffen haben mag. Die neuartige Form der Herabwürdigung<br />

des Tiers im Vergleich zum Menschen findet ihre Begründung<br />

in der Gleichsetzung von Tier und Maschine. Zugleich wird das<br />

dem Menschen Eigene in Abgrenzung nicht nur vom Tier (wie in<br />

monotheistischen und anderen religiösen Traditionen), sondern<br />

auch von der Maschine definiert. Der Leib des Menschen, entrückten<br />

Geists, wird wie das Tier immer tiefer wissenschaftlich<br />

durchdrungen und technisch erklärt. Der Aufstieg der Menagerien<br />

fiel, vielleicht bezeichnend, in den gleichen Zeitraum, in dem die<br />

lang anhaltende Faszination durch anthropomorphe oder zoomorphe<br />

Automaten und Scheinautomaten entstand. Dass einige der<br />

größten Attraktionen, wie der Schachtürke (ein angeblicher, tatsächlich<br />

aber von einem Menschen gelenkter Schachroboter im 18.<br />

Jahrhundert), auch die technische Simulation menschlichen Geistes<br />

vortäuschten, mag man als verfrühten Vorboten der heutigen<br />

Visionen einer «starken» künstlichen Intelligenz ansehen. Die Maschine<br />

erhebt sich hier scheinbar erstmals über das Tier, insofern<br />

sie sich dem Menschen in dem annähert, das diesen definiert.<br />

Moderne Naturwissenschaft und Medizin erweitern ihren Zugriff<br />

auf den Menschen mit einem Menschenbild, das beim Blick<br />

auf das Physische eher Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier<br />

als Unterschiede betont. In der sog. Darwinschen Kränkung der<br />

Menschheit 158 wird der Mensch dann in eine Abstammungsreihe<br />

158 Sigmund Freud schrieb: «Zwei Kränkungen ihrer naiven Eigenliebe hat die Mensch-<br />

heit im Laufe der Zeiten von der Wissenschaft erdulden müssen. Die erste […] knüpft<br />

sich an den Namen Kopernikus […]. Die zweite dann, als die biologische Forschung<br />

das angebliche Schöpfungsvorrecht des Menschen zunichte machte, ihn auf die Ab-<br />

stammung aus dem Tierreich und die Unvertilgbarkeit seiner animalischen Natur ver-<br />

wies» (Freud 1989, S. 283f.). Freud nennt Charles Darwin dann als einen der Verur-<br />

sacher der zweiten Kränkung. Dieser hatte im Schlusssatz von Die Abstammung des <br />

mit zahllosen Lebewesen gestellt, «niedereren» gar als Tieren. Der<br />

Tierkörper des mittels Wissenschaft und Technik nach den Sternen<br />

greifenden Menschen, des immer höher Zivilisierten, wird<br />

zunehmend als Makel empfunden. In diesem Zusammenhang<br />

entstehen die frühen Visionen eines radikalen «Human Enhancement»,<br />

von denen sich die heutigen (wie die der organisierten<br />

Transhumanisten) kaum unterscheiden (vgl. dazu <strong>Coenen</strong> et al.<br />

2010). Dabei kristallisiert sich – in einer Traditionsreihe, die ungefähr<br />

von 1870 bis 1930 reicht – das Zukunftsbild des «mechanischen<br />

Menschen» heraus und insbesondere das Ziel, den homo<br />

sapiens durch fortschreitende Ersetzung seiner natürlichen biologischen<br />

Anteile in eine seiner selbst bewusste, denkende Maschine<br />

zu verwandeln. 159<br />

Im weiten Feld der konvergierenden Technologien wird heute –<br />

in beiden der (vulgär)kartesianisch säuberlich getrennten Bereiche<br />

«Geist» und «Körper» – sowohl an der Anthropomorphisierung<br />

als auch an der Zoomorphisierung der Maschine gearbeitet.<br />

Emblematischen Charakter in Bezug auf die geistige Sphäre hat<br />

hier der Schachcomputer Deep Blue, Sieger gegen den Schachweltmeister<br />

Garri Kasparow in den Jahren 1996 und 1997 und<br />

wahrhafter Erbe des Schachtürken, wobei Deep Blue einer anthropomorphen<br />

Gestalt nicht mehr bedurfte. Der durch Transfer auf<br />

Maschinen unzerstörbare gewordene menschliche Geist der transhumanistischen<br />

Zukunftsvisionen kann – wie die rein artifizielle<br />

Intelligenz, seine neue Partnerin oder Herrin – Körper beliebig<br />

wählen, wenn gewünscht auch auf artifizialbiologischer Basis.<br />

Während die Träume von der «starken» künstlichen Intelligenz<br />

und einer finalen Loslösung des verehrten Geists von seinem tierischen<br />

Leib immer wieder aufs Neue florieren, zuletzt gerade auch<br />

in der Debatte über «Converging Technologies», tummeln sich in<br />

den virtuellen Menagerien der Technophilen-Websites – wie auch<br />

real auf den einschlägigen Messen – verschiedenste zoomorphe<br />

Menschen (1871) geschrieben, dass der Mensch trotz seines kulturellen Fortschritts und<br />

gottähnlichen Intellekts doch noch «in seinem Körper den unauslöschlichen Stempel<br />

eines niederen Ursprungs» trage (Darwin 1875, S. 380).<br />

159 Diese ideengeschichtliche Entwicklung kulminiert in gewisser Hinsicht in einem<br />

1929 erschienenen visionären Essay des Kristallographen und Wissenschaftsforschers<br />

John Desmond Bernal. Vgl. zu dieser Thematik bspw. <strong>Coenen</strong> (2009).<br />

150 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

151

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!