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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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in der Hybridisierung mit Maschinen gesehen wird, sondern auch<br />

Tiere und Pflanzen gelten als ineffiziente Produktionsmaschinen –<br />

und letztlich wird die natürliche Umwelt insgesamt als zu perfektionierendes<br />

System beschrieben. Neue Formen von nanobiotechnologischer<br />

Manipulation können beispielsweise eine «saubere» und<br />

effiziente Landwirtschaft ermöglichen. Künstlich hergestellte Bakterien<br />

und Mikroorganismen könnten die Umweltverschmutzung<br />

bekämpfen, wie in den Visionen der Synthetischen Biologie (<strong>Coenen</strong><br />

et al. 2009). Hier deutet sich eine Renaissance von Gedanken<br />

der totalen Naturbeherrschung durch menschliche Technik an.<br />

Dass Technologien auch zur Lösung von Problemen beitragen<br />

können und sollen, die ihre Ursache nicht nur in «mangelhaften»<br />

natürlichen Bedingungen, sondern auch in komplexen sozialen,<br />

politischen und ökonomischen Zusammenhängen haben, ist ein<br />

alter Traum der Technikoptimisten zumindest seit der industriellen<br />

Revolution. Wie die Auseinandersetzung mit der Doppeldeutigkeit<br />

und Ambivalenz der Rede von «Animal Enhancement» gezeigt<br />

hat, können unterschiedliche und teils gegensätzliche Motive die<br />

Treiber technologischer Entwicklung sein (3.1). Ein Beispiel dafür<br />

sind aktuelle Forschungen im Bereich von «In-vitro-Fleisch».<br />

Am Ende der 1990er Jahre wurden von der NASA Experimente<br />

zur Herstellung von künstlichen Geweben als Lebensmittel für<br />

Weltraumexpeditionen durchgeführt. Im Jahr 1997 begann die<br />

Tierschutzorganisation PETA die Mitfinanzierung eines gemeinsamen<br />

Projekts von niederländischen und nordamerikanischen<br />

Forschungszentren, mit dem Ziel tierartiges Gewebe mit dem<br />

Geschmack, der Textur und der Muskelmasse von Fisch- oder<br />

Hühnerfleisch zu züchten. 155 Mittlerweile besteht ein In-vitro-Meat<br />

Consortium 156 und eine internationale Forschergemeinschaft. Die<br />

Motivation dieser Forschung liegt nicht nur im Tierschutz – nämlich<br />

durch In-vitro-Fleisch traditionelle und vielfach mit Leiden für<br />

Tiere verbundene Nutzungsformen von Tieren zu ersetzen –, sondern<br />

auch im Umweltschutz, da die tierische Lebensmittel industrie<br />

für erhebliche CO 2 -Emissionen, die Abholzung von Tropenwäldern<br />

und Wasser verschmutzung verantwortlich ist (FAO 2007; Hirschfeld<br />

et al. 2008). Zudem werden ökonomische Vorteile erwartet,<br />

155 Ursprünglich geht diese Forschung auf die 1970er Jahre zurück (<strong>Ferrari</strong> 2009b).<br />

156 Siehe dazu: http://invitromeat.org/.<br />

weil die Kosten der Tierhaltung und der Umweltschädigung wegfielen.<br />

Schließlich wird der Gesundheitsschutz genannt, denn das im<br />

Labor hergestellte Fleisch wäre strengen Prüfungen unterworfen<br />

und frei von Antibiotika (Future Food 2008). Die Herstellung von<br />

In-vitro-Fleisch wird daher mit positiven Visionen verbunden, die<br />

zu einem nachhaltigen Konsum führen können, ähnlich wie in den<br />

Visionen der «grünen Chemie» 157 (<strong>Ferrari</strong> 2009b; vgl. Hopkins und<br />

Dacey 2008).<br />

Der Einfluss zwischen kulturellem Kontext und technologischer<br />

Entwicklung in Bezug auf Mensch/Tier-Verhältnisse ist wechselseitig.<br />

So führen der wachsende Markt für Pflege- und Wellness-Produkte<br />

sowie Lifestyle-Entwicklungen zu veränderten Erwartungen<br />

des Menschen in Bezug auf Tiere. Die Entwicklung der kosmetischen<br />

Chirurgie an Heimtieren in den USA und Südamerika<br />

zeigen zusammen mit der Vergrößerung des Marktes rund um<br />

Heimtiere eine veränderte Wahrnehmung von Tieren in unserem<br />

Leben. Einerseits werden Haustiere zunehmend nicht mehr draußen,<br />

sondern im menschlichen Heim gehalten, andererseits dienen<br />

sie dem menschlichen Streben nach sozialem Prestige und werden<br />

bspw. mit Antidepressiva und mit Schönheitsprodukten behandelt<br />

(Schaffer 2009). Technologie dringt zunehmend in unser Zusammenleben<br />

mit anderen Spezies ein und verändert die materielle<br />

Basis des Verhältnisses auf sehr unterschiedliche Weise.<br />

3.4.2 Tier – Mensch – Maschine<br />

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Vergleich mit dem<br />

Tier als eine grundlegende Konstante im Prozess der Selbstvergewisserung<br />

und Selbstverortung des Menschen gelten kann.<br />

Hiervon zeugt bspw. die zentrale Rolle von Tieren, Tierbildern,<br />

Tiergestalten oder Tiernachahmungen in den menschheitsgeschichtlich<br />

frühen magischen und religiösen Traditionen. In den<br />

157 Dem liegt die Idee zugrunde, dass Technologie eine Welt des Überflusses anbieten<br />

kann: Nicht nur können jetzt die ethischen, politischen und ökologischen Probleme<br />

der Produktion durch neue Technologien gelöst werden, sondern auch die fundamenta-<br />

le Grenze der Ökonomie, die Ressourcenknappheit, würde überwunden. Dies spiegelt<br />

sich in den nanotechnologischen Versprechungen einer viel billigeren und virtuell un-<br />

endlichen Produktion wider (<strong>Ferrari</strong> 2009b).<br />

148 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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