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Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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Tieren durch den Rekurs auf deren «intrinsischen Wert» (intrinsic<br />

value) in der niederländischen Gesetzgebung (vgl. <strong>Ferrari</strong> 2008).<br />

Umstritten ist in der Interpretation des Artikels der Verfassung<br />

der Schweiz, ob eine Verletzung der Tierwürde stets widerrechtlich<br />

ist und ob Eingriffe in die Integrität des Tieres verträglich mit<br />

seiner Mitgeschöpflichkeit und seinem Eigenwert sein können, speziell<br />

ob gentechnische Eingriffe per se die Würde verletzen. Diese<br />

Unklarheit wird deutlich in den unterschiedlichen Stellungnahmen<br />

von Praetorius und Saladin (1996) und von Balzer et al. (1997).<br />

Nach Saladin und Praetorius (1996) bedeuten gentechnische Eingriffe<br />

zu menschlichen Zwecken einen Angriff auf die Integrität<br />

und auf die Würde der Kreatur, weil Lebewesen in ihrer biologischen<br />

Struktur so verändert und damit instrumentalisiert werden,<br />

dass sie als Objekte menschlicher Nutzung bessere Dienste leisten<br />

können. Dagegen stellen gentechnische Eingriffe laut Balzer et<br />

al. (1997) keine prinzipielle Verletzung der Würde der Kreatur<br />

dar, sondern es muss bei der Bewertung der unterschiedlichen genetischen<br />

Eingriffe eine Güterabwägung erfolgen. Die Autoren<br />

empfehlen eine «Bewilligungspflicht» für derartige Eingriffe nach<br />

erfolgter Abwägung.<br />

Die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im<br />

Ausserhumanbereich (EKAH) hat differenzierend vorgeschlagen,<br />

von einem «Erscheinungsbild» in Bezug auf Würde zu sprechen,<br />

wenn bspw. Tiere als Träger werbender Transparente verwendet<br />

werden, und von «Erniedrigung» bei demütigenden Formen von<br />

Zurschaustellung und von «anstößigem Umgang» im Fall bspw.<br />

von sexuell motivierten Handlungen mit Tieren (EKAH und<br />

EKTV 2001). Je nachdem stellt sich die Würdeverletzung jeweils<br />

verschieden dar. In einer anderen Stellungsnahme, zum den Begriff<br />

der Integrität 141 , hat die EKAH (2000) betont, dass erstens<br />

nicht jeder Eingriff in die Integrität eines Lebewesens eine Verletzung<br />

der Würde darstellt und zweitens, dass der Begriff der<br />

Integrität in sich ambivalent ist, weil nicht geklärt ist, ob nur die<br />

eine Auseinandersetzung mit dessen Interpretationen und Konsequenzen siehe u. a. Pe-<br />

ter et al. 1998; Goetschel 2002; Praetorius und Saladin 1996; EKAH und EKTV 2001.<br />

141 Diese Stellungsnahme folgte einer Diskussion über französische Versionen des Arti-<br />

kels über die «Würde der Kreatur», in dem dieser Ausdruck mit integrité des organis-<br />

mes vivants übersetzt wurde.<br />

genetische Integrität oder auch die physisch-biologische oder sogar<br />

eine metaphysische gemeint ist. Aus Sicht der EKAH werden<br />

durch die Vermischung von zwei Begriffen (Würde und Integrität)<br />

eine begriffliche Verwirrung auf der Verfassungsebene und eine<br />

unnötige Erschwerung der komplexen und kontroversen Auslegung<br />

geschaffen.<br />

Der Begriff der Integrität prägt vor allem die angelsächsische<br />

und niederländische Diskussion. 142 In der niederländischen Gesetzgebung<br />

bezeichnet der Begriff des intrinsic value den Eigenwert<br />

von Tieren und wird pathozentrisch begründet, indem Tieren ein<br />

Eigenwert als leidensfähigen Lebewesen zugeschrieben wird. Da<br />

dieser Begriff auf das Wohlbefinden der Tiere im Sinne der Abwesenheit<br />

von Leiden beschränkt ist, haben einige Autoren andere<br />

Begriffe vorgeschlagen, um die gesamten Eigenschaften des Tieres<br />

zu bezeichnen. Rutgers und Heeger (1999) thematisieren zum<br />

Beispiel die Integrität des Tieres mit Blick auf speziesspezifische<br />

Bedürfnisse und die Interaktion von Tieren mit ihrer Umwelt. In<br />

Bezug auf die Gentechnik stellt sich aber die Frage, ob diese den<br />

Eigenwert des Tieres prinzipiell verletzt: Während Rutges und<br />

Heeger (1999) die Gentechnik als prinzipiellen Eingriff in die<br />

Integrität verurteilen, plädiert dagegen Vorstenbosch (1993) für<br />

eine Unterscheidung zwischen der Integrität des Tieres und der<br />

Integrität des Genoms, wobei für ihn die Konsequenzen der gentechnischen<br />

Veränderung hinsichtlich der Integrität des Tieres zu<br />

bewerten sind.<br />

Die zwei oben genannten Stellungnahmen in der Schweiz sowie<br />

die Debatte um den Begriff der Integrität zeigen, dass sich in der<br />

Debatte zwei verschiedene Antworten auf die Frage der Bewertung<br />

der Gentechnik an Tieren herauskristallisiert haben: eine<br />

konsequentialistische, die auch animal welfare approach genannt<br />

wird, und eine deontologische, die als genetic integrity approach<br />

bezeichnet wird (vgl. <strong>Ferrari</strong> 2008). Beim erstgenannten Ansatz<br />

wird der gentechnische Eingriff anhand der Konsequenzen für das<br />

Wohlbefinden des Tieres bewertet, während er als solcher zunächst<br />

ethisch neutral ist. Rollin (1995) schlägt das Prinzip der Erhal-<br />

142 Über semantische und geschichtliche Unterschiede in der Auffassung des Eigenwer-<br />

tes des Tieres in der deutschen und angelsächsischen Tradition siehe u. a. Baranzke<br />

2002; <strong>Ferrari</strong> 2008.<br />

132 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie<br />

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