Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...
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zu lösen sind (Ferrari 2008). Die Rede von der Unverzichtbarkeit der Tierexperimente wird dadurch zu einer Art «self-fulfilling prophecy» (Ferrari 2009a). Die Einführung neuer Technologien stimuliert immer wieder neu die Debatte über die Eignung von Tiermodellen und ihre Grenzen. So ist bspw. die Annahme, rasche und massive Fortschritte durch die Herstellung von Knockout- Mauslinien gewinnen zu können, in der letzten Zeit innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft immer umstrittener geworden (Qiu 2006). Die vorgebrachte Kritik ist keine ethische, sondern wissenschaftstheoretisch durch die Frage nach dem Erkenntnisgewinn motiviert, ergänzt durch Bedenken, ob die erheblichen Mittel für diese Zwecke sinnvoll eingesetzt sind. Last but not least ist auch eine Auseinandersetzung mit der zugrundeliegenden Naturvision von entscheidender Bedeutung: Im Hintergrund einer Wissenschaft, die ihr Wissen auf fundamentale Weise auf Interventionen gründet, steht die Auffassung einer Natur, die vom modernen technologischen Menschen verändert oder neu hergestellt (designed) und damit an menschliche Bedürfnisse angepasst werden kann. Insbesondere Biotechnologie, Nanotechnologie und die konvergierenden Technologien ermöglichen Eingriffe einer neuen Tiefe in Lebewesen. Demnach geht es hier um die Verwirklichung des Wunsches, das Reich des Gemachten zu erweitern und das Reich der Natur als Gewordenes massiv einzuschränken (Bensaude-Vincent 2009; Ferrari 2010; vgl. Birnbacher 2006). Die scheinbare Neutralität und Offenheit des Begriffes der konvergierenden Technologien, die bspw. nach Vorstellungen in den USA zu einer allgemeinen Verbesserung des individuellen und gesellschaftlichen Lebens sowie der Umwelt führen werden (Roco und Bainbridge 2002), verbinden sich hier mit dem Bild eines Menschen, dessen Körper und Geist defizitär ist und der deswegen Technik zur Verbesserung seiner Umwelt, aber immer häufiger auch für «Human Enhancement» entwickelt. Wenn aus dem homo faber zunehmend ein homo creator wird (Boldt und Müller 2008), erscheinen Tiere und Pflanzen als ineffiziente Produktionsmaschinen, die verbessert werden können oder sogar sollen. 138 Den geistesgeschichtlichen Hintergrund der Debatten um 138 Als konkrete Ziele im NBIC-Bericht werden u. a. die folgenden genannt: «The ability to control the genetics of humans, animals, and agricultural plants will greatly benefit das «Human Enhancement» wie um das «Animal Enhancement» bildet das Thema der Gestaltbarkeit der Natur und der Stellung des Menschen in dieser. 3.3 Ethische Fragestellungen Aufgrund der beschriebenen Doppeldeutigkeit der Rede von (technologischer) «Verbesserung» im Bezug auf Tiere erweist sich eine ethische Analyse dieser Eingriffe als komplexes Unternehmen. Im Folgenden werden erstens bereits laufende Diskussionen in der Tierethik und der biomedizinischen Ethik systematisiert, die sich bereits mit technologischen Eingriffen in Tiere auseinandergesetzt haben. Zweitens wird das Thema der technologischen «Verbesserung» von Tieren in einem breiteren ethischen Kontext diskutiert, in denen sowohl Motive des «Human Enhancement» als auch allgemeine ethische Aspekte des Mensch-Tier-Verhältnisses im technologischen Zeitalter eine Rolle spielen. 3.3.1 Die Diskussion über gentechnische Eingriffe in Tiere Bereits in den 1980er Jahren wurde die Frage nach der Vertretbarkeit gentech nischer Eingriffe ins tierische Genom gestellt. Rollin (1986) und Pluhar (1985, 1986) problematisierten die mögliche Verletzung des angenommenen intrinsischen Wertes bzw. Telos 139 des Tieres durch gentechnische Eingriffe. Die Verknüpfung zwischen dem moralischen Eigenwert des Tieres und gentechnischen Eingriffen erlangte besondere Aufmerksamkeit mit der Einführung des Begriffs der «Würde der Kreatur» in die Schweizerische Verfassung im Jahre 1992 140 sowie mit der Eingrenzung von Gentechnik an human welfare; widespread consensus about ethical, legal and moral issues will be built in the process. (…) Agriculture and the food industry will great increase yields and reduce spoilage through networks of cheap, smart sensors that constantly monitor the conditions and the need of plants, animals and farm products.» (Roco und Bainbridge 2002, S. 5). 139 Unter telos, einem Begriff aus der aristotelischen Philosophie, versteht Rollin hier bestimmte Tätigkeiten bzw. Zwecke, auf die jedes Tier ausgerichtet sei und in deren Ausübung sein Wohl begründet liege bzw. durch deren Verhinderung Leid entstehe. 140 Für eine Rekonstruktion der Einführung dieses Artikels (120 Abs. 2 BV) sowie für 130 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie 131
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zu lösen sind (<strong>Ferrari</strong> 2008). Die Rede von der Unverzichtbarkeit<br />
der Tierexperimente wird dadurch zu einer Art «self-fulfilling<br />
prophecy» (<strong>Ferrari</strong> 2009a). Die Einführung neuer Technologien<br />
stimuliert immer wieder neu die Debatte über die Eignung von<br />
Tiermodellen und ihre Grenzen. So ist bspw. die Annahme, rasche<br />
und massive Fortschritte durch die Herstellung von Knockout-<br />
Mauslinien gewinnen zu können, in der letzten Zeit innerhalb der<br />
wissenschaftlichen Gemeinschaft immer umstrittener geworden<br />
(Qiu 2006). Die vorgebrachte Kritik ist keine ethische, sondern<br />
wissenschaftstheoretisch durch die Frage nach dem Erkenntnisgewinn<br />
motiviert, ergänzt durch Bedenken, ob die erheblichen Mittel<br />
für diese Zwecke sinnvoll eingesetzt sind.<br />
Last but not least ist auch eine Auseinandersetzung mit der zugrundeliegenden<br />
Naturvision von entscheidender Bedeutung: Im<br />
Hintergrund einer Wissenschaft, die ihr Wissen auf fundamentale<br />
Weise auf Interventionen gründet, steht die Auffassung einer Natur,<br />
die vom modernen technologischen Menschen verändert oder<br />
neu hergestellt (designed) und damit an menschliche Bedürfnisse<br />
angepasst werden kann. Insbesondere Biotechnologie, Nanotechnologie<br />
und die konvergierenden Technologien ermöglichen Eingriffe<br />
einer neuen Tiefe in Lebewesen. Demnach geht es hier um<br />
die Verwirklichung des Wunsches, das Reich des Gemachten zu<br />
erweitern und das Reich der Natur als Gewordenes massiv einzuschränken<br />
(Bensaude-Vincent 2009; <strong>Ferrari</strong> 2010; vgl. Birnbacher<br />
2006). Die scheinbare Neutralität und Offenheit des Begriffes der<br />
konvergierenden Technologien, die bspw. nach Vorstellungen in<br />
den USA zu einer allgemeinen Verbesserung des individuellen<br />
und gesellschaftlichen Lebens sowie der Umwelt führen werden<br />
(Roco und Bainbridge 2002), verbinden sich hier mit dem Bild<br />
eines Menschen, dessen Körper und Geist defizitär ist und der<br />
deswegen Technik zur Verbesserung seiner Umwelt, aber immer<br />
häufiger auch für «Human Enhancement» entwickelt. Wenn aus<br />
dem homo faber zunehmend ein homo creator wird (Boldt und<br />
Müller 2008), erscheinen Tiere und Pflanzen als ineffiziente Produktionsmaschinen,<br />
die verbessert werden können oder sogar sollen.<br />
138 Den geistesgeschichtlichen Hintergrund der Debatten um<br />
138 Als konkrete Ziele im NBIC-Bericht werden u. a. die folgenden genannt: «The ability<br />
to control the genetics of humans, animals, and agricultural plants will greatly benefit <br />
das «Human Enhancement» wie um das «Animal Enhancement»<br />
bildet das Thema der Gestaltbarkeit der Natur und der Stellung<br />
des Menschen in dieser.<br />
3.3 Ethische Fragestellungen<br />
Aufgrund der beschriebenen Doppeldeutigkeit der Rede von (technologischer)<br />
«Verbesserung» im Bezug auf Tiere erweist sich eine<br />
ethische Analyse dieser Eingriffe als komplexes Unternehmen. Im<br />
Folgenden werden erstens bereits laufende Diskussionen in der<br />
Tierethik und der biomedizinischen Ethik systematisiert, die sich<br />
bereits mit technologischen Eingriffen in Tiere auseinandergesetzt<br />
haben. Zweitens wird das Thema der technologischen «Verbesserung»<br />
von Tieren in einem breiteren ethischen Kontext diskutiert,<br />
in denen sowohl Motive des «Human Enhancement» als auch<br />
allgemeine ethische Aspekte des Mensch-Tier-Verhältnisses im<br />
technologischen Zeitalter eine Rolle spielen.<br />
3.3.1 Die Diskussion über gentechnische Eingriffe in Tiere<br />
Bereits in den 1980er Jahren wurde die Frage nach der Vertretbarkeit<br />
gentech nischer Eingriffe ins tierische Genom gestellt. Rollin<br />
(1986) und Pluhar (1985, 1986) problematisierten die mögliche Verletzung<br />
des angenommenen intrinsischen Wertes bzw. Telos 139 des<br />
Tieres durch gentechnische Eingriffe. Die Verknüpfung zwischen<br />
dem moralischen Eigenwert des Tieres und gentechnischen Eingriffen<br />
erlangte besondere Aufmerksamkeit mit der Einführung des<br />
Begriffs der «Würde der Kreatur» in die Schweizerische Verfassung<br />
im Jahre 1992 140 sowie mit der Eingrenzung von Gentechnik an<br />
human welfare; widespread consensus about ethical, legal and moral issues will be built<br />
in the process. (…) Agriculture and the food industry will great increase yields and reduce<br />
spoilage through networks of cheap, smart sensors that constantly monitor the conditions<br />
and the need of plants, animals and farm products.» (Roco und Bainbridge 2002, S. 5).<br />
139 Unter telos, einem Begriff aus der aristotelischen Philosophie, versteht Rollin hier<br />
bestimmte Tätigkeiten bzw. Zwecke, auf die jedes Tier ausgerichtet sei und in deren<br />
Ausübung sein Wohl begründet liege bzw. durch deren Verhinderung Leid entstehe.<br />
140 Für eine Rekonstruktion der Einführung dieses Artikels (120 Abs. 2 BV) sowie für<br />
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