Arianna Ferrari Christopher Coenen Armin Grunwald Arnold Sauter ...

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01.11.2012 Aufrufe

Auch in der für «Human Enhancement» potenziell relevanten Forschung werden Tiere zum Testen von Enhancement-Medikamenten oder -Interventionen (wie zum Beispiel Gehirnimplantaten) genutzt. In dieser Forschung werden Versuche an einer großen Zahl von Tieren durchgeführt, was zum Teil mit einem erheblichen Leiden einhergeht (3.4.2). Wo es in diesem Kontext tatsächlich zu verbesserten Fähigkeiten von Tieren kommt, wie zum Beispiel in der neurowissenschaftlichen Forschung (2.1.6), leiden die Tiere häufig unter Störungen in anderen Hinsichten. Die Verbesserung für menschliche Zwecke führt für die Tiere in der Regel zu einer mindestens ambivalenten Situation. Last but not least sind die Fälle zu nennen, in denen neue Fähigkeiten in Tieren implementiert werden, bspw. eine in der Natur nicht vorkommende Krankheitsresistenz. Hier ist jeweils zu prüfen, inwieweit Vorteile für die Tiere entstehen können und gegebenenfalls in welchem Maß dafür zusätzliche Tierversuche gerechtfertigt erscheinen (3.2). Dieser Punkt weist zudem auf etwas Generelles hin. In der ethischen Beurteilung muss, ganz analog zum Lebenszyklusansatz der Nachhaltigkeitsbewertung von Technik (Grunwald 2002), der Gesamtprozess betrachtet werden, einschließlich der Forschungen und der Tierversuche, die auf dem Weg hin zu einem «verbesserten» Tier erfolgt. Es reicht nicht aus, die Eigenschaften eines verbesserten Tieres, sein Wohlbefinden, seine Integrität oder Ähnliches sowie die involvierten ethischen Aspekte zu betrachten, sondern der Weg dorthin gehört in die Betrachtung einbezogen. Diese Auswertungen der Recherche-Ergebnisse des Kapitels 2 unter der Fragestellung, was hieran jeweils unter Verbesserung verstanden wird, zeigen deutlich, dass ein begrifflich differenziertes Herangehen erforderlich ist. Stehen zwar grundsätzlich in allen betrachteten Feldern die menschlichen Nutzungsinteressen im Vordergrund und determinieren, was jeweils als eine Verbesserung gilt, stellt sich dies jedoch in den einzelnen Bereichen unterschiedlich akzentuiert dar. Auch die Beantwortung der Frage, ob Verbesserungen im Sinne menschlicher Nutzung mit Verbesserungen in einem vorgestellten Interesse von Tieren einhergehen können, oder ob sie eher zu «Kosten» für Tiere führen, bedarf einer sorgfältigen Begrifflichkeit. Semantische Sorgfalt ist schließlich zudem erforderlich, um heutige «Verbesserungen» im Lichte der histori- schen Traditionen zu betrachten und eventuell das Neue daran zu erkennen. 3.2 Wissenschaftstheoretische Fragestellungen Parallel zur Entwicklung der Gentechnik wird sowohl über die Vertretbarkeit von Eingriffen in das Genom (3.3.1) als auch über die Neuartigkeit und Besonderheit solcher Eingriffe diskutiert. Kontrovers ist, ob gentechnische Veränderung sich wesentlich von Eingriffen in Tiere durch Zucht (oder auch durch Bestrahlung; vgl. 2.2.2) prinzipiell unterscheidet. Ethische Fragen stehen damit unmittelbar in Verbindung mit wissenschaftstheoretischen sowie wissenschaftsgeschichtlichen Überlegungen über die Eigenschaften molekularbiologischer Forschung. Vergleiche mit traditionellen Methoden der Beeinflussung von Tieren sowie Überlegungen über die Art des durch Gentechnik erzeugten Wissens sind dabei von entscheidender Bedeutung. Hierbei ist zu beachten, dass vielfach ein Übergang von einer «erklärenden» Naturwissenschaft zu einer gestaltenden Technik proklamiert oder auch kritisch analysiert wird, was u. a. in der Diskussion über technoscience (bzw. Technowissenschaft) von zentraler Bedeutung ist. Schon James Watson, einer der Entdecker der Doppelhelix, hatte bspw. in den 1970er Jahren erklärt, dass die Molekularbiologie nicht nur darauf ziele, die äußere und innere Struktur eines Organismus auf allen Ebenen zu verstehen, sondern dieses Wissen auch für menschliche Zwecke zu nutzen (Rehmann-Sutter 2005). In einer Art von Vereinnahmung einer ganzen Disziplin durch ihre Anwendungen betonen Protagonisten der Gentechnik sehr stark, dass das Verstehen selbst bereits mit der Notwendigkeit von technischem Können und von Interventionen verbunden ist: «Genetisches Wissen ist zunächst ein ‹knowing how›, kein ‹knowing that›, es verdankt sich historisch wie systematisch einem bestimmten Können: der gezielten Intervention in den Genbestand. Vor der Entstehung der molekularen Biologie vollzog sich diese ‹knowing how› unter den Bedingungen erfahrungsgestützten Züchtens, ohne dass eine Theorie über die relevanten biologischen Grundlagen zur Verfügung stand. (…) Heute denkt man für das genetische Wissen 126 Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie Animal Enhancement | Beiträge zur Ethik und Biotechnologie 127

Auch in der für «Human Enhancement» potenziell relevanten Forschung<br />

werden Tiere zum Testen von Enhancement-Medikamenten<br />

oder -Interventionen (wie zum Beispiel Gehirnimplantaten)<br />

genutzt. In dieser Forschung werden Versuche an einer großen<br />

Zahl von Tieren durchgeführt, was zum Teil mit einem erheblichen<br />

Leiden einhergeht (3.4.2). Wo es in diesem Kontext tatsächlich zu<br />

verbesserten Fähigkeiten von Tieren kommt, wie zum Beispiel in<br />

der neurowissenschaftlichen Forschung (2.1.6), leiden die Tiere<br />

häufig unter Störungen in anderen Hinsichten. Die Verbesserung<br />

für menschliche Zwecke führt für die Tiere in der Regel zu einer<br />

mindestens ambivalenten Situation.<br />

Last but not least sind die Fälle zu nennen, in denen neue<br />

Fähigkeiten in Tieren implementiert werden, bspw. eine in der<br />

Natur nicht vorkommende Krankheitsresistenz. Hier ist jeweils<br />

zu prüfen, inwieweit Vorteile für die Tiere entstehen können und<br />

gegebenenfalls in welchem Maß dafür zusätzliche Tierversuche<br />

gerechtfertigt erscheinen (3.2). Dieser Punkt weist zudem auf etwas<br />

Generelles hin. In der ethischen Beurteilung muss, ganz analog<br />

zum Lebenszyklusansatz der Nachhaltigkeitsbewertung von<br />

Technik (<strong>Grunwald</strong> 2002), der Gesamtprozess betrachtet werden,<br />

einschließlich der Forschungen und der Tierversuche, die auf dem<br />

Weg hin zu einem «verbesserten» Tier erfolgt. Es reicht nicht aus,<br />

die Eigenschaften eines verbesserten Tieres, sein Wohlbefinden,<br />

seine Integrität oder Ähnliches sowie die involvierten ethischen<br />

Aspekte zu betrachten, sondern der Weg dorthin gehört in die<br />

Betrachtung einbezogen.<br />

Diese Auswertungen der Recherche-Ergebnisse des Kapitels 2<br />

unter der Fragestellung, was hieran jeweils unter Verbesserung<br />

verstanden wird, zeigen deutlich, dass ein begrifflich differenziertes<br />

Herangehen erforderlich ist. Stehen zwar grundsätzlich in allen<br />

betrachteten Feldern die menschlichen Nutzungsinteressen im<br />

Vordergrund und determinieren, was jeweils als eine Verbesserung<br />

gilt, stellt sich dies jedoch in den einzelnen Bereichen unterschiedlich<br />

akzentuiert dar. Auch die Beantwortung der Frage, ob Verbesserungen<br />

im Sinne menschlicher Nutzung mit Verbesserungen<br />

in einem vorgestellten Interesse von Tieren einhergehen können,<br />

oder ob sie eher zu «Kosten» für Tiere führen, bedarf einer sorgfältigen<br />

Begrifflichkeit. Semantische Sorgfalt ist schließlich zudem<br />

erforderlich, um heutige «Verbesserungen» im Lichte der histori-<br />

schen Traditionen zu betrachten und eventuell das Neue daran zu<br />

erkennen.<br />

3.2 Wissenschaftstheoretische Fragestellungen<br />

Parallel zur Entwicklung der Gentechnik wird sowohl über die<br />

Vertretbarkeit von Eingriffen in das Genom (3.3.1) als auch über<br />

die Neuartigkeit und Besonderheit solcher Eingriffe diskutiert.<br />

Kontrovers ist, ob gentechnische Veränderung sich wesentlich von<br />

Eingriffen in Tiere durch Zucht (oder auch durch Bestrahlung;<br />

vgl. 2.2.2) prinzipiell unterscheidet. Ethische Fragen stehen damit<br />

unmittelbar in Verbindung mit wissenschaftstheoretischen sowie<br />

wissenschaftsgeschichtlichen Überlegungen über die Eigenschaften<br />

molekularbiologischer Forschung. Vergleiche mit traditionellen<br />

Methoden der Beeinflussung von Tieren sowie Überlegungen über<br />

die Art des durch Gentechnik erzeugten Wissens sind dabei von<br />

entscheidender Bedeutung. Hierbei ist zu beachten, dass vielfach<br />

ein Übergang von einer «erklärenden» Naturwissenschaft zu einer<br />

gestaltenden Technik proklamiert oder auch kritisch analysiert<br />

wird, was u. a. in der Diskussion über technoscience (bzw. Technowissenschaft)<br />

von zentraler Bedeutung ist. Schon James Watson,<br />

einer der Entdecker der Doppelhelix, hatte bspw. in den 1970er<br />

Jahren erklärt, dass die Molekularbiologie nicht nur darauf ziele,<br />

die äußere und innere Struktur eines Organismus auf allen Ebenen<br />

zu verstehen, sondern dieses Wissen auch für menschliche Zwecke<br />

zu nutzen (Rehmann-Sutter 2005). In einer Art von Vereinnahmung<br />

einer ganzen Disziplin durch ihre Anwendungen betonen<br />

Protagonisten der Gentechnik sehr stark, dass das Verstehen selbst<br />

bereits mit der Notwendigkeit von technischem Können und von<br />

Interventionen verbunden ist:<br />

«Genetisches Wissen ist zunächst ein ‹knowing how›, kein ‹knowing<br />

that›, es verdankt sich historisch wie systematisch einem bestimmten<br />

Können: der gezielten Intervention in den Genbestand. Vor der<br />

Entstehung der molekularen Biologie vollzog sich diese ‹knowing<br />

how› unter den Bedingungen erfahrungsgestützten Züchtens, ohne<br />

dass eine Theorie über die relevanten biologischen Grundlagen zur<br />

Verfügung stand. (…) Heute denkt man für das genetische Wissen<br />

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