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Sven-Eric Bechtolf im Gespräch mit Peter Simonischek - Salzburger ...

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SALZBURGER FESTSPIELE 2012<br />

Interview<br />

<strong>Sven</strong>-<strong>Eric</strong> <strong>Bechtolf</strong> <strong>im</strong> Gespräch <strong>mit</strong><br />

<strong>Peter</strong> S<strong>im</strong>onischek<br />

Schauspieldirektor <strong>Sven</strong>-<strong>Eric</strong> <strong>Bechtolf</strong> versucht <strong>mit</strong> <strong>Peter</strong> S<strong>im</strong>onischek NICHT über<br />

den Jedermann zu reden. Trotzdem findet S<strong>im</strong>onischeks prägende Interpretation der<br />

Titelrolle <strong>im</strong>mer wieder Einzug in das Gespräch. Die <strong>im</strong> Interview aufgegriffenen<br />

Themen gehen aber weit darüber hinaus. Lesen Sie mehr…


<strong>Sven</strong>-<strong>Eric</strong> <strong>Bechtolf</strong>: Danke <strong>Peter</strong>, dass Du Dir Zeit für mich genommen hast. Wir wollen nicht<br />

schon wieder über den Jedermann reden, also frage ich Dich ganz allgemein: An was denkst<br />

du, wenn du an Salzburg denkst.<br />

<strong>Peter</strong> S<strong>im</strong>onischek: Das ist hinterlistig von Dir! Denn ich muss ehrlich zugeben: schon an den<br />

Jedermann.<br />

Das hätte ich mir damals, als ich anfing, nicht vorstellen können, dass diese Rolle für mich<br />

einmal diese Bedeutung haben würde. Nun ist das aber schon einige Jahre her und jetzt freue<br />

ich mich auf den Kurfürst <strong>im</strong> Prinz von Homburg.<br />

SEB: Wie kam es dazu, dass Du so viele Jahre dabei geblieben bist. Hast Du nie daran<br />

gedacht aufzuhören?<br />

PS: Zwe<strong>im</strong>al. Drei Jahre war Veronica Ferres die Buhlschaft und wollte dann nicht mehr.<br />

Irgendwie dachte ich mir da: „Naja, drei Jahre sind eigentlich ausreichend, viele haben’s<br />

nur drei Jahre gemacht“ und war nahe dran, aber dann ist es doch mehr als doppelt so lange<br />

geworden - weil es mir wirklich <strong>im</strong>mer mehr Freude gemacht hat.<br />

SEB Und das zweite Mal?<br />

PS Als ich aufgehört habe. Und jetzt frag mich was anderes.<br />

SEB: Wann hast Du angefangen in Salzburg zu spielen?<br />

PS: Das erste Mal 1982, das war Torquato Tasso <strong>mit</strong> Dieter Dorn. 1986 kam der Okeanos in<br />

Prometheus gefesselt <strong>mit</strong> Klaus Michael Grüber, 1988 der Horch in Canettis Die Hochzeit <strong>mit</strong><br />

Axel Corti und 1992 Wesele <strong>mit</strong> Andrzej Wajda. 1991 bis 94 spielte ich den Tod.<br />

SEB: Im Jedermann.<br />

PS: Danach zwei Sommer lang Kirschgarten, in der Regie von <strong>Peter</strong> Stein – eh <strong>mit</strong> Dir<br />

zusammen.<br />

SEB: Und dann den Jedermann selbst.<br />

PS: Nickt und schweigt<br />

SEB: Das sind viele Sommer.<br />

PS: 18 Sommer zwischen 1982 und 2009, um genau zu sein.<br />

SEB: Wenn du deine Augen schließt, was siehst du - außer dem Domplatz?<br />

PS: Da sehe ich mich <strong>mit</strong> Fischerstiefeln irgendwo an der Taugl <strong>mit</strong> den Kindern. Und an


viele Geburtstagsfeste kann ich mich erinnern! Ich bin ja <strong>im</strong> August geboren und habe daher<br />

oft in Salzburg gefeiert, auch so genannte „runde“ Geburtstage wie meinen 50er und meinen<br />

60er.<br />

SEB: Es gibt bei Festspiele unerfahrenen Menschen die Vorstellung, es handle sich<br />

in Salzburg um ein „Event Publikum“. In Wahrheit ist es aber vor allem ein sehr<br />

kenntnisreiches, dem es in der überwiegenden Mehrheit nicht darum geht, gesehen zu werden,<br />

sondern für die der Besuch etwas ganz Besonderes ist. Natürlich gibt es auch diese Glitzer-<br />

Society Geschichte, aber doch nur sehr an der Oberfläche.<br />

PS: Mir ging auch dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten nicht auf die Nerven. Je länger ich da war,<br />

desto mehr habe ich mir gedacht: Du meine Güte, wir müssen froh sein - ich meine nicht nur<br />

die Künstler, sondern unsere Gesellschaft <strong>im</strong> allgemeinen - wenn es genügend Leute gibt, die<br />

ihr Geld <strong>im</strong> Urlaub für Kultur ausgeben. Es ist ja, wie Du richtig sagst, nicht von der Hand<br />

zu weisen, dass darunter viele sind, die von Musik und Theater wirklich etwas verstehen und<br />

sich da<strong>mit</strong> intensiv beschäftigen. In der Mehrzahl solche, die nicht <strong>im</strong> Geld schw<strong>im</strong>men und<br />

es sich trotzdem etwas kosten lassen.<br />

Nach Mallorca fahren eh genug.<br />

Für mich persönlich war Salzburg auch deshalb so angenehm, weil man fokussiert auf nur<br />

eine Produktion hinarbeitet und nicht dauernd <strong>im</strong> Repertoire beschäftigt ist. Man könnte<br />

sagen, dass nicht nur das Publikum sondern auch die Künstler, in einem gewissen Sinne, der<br />

Alltäglichkeit enthoben werden. Das mochte ich <strong>im</strong>mer gerne, weil so für mich das Leben<br />

überschaubarer wurde. Und ich liebe es, wenn das Leben etwas überschaubarer ist.<br />

SEB: Überschaubarer, aber nicht unbedingt ruhiger. Thomas Mann sagte anlässlich seiner<br />

Nobelpreis Dankesrede, er sei für die Knalleffekte des Lebens eigentlich nicht geeignet.<br />

PS: Schön. Aber wie kommst Du jetzt darauf?<br />

SEB: Die Rolle des „Jedermanns“ ist schon so ein „Knalleffekt“, oder?<br />

PS: Du gibst nicht auf, was?!<br />

Also: diese Rolle hat mein Leben schon – na ja, verändert ist ein Riesen Wort – aber es<br />

ist schon erstaunlich, welche Popularität der Jedermann in Österreich genießt. Eigentlich<br />

unglaublich.<br />

SEB: Im steirischen Markt Hartmannsdorf gibt es <strong>mit</strong>ten <strong>im</strong> Ort einen Literaturbrunnen – der<br />

ist nach Dir benannt worden!<br />

PS: Aber nicht wegen meinen Rollen an der Schaubühne in Berlin, oder am Burgtheater…<br />

SEB: Sondern weil Du den Jedermann gespielt hast.<br />

Ich beschäftige mich zum Teil sehr <strong>mit</strong> den Festspielgründern Hofmannsthal und Reinhardt.<br />

Was ist für Dich der „Festspielgedanke“.


PS: Die Festspiele waren, wie ich glaube, von Beginn an, regional und zugleich europäisch<br />

gedacht. Die Idee ihrer Gründer, die Welt in der Nussschale dieser barocken Stadt, eingebettet<br />

in dieser traumhaften und einzigartigen Landschaft, abzubilden und die Menschen zu<br />

einem „Friedenswerk“ einzuladen – denn so wollten sie nach den verheerenden Erfahrungen<br />

des ersten Weltkriegs die Festspiele ja verstanden sehen - ist jedenfalls bewundernswert!<br />

SEB: Auch der Jedermann hat erst in Salzburg seine Wirkung richtig entfaltet.<br />

PS: <strong>Sven</strong>!<br />

SEB: Ich bin ja ein Anhänger der Veranstaltung und kann mich als Zuschauer an wirklich<br />

berührende und einzigartige Momente auf dem Domplatz erinnern. Besonders an einen.<br />

PS: Du meinst die Vorstellung, in der der Sturm kam? Ja, das war unglaublich. Der Tod<br />

erscheint und in dem Augenblick fegt diese Gewitterböe über die Bühne. Das Tuch auf dem<br />

riesigen Tisch blähte sich, Teller fielen herunter, Staubwolken und Donner - dann hat es leider<br />

geregnet und wir mussten aufhören.<br />

SEB: Aber auch be<strong>im</strong> Spielen! Ich saß als Teufel unter der Bühne, kurz vor meinem<br />

letzten Auftritt, und habe dich oben in verzweifelter Erkenntnis schreien hören „Hier wird<br />

kein zweites Mal gelebt“! Da wurde es <strong>mit</strong> einem mal auf dem riesigen Platz vollkommen<br />

still.<br />

PS: Ja, das hatte was.<br />

SEB: Du und ich und zweitausend andere Menschen fühlten plötzlich gemeinsam, dachten<br />

gemeinsam an etwas doch eigentlich ganz int<strong>im</strong>es: Den eigenen Tod!<br />

PS: Das war manchmal so, wie ich mir das antike Theater vorstelle. Ab und zu gibt es auch<br />

heutzutage noch so eine Art „Sekunden-Katharsis.“<br />

Und jetzt Schluss <strong>mit</strong> dem Jedermann.<br />

SEB: Was macht Theater für Dich erfüllend?<br />

PS: Dass es <strong>im</strong>mer wieder möglich ist, vollkommen gebannt zu sein. Allerdings, wenn ich das<br />

sage, denke ich mich eher in den Zuschauerraum.<br />

SEB: Was ist es für dich als Schauspieler?<br />

PS: Für mich ist es das Erleben des lebendigen Austausches, wenn man <strong>mit</strong>einander auf der<br />

Bühne etwas „herstellt.“ Ein Partner gibt und das hat eine Wirkung auf das Spiel des anderen,<br />

und wieder umgekehrt - das ist echte Freude.<br />

Theater besteht ja aus tausend Verabredungen. Es ist diese Freiheit in der Unfreiheit - unser<br />

Beruf ist ja ziemlich paradox und <strong>im</strong> besten und lebendigsten Fall eine solistische und eine<br />

kollektive Sache zugleich.


SEB: Was suchst Du als Schauspieler darüber hinaus?<br />

.<br />

PS: Die Wahrhaftigkeit ist natürlich eine wunderbare Erfahrung. Es ist auch ein Vergnügen,<br />

wenn du einen Schauspieler siehst, der ganz bei sich ist, oder auch nur einen solch wahren,<br />

persönlichen Moment hat. Aber das ist es ja auch <strong>im</strong> Leben. Nichts ist so wahnsinnig<br />

anstrengend, wie ein Abend den man <strong>mit</strong> Leuten verbringt, „die nicht bei sich sind.“ Da bin<br />

ich hinterher wirklich gerädert.<br />

SEB: Du hast ein Buch <strong>mit</strong> einem zunächst seltsam erscheinenden Titel geschrieben.<br />

PS: Mein Buch heißt „Ich stehe zur Verfügung“. Zuerst habe ich da<strong>mit</strong> gehadert. Ich habe mir<br />

gedacht, je älter du wirst, desto problematischer klingt dieses „Ich stehe zur Verfügung“. Aber<br />

dann fand ich, dass es gar keine andere Möglichkeit gibt.<br />

SEB: Als zur Verfügung zu stehen?<br />

PS: Als die Bereitschaft sich herzugeben, sich zu öffnen, etwas geschehen zu lassen. Nicht<br />

über sich verfügen zu lassen, aber die Möglichkeit zu haben, sich auf etwas einzulassen. Auf<br />

eine Idee, einen Autor, eine Intention, eine Vision.<br />

Theater ist, was die Kunst betrifft, ganz einzigartig. Überall sonst ist ein Kunstwerk die<br />

Ausgeburt einer Seele, einer Intention, eines Gehirns, einer Not oder was auch <strong>im</strong>mer und<br />

wir am Theater müssen das Gegenteil tun, es nämlich <strong>im</strong> Kollektiv herstellen. Deswegen<br />

schießen wir ja so oft daneben. Es ist unglaublich, wie viel zusammen kommen muss, da<strong>mit</strong><br />

etwas Wesentliches entsteht. Diese Dynamik, diesen Fluss der gemeinsamen Findungen, will<br />

man befördern und nicht stören. Deshalb ist es für mich - bis zu einem gewissen Grad - ein<br />

Auslieferungsberuf.<br />

SEB: Nur so dazwischen gefragt: Warum sprichst Du eigentlich so ungern über den<br />

Jedermann?<br />

PS: Das tue ich ja <strong>im</strong> Allgemeinen nicht - <strong>im</strong> Gegenteil.<br />

SEB: Und warum heute?<br />

PS: Weil es heute um den Prinz von Homburg gehen soll, oder habe ich da etwas falsch<br />

verstanden?<br />

SEB: Richtig. Also: Wie oft ist dir eigentlich auf der Bühne der Prinz von Homburg<br />

begegnet?<br />

PS: Abgesehen davon, dass ihn der Regisseur Gerd Heinz <strong>im</strong>mer <strong>mit</strong> mir machen wollte, nie!<br />

Es ist eigentlich fast eine Idiotie, dass ich den Homburg nicht gespielt habe. Aber an der<br />

Schaubühne in Berlin hatten sie das Stück schon aufgeführt, als ich engagiert wurde und<br />

woanders wollte ich damals nicht hin.


SEB: Jetzt wechselst du die Seiten und bist der Kurfürst.<br />

PS: Eine nicht minder interessante Rolle. Ich freue mich sehr auf diese Herausforderung - und<br />

vor allem auf die Arbeit <strong>mit</strong> Andrea Breth.<br />

SEB: Was macht die Arbeit <strong>mit</strong> ihr für Dich so besonders?<br />

PS: Die Unbedingtheit, <strong>mit</strong> der sie das alles betreibt. Sie ist jemand, der <strong>im</strong> Theater, durchs<br />

Theater, fürs Theater lebt, <strong>mit</strong> einer Ausschließlichkeit wie man sie sonst nur sehr, sehr selten<br />

antrifft. Die Ernsthaftigkeit, <strong>mit</strong> der sie auf die Suche geht und ihre Begeisterungsfähigkeit<br />

sind ansteckend.<br />

SEB: Was ist das merkwürdigste für Dich an unserem Beruf. Welche Bedeutung hat er für<br />

Dich?<br />

PS: Dass es als Mensch auf der Bühne so schwer ist, glaubhaft Mensch zu sein.<br />

Und dass diese Schwierigkeit dem Beruf zugleich seine Bedeutung gibt.<br />

<strong>Peter</strong> S<strong>im</strong>onischek<br />

Heinrich von Kleist: Prinz von Homburg, Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg<br />

Premiere: 28. Juli, <strong>Salzburger</strong> Landestheater

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