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EDITORIAL<br />
INSIDE<br />
INTERVIEWS IN DIESER AUSGABE:<br />
Magnussen: Seite 44<br />
Kerstin Hasenbichler & Stephan Heublein<br />
Stephan: Oh, Mann, dieser Kimi ist echt<br />
klasse.<br />
Kerstin: Das sage ich schon lange! Was hat<br />
dich jetzt überzeugt?<br />
Stephan: Je<strong>der</strong> bejubelt Monaco als das<br />
Kronjuwel <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1, nur Kimi sagt:<br />
»Ich hasse es.«<br />
Kerstin: Das ist typisch Kimi. Aber so<br />
schlimm ist Monaco gar nicht. Man darf nur<br />
nicht vorhaben, irgendwann schlafen zu<br />
wollen...<br />
Stephan: Was meinst du mit schlafen???<br />
Das wird doch völlig überbewertet...<br />
Kerstin: Stimmt auch wie<strong>der</strong>. Genau so putzmunter<br />
sahen dann manche Journalisten am<br />
Freitagmorgen nach den ganzen Partys auch<br />
aus...<br />
Stephan: Wenn wir schon bei Kimi sind,<br />
hast du irgendwelche Gorillakostüme<br />
o<strong>der</strong> Plastikdelphine gesichtet?<br />
Kerstin: Lei<strong>der</strong> nicht, aber die fröhlich feiernden<br />
<strong>Formel</strong>-1-Fans in <strong>der</strong> Straße vor<br />
meinem Hotelzimmer hätten solche Utensilien<br />
sicher gut gebrauchen können...<br />
Stephan: Gut genug beleuchtet, um sie<br />
zu sehen, soll die Straße vor deinem Hotel<br />
ja gewesen sein.<br />
Kerstin: Ich bin seitdem ein riesiger Fan von<br />
blinkenden Neon-Reklameschriftzügen<br />
direkt gegenüber von meinem vorhanglosen<br />
Fenster. Wenn ich die Augen zumache, sehe<br />
ich es heute noch blinken...<br />
Stephan: Dann war das also eine Wohltat<br />
für deine Augen und deine Ohren.<br />
Kerstin: Und wie!<br />
Stephan: Aber grölende Fans und taghelle<br />
Nachtclubschil<strong>der</strong> klingen immer noch<br />
besser als dein kleiner Ausflug ins Horror-Kabinett<br />
in Malaysia.<br />
Kerstin: Ja, wenn ich schlaflos im Bett liege<br />
und nachts um drei minutenlang draußen<br />
Ketten (!) klirren höre, ist mir das nicht unbedingt<br />
ganz geheuer.<br />
Stephan: Aber die Kneipe an <strong>der</strong> Ecke war<br />
danach garantiert bombensicher<br />
verschlossen...<br />
Kerstin: Und eine Verwendung für die an <strong>der</strong><br />
Strecke seit diesem Jahr überflüssigen Ohrstöpsel<br />
habe ich damit nebenbei auch<br />
gefunden.<br />
Stephan: Hast du mir welche mitgebracht?<br />
Die Renovierungsarbeiten in<br />
unserem Bürogebäude machen mich<br />
wahnsinnig. Das übertrifft das Kreischen<br />
jedes V8-Motors!<br />
Kerstin: Vielleicht sollte Mercedes statt <strong>der</strong><br />
Tröte eine Schleifmaschine auf den Auspuff<br />
montieren.<br />
Stephan: Klaus, nimm den Arbeitern die<br />
Maschine doch bitte gleich mal ab...<br />
Paddy braucht die dringend. Aber was ist<br />
denn nun bei McLaren und unserem Anti-<br />
Monegassen Kimi los?<br />
Kerstin: An <strong>der</strong> Nuss beißen sich selbst die<br />
sogenannten Experten im Fahrerlager die<br />
Zähne aus. Ein Ex-<strong>Formel</strong>-1-Fahrer sagte<br />
mir: »Da stehe ich genauso wie <strong>der</strong> Ochs<br />
vorm Berg wie du.« Hilfreich, o<strong>der</strong>?<br />
Für diese Ausgabe stellten sich unter an<strong>der</strong>em McLaren-Rookie Kevin<br />
Magnussen und Ducati-Pilot Andrea Dovizioso unseren Fragen.<br />
EXKLUSIV IM INTERNET:<br />
Dovizioso: Seite 70<br />
Weitere exklusive Interviews & Kolumnen auf unserer Website:<br />
Interview Alain Prost: www.motorsport-magazin.com/goto/Prost<br />
Kolumne Augusto Farfus: www.motorsport-magazin.com/goto/AF03<br />
Interview Nico Hülkenberg: www.motorsport-magazin.com/goto/Hulk
❱<br />
IN DIESER<br />
AUSGABE<br />
FORMEL 1<br />
KÖNIG DER FORMEL 1: Hamilton vs. Rosberg . . 22<br />
MERCEDES: Geheimnis des Erfolgs. . . . . . . . . . . . . 30<br />
KIMI RÄIKKÖNEN: Heilsbringer ausgebremst. . . . . 34<br />
MCLAREN: Gut ist nicht gut genug. . . . . . . . . . . . . . 40<br />
INTERVIEW: Kevin Magnussen. . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
DANIEL RICCIARDO: Schnelle Grinsekatze . . . . . 46<br />
SEBASTIAN VETTEL: Der Chassis-Fluch . . . . . . . 50<br />
HISTORY: Jack Brabhams Spielzeuge . . . . . . . . . . . 54<br />
34<br />
Schwierige<br />
KIMI RÄIKKÖNEN: AUSGEBREMST!<br />
Rückkehr zu Ferrari für Ex-Champion Kimi Räikkönen.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> begab sich auf Spurensuche: Was bremst<br />
den Iceman bei <strong>der</strong> Scu<strong>der</strong>ia aus?<br />
MOTORRAD<br />
HONDA: Glücklicher Marc Marquez . . . . . . . . . . . . . . .64<br />
INTERVIEW: Andrea Dovizioso . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />
STEFAN BRADL: Am Scheideweg . . . . . . . . . . . . . 74<br />
HISTORY: Barry Sheenes Erben . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />
VERLETZUNGEN: Phänomen Arm-Pump . . . . . . . 84<br />
TOP5: Reifenskandale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
MOTO2: Mika Kallio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />
MOTO3: KTM vs. Honda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />
INTERVIEW: Ronald Ten Kate. . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />
IDM: Dario Giuseppetti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
MOTORSPORT<br />
NÜRBURGRING: Die größte Party <strong>der</strong> Welt . . . . . 106<br />
ADAC MOTORSPORT: Splitter . . . . . . . . . . . . . . 110<br />
TECHNIK: Porsche 911 GT3 Cup . . . . . . . . . . . . . . 112<br />
SERVICE<br />
INSIDE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 04<br />
KOLUMNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MILAGRO<br />
DER DOMINATOR DER MOTOGP<br />
Nur wenige Fahrer haben <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse des Motorradsports ihren<br />
Stempel so fest aufgedrückt wie <strong>der</strong>zeit Marc Marquez. Wird er <strong>der</strong><br />
neue Valentino Rossi - o<strong>der</strong> sogar noch besser?<br />
64<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 5
FORMEL 1<br />
INSIDE<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH & MIKE WIEDEL<br />
KAMPF<br />
UM DIE<br />
ZUKUNFT<br />
Marussia kämpft seit dem ersten Tag ums<br />
Überleben. Sportdirektor Graeme Lowdon<br />
zeigt im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> den Weg zu einer<br />
besseren <strong>Formel</strong> 1 auf.<br />
1. BUDGETOBERGRENZE<br />
»Es ist schwierig, Argumente zu finden, dass die<br />
Budgetobergrenze keine gute Sache für die <strong>Formel</strong><br />
1 wäre. Wir schauen uns alle großen Weltsportarten<br />
an, die <strong>der</strong>zeit im Wachstum sind. Sie<br />
haben alle eines gemeinsam: ein Werkzeug zur<br />
Kontrolle <strong>der</strong> Kosten und eine gerechte Verteilung<br />
<strong>der</strong> Einnahmen innerhalb des Sports.«<br />
2. WANDEL DER ZEIT<br />
»Vor 30 o<strong>der</strong> 40 Jahren wurde noch darüber diskutiert,<br />
ob man gewisse Sicherheitsstandards<br />
einführen sollte und ob das gut für den Sport wäre.<br />
Die Geschichte hat gezeigt, dass es das mit<br />
Sicherheit war. Die Geschichte wird auch zeigen,<br />
dass es eine verpasste Chance wäre, wenn unser<br />
Sport nun nicht an<strong>der</strong>en Sportarten folgt.«<br />
3. DENKT AN DIE FANS<br />
»Die <strong>Formel</strong> 1 benötigt jetzt strategisches Denken<br />
und kein kurzsichtiges Kalkül. Wir haben den<br />
besten Teamsport in <strong>der</strong> Welt und uns muss klar<br />
sein, dass die <strong>Formel</strong> 1 nicht uns gehört, wir fahren<br />
hier nur. Wir müssen an die Fans denken, denn<br />
wenn die Fans uns verlassen, gibt es unseren<br />
Sport auch nicht mehr.«<br />
MARUSSIA EROBERT MONACO<br />
Marussia hat es geschafft! 2010 stieg das Team in die <strong>Formel</strong> 1 ein. Während Einzelteile<br />
<strong>der</strong> HRTs längst versteigert wurden und Caterham an unschönen Nasen herumbastelt,<br />
gibt es bei Marussia etwas zu feiern: Punkte! Jules Bianchi holte in Monaco mit Platz<br />
9 die ersten Zähler <strong>der</strong> Teamgeschichte. Wichtiger als <strong>der</strong> Ruhm im Fürstentum dürfte<br />
aber das Geld sein, das Mr. E dafür springen lässt. Und noch ein Grund zum Feiern:<br />
Max Chilton fährt und fährt und fährt noch immer.<br />
DAUERLÄUFER MAX CHILTON<br />
MEIN ERFOLGSGEHEIMNIS<br />
»Ich bin in meiner Karriere schon immer gut darin gewesen,<br />
das Auto nach Hause zu bringen. Wenn man<br />
irgendeine verrückte Aktion versucht, steht das Ergebnis<br />
meistens vorher schon fest: jede Menge Schaden.<br />
Manchmal ist diese Herangehensweise vielleicht nicht<br />
die beste. Vielleicht hätte ein an<strong>der</strong>er Fahrer mit einem<br />
Manöver einen Platz gewonnen, aber langfristig zahlt<br />
sich mein Weg mehr aus. Das bedeutet ja nicht, dass<br />
ich nie überhole. Ich wäge das Risiko einfach sehr<br />
genau ab.«<br />
6 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
KAMPF DER ZWERGE<br />
OSELLA<br />
SUPER AGURI<br />
Christian Danner<br />
im Osella FA1 in<br />
Monaco 1986<br />
EMBASSY HILL<br />
ZAKSPEED<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MARUSSIA<br />
IM VISIER: OSELLA - 5 PUNKTE<br />
Die Statistik älterer, relativ erfolgloser <strong>Formel</strong>-1-Teams liest sich meist etwas<br />
son<strong>der</strong>bar. In Zeiten, in denen die Qualifikation noch eine wahre Hürde darstellte,<br />
war die italienische Rennschmiede zwischen 1980 und 1990 bei 172 Grands Prix<br />
gemeldet, durfte aber nur 131 Mal starten. Mit Cosworth- und Alfa-Romeo-<br />
Aggregaten im Heck reichte es immerhin zweimal in elf Saisons für Punkte.<br />
ÜBERHOLT: EMBASSY HILL - 3 PUNKTE<br />
Die Geschichte des Rennstalls von Graham Hill ist tragisch: 1975 ging das<br />
Team zum ersten und einzigen Mal an den Start. Auch <strong>der</strong> spätere Weltmeister<br />
Alan Jones und <strong>der</strong> Deutsche Rolf Stommelen fuhren für Hill. Bei zehn Rennen<br />
holte <strong>der</strong> Neuling immerhin drei Punkte. Ein Flugzeugabsturz, bei dem Hill<br />
und weitere Teammitglie<strong>der</strong> starben, bedeutete das Ende.<br />
IM VISIER: SUPER AGURI - 4 PUNKTE<br />
Takuma Sato heißt <strong>der</strong> Held von Super Aguri. Das japanische Team des ehemaligen<br />
Rennfahrers Aguri Suzuki bestritt zwischen 2006 und 2008 39 Grands<br />
Prix. Alle vier WM-Punkte holte Sato 2008, mit Rang 9 bei den Konstrukteuren<br />
das erfolgreichste Jahr <strong>der</strong> Super-Aguri-Geschichte. 2014 gehen die Japaner<br />
wie<strong>der</strong> auf Punktejagd - allerdings in <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> E.<br />
ÜBERHOLT: ZAKSPEED - 2 PUNKTE<br />
Als Fahrer sammelte Aguri Suzuki bei Zakspeed <strong>Formel</strong>-1-Erfahrung. 16 Mal<br />
wollte er 1989 starten, scheiterte aber jedes Mal an <strong>der</strong> Vorqualifikation. Die<br />
restlichen Zakspeed-Jahre verliefen nicht ganz so erfolglos. Martin Brundle<br />
sammelte für das deutsche Team immerhin zwei Punkte. Christian Danner<br />
schrammte einige Male knapp daran vorbei.<br />
DAS ANDERE ENDE DER KONSTRUKTEURSWERTUNG<br />
Position Team Punkte<br />
53. Osella 5<br />
Larrousse 5<br />
55. Super Aguri 4<br />
56. Hill 3<br />
57. Theodore 2<br />
Zakspeed 2<br />
AGS 2<br />
Marussia 2<br />
61. Tecno 1<br />
Venturi 1<br />
Spyker 1<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 7
MOTORRAD<br />
INSIDE TEXT: MICHAEL HÖLLER, NICO PAPPELAU & MARIA POHLMANN<br />
Scott Redding<br />
stellten sich<br />
unseren 8 Fragen<br />
8<br />
FRAGEN AN<br />
SCOTT REDDING<br />
Silverstone o<strong>der</strong> Donington?<br />
Puh, da kann ich mich nicht<br />
entscheiden.<br />
Zweitakter o<strong>der</strong> Viertakter?<br />
Zum Rennfahren Viertakter, für<br />
den Spaß aber auf jeden Fall<br />
Zweitakter.<br />
Pizza o<strong>der</strong> Pasta?<br />
Pizza ist mir lieber, aber meistens<br />
muss ich zu Pasta greifen.<br />
[lacht und blickt auf seinen<br />
Bauch]<br />
Agostini o<strong>der</strong> Rossi?<br />
Agostini war vor meiner Zeit,<br />
Rossi ist hingegen die schillerndste<br />
Persönlichkeit <strong>der</strong><br />
aktuellen MotoGP.<br />
Blondinen o<strong>der</strong><br />
Dunkelhaarige?<br />
Das ist egal, bei Frauen kommt<br />
es mir auf an<strong>der</strong>e Dinge an.<br />
[grinst schelmisch]<br />
Party in <strong>der</strong> Disco o<strong>der</strong><br />
Relaxen auf <strong>der</strong> Couch?<br />
Während <strong>der</strong> Saison meistens<br />
die Couch, aber ich bin 21 und<br />
habe in meiner Freizeit auch jede<br />
Menge Unfug im Kopf.<br />
Dein Lieblingsfußballklub?<br />
Ich hasse Fußball.<br />
Ein perfekter Urlaub wäre...?<br />
Ich brauche warmes Wetter, ein<br />
Motocrossbike und ein paar<br />
Mädchen. Dann bin ich<br />
glücklich.<br />
RADAR-FALLE<br />
Andrea Iannone fuhr am Samstagmorgen in Mugello direkt in eine Geschwindigkeitsmessung,<br />
wurde aber we<strong>der</strong> gestoppt noch bestraft - im Gegenteil. Der Pramac-Ducati-Pilot<br />
stellte im dritten Freien Training zum Italien GP einen neuen Geschwindigkeitsrekord in <strong>der</strong><br />
MotoGP auf. ‚Maniac Joe‘ - wie sich Iannone selbst gerne nennt - raste mit 349,6 km/h über<br />
den Asphalt und übertraf damit Dani Pedrosas bisheriges Spitzentempo von 349,288 km/h.<br />
349,6 km/h<br />
8 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
ROSSI WIRD<br />
300<br />
Als überhaupt erst zweiter Fahrer nach Loris Capirossi<br />
(Katar 2010) erreichte Valentino Rossi einen<br />
bedeutenden Meilenstein in <strong>der</strong> Motorrad-WM:<br />
Der Fan-Liebling fuhr seinen 300. Grand Prix.<br />
Beson<strong>der</strong>s glücklich ist <strong>der</strong> »Doktor« darüber nicht.<br />
»Dass ich meinen 300. Grand Prix fahre, bedeutet,<br />
dass ich schon sehr alt bin«, sagte er in Mugello.<br />
Schließlich ist seit Rossis Debüt im malaysischen<br />
Shah Alam 1996 schon etwas Zeit vergangen.<br />
FOTOS: MILAGRO, BRIDGESTONE, ADRIVO/SUTTON<br />
Nicht nur Valentino Rossi huldigte Marco Simoncelli<br />
beim italienischen Grand Prix mit einer Aufschrift<br />
auf seiner Kombi. Der charismatische Pilot<br />
wurde am Freitag in Mugello posthum in die Hall<br />
of Fame aufgenommen und damit zur 21.<br />
MotoGP-Legende. Simoncelli, <strong>der</strong> 2011 in Malaysia<br />
bei einem tragischen Unfall ums Leben kam,<br />
teilt sich die Ruhmeshalle mit Legenden wie<br />
Giacomo Agostini, Daijiro Kato, Mick Doohan,<br />
Anton Mang, Carlo Ubbiali und Casey Stoner.<br />
#THISFORSIC58<br />
FRANZOSEN GEBEN GUMMI<br />
Ab 2016 tritt Bridgestone als alleiniger Reifenlieferant in <strong>der</strong> MotoGP<br />
zurück. Obwohl laut <strong>der</strong> Dorna mehrere Hersteller Interesse an einer Nachfolge<br />
angemeldet hatten, war letztlich Michelin <strong>der</strong> einzige Produzent,<br />
<strong>der</strong> ein ernsthaftes Angebot vorlegte. Der Zuschlag ging - ohne große<br />
Überraschung - an die Franzosen, die sich mit vermehrten Testfahrten<br />
2015 bereits auf die 1000ccm einstellen sollen, nachdem sie eine siebenjährige<br />
MotoGP-Pause eingelegt haben. Bonne chance!<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 9
Dontjes Bilanz 2013 im<br />
ADAC <strong>Formel</strong> Masters: 2<br />
Siege, 4 Podiums<br />
Coolster Name im<br />
ganzen Fahrerlager:<br />
Indy Dontje<br />
FRAGEN AN<br />
TEXT: ROBERT SEIWERT<br />
INDY DONTJE<br />
DER ATS FORMEL 3 CUP IST DAS ABITUR DES MOTORSPORTS. DAS MOTOR-<br />
SPORT-MAGAZIN WIRFT EINEN GENAUEN BLICK INS FAHRERLAGER UND PRÄ-<br />
SENTIERT HOFFNUNGSVOLLE TALENTE SOWIE SPANNENDE GESCHICHTEN.<br />
DIESMAL: ROOKIE INDY DONTJE.<br />
MSM: Indy, du startest dieses Jahr zum ersten Mal<br />
im ATS <strong>Formel</strong> 3 Cup. Was waren die größten<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen nach dem Aufstieg aus dem<br />
ADAC <strong>Formel</strong> Masters?<br />
INDY DONTJE: Das <strong>Formel</strong>-3-Auto hat wesentlich mehr<br />
Downforce als <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> ADAC, den ich in den vergangenen<br />
beiden Jahren gefahren bin. Bei Testfahrten<br />
mit dem <strong>Formel</strong> 3 haben wir deshalb sehr häufig simuliert,<br />
wie es ist, in <strong>der</strong> so genannten ‚Dirty Air‘ zu fahren<br />
- also direkt hinter einem an<strong>der</strong>en Auto. Wenn du sehr<br />
nah am Vor<strong>der</strong>mann dran bist, verlierst du viel Abtrieb.<br />
Das macht das Überholen zu einer ganz schön kniffligen<br />
Angelegenheit - eine Herausfor<strong>der</strong>ung, die ich<br />
aber sehr gerne annehme.<br />
Welches Ziel hast du dir für diese Saison gesetzt?<br />
Die Herausfor<strong>der</strong>ung ATS <strong>Formel</strong> 3 Cup darf man nicht<br />
unterschätzen, und man sollte auf keinen Fall zu früh<br />
zu viel wollen. Ich habe mir realistische Ziele in meiner<br />
ersten Saison gesteckt und bin froh, dass es bislang<br />
so erfolgreich lief. Dieses Jahr sind einige hungrige<br />
Rookies am Start, die ebenfalls alles für den Sieg geben.<br />
Ich hoffe, dass ich in <strong>der</strong> Rookie-Wertung um den<br />
Gesamtsieg kämpfen kann.<br />
Und wie soll es in Zukunft in deiner Karriere<br />
weitergehen?<br />
Ich kann mir gut vorstellen, später vom <strong>Formel</strong>- in den<br />
GT-Sport zu wechseln. Es ist aktuell sehr schwierig,<br />
den Sprung in die <strong>Formel</strong> 1 zu schaffen. Da mache ich<br />
mir überhaupt nichts vor und lasse meine Zukunft im<br />
<strong>Motorsport</strong> offen. GT-Autos finde ich sehr spannend,<br />
das wäre auf jeden Fall eine gute Alternative.<br />
Du bist auch abseits <strong>der</strong> Rennstrecke fleißig.<br />
Erzähle bitte etwas über dein aktuelles<br />
Kartprojekt.<br />
Gemeinsam mit meinem Bru<strong>der</strong> betreibe ich eine Kartbahn<br />
im nie<strong>der</strong>ländischen Lelystad. Das ist eine Outdoor-Strecke,<br />
die wir in den vergangenen Monaten<br />
immer weiter ausgebaut haben. Außerdem habe ich<br />
eine Gokart-Schule, in <strong>der</strong> ich 35 Jugendlichen das<br />
Kartfahren beibringe. Langweilig wird mir nie: Vier Tage<br />
in <strong>der</strong> Woche sitze ich im Vorlesungsraum <strong>der</strong> Uni und<br />
an den an<strong>der</strong>en drei Tagen kümmere ich mich um das<br />
Kart-Unternehmen - und natürlich das Rennfahren!<br />
Was hat es mit dem Projekt ‚Against Cancer‘ auf sich,<br />
mit dem du auch auf deinem <strong>Formel</strong>-3-Auto wirbst?<br />
Mein Vater hat diese Organisation gegründet, sie setzt<br />
sich für krebskranke Kin<strong>der</strong> ein. Da mache ich natürlich<br />
gerne mit - es ist ein gutes Gefühl, ein Lächeln in den<br />
Gesichtern dieser Kids zu sehen. ‚Against Cancer‘ kümmert<br />
sich um 50 Familien mit krebskranken Kin<strong>der</strong>n,<br />
die wir zu unseren Rennen und an<strong>der</strong>en Veranstaltungen<br />
einladen. Wir hoffen, dass sie auf diese Weise<br />
zumindest kurzzeitig den Krebs ‚vergessen‘ können.<br />
FOTOS: ATS FORMEL 3 CUP/ALEXANDER TRIENITZ<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com ist offizieller Medien-Partner des ATS <strong>Formel</strong> Cup.<br />
10 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
KOLUMNE | MOTORRAD<br />
ORDINATION<br />
DR. ROSSI BLEIBT GEÖFFNET<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
ER IST EINFACH NICHT WEGZUDENKEN: WARUM VALENTINO ROSSI SO WICHTIG FÜR DIE MOTOGP IST.<br />
E<br />
r sagte es bei einem Pressetermin in<br />
Jerez ganz beiläufig: »Ich habe vor,<br />
noch zwei weitere Jahre bei Yamaha<br />
zu bleiben.« Unscheinbare Worte von großer Tragweite,<br />
denn sie wurden von niemand Geringerem<br />
als Valentino Rossi ausgesprochen. Viele Monate<br />
wurde über die Zukunft des Italieners spekuliert.<br />
Geht er? Bleibt er? O<strong>der</strong> wechselt er gar noch<br />
einmal das Team? Nun sollte klar sein: Mr. MotoGP<br />
bleibt seiner Rennserie mindestens bis Ende 2016<br />
erhalten. Denn wo ein Wille, da auch ein Weg -<br />
beson<strong>der</strong>s wenn es um die Liebesbeziehung<br />
zwischen Rossi und Yamaha geht.<br />
Wie wichtig er für die gesamte MotoGP ist,<br />
beweist er an jedem Rennwochenende aufs Neue.<br />
Rossis Racing-Gelb ist auf je<strong>der</strong> Tribüne, die nicht<br />
explizit Ducati- o<strong>der</strong> Marquez-Fans vorbehalten<br />
ist, die dominante Farbe, die Fanartikel-Stände<br />
führen zum größten Teil VR46-Produkte und die<br />
Menschentraube hinter Rossis Box ist nicht nur<br />
bei Rennen in Italien die mit Abstand größte. In<br />
Mugello kam es bei <strong>der</strong> »Track Invasion« während<br />
<strong>der</strong> Siegerehrung auf <strong>der</strong> Zielgeraden und in Teilen<br />
<strong>der</strong> Boxengasse zu Szenen, wie man sie sonst<br />
nur von Fußballspielen kennt. Sprechchöre, gelbe<br />
Rauchbomben und Fans, die in Ekstase und in<br />
Jubelposen auf Zäunen hängen. Valentino Rossi<br />
macht all das möglich und braucht dazu noch<br />
nicht einmal zu gewinnen. »So etwas habe ich<br />
noch nie gesehen. In <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1 kenne ich so<br />
eine Begeisterung nicht einmal nach Ferrari-<br />
Siegen in Monza«, sagte mir ein F1-Journalist,<br />
<strong>der</strong> dem MotoGP-Rennen in Mugello beiwohnte.<br />
Dass die Zuneigung seiner Anhänger zu Rossi<br />
schon beinahe Beziehungsstatus hat, zeigt auch<br />
<strong>der</strong> Umstand, dass sie ihm trotz mäßigen Erfolgen<br />
in den vergangenen Jahren eisern die Treue halten.<br />
Man darf nicht vergessen: in den letzten 48<br />
Monaten hat Rossi gerade einmal zwei Rennen<br />
gewonnen. 2014 ist <strong>der</strong> Dottore aber wie<strong>der</strong> dick<br />
im Geschäft. Mit neuem Crewchief und einem laut<br />
eigenen Angaben adaptierten Fahrstil ist er bei<br />
Yamaha wie<strong>der</strong> die Nummer eins, hat erneut ein<br />
Abo auf Podiumsplätze und steht nach Mugello<br />
sogar als erster Verfolger in <strong>der</strong> WM-Wertung von<br />
Überflieger Marc Marquez da. Und all das im Alter<br />
von 35 Jahren, in dem an<strong>der</strong>e Fahrer mit weit<br />
weniger Erfolgen auf dem Konto schon längst in<br />
Rente sind (kennen Sie Casey Stoner?). Das Glühen<br />
in den Augen und den Erfolgshunger hat Rossi<br />
auch nach 300 Rennen in <strong>der</strong> Weltmeisterschaft<br />
nicht verloren. »Ich weiß nicht, wo er nach all den<br />
Erfolgen seine Begeisterung hernimmt. Ich könnte<br />
mich mit 35 Jahren nicht mehr so motivieren«,<br />
gestand Bradley Smith unlängst.<br />
Rossi lebt den Motorradsport mit je<strong>der</strong> Faser<br />
seines Körpers, was sich auch daran äußert,<br />
dass er auf seiner Moto Ranch private Rennveranstaltungen<br />
organisiert, seit jeher Zaungast<br />
bei den Starts <strong>der</strong> kleinen Klassen ist und seit<br />
dieser Saison auch als Teameigentümer in <strong>der</strong><br />
Moto3 aktiv ist. Ein Leben ohne die MotoGP ist<br />
für den neunfachen Weltmeister wohl noch<br />
unvorstellbarer als für seine Fans. Die Ordination<br />
des Dr. Rossi bleibt nun also weitere Jahre<br />
geöffnet, was auch den Patienten MotoGP bei<br />
guter Gesundheit hält. Denn die Rennserie hat<br />
mit sinkenden Quoten zu kämpfen, was vor<br />
allem daran liegt, dass bei <strong>der</strong> Vergabe <strong>der</strong> TV-<br />
Rechte in den letzten Jahren vermehrt Bezahlsen<strong>der</strong><br />
zum Zug kamen. Ein Schicksal, dass<br />
auch den deutschen Markt 2015 ereilen könnte.<br />
So gesehen kann sich die MotoGP umso glücklicher<br />
schätzen, dass Rossis Mission noch lange<br />
nicht vorbei ist.<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
12 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 13
Lorenzo und Rossi<br />
lieferten sich eine<br />
epische Rennschlacht<br />
TEXT: NICO PAPPELAU<br />
BARCELONA 2009:<br />
WO EIN WILLE IST...<br />
Valentino Rossi stand gewaltig unter Druck. Sein Teamkollege Jorge Lorenzo<br />
hatte zwei <strong>der</strong> ersten fünf Saisonrennen gewonnen, Rossi nur eines. Auch im<br />
Qualifying zum Großen Preis von Katalonien hatte Lorenzo die Nase um 0,013<br />
Sekunden vorne. Nach dem Start, den Lorenzo gewann, begannen er und<br />
Rossi sich vom Rest des Feldes abzusetzen. In Runde vier überholte Rossi<br />
Lorenzo zum ersten Mal. Ab diesem Moment entwickelte sich das Rennen<br />
zum Solo für Zwei. Immer wie<strong>der</strong> überholten sich die Yamaha-Piloten gegenseitig.<br />
Zwei Runden vor Ende des Rennens überholte Lorenzo Rossi am Ende<br />
<strong>der</strong> Zielgeraden. Der Italiener konterte jedoch, indem er blitzschnell das Knie<br />
einzog und sich außen an Lorenzo vorbeibremste. In <strong>der</strong> letzten Runde schlug<br />
Lorenzo erneut zu. Rossis Gegenschlag verpuffte wirkungslos. »Als Jorge mir<br />
in Kurve neun die Tür zuwarf, wusste ich, dass ich es in <strong>der</strong> letzten Kurve<br />
DENK-<br />
WÜRDIGE<br />
RENNEN<br />
versuchen musste«, so Rossi, <strong>der</strong> bei seinen Überlegungen einen Crash mit<br />
seinem Teamkollegen einkalkulierte. Vor <strong>der</strong> letzten Kurve zuckte <strong>der</strong> »Doktor«<br />
blitzartig aus Lorenzos Windschatten und stach in eine 35 cm große Lücke.<br />
Beim Bremsen spürte er, wie die Front <strong>der</strong> Yamaha M1 wegzurutschen begann.<br />
Doch <strong>der</strong> Reifen hielt <strong>der</strong> Belastung stand und Rossi fuhr 0,095 Sekunden vor<br />
Lorenzo über die Ziellinie. »Ich habe eine Woche lang von diesem Manöver<br />
geträumt«, gab Rossi später zu. Er und Lorenzo lieferten sich 2009 noch<br />
weitere Duelle, bevor <strong>der</strong> Italiener am Ende <strong>der</strong> Saison zum neunten Mal<br />
Weltmeister wurde.<br />
DATUM: 14. Juni 2009<br />
STRECKE:<br />
Circuit de Catalunya<br />
DISTANZ:<br />
25 Runden = 118,175 Kilometer<br />
STARTER: 19<br />
WETTER:<br />
Sonnig<br />
POLE POSITION:<br />
Jorge Lorenzo (1:41.974 Minuten)<br />
SCHNELLSTE RENNRUNDE: Casey Stoner (1:42.858 Minuten)<br />
FOTOS: YAMAHA<br />
Die beiden Yamaha-<br />
Asse schenkten sich<br />
keinen Millimeter<br />
Rossi freute sich am<br />
Ende über 25 Punkte<br />
14 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
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PRO & CONTRA<br />
SOLL ROMAIN GROSJEAN LOTUS VERLASSEN?<br />
Romain Grosjean<br />
durchlebt schwierige<br />
Zeiten bei Lotus<br />
Nach einem<br />
katastrophalen Start<br />
geht es aufwärts<br />
FOTOS: LOTUS<br />
+++ PRO +++<br />
+++ CONTRA +++<br />
Nichts wie weg - so und nicht an<strong>der</strong>s muss das Credo von Romain Grosjean<br />
lauten. Der Franzose ist aktuell eine gefragte Aktie auf dem Fahrermarkt und<br />
wie sagt ein Sprichwort so schön: Man muss das Eisen schmieden, so lange<br />
es heiß ist.<br />
Als schneller Fahrer galt Grosjean von Beginn an, 2013 hat er auch endgültig<br />
sein Image als Crash-Kid abgestreift. Eine Tatsache, die auch Lotus-Teambesitzer<br />
Gerard Lopez bewusst ist. »Wir sprechen hier von einem Fahrer, <strong>der</strong><br />
stark kritisiert wurde und <strong>der</strong> jetzt im Grunde bei jedem Team unterkommen<br />
könnte.«<br />
Zusätzliche Pluspunkte brachten dem Franzosen ein, dass er trotz des katastrophalen<br />
Saisonstarts kein böses Wort über sein Team verlor, stattdessen<br />
die Mannschaft stets zu motivieren versuchte. Doch auch wenn Grosjean<br />
nicht müde wird zu betonen, dass es bei Lotus schrittweise aufwärts geht,<br />
muss er jetzt an sich denken - schließlich wird er auch nicht jünger.<br />
Lotus fehlt es an den finanziellen Mitteln sowie - nach dem Abgang von<br />
Technikdirektor James Allison - an kreativen Köpfen, um ein gutes Auto zu<br />
bauen bzw. weiterzuentwickeln. Fakt ist: will Grosjean Weltmeister werden,<br />
muss er zu einem an<strong>der</strong>en Team wechseln.<br />
Wie wär‘s mit McLaren? Mit Neo-Renndirektor Eric Boullier versteht sich<br />
Grosjean bekanntlich blendend und dank dem Einstieg von Motorenhersteller<br />
Honda hat er mit McLaren sicherlich größere Chancen, 2015 um Siege mitzukämpfen<br />
als mit Lotus.<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
Kämpfen, Romain, kämpfen! Wer hätte es dem einstigen Crash-Kid <strong>der</strong><br />
<strong>Formel</strong> 1 zugetraut, dass er sich in den Tiefen <strong>der</strong> Lotus-Misere dieses<br />
Jahres als echte Kämpfernatur entpuppen würde?<br />
Seine Blicke sagten zu Saisonbeginn alles, aber nur die Augen verrieten<br />
den Frust und die bittere Enttäuschung. Kein böses Wort kam dem<br />
Schweizer mit französischer Rennlizenz über die Lippen. Das schweißte<br />
ihn und seine Truppe zusammen.<br />
Der stellvertretende Teamchef Fe<strong>der</strong>ico Gastaldi glaubt aus diesem Grund<br />
nicht an einen Weggang seines Starfahrers. Immerhin hat Lotus Grosjean<br />
in schweren Zeiten den Rücken gestärkt und ihm eine zweite und sogar<br />
dritte Chance in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse gegeben. Das muss Grosjean nun<br />
zurückzahlen.<br />
Ja, Rennfahrer sind Egoisten. Sie müssen in <strong>der</strong> kurzen Zeit ihrer Karriere<br />
das Beste daraus machen. Aber schwierige Jahre sind bekanntlich wichtig<br />
für den Charakter. Auch Michael Schumacher musste bei Ferrari eine<br />
Dürreperiode durchstehen, bevor er reihenweise die Pokale abräumte.<br />
Der leichte Formaufschwung könnte Grosjean Hoffnung machen.<br />
Ohnehin scheint es für ihn kaum Alternativen zu geben. Die Cockpits bei<br />
Mercedes, Red Bull und auch Ferrari sind vorerst besetzt. Höchstens bei<br />
McLaren könnte eine kleine Chance auf Zuflucht bestehen, allerdings<br />
dürfte Ron Dennis eher auf Eigengewächse wie Magnussen und Vandoorne<br />
o<strong>der</strong> Weltstars wie Alonso setzen. Grosjean bleibt bei Lotus.<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
16 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
KOLUMNE | FORMEL 1<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
ALTES GERÜCHT NEU ANGEHEIZT<br />
UM ADRIAN NEWEY RANKEN SICH SEIT JAHREN SPEKULATIONEN. DIESES MAL SOLL DER KAUZIGE BRITE IN MARANELLO ANDOCKEN.<br />
I<br />
rgendwann muss ich über meine Zukunft<br />
entscheiden.« Ein harmloser Satz, <strong>der</strong> in<br />
den Medien wie eine Bombe einschlug.<br />
Sofort überschlugen sich die Schlagzeilen - Newey<br />
sei bei Red Bull nicht mehr glücklich, ein lukratives<br />
Angebot von Ferrari liege bereits auf dessen Zeichentisch.<br />
Bei den Medienrunden von Christian Horner und<br />
Marco Mattiacci gab es kein an<strong>der</strong>es Thema mehr<br />
als Newey und seinen vermeintlichen Wechsel ins rote<br />
Lager. Dass Ferrari den studierten Raumfahrt-Ingenieur<br />
mit Kusshand nehmen würde, daran besteht kein<br />
Zweifel. In Spanien wiegelte <strong>der</strong> Neo-Ferrari-Teamchef<br />
die Gerüchte um einen Newey-Wechsel erst ab, um<br />
wenige Augenblicke später sie wie<strong>der</strong> neu anzuheizen,<br />
indem er erklärte, Luca di Montezemolo müsse sicherstellen,<br />
dass für Ferrari nur die besten Leute arbeiten.<br />
Und wer ist besser als Adrian Newey?<br />
Mit James Allison hat die Scu<strong>der</strong>ia zwar erst im Vorjahr<br />
einen neuen Technikdirektor an Bord geholt, doch mit<br />
einem Design-Kaliber wie Adrian Newey kann Allison<br />
nicht mithalten. Auch Fernando Alonso goss neues Öl<br />
ins Gerüchte-Feuer, als er die aktuell enttäuschende<br />
Performance des F14T auf zu wenig Kreativität im<br />
Team schob. Mangelnde Kreativität? Für den einen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Journalisten war das eine unterschwellige<br />
For<strong>der</strong>ung nach Newey - denn kein Name steht<br />
in <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1 für mehr Kreativität als seiner, auch<br />
wenn <strong>der</strong> Brite ab und an über das Ziel hinausschießt.<br />
Mit seinem verschmitzten Lächeln wirkt Newey oftmals<br />
wie ein kleiner Schuljunge, <strong>der</strong> er in seinem Kopf<br />
gerade einen Streich ausheckt. Nur sind es in seinem<br />
Fall nicht irgendwelche kindischen Lausbuben-, son<strong>der</strong>n<br />
Geniestreiche, die einen Rennstall geradewegs<br />
zum nächsten WM-Titel führen können. Nicht ohne<br />
Grund gilt <strong>der</strong> 56-Jährige als bester Konstrukteur <strong>der</strong><br />
<strong>König</strong>sklasse. Die von ihm entworfenen Autos sind<br />
zumeist ein Garant für Erfolge - seit Beginn <strong>der</strong> 90er<br />
Jahre gewannen Neweys Boliden zehn Fahrer- und<br />
zehn Konstrukteurstitel sowie acht respektive sieben<br />
Vize-Weltmeistertitel.<br />
Wirklich neu sind die Gerüchte um Newey allerdings<br />
nicht. Immer wie<strong>der</strong> wurde er in den vergangenen<br />
Jahren mit an<strong>der</strong>en Rennställen in Verbindung<br />
gebracht, selbst ein Wechsel in den Segelsport zum<br />
legendären America‘s Cup wurde ihm angedichtet.<br />
Doch bis dato entpuppte sich jedes Gerücht als exakt<br />
das - ein Gerücht. Natürlich wäre ein Wechsel nach<br />
Maranello für Newey eine reizvolle Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />
denn nach Williams, McLaren und Red Bull ist Ferrari<br />
eines <strong>der</strong> Top-Teams, das in seiner Vita noch fehlt. Der<br />
Reiz für einen Traditionsrennstall wie Ferrari zu arbeiten,<br />
darf - trotz <strong>der</strong> verpassten Titelchancen in den<br />
vergangenen Jahren - nicht unterschätzt werden. Aber<br />
genau bei <strong>der</strong> Performance wären wir bei dem entscheidenden<br />
Punkt angelegt, <strong>der</strong> gegen einen Wechsel<br />
Neweys spricht. In Maranello würde auf den Briten<br />
ein riesiger Berg an Arbeit warten, dessen Ergebnisse<br />
trotz seines Genies zwei bis drei Jahre brauchen würden.<br />
Die Frage ist: will sich Newey nach rund 30<br />
Jahren im <strong>Formel</strong>-1-Geschäft noch einmal solche<br />
Anstrengungen antun?<br />
Es gibt Insi<strong>der</strong>, die diese Frage mit Ja beantworten.<br />
Ich gehöre nicht dazu. Zum einen sieht Newey<br />
meiner Meinung nach seine Aufgabe bei Red Bull<br />
noch nicht als beendet an, immerhin drehen <strong>der</strong>zeit<br />
zwei silberne Boliden Kreise um seinen RB10. Zum<br />
an<strong>der</strong>en hat es Red Bull geschafft, dem kauzigen<br />
Briten genau jenes Umfeld hinzustellen, das er<br />
braucht. Bei Ferrari würde man wohl weniger damit<br />
klarkommen, dass Newey seine Ideen auf einem<br />
altmodischen Zeichenbrett nie<strong>der</strong>schreibt und<br />
diese dann von jüngeren Kollegen erst in den Computer<br />
übertragen werden müssen. In <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1<br />
sollte man zwar nie den Fehler begehen, etwas<br />
komplett auszuschließen - immerhin ist selbst Kimi<br />
Räikkönen zur Scu<strong>der</strong>ia zurückgekehrt - aber mein<br />
Geld würde ich nicht auf einen Newey-Wechsel<br />
setzen.<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
17 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
MARK & KEITH SUTTON<br />
LIFE THROUGH A LENS<br />
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Ein Selfie von<br />
Fernando Alonso<br />
01<br />
01 SELFIE TIME<br />
Dieses Foto habe ich aus dem Pressezentrum aufgenommen. Es ist schön, mal eine<br />
an<strong>der</strong>e Perspektive zu haben – nicht nur Nahaufnahmen. Hier sieht man, wie viele Fans<br />
da waren. Fernando begann am einen Ende, Autogramme zu schreiben und Kimi am<br />
an<strong>der</strong>en. Als sie sich in <strong>der</strong> Mitte trafen, ging Kimi weg, weil alle nur nach Alonso schrien!<br />
Fernando blieb bis zum Ende und macht neuerdings auch immer einen Selfie mit den<br />
Fans. Er scheint keine Angst zu haben, dass ihn jemand anfassen könnte. Ich habe das<br />
Foto gesehen, das er gemacht hat, und es ist wirklich ein gutes Bild geworden!<br />
02 FEUERWEHRMANN SEB<br />
Hier sehen wir Sebastian nach seinem Defekt im 2. Training in Barcelona. Ich war in <strong>der</strong><br />
Boxengasse, als es passierte, sah es aber auf dem Bildschirm. Es war nicht weit weg,<br />
also rannte ich schnell los, bog rechts ab und er stand direkt auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Als<br />
ich ankam, war er schon aus dem Auto ausgestiegen und hatte einen Feuerlöscher in<br />
<strong>der</strong> Hand. Dann half er den Streckenposten, das Auto gerade zu halten, als es verladen<br />
wurde. Als er auf dem Abschleppwagen stand, hat er sich das Heck noch einmal genau<br />
mit dem Feuerlöscher angesehen. Eine schöne Serie an Bil<strong>der</strong>n!<br />
03 VATER & SOHN<br />
Es war großartig, dass Felipe seinen Sohn auf die Fahrerparade mitgenommen hat.<br />
Es scheint fast so, als ob er es für sein letztes Jahr halten würde und er alle Erinnerungen<br />
teilen möchte. Ich weiß jedoch nicht, wie lange sein Vertrag tatsächlich geht.<br />
Vielleicht ist es sein südamerikanisches Blut, denn auch Pastor bringt sein Baby oft<br />
mit ins Fahrerlager. Einmal habe ich ein Foto von ihm auf einem kleinen Golfwagen<br />
gemacht. Wir Europäer sind da an<strong>der</strong>s. Michael Schumacher hatte seine Kin<strong>der</strong> nie<br />
dabei. Fernando hat zumindest seine Freundin dabei, aber sie halten nicht Händchen.<br />
Deshalb ist es toll, zu sehen, wie Felipe seinen Sohn auf den Schultern durch den<br />
Paddock trägt und ihm die F1 zeigt.<br />
Selbst ist <strong>der</strong><br />
Weltmeister:<br />
Feuerwehrmann Seb<br />
Massa Junior &<br />
Senior auf <strong>der</strong><br />
Fahrerparade<br />
02 03
KOLUMNE | FORMEL 1<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
HITCHHIKER‘S GUIDE TO F1<br />
VON SUPERTRÖTEN & SUPERSPRÜNGEN<br />
ES GIBT SO VIEL ZU LERNEN. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN AUF ERKUNDUNGSREISE IN DEN WEITEN DES F1-PADDOCKS.<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MARUSSIA<br />
Zu viel Rambo?<br />
Pastor Maldonado<br />
hinter Gittern<br />
LEHRE NUMMER 1: Zurück in die Zukunft<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 verläuft in Zyklen, heißt es. Anscheinend ist damit nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Teams gemeint, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong>en Einfallsreichtum. Die F1 ist zu teuer! Klares<br />
ja. Wir brauchen ein Testverbot während <strong>der</strong> Saison! Ebenfalls ein..., Moment mal. Wurde das<br />
nicht gerade erst vor dieser Saison aufgehoben? Genau, jetzt wollen es die Teams wie<strong>der</strong><br />
rückgängig machen. Je<strong>der</strong> Cent zählt, so viel ist klar. Aber sind die vier zweitägigen Tests<br />
wirklich die Wurzel des Übels? Ich glaube mich zu erinnern, dass es die Schreie nach Kostensenkungen<br />
auch schon in den vergangenen Jahren gegeben hat - in <strong>der</strong> gleichen Lautstärke<br />
und Tonhöhe, die selbst bei Hunden zu blutenden Ohren führte. Was wohl ein gewisser Bewohner<br />
von Maranello davon hält? Die nächste halbstündige Wutrede gegen Simulatoren, die<br />
Aerodynamik und einfach alles, was außerhalb von Fiorano liegt, ist schon im Anmarsch...<br />
Vorsicht! Hier ist kein<br />
Red Bull erlaubt...<br />
LEHRE NUMMER 2: Kalter Krieg<br />
Frevel! Was haben wir uns nur dabei gedacht? Einfach so mit einem Wasserfläschchen von<br />
Red Bull in <strong>der</strong> Hand in die Mercedes-Hospitality zu spazieren. Verräter! Binnen Sekunden<br />
hatte die flinke Hospitality-Mitarbeiterin die Plastikflasche gegen eine neue ausgetauscht.<br />
»Wir haben nämlich auch das beste Wasser!« Da hilft selbst <strong>der</strong> unschuldigste Blick nichts<br />
mehr. Pirelli-Gate und Fuelflow-Gate haben ihre Spuren hinterlassen. In Zeiten <strong>der</strong> McLaren-<br />
Ferrari-Titelkämpfe zu Beginn des Jahrtausends kamen den Kontrahenten in ihren Pressemitteilungen<br />
noch nicht einmal mehr die Namen ihrer »Rivalen«/«Hauptgegner«/»des an<strong>der</strong>en<br />
Teams« über die Tastaturen. Jetzt gibt es ein neues Duell <strong>der</strong> Namenlosen. Was lernen wir<br />
daraus? Red Bull ist wohl doch mehr als nur ein Brausehersteller. Exakt, sie haben auch<br />
Wasser...<br />
Sound-Update:<br />
Lautere Mega-Tröte<br />
für den Silberpfeil<br />
Höher springt keiner:<br />
Super-Springer<br />
Max Chilton<br />
LEHRE NUMMER 3: Trörööö<br />
»Wroooom« So klingt Madonna di Campiglio. Nein, keine Angst. Es ist keine Lawine abgegangen.<br />
Das ist <strong>der</strong> Name des alljährlichen Sponsor-Events von Ferrari und Ducati. Aber irgendwie auch<br />
die Hoffnung aller Fans, die sich in <strong>der</strong> neuen <strong>Formel</strong> 1 viel mehr »Wrooooom« wünschen.<br />
Mercedes testete eine Lösung: einen Megaphon-Auspuff. Was das ist? Berechtigte Frage. So<br />
etwas Ähnliches wie eine Tröte, nur viel hässlicher. Möglicherweise weil es sich auf Kröte reimt.<br />
Die Aushilfs-Vuvuzela machte jedenfalls bestenfalls »wrooom« und wurde direkt wie<strong>der</strong> aussortiert.<br />
Aus rein optischen Gründen sicher kein Verlust. Neue Krawallmacher sind allerdings schon<br />
auf dem Weg. Unser Vorschlag: Setzt einen blau und rot gekleideten Elefanten auf den »Monkey<br />
Seat«. Gegen die Farben dürften die Silberpfeile, wie wir beim Wasserzwischenfall gelernt haben,<br />
zwar etwas einzuwenden haben, aber eins wäre sicher - ein geschmettertes: »Tröröööö!«<br />
LEHRE NUMMER 4: Kultfigur wi<strong>der</strong> Willen<br />
Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Super Max! Kaum ein aktiver <strong>Formel</strong>-1-Fahrer,<br />
<strong>der</strong> noch nie einen WM-Punkt geholt hat, genießt solch einen Kultstatus wie Max Chilton.<br />
Selbst in unserer Redaktion ist Chilton eine lebende Legende. Un<strong>der</strong>dog, Mr. Zielankunft und<br />
eine Art Hochsprungweltmeister: Chilton ist <strong>der</strong> Traum <strong>der</strong> Social Media Fangemeinde. Nur<br />
wusste er es bislang nicht. Wir konfrontierten ihn im Interview mit seiner Rolle als Kultfigur.<br />
Seine Reaktion? Aus Überraschung sprang er (wenn auch nicht ganz so denkwürdig wie einst<br />
bei den Tests und in Malaysia, s. links) fast über den Tisch <strong>der</strong> Marussia-Hospitality:<br />
»Wirklich???« Wirklich!<br />
Max Chilton im Interview: www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com/goto/Chilton<br />
19 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
SLIDESHOW | FORMEL1 | #37 | 2014<br />
❱ DAS<br />
COMEBACK<br />
DES JAHRES<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
FOTO: ADRIVO/SUTTON<br />
Zugegeben: Das Comeback <strong>der</strong> Silberpfeile ist beeindruckend. Aber<br />
mit <strong>der</strong> Rückkehr des Österreich GPs kann es nicht mithalten. Binnen<br />
weniger Stunden war das Rennen in Spielberg restlos ausverkauft.<br />
In Zeiten, in denen leere Tribünen in Korea und Bahrain zur Tagesordnung<br />
gehören, ist das eine willkommene Abwechslung. An <strong>der</strong><br />
<strong>Formel</strong>-1-Begeisterung <strong>der</strong> Alpenrepublik kann sich auch die Autofahrernation<br />
Deutschland etwas abschauen, wenn das Motodrom<br />
wie<strong>der</strong> einmal halbleer ist. Einen Schönheitsfehler gibt es in Spielberg<br />
dann aber doch: Niki Lauda Kurve klingt deutlich schöner als<br />
Pirelli Kurve. Die paar Schilling hätte Red Bull Boss Dietrich Mateschitz<br />
noch drauflegen sollen.<br />
20 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 21
DIE KÖNIGE<br />
DER FORMEL 1<br />
HAMILTON VS. ROSBERG<br />
SIEG AUF SIEG, STREIT UM STREIT. LEWIS HAMILTON UND NICO ROSBERG DOMINIEREN<br />
DIE FORMEL 1 - AUF DER STRECKE UND IN DEN SCHLAGZEILEN. ZWEI TOP-FAHRER MIT<br />
IDENTISCHEM MATERIAL, DOCH NUR EINER VON BEIDEN KANN WELTMEISTER WERDEN.<br />
DAS MOTORSPORT-MAGAZIN STELLT DIE KANDIDATEN AUF DEN WM-PRÜFSTAND.<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER & STEPHAN HEUBLEIN<br />
22 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 23<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MERCEDES
Lewis Hamilton lässt<br />
seiner emotionalen<br />
Seite gerne freien Lauf<br />
Nico Rosberg pflegt<br />
lange und intensive<br />
Gespräche mit<br />
seinen Ingenieuren<br />
TITELFAKTOR: CLEVERNESS<br />
Ein Sprichwort besagt: <strong>der</strong> Teufel liegt im Detail. Umso größer ist <strong>der</strong> Vorteil<br />
für jenen Piloten, <strong>der</strong> sich mit <strong>der</strong> Technik bis ins kleinste Detail auseinan<strong>der</strong>setzt<br />
- und das tut Nico Rosberg. Er saugt technisches Wissen in sich<br />
auf und versucht, eins mit seinem Auto zu werden. »Denn ich weiß: das<br />
kann einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied ausmachen«, so<br />
Rosberg, <strong>der</strong> die Schwachstelle vieler Piloten kennt. »Mancher denkt beim<br />
Fahren überhaupt nicht mit.« In <strong>der</strong> Vergangenheit gehörte auch Teamkollege<br />
Lewis Hamilton in diese Kategorie. Der Brite verließ sich vorwiegend<br />
auf sein Talent, doch mit dem neuen Reglement setzte auch bei Hamilton<br />
ein Umdenken ein. »Lewis ist in diesem Jahr konzentrierter. Er scheint auch<br />
härter gearbeitet zu haben als früher«, sagt Johnny Herbert dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. Hamilton habe verstanden, dass man mit reinem Speed und Talent<br />
allein keinen WM-Titel gewinnt. »Man muss das mit harter Arbeit kombinieren.<br />
Deshalb ist Nico so gut, wie er ist«, so Herbert. »Lewis hat das<br />
natürlich erkannt und macht jetzt das gleiche.«<br />
WM-CHECK: VORTEIL ROSBERG<br />
TITELFAKTOR: PSYCHOSPIELE<br />
Keines Blickes würdigte Hamilton seinen Teamkollegen nach dem Qualifying<br />
in Monaco. Hat Rosberg sein Auto absichtlich in Mirabeau geparkt<br />
o<strong>der</strong> nicht? Die Stewards befanden nein, <strong>der</strong> emotionale Brite sah es an<strong>der</strong>s.<br />
Für <strong>Motorsport</strong>chef Toto Wolff gehören solche Psychospielchen einfach<br />
dazu - so lange sie nicht das große Ganze gefährden. Wer die Vorbereitung<br />
des Teams durch falsche Angaben in den Briefings stört, läuft Gefahr, mehr<br />
als nur einen Rüffel zu erhalten. »Wenn man hier Spielchen spielt, ist das<br />
nicht för<strong>der</strong>lich für das Team. Da würden wir dazwischen gehen«, so Wolff.<br />
»Gleichzeitig gibt es wesentlich mehr Methoden, als den Teamkollegen nur<br />
mit dem Setup in die Irre zu führen.« Christian Danner ist davon überzeugt,<br />
dass sich Rosberg von solchen Dingen nicht zermürben lässt. »Er kennt<br />
Lewis ganz genau und weiß, mit wem er es zu tun hat«, glaubt Danner an<br />
das Selbstbewusstsein des Deutschen. »Aufgrund <strong>der</strong> Kapazität zwischen<br />
den Ohren steckt er das weg.«<br />
WM-CHECK: LEICHTER VORTEIL HAMILTON<br />
24 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TITELFAKTOR: TALENT<br />
»Lewis brillant? Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.« Diese Aussage<br />
von Sir Jackie Stewart überrascht. Immerhin sprechen wir hier von einem<br />
Fahrer, <strong>der</strong> diese Saison bereits vier Rennen in Folge gewonnen hat. Von<br />
einem Fahrer, <strong>der</strong> sämtliche Beobachter bereits in seinem Debütjahr mit<br />
seinem Speed in Erstaunen versetzte und einem Fahrer, <strong>der</strong> sich schon in<br />
seinem zweiten Jahr zum Champion krönte. Doch genau darin liegt für<br />
Stewart <strong>der</strong> sprichwörtliche Hund begraben. »Lewis ist unbestritten ein<br />
schneller Fahrer, aber er muss noch beweisen, dass er zu den ganz Großen<br />
zählt. Ich finde, es braucht mehr WM-Titel, um in <strong>der</strong> ersten Liga mitzuspielen«,<br />
so Stewart gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Was das gottgegebene<br />
Talent angeht, sieht Heinz-Harald Frentzen den Briten allerdings<br />
ganz vorne. »Er ist ein schneller Hund. Für mich ist Lewis <strong>der</strong> schnellste<br />
Rennfahrer - er übertrumpft sogar Fernando Alonso«, erklärt <strong>der</strong> frühere<br />
<strong>Formel</strong>-1-Pilot. »Wir sprechen hier aber von Hemisphären, in denen die<br />
Luft sehr dünn ist.« Dass Hamilton die Fähigkeit besitzt, aus dem Auto noch<br />
das Extrabisschen herauszuquetschen, bewies er im Qualifying zum Großen<br />
Preis von Spanien. Auf seinem letzten Versuch in <strong>der</strong> allerletzten Minute des<br />
Qualifyings schnappte er seinem Teamkollegen die Pole Position weg - und<br />
später den Sieg. Trotzdem sieht <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>-Experte Christian Danner<br />
Rosberg und Hamilton fahrerisch auf einem Niveau. »Lewis ist ein Vollgastier,<br />
während Nico jemand ist, <strong>der</strong> mit einer unglaublichen Intelligenz und Akribie<br />
die Latte für sich selbst immer höher legt. Fahrerisch geben sich beide praktisch<br />
nichts.« Den Beweis erbrachte Rosberg mit seinem zweiten Sieg im Fürstentum<br />
von Monaco - auf einem <strong>der</strong> schwierigsten Kurse im Rennkalen<strong>der</strong>. Für Stewart<br />
steht fest: »Nico hat das Potenzial, besser zu sein als Lewis. Er geht sehr sanft<br />
mit dem Auto um, er überfährt es nicht und crasht damit nicht. Er geht auch<br />
sehr gut mit den Reifen um, fährt sie nicht zu Tode. Er ist ein unglaublich<br />
intelligenter Fahrer und langfristig wird er sich damit durchsetzen.« Eine Prognose,<br />
<strong>der</strong> sich Herbert noch nicht anschließen möchte: »Über die Saison<br />
hinweg ist noch nichts in Stein gemeißelt.«<br />
→<br />
WM-CHECK: LEICHTER VORTEIL HAMILTON<br />
Seriensieger:<br />
Die Silberpfeile eilen<br />
von Sieg zu Sieg<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 25
Perfektes Teamwork<br />
kann den WM-Titel<br />
entscheiden<br />
Nicht ohne meine<br />
Sonnenbrille:<br />
Lewis bleibt cool<br />
TITELFAKTOR: TEAM<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 ist ein Mannschaftssport. So kommt es im WM-Zweikampf<br />
nicht ausschließlich auf die Fähigkeiten <strong>der</strong> beiden Titelkontrahenten an.<br />
»Es ist auch ein Wettkampf unter den Ingenieuren, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Box stattfindet«,<br />
betont Toto Wolff. Je<strong>der</strong> Fahrer hat seine Mannschaft, die sich gegenseitig<br />
zu Höchstleistungen antreibt. Jede Seite <strong>der</strong> Box will ihren Fahrer<br />
siegen sehen. Ob man sich mit seinem Renningenieur blind versteht o<strong>der</strong><br />
nicht, kann laut Frentzen den Titelkampf entscheiden. »Als ich für Jordan<br />
gefahren bin, haben wir aus Scheiße Pfefferkuchen gemacht«, erinnert er<br />
sich. »Das Auto war eine Sekunde langsamer als die Spitze, aber wir haben<br />
gemeinsam immer das Beste herausgeholt und Rennen gewonnen.« Bei<br />
<strong>der</strong> Rennstrategie entscheidet bei Mercedes ein klares Kriterium: »Der im<br />
Qualifying führende Mann hat Priorität bei <strong>der</strong> Reifenstrategie«, verrät<br />
Wolff. Das führte unter an<strong>der</strong>em in Monaco zu Verärgerung bei Hamilton,<br />
<strong>der</strong> gerne früher gestoppt hätte.<br />
WM-CHECK: UNENTSCHIEDEN<br />
TITELFAKTOR: UMFELD<br />
Tattoos, Ohrring, Turbofrisur - Lewis Hamilton pflegt sein Image als Rockstar<br />
<strong>der</strong> F1. Dazu kommt sein Liebeswirrwarr mit On-Off-Freundin und<br />
Pussycat Nicole Scherzinger sowie seine auf den sozialen Netzwerken breit<br />
zur Schau gestellte Liebe zu seinen Hunden Coco und Roscoe. Letzterer<br />
besitzt sogar seine eigene Akkreditierung für den F1-Paddock. Für diesen<br />
Lebensstil wurde Hamilton in <strong>der</strong> Vergangenheit oftmals kritisiert. 2014<br />
bleibt <strong>der</strong> Anhang deshalb brav zu Hause. »Entgegen dem, was in den<br />
Zeitungen steht, schreiben wir Lewis nicht vor, dass seine Hunde und seine<br />
Freundin zu Hause bleiben müssen. Lewis macht es so, wie er es für richtig<br />
hält«, betont Toto Wolff. Ein ganz an<strong>der</strong>es Umfeld pflegt Nico Rosberg.<br />
Seine Verlobte Vivian weicht ihm zwar seit über zehn Jahren nicht von <strong>der</strong><br />
Seite, dennoch ist Rosbergs Fokus ganz und gar auf die <strong>Formel</strong> 1 gerichtet.<br />
»Nico ordnet alles an<strong>der</strong>e unter. So funktioniert er am besten«, erklärt Wolff.<br />
»Unsere Fahrer sind ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, die ein ganz<br />
verschiedenes Leben führen. Beides ist für den jeweiligen Fahrer richtig.«<br />
WM-CHECK: UNENTSCHIEDEN<br />
26 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TITELFAKTOR: EXPLOSIONSGEFAHR<br />
Bahrain, Spanien, Monaco: Schon mehrmals stand <strong>der</strong> Krieg <strong>der</strong> Sterne<br />
in dieser Saison vor einer Eskalation. »Die Intensität zwischen beiden<br />
Fahrern ist groß«, redet Toto Wolff nicht um den heißen Brei herum.<br />
»Man kann nicht erwarten, dass die beiden auf Kuschelkurs gehen, wenn<br />
sie wissen, dass sie das Werkzeug haben, um Weltmeister zu werden.«<br />
Die Spannungen zwischen Hamilton und Rosberg werden von Rennen<br />
zu Rennen ansteigen - und irgendwann vielleicht explodieren. Hamiltons<br />
verärgerte Funksprüche waren bisher nur ein kleiner Vorgeschmack<br />
darauf. Wolff möchte diese aber nicht überbewerten, wenn im Eifer des<br />
Gefechts um jeden Millimeter gekämpft wird. Wichtig ist dem Team,<br />
dass beide Fahrer ohne Kollision die Zielflagge sehen. »Manchmal sind<br />
sie ein bisschen wie Teenager, die prüfen, wie weit sie gehen können«,<br />
vergleicht Wolff. »Es liegt an uns, sicherzustellen, dass alles immer in<br />
einem korrekten Rahmen bleibt.« Umso mehr müssen Wolff, Paddy Lowe<br />
und Niki Lauda bei ihren regelmäßigen Meetings mit den Fahrern die<br />
Zügel anziehen. Bei den Rad-an-Rad-Duellen unter dem Nachthimmel<br />
von Sakhir waren beide Fahrer am absoluten Limit - ihrer selbst, ihrer<br />
Autos und des Erlaubten. »In Bahrain haben wir die Grenze genau getroffen<br />
- das war voll am Limit, aber immer mit dem gewissen Respekt«,<br />
erklärt Rosberg dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. »Jetzt wissen wir beide, was<br />
man sich erlauben kann.« Je öfter es zu solchen Zweikämpfen kommt,<br />
desto größer wird die Gefahr einer Kollision. Neben Rosbergs Sieg in<br />
Monaco zählt Hamiltons hart umkämpfter Triumph in Bahrain zu den<br />
bisherigen Schlüsselmomenten im WM-Kampf. »Nico hatte in Bahrain<br />
zehn Runden vor Schluss die frischeren Reifen, es war sein Rennen, er<br />
hatte den Vorteil. Aber er hat es nicht geschafft. Das war meiner Meinung<br />
nach ein wichtiger Moment für Lewis, <strong>der</strong> danach sagen konnte: Du<br />
hättest gewinnen müssen, aber ich habe dich geschlagen«, meint Herbert<br />
gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. In Monaco schlug Rosberg zurück.<br />
Der psychologische Wert dieses Sieges zählte doppelt: Rosberg durchbrach<br />
Hamiltons Siegesserie und setzte ein Zeichen für den Rest <strong>der</strong><br />
Saison. Ein dreifacher Weltmeister wie Niki Lauda weiß genau, was in<br />
einer solchen Situation nötig ist: »Man muss ein Bastard sein, um in <strong>der</strong><br />
<strong>Formel</strong> 1 zu gewinnen.«<br />
→<br />
WM-CHECK: LEICHTER VORTEIL ROSBERG<br />
Nico Rosberg jagt<br />
seinen ersten<br />
WM-Titel<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 27
Zweikampf <strong>der</strong><br />
Silberpfeile<br />
28 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
SCHLAGABTAUSCH:<br />
HAMILTON VS. ROSBERG<br />
»Für die Medien wäre es toll, wenn bei uns im<br />
Team <strong>der</strong> Mega-Krieg entbrennen würde.«<br />
Nico Rosberg<br />
»Wir sind keine Freunde. Wir sind Kollegen.«<br />
Lewis Hamilton<br />
»Ich kenne alle seine Stärken und Schwächen.<br />
Ich weiß, wo ich ihn packen kann.«<br />
Nico Rosberg<br />
»Ich komme aus einer nicht gerade noblen<br />
Gegend in Stevenage und habe auf dem<br />
Sofa im Apartment meines Vaters geschlafen.<br />
Nico ist in Monaco mit Jets, Hotels und Booten<br />
aufgewachsen - <strong>der</strong> Hunger ist ein an<strong>der</strong>er.«<br />
Lewis Hamilton<br />
»Es wird schwer für ihn, mich<br />
mental zu brechen.«<br />
Nico Rosberg<br />
»Mir gefällt, wie Senna damit umgegangen<br />
ist, also werde ich mir davon eine<br />
Scheibe abschneiden.«<br />
Lewis Hamilton<br />
»Ich mag es einfach nicht, Zweiter zu werden.«<br />
Nico Rosberg<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 29
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
DAS MERCEDES<br />
REZEPT<br />
EIN DOPPELSIEG JAGT DEN NÄCHSTEN. MERCEDES SCHEINT IN DER NEUEN FORMEL-1-ÄRA NAHEZU UNSCHLAGBAR ZU SEIN.<br />
DAS MOTORSPORT-MAGAZIN VERRÄT 15 GRÜNDE, WARUM DIE SILBERPFEILE DIE KÖNIGSKLASSE DOMINIEREN.<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MERCEDES<br />
30 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Wie ein<br />
Rockstar: Lewis<br />
Hamilton steigt in<br />
seinen Super-<br />
Silberpfeil<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 31
1. Niki Lauda<br />
»Ich werde nicht ins Tagesgeschäft eingreifen.«<br />
Mit diesen Worten beschrieb Niki Lauda seine<br />
neue Rolle als Aufsichtsratschef bei Mercedes.<br />
Und tatsächlich: Lauda bestimmt kein Setup,<br />
Lauda entwickelt keine Autos. Er zeichnet aber<br />
sehr wohl für einige <strong>der</strong> wichtigsten Entscheidungen<br />
verantwortlich. »Niki redet nicht um den<br />
heißen Brei herum, er spricht mit jedem Klartext«,<br />
betont <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com-Experte Christian<br />
Danner. Der Österreicher kennt jeden in <strong>der</strong><br />
<strong>Formel</strong> 1. Sein Kontaktnetzwerk reicht weit über<br />
die Grenzen des Paddocks hinaus. So eiste er<br />
Lewis Hamilton von McLaren los und setzte damit<br />
ein wichtiges Zeichen: Mercedes besitzt die Strahlkraft,<br />
um einen <strong>der</strong> besten Fahrer <strong>der</strong> Welt<br />
anzulocken.<br />
2. Rosberg & Hamilton<br />
»Beide sind superstark«, sagt Heinz-Harald Frentzen.<br />
»In diesen Hemisphären ist die Luft sehr<br />
dünn.« Den Grund dafür sieht Toto Wolff in <strong>der</strong><br />
langjährigen Erfahrung bei<strong>der</strong> Fahrer von Kindestagen<br />
an. »Sie sind nicht nervös o<strong>der</strong> zweifeln<br />
an sich. Sie kennen ihre Fähigkeiten«, so Wolff.<br />
»Es ist wie Fahrrad fahren. Wenn wir aufsteigen,<br />
denken wir auch nicht mehr darüber nach, wie es<br />
funktioniert.« Diese Saison ist <strong>der</strong> beste Beweis<br />
dafür: Mit einem siegfähigen Auto steigen Hamilton<br />
und Rosberg ein und gewinnen, als wäre es<br />
das einfachste auf <strong>der</strong> Welt.<br />
Der Mercedes-<br />
Erfolg basiert auf<br />
15 Bausteinen. Wir<br />
erklären, was sie<br />
so schnell macht<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MERCEDES<br />
3. Werksstatus<br />
Mercedes ist ein reines Werksteam. An<strong>der</strong>s als bei<br />
Ferrari befinden sich Chassis- und Motorenabteilung<br />
allerdings nicht unter einem Dach. Die<br />
Werke in Brackley und Brixworth trennen jedoch<br />
nur knapp 45 km. »Im Jahr 2006 arbeiteten wir<br />
gemeinsam mit McLaren am V8-Motor, jetzt<br />
arbeiten wir mit dem Team in Brackley zusammen«,<br />
verriet Mercedes-Motorenchef Andy<br />
Cowell bei einem Werksbesuch Anfang des vergangenen<br />
Jahres. Bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> neuen<br />
Motoren hat das Werksteam die Führungsrolle<br />
übernommen. Der Unterschied ist erheblich: Die<br />
Kundenteams erhalten nur jene Informationen,<br />
die für sie nötig sind - und das auch erst nach <strong>der</strong><br />
Vertragsunterschrift. Diese fand für 2014 recht<br />
spät statt. Demnach waren ihre Autos schon in<br />
einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium<br />
und die ersten wichtigen Entscheidungen bereits<br />
getroffen. Wie entscheidend <strong>der</strong> Unterschied zwischen<br />
Werks- und Kundenteam ist, zeigt das Beispiel<br />
Ferrari und Sauber. Teamchefin Monisha<br />
Kaltenborn verriet dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>: »Es<br />
ist schwierig. Man steht nicht in <strong>der</strong> ersten Reihe<br />
- man muss auf die Daten warten. Als Kundenteam<br />
hat man dadurch einen gewissen<br />
Nachteil.«<br />
4. KERS-Expertise<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit war es schwierig, ohne<br />
KERS schnell zu sein. In dieser Saison ist es<br />
nahezu unmöglich, ohne ERS schnell zu sein.<br />
Kein Wun<strong>der</strong>, dass <strong>der</strong> Klassenprimus des alten<br />
Systems auch beim neuen vorne liegt. Seit den<br />
ersten Entwicklungsschritten 2006 ist das KERS-<br />
Projekt in Brixworth beheimatet. Damals entschied<br />
sich Mercedes dazu, eine eigene Abteilung<br />
aufzubauen und das Know-how intern zu verwalten.<br />
Das führte zu kurzen Wegen und ausgebildeten<br />
Fachkräften im Haus. Der Lohn waren die<br />
besten KER-Systeme <strong>der</strong> ersten beiden Generationen.<br />
Die Fortschritte waren enorm: Das erste<br />
Entwicklungs-KERS wog 2007 mehr als 100 kg,<br />
Ende 2012 waren es nur noch 24 kg. Die Leistungsdichte<br />
wurde um das zwölffache gesteigert.<br />
Das angesammelte Fachwissen ist so groß, dass<br />
Mercedes sogar den Antrieb für den SLS AMG<br />
Electric Drive in Brixworth entwickeln ließ.<br />
5. Entwicklungszeit<br />
Der Grundstein für die Seriensiege wurde bereits<br />
im Jahr 2010 gelegt - noch bevor das Reglement<br />
für die Saison 2014 Mitte 2011 endgültig veröffentlicht<br />
wurde. Dabei flossen von Anfang an<br />
Ideen aus allen Abteilungen in die Konzepte mit<br />
ein. Im PR-Deutsch ist dabei gerne von einem<br />
»komplett integrierten Ansatz« die Rede. Dies war<br />
bei Mercedes wörtlich zu nehmen: Die Arbeit<br />
begann gleichzeitig an beiden Standorten auf<br />
einem leeren Bildschirm. Ein unfairer Vorteil war<br />
dies jedoch nicht, wie Danner anmerkt: »Mercedes<br />
hatte nicht mehr Zeit, um sich auf die Situation<br />
einzustellen. Alle wussten, ab wann das Reglement<br />
steht. Alle, die jetzt schimpfen, waren an <strong>der</strong> Entscheidungsfindung<br />
beteiligt; die Komplexität war<br />
allen bekannt. Die an<strong>der</strong>en haben es<br />
unterschätzt.«<br />
6. Power Unit<br />
»Mercedes hat den besten Motor«, sagt Allan<br />
McNish. Mit dieser Ansicht steht er im Paddock<br />
nicht alleine da. Leistung, Zuverlässigkeit, Effizienz:<br />
<strong>der</strong> neue Antriebsstrang ist <strong>der</strong> Wunsch eines jeden<br />
Teams. Schon bei den Wintertests erzielten die<br />
Mercedes-Teams mit knapp 18.000 Testkilometern<br />
die meisten aller Hersteller - davon konnten die<br />
bemitleidenswerten Renault-Teams nur träumen.<br />
Aber auch die Leistung hat es in sich: Red Bull<br />
beklagte in Malaysia einen Rückstand von 80 PS<br />
und 20 km/h auf <strong>der</strong> Geraden. Einer von vielen<br />
Vorteilen steckt im Layout: Turbo und Kompressor<br />
sind voneinan<strong>der</strong> getrennt und liegen an den jeweiligen<br />
Enden des Motorblocks. Das hilft sowohl bei<br />
<strong>der</strong> Kühlung als auch <strong>der</strong> Leistung.<br />
32 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Das WM-Duell<br />
kann kommen:<br />
Nico Rosberg ist<br />
bereit für den<br />
Kampf<br />
11. Ross Brawn<br />
Ross Brawn erlebt die Erfolge nicht mehr am<br />
Kommandostand. Doch <strong>der</strong> frühere Superstratege<br />
von Michael Schumacher brachte auch bei<br />
Mercedes viele wichtige Bausteine in Position. So<br />
verpflichtete er wertvolle Neuzugänge wie Bob<br />
Bell (<strong>der</strong> das Team im November wie<strong>der</strong> verlassen<br />
wird), Geoff Willis und seinen alten Weggefährten<br />
Aldo Costa. Letzterer war bei Ferrari in Ungnade<br />
gefallen und wurde wie Chris Dyer o<strong>der</strong> Stefano<br />
Domenicali eines <strong>der</strong> vielen Bauernopfer in Rot.<br />
Brawn benötigte nur einen Anruf, um ihn nach<br />
Brackley zu lotsen.<br />
Mercedes hat<br />
sich in vier Jahren<br />
an die Spitze <strong>der</strong><br />
<strong>Formel</strong> 1<br />
katapultiert<br />
12. Personal<br />
Oft wurde Mercedes für seine »fünf Technischen<br />
Direktoren« belächelt. In dieser Saison dürfte den<br />
Kritikern das Lachen vergangen sein. Das Team<br />
wurde aber nicht nur in <strong>der</strong> Spitze verstärkt, auch<br />
die zweite und dritte Reihe wurden aufgestockt. »Wir<br />
haben es geschafft, die richtigen Ingenieure zusammenzustecken<br />
und die richtige Organisation aufzubauen«,<br />
sagt Wolff. Noch gebe es einige Bereiche, in<br />
denen Nachholbedarf bestehe. Aber die nötigen<br />
Schritte und Verpflichtungen wurden bereits eingeleitet.<br />
»So langsam fügt sich eines ins an<strong>der</strong>e«, betont<br />
Wolff. »Das zeigt sich an den Ergebnissen.«<br />
7. Konzernressourcen<br />
Das Team ist bei Problemen nicht auf sich allein<br />
gestellt und kann je<strong>der</strong>zeit auf die Forschungsund<br />
Entwicklungsressourcen des Konzerns<br />
zurückgreifen. So geschehen zu Beginn dieses<br />
Jahres. »Wir hatten ein Kühlungsproblem, das wir<br />
nicht lösen konnten«, verrät Wolff. »Da wussten<br />
selbst unsere schlauesten Ingenieure keine<br />
Lösung. Unsere Kollegen in Stuttgart und Sindelfingen<br />
kannten das Problem jedoch aus <strong>der</strong> Serie<br />
und verschafften uns so einen echten<br />
Wettbewerbsvorteil.«<br />
8. Petronas<br />
Wenn ein in England beheimatetes Team eines<br />
deutschen Automobilherstellers in Malaysia<br />
von einem Heimrennen spricht, führt das<br />
schnell zu Stirnrunzeln und <strong>der</strong> Vermutung<br />
eines Marketinggags. Der malaysische Mineralölkonzern<br />
Petronas ist aber tatsächlich mehr<br />
als nur ein Geldgeber. Parallel zur Entwicklung<br />
von Auto und Motor trieben die Petronas-<br />
Techniker drei Jahre lang die Entwicklung des<br />
Benzins und <strong>der</strong> Schmiermittel voran. Eine <strong>der</strong><br />
Errungenschaften ist ein Öl, das bei niedrigeren<br />
Temperaturen dünn ist und bei höheren dickflüssiger<br />
wird.<br />
9. Windkanal-Update<br />
So gut die Aerodynamiker auch sind, bis Mitte<br />
2012 waren sie gehandicapt: <strong>der</strong> Windkanal des<br />
Teams funktionierte nur mit 50-Prozent-Modellen.<br />
Eine Umrüstung auf 60-Prozent-Modelle war<br />
unumgänglich, um vor allem mit Blick auf die<br />
Reifen repräsentativere Werte zu erhalten. Die<br />
Umstellung for<strong>der</strong>te aber auch ein Opfer: sie legte<br />
den Windkanal für eine Zeit lahm und behin<strong>der</strong>te<br />
damit Fortschritte in <strong>der</strong> laufenden Saison.<br />
10. Rückschläge<br />
Nach vier Jahren mehr o<strong>der</strong> weniger großer Rückschläge<br />
ist Mercedes vom Gespött des Fahrerlagers<br />
zum Dominator aufgestiegen. »Was ihnen<br />
zugute kommt, ist sicherlich, dass sie in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
eines auf die Nüsse bekommen<br />
haben«, sagt Danner. Als Mercedes Ende 2009 das<br />
Weltmeisterteam Brawn GP übernahm, sah man<br />
darin das Teammodell <strong>der</strong> Zukunft: 400 Mitarbeiter<br />
sollten unter <strong>der</strong> geplanten Ressourcen-<br />
Beschränkung ausreichen - doch soweit kam es<br />
nie. »Sicherlich gab es eine schmerzhafte Zeit, die<br />
ich nicht noch einmal erleben möchte«, erinnert<br />
sich Daimler-Boss Dr. Dieter Zetsche. »Aber das<br />
Ergebnis ist nun viel wertvoller, als wenn wir von<br />
Anfang an alles gewonnen hätten.«<br />
13. Toto Wolff<br />
Die Verpflichtung von Wolff war ein weiteres<br />
Puzzleteil auf dem Weg zum Erfolg. Mit Brawn<br />
war zwar ein Teamchef vorhanden, doch war<br />
es Wolff, <strong>der</strong> den Vorstand davon überzeugte,<br />
dass Budget zu erhöhen - zuvor war dieses niedriger<br />
als jenes von Williams, bei denen Wolff<br />
vorher arbeitete. Mittlerweile soll das Budget<br />
200 Millionen Euro betragen und zu 80 Prozent<br />
aus den Einnahmen finanziert werden. Die<br />
Finanzspritze war auch nötig, da Honda allein<br />
vor dem Verkauf des Teams 200 Millionen investierte,<br />
um für die Saison 2009 aufzurüsten.<br />
Während <strong>der</strong> Titelsaison von Brawn GP floss<br />
dann aber gar kein Geld in die Weiterentwicklung<br />
des Autos.<br />
14. Eigenes Risiko<br />
Wolff trat bei Mercedes nicht nur die Nachfolge<br />
von Norbert Haug an. Er übernahm auch 30%<br />
<strong>der</strong> Anteile am <strong>Formel</strong>-1-Team. Wenn es nicht<br />
läuft, verliert er also bares Geld. »Als Mitgesellschafter<br />
habe ich somit einen an<strong>der</strong>en Antrieb,<br />
als wenn ich nur Manager wäre«, erklärt er das<br />
Prinzip.<br />
15. Selbstironie<br />
Bei allem Ernst könnte <strong>der</strong> Schlüssel zum Erfolg<br />
jedoch im Spaß liegen. »Wir lachen sehr viel über<br />
uns selbst«, verrät Wolff. »Wenn man merkt, dass<br />
einem das Ego davonläuft, ist Selbstironie ganz<br />
wichtig, um sich daran zu erinnern, dass das, was<br />
wir hier machen, die unwichtigste Wichtigkeit <strong>der</strong><br />
Welt ist.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 33
HEILSBRINGER<br />
AUSGEBREMST<br />
MACHTLOS GEGEN DIE KONKURRENZ VON MERCEDES<br />
UND RED BULL, VOM TEAMKOLLEGEN IN DEN SCHATTEN<br />
GESTELLT. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN VERRÄT, WAS<br />
FERRARI-HEILSBRINGER KIMI RÄIKKÖNEN BISLANG<br />
AUSBREMSTE.<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
34 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 35
»Und dann ist das<br />
Heck einfach<br />
weggeschmiert...«<br />
die Strecke gebracht haben, die funktioniert<br />
haben - am Freitagabend haben wir<br />
die Teile stets wie<strong>der</strong> abgenommen«, nahm<br />
Massa kein Blatt vor den Mund. Und da<br />
wären wir schon beim nächsten Punkt<br />
angekommen...<br />
R<br />
ed is Emotion - diese Plakatwerbung<br />
pflastert den Weg durch<br />
die Häuserschluchten von<br />
Monaco. Am Gesicht von Kimi Räikkönen<br />
lässt sich während <strong>der</strong> Pressekonferenz in<br />
Monaco nur eine Emotion ablesen: Langeweile.<br />
Der Finne hat die Kappe tief ins<br />
Gesicht gezogen, als ob er sich damit vor<br />
den Fragen <strong>der</strong> Journalisten verstecken<br />
könnte. Doch das Gegenteil ist <strong>der</strong> Fall. Die<br />
Journalisten schießen sich noch mehr auf<br />
den Iceman ein. Kein Wun<strong>der</strong> - seit seiner<br />
Rückkehr zu Ferrari wird Räikkönen mit<br />
Argusaugen beobachtet, immerhin erwarteten<br />
viele Experten, dass Räikkönen und<br />
Teamkollege Fernando Alonso den heißesten<br />
Zweikampf des Jahres hinlegen würden.<br />
Doch in den ersten Saisonrennen sah Räikkönen<br />
gegen Alonso blass aus und das lag<br />
nicht nur an seiner finnischen Herkunft.<br />
Waren die Erwartungen an den vermeintlichen<br />
Heilsbringer doch zu groß?<br />
URSACHE 1: DAS TEAM<br />
Ferrari und Kimi Räikkönen - diese Kombination<br />
passte in <strong>der</strong> Vergangenheit nicht<br />
wirklich zusammen. Dem Finnen schnürte<br />
das enge Korsett, in das er vom italienischen<br />
Traditionsrennstall hineingesteckt<br />
wurde, die Luft zum Atmen ab. Der Finne<br />
rebellierte auf seine Art, die Teamchef Stefano<br />
Domenicali zu <strong>der</strong> Aussage veranlasste,<br />
dass Räikkönen auf seinem eigenen<br />
Planeten lebe. 2014 kehrte das einstige<br />
schwarze Schaf nach Maranello zurück.<br />
Neo-Teamchef Marco Mattiacci kommt mit<br />
dem schweigsamen Finnen bisher gut<br />
zurecht. »Je<strong>der</strong> ist an<strong>der</strong>s, also muss man<br />
manchmal die Kommunikation o<strong>der</strong> die<br />
Art und Weise anpassen, wie man mit<br />
jemandem spricht. Ich sehe überhaupt kein<br />
Problem im Umgang mit Kimi. Ganz im<br />
Gegenteil: Es macht Spaß, mit ihm zu<br />
arbeiten«, betont Mattiacci. Dem Iceman<br />
soll <strong>der</strong> Spaß spätestens seit dem Spanien<br />
GP vergangen sein. Hinter den Kulissen<br />
heißt es, Räikkönen werfe Ferrari vor,<br />
Alonso zu bevorzugen. Tatsächlich beor<strong>der</strong>te<br />
das Team Alonso in Barcelona zuerst<br />
an die Box, obwohl Räikkönen zu diesem<br />
Zeitpunkt als Vierter vor seinem Teamkollegen<br />
lag. »Das ist nicht die übliche Herangehensweise«,<br />
bestätigt Martin Brundle.<br />
Das ungeschriebene Gesetz in <strong>der</strong> <strong>Formel</strong><br />
1 lautet, den besser platzierten Fahrer<br />
zuerst an <strong>der</strong> Box abzufertigen. Angesprochen<br />
auf die Gerüchte, gibt sich Räikkönen<br />
gewohnt kühl. »Ich hatte immer wie<strong>der</strong><br />
Probleme, die das Gesamtbild verzerren«,<br />
so <strong>der</strong> Finne. Einer, dem solchen Szene wie<br />
in Barcelona vertraut sind, ist Felipe Massa.<br />
Der Brasilianer musste sein Ferrari-Cockpit<br />
für Räikkönen räumen und scheint<br />
darüber gar nicht mehr so unglücklich zu<br />
sein. Zuletzt konnte er sich einen Seitenhieb<br />
in Richtung seines Ex-Arbeitgebers<br />
nicht verkneifen. Während bei Williams<br />
jedes Update auf Anhieb funktionieren<br />
würde, sei das bei Ferrari nie <strong>der</strong> Fall gewesen.<br />
»Ich kann mich an kein Rennen im<br />
letzten Jahr erinnern, bei dem wir Teile an<br />
URSACHE 2: DAS AUTO<br />
»Zu behaupten, dass das aktuelle Chassis<br />
im Vergleich zu den vergangenen Jahren<br />
eines <strong>der</strong> besseren ist, wäre mehr als höflich.<br />
Lei<strong>der</strong> ist es so, dass wir zu Red Bull<br />
o<strong>der</strong> Mercedes kein vergleichbar gutes<br />
Chassis gebaut haben«, räumte Technikdirektor<br />
James Allison ein. Hinzu kommt,<br />
dass sich das Auto mit dem neuen Brakeby-Wire-System<br />
instabil verhält, was speziell<br />
Kimi Räikkönen schwer zu schaffen<br />
macht. »Wenn man sich Kimis Aussagen<br />
im Funk anhört, merkt man, dass er seit<br />
seinem Comeback sehr sensibel auf die<br />
Servolenkung reagiert. Ich kenne die Kommentare<br />
fast aller Fahrer über das Brake-<br />
»ANSCHEINEND IST DAS<br />
BRAKE-BY-WIRE SEHR<br />
SCHWIERIG ZU ERFÜH-<br />
LEN, WENN DIE BALANCE<br />
NICHT STIMMT. DANN GIBT<br />
ES KEINE VERBINDUNG<br />
ZWISCHEN DEM FUSS DES<br />
FAHRERS UND DEM, WAS<br />
IM AUTO GESCHIEHT.«<br />
JOHNNY HERBERT<br />
Kimi Räikkönen muss<br />
sich erst an den<br />
Ferrari gewöhnen<br />
36 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
RÄIKKÖNEN & FERRARI:<br />
DIE ERFOLGE<br />
Sieg im ersten<br />
Rennen für Ferrari<br />
in Melbourne<br />
Weltmeister! Kimi<br />
feiert den<br />
WM-Titel 2007<br />
Räikkönen liebt<br />
es, die schnellste<br />
Runde zu fahren<br />
1. AUF FANGIOS SPUREN<br />
Australien GP 2007 - das erste Rennen <strong>der</strong> neuen Ferrari-Zeitrechnung.<br />
Kimi Räikkönen setzte bei seinem Debüt in Rot ein Ausrufezeichen:<br />
Nach <strong>der</strong> ersten Ferrari-Pole sicherte sich <strong>der</strong> Finne auch in<br />
beeindrucken<strong>der</strong> Manier den zehnten Sieg seiner Karriere - mit 7,2<br />
Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzieren Fernando Alonso.<br />
Räikkönen war damit <strong>der</strong> erste Ferrari-Pilot seit Nigel Mansell, <strong>der</strong><br />
bei seinem ersten Rennen für die Scu<strong>der</strong>ia auf dem Siegerpodest<br />
stand und <strong>der</strong> erste Fahrer seit Juan Manuel Fangio 1965, <strong>der</strong> das<br />
Rennen auch noch von Startplatz eins gewann.<br />
2. AUSSENSEITER SIEGT<br />
Wie übertrumpft man einen perfekten Einstand? Ganz einfach:<br />
man gewinnt in seinem ersten Jahr in einem neuen Team die Weltmeisterschaft.<br />
Mit Außenseiterchancen ging Räikkönen in das letzte<br />
Rennen <strong>der</strong> Saison in Brasilien. Bei einem Sieg des Finnen hätte<br />
seinen Gegnern Lewis Hamilton und Fernando Alonso ein fünfter<br />
bzw. zweiter Platz genügt, um die WM für sich zu entscheiden - doch<br />
keinem <strong>der</strong> beiden gelang das benötigte Resultat. Räikkönen krönte<br />
sich mit einem Punkt Vorsprung zum Champion.<br />
3. SCHNELLSTES LEBEWESEN<br />
»Das schnellste Lebewesen auf vier Rä<strong>der</strong>n« - so beschrieb Gerhard<br />
Berger einst Kimi Räikkönen. Wie schnell <strong>der</strong> Finne tatsächlich ist,<br />
zeigt die Statistik aus seiner zweiten Ferrari-Saison. In 18 Grands<br />
Prix fuhr Räikkönen nicht weniger als zehn Mal die schnellste Rennrunde.<br />
Bis heute führt er den Rekord <strong>der</strong> schnellsten Rennrunden<br />
innerhalb einer Saison gemeinsam mit Michael Schumacher an. Im<br />
Gegensatz zum siebenfachen Champion gelang Räikkönen dieses<br />
Kunststück sogar zwei Mal - schon 2005 fuhr er im McLaren zehn<br />
Mal die schnellste Rennrunde.<br />
Räikkönen zog im<br />
Duell mit Alonso<br />
bislang den Kürzeren<br />
Der Iceman<br />
lässt sich nicht<br />
unterkriegen<br />
by-Wire. Anscheinend ist es sehr schwierig<br />
zu erfühlen, wenn die Balance nicht<br />
stimmt. Dann gibt es keine Verbindung<br />
zwischen dem Fuß des Fahrers und dem,<br />
was im Auto geschieht«, verrät Johnny Herbert<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Für Marc<br />
Surer hat Räikkönen mit den gleichen Problemen<br />
wie sein Kumpel Sebastian Vettel<br />
zu kämpfen. »Sie zählen zu jenen Fahrern,<br />
die die Angewohnheit hatten, in die Kurve<br />
hinein zu bremsen. Genau diese Fahrer<br />
haben jetzt größere Probleme. Fahrer, die<br />
das Auto einfach so zusammengebremst<br />
und dann in die Kurve eingelenkt haben,<br />
haben weniger Probleme«, erklärt Surer<br />
die Problematik. Doch gegen die starke<br />
Konkurrenz von Mercedes, Red Bull o<strong>der</strong><br />
eben teamintern gegen Fernando Alonso<br />
kann Räikkönen nur bestehen, wenn das<br />
Gefühl im Auto zu 100 Prozent stimmt. →<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, FERRARI<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 37
Nicht schnell<br />
genug: <strong>der</strong> neue<br />
Ferrari F14T<br />
Abgesehen von <strong>der</strong> Traktion des Autos<br />
sowie dem Bremssystem machen dem<br />
Finnen auch die Pirelli-Reifen zu schaffen.<br />
»Für mich sind die Reifen dieses Jahr<br />
extrem tricky. Ich weiß nicht, ob es an mir<br />
o<strong>der</strong> dem Auto liegt, aber es ist für mich<br />
verdammt schwierig, das volle Potenzial<br />
aus den Reifen herauszuholen«, erklärt <strong>der</strong><br />
Finne. Für die Kritiker des Iceman haben<br />
längst dessen Schicksalsrennen bei Ferrari<br />
begonnen. »Das ist lächerlich«, meint hingegen<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>-Experte Christian<br />
Danner. »Kimi war mit dem Auto<br />
nicht ganz zufrieden, aber Ferrari hat das<br />
jetzt einigermaßen im Griff. Kimi darf man<br />
nie unterschätzen. Er hat etwas, was die<br />
an<strong>der</strong>en nicht haben - das kommt vielleicht<br />
im Qualifying nicht zum Tragen, aber definitiv<br />
im Rennen.«<br />
URSACHE 3: DER TEAMKOLLEGE<br />
Nach sechs Rennen hatte Fernando Alonso<br />
bereits drei Mal so viele Punkte wie Kimi<br />
Räikkönen auf seinem WM-Konto zu<br />
Buche stehen. Die explosive Ferrari-Fahrerpaarung<br />
von <strong>der</strong> zu Saisonbeginn sämtliche<br />
Schlagzeilen handelten, ist angesichts<br />
des lahmen Dienstwagens verpufft. We<strong>der</strong><br />
Alonso noch Räikkönen können ein Wörtchen<br />
um den Sieg mitreden, doch zumindest<br />
Alonso scheint die wi<strong>der</strong>spenstige rote<br />
Göttin ab und zu zähmen zu können. »Der<br />
Ferrari ist mit Sicherheit nicht einfach zu<br />
fahren und offensichtlich kommt Fernando<br />
mit einem schlechten Auto besser klar als<br />
Kimi«, sagt Marc Surer dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. Im Verlauf <strong>der</strong> Saison rechnet er<br />
aber damit, dass Räikkönen seine Probleme<br />
mit dem F14T in den Griff bekommt und<br />
das Duell zwischen dem Ferrari-Duo an<br />
Hitze gewinnt. »Trotzdem sehe ich über<br />
die Saison hinweg Alonso vor Kimi. Er ist<br />
einfach sehr, sehr gut«, streute Surer dem<br />
Spanier Rosen. Für den Ex-Rennfahrer<br />
zählt Alonso zu den komplettesten Fahrern<br />
im Feld, was das Leben von Räikkönen<br />
nicht einfacher macht. Laut Johnny Herbert<br />
hat Räikkönen durchaus den Speed,<br />
um Alonso herauszufor<strong>der</strong>n, allerdings hat<br />
<strong>der</strong> Spanier eine entscheidende Trumpfkarte<br />
in <strong>der</strong> Hand - seine Konstanz. »Diese<br />
Konstanz bringt Fernando immer in die<br />
Position, doch noch einen Podestplatz<br />
herauszuholen, auch wenn das Auto dieses<br />
Ergebnis nicht hergibt. Das hat er im vorletzten<br />
Jahr schon gezeigt: er ist immer<br />
wie<strong>der</strong> mit einer fantastischen ersten<br />
Runde nach vorne geprescht. Fernando<br />
startet verdammt gut und so gleicht er<br />
seine schlechteren Startplätze aus. Das ist<br />
Fernandos Spezialität«, sagt Herbert dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. In seiner Zeit bei<br />
Lotus habe Räikkönen dieselbe Konstanz<br />
gegenüber seinem damaligen Teamkollegen<br />
Romain Grosjean an den Tag gelegt.<br />
»Wir haben es nur noch nicht bei Ferrari<br />
gesehen«, so Herbert. Ferrari-Technikdirektor<br />
James Allison plädiert dafür, dem<br />
38 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, FERRARI<br />
RÄIKKÖNEN & FERRARI:<br />
DIE TIEFSCHLÄGE<br />
Bloß raus hier.<br />
Wenn Lewis Kimi<br />
zu nahe kommt...<br />
1. ROT HEISST STOPP<br />
»Das Wetter kann sich rasch än<strong>der</strong>n, manchmal funktionieren die Reifen nicht optimal,<br />
manchmal gibt es viele Safety-Car-Einsätze, o<strong>der</strong> manchmal fährt ein an<strong>der</strong>er Fahrer in<br />
dich rein, wenn du an <strong>der</strong> roten Ampel wartest.« Räikkönen hat den Großen Preis von<br />
Kanada 2008 nicht vergessen. Es kommt ja auch nicht alle Tage vor, dass <strong>der</strong> amtierende<br />
Vizeweltmeister dem amtierenden Weltmeister ins Heck kracht, während dieser an einer<br />
roten Ampel am Boxenausgang steht und darauf wartet, dass die Rennleitung die Ausfahrt<br />
freigibt. Für Räikkönen, <strong>der</strong> bis zu diesem Zeitpunkt auf Rang drei lag, war das Rennen<br />
damit unverschuldet zu Ende.<br />
2. SCHALL & RAUCH<br />
Rauchzeichen:<br />
Vorzeitiges Ende<br />
in Valencia 2008<br />
»Jetzt hol ich mir<br />
ein Eis...«<br />
»Es ist noch ein langer Weg zu gehen«, sagte sich Räikkönen nach dem Motorschaden in<br />
Valencia. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Doch die Realität sah an<strong>der</strong>s aus - nach dem<br />
Europa GP hatte er nicht nur 13 Punkte Rückstand auf WM-Spitzenreiter Hamilton, er war<br />
auch schon seit acht Rennen ohne Sieg. Das lag aber nicht nur an Räikkönens Leistungen,<br />
son<strong>der</strong>n auch an Ferrari. Ehe sich <strong>der</strong> WM-Traum des Iceman in Valencia spektakulär in Rauch<br />
auflöste, patzte sein Team beim zweiten Boxenstopp. Als er losfuhr, steckte immer noch <strong>der</strong><br />
Tankrüssel. Ein Mechaniker wurde dabei zu Boden gerissen und musste ins Krankenhaus.<br />
Finnen noch mehr Zeit zu geben. »Es<br />
stimmt, dass Kimi im Moment etwas langsamer<br />
ist als Fernando, aber diese Lücke<br />
wird kleiner. Es gilt, ihm einfach noch<br />
etwas Zeit zu geben.«<br />
URSACHE 4: DAS REGLEMENT<br />
Wie schnell sich die Dinge än<strong>der</strong>n können.<br />
2012 schwärmten Fans sowie Kritiker wie<br />
schnell und gut Kimi Räikkönen mit all den<br />
Neuerungen bei seinem Comeback im Vergleich<br />
zu Michael Schumacher zurechtkam.<br />
Zwei Jahre später beschert ihm ein an<strong>der</strong>es<br />
Reglement sehr viel mehr Ärger. »So gerne<br />
je<strong>der</strong> vom Iceman spricht, den nichts beeinträchtigt,<br />
so muss man jetzt eingestehen,<br />
dass ihn gewisse Dinge doch beeinträchtigen«,<br />
sagt Johnny Herbert dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. Für Marc Surer liegt auf <strong>der</strong> Hand,<br />
warum <strong>der</strong> Finne 2012 weit weniger Probleme<br />
hatte als <strong>der</strong> siebenfache <strong>Formel</strong>-<br />
1-Champion. »Der Lotus hat direkt zu seinem<br />
Fahrstil gepasst. Aber jetzt haben wir<br />
eine völlig neue Technik und die scheint ihm<br />
weniger zu liegen«, betont Surer. Die neuen<br />
Turboautos erzeugen viel mehr Drehmoment<br />
als <strong>der</strong>en Vorgänger, verfügen aber<br />
über deutlich weniger Grip. Die Fahrer können<br />
daher nicht mehr so aggressiv mit den<br />
Autos umgehen wie es in den Jahren zuvor<br />
noch möglich gewesen ist. »Die Probleme<br />
von Kimi liegen sehr viel am neuen Reglement«,<br />
bestätigt Ferrari-Technikdirektor<br />
James Allison gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. Es sei allerdings unfair, davon zu<br />
sprechen, dass Räikkönen mehr leide als<br />
Alonso. »Es stimmt nicht, dass Kimi mit<br />
dem Ferrari mehr zu kämpfen hat als<br />
Fernando«, sagt Allison. »Beide geben ein<br />
ähnliches Feedback über das Auto ab. Ich<br />
denke, dass es generell für die Fahrer nicht<br />
einfach ist.«<br />
Zu langsam? Egal,<br />
Sonnenbrille auf<br />
und durch!<br />
3. EISMANN<br />
Eine Zechtour im Gorilla-Kostüm, ein Sturz kopfüber von einer Yacht - Kimi Räikkönen sorgte<br />
mit seinen Aktionen des Öfteren für Kopfschütteln. Doch gegen die Schlagzeilen, die nach<br />
dem Malaysia GP 2008 folgten, war alles an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong>kram. Aufgrund <strong>der</strong> Regenfälle hatte<br />
die Rennleitung den Grand Prix nach 31 Runden abgebrochen. Während alle an<strong>der</strong>en Piloten<br />
brav in ihren Boliden sitzen blieben und abwarteten, ob das Rennen neu gestartet werden<br />
würde, schleckte Räikkönen in <strong>der</strong> Ferrari-Box gemütlich ein Eis. Für seine Kritiker, die ihm<br />
stets unprofessionelles Verhalten und Gleichgültigkeit vorwarfen, ein gefundenes Fressen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 39
FOTOS: MCLAREN<br />
40 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
GUTIST NICHT TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
GUT<br />
GENUG<br />
NACH DEM AUSTRALIEN GP SCHIEN BEI MCLAREN DIE WENDE EINGELÄUTET, DOCH ES BLIEB<br />
BISLANG BEI EINEM ONE-HIT-WONDER. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN VERRÄT, WAS BEIM<br />
BRITISCHEN TRADITIONSRENNSTALL SCHIEF LÄUFT UND WELCH TIEFGREIFENDER SCHNITT<br />
NOTWENDIG IST, UM DIE PROBLEME ZU BEHEBEN.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 41
»JETZT STAGNIEREN SIE. SCHNELLER SIND SIE EINFACH NICHT, AUCH WENN<br />
MCLAREN EIGENTLICH VON DER KONSTRUKTION HER EIN TEAM IST,<br />
DAS WEITER VORNE SEIN MÜSSTE.« CHRISTIAN DANNER<br />
Der neue Chompfeil<br />
entspricht nicht <strong>der</strong><br />
McLaren-Vorstellung<br />
Kevin Magnussen:<br />
Starker Einstand,<br />
schwierige Zeit<br />
danach<br />
Die Jungs bei<br />
McLaren müssen<br />
alle anpacken<br />
D<br />
er Erfolg war lange Jahre McLarens‘<br />
ständiger Begleiter. Seit seinem<br />
ersten Grand Prix 1966 in<br />
Monaco gewann <strong>der</strong> britische Traditionsrennstall<br />
zwölf Fahrer- und acht Konstrukteurstitel.<br />
In 182 Rennen trank ein McLaren-Pilot<br />
den Siegerchampagner, 155 Mal stand ein<br />
McLaren auf <strong>der</strong> Pole Position. Doch nach Lewis<br />
Hamiltons Titeltriumph vor fünfeinhalb Jahren<br />
kam kein weiterer hinzu. Nach <strong>der</strong> Saison 2013<br />
war die Misere von McLaren nicht mehr schön<br />
zu reden. Der Rennstall beendete die Saison auf<br />
Rang fünf, 465 Punkte hinter dem Weltmeisterteam<br />
Red Bull - <strong>der</strong> einstige Titelkandidat war<br />
endgültig zur Lachnummer verkommen.<br />
Rückblick: 16. März 2014, Australien. Mit den<br />
Plätzen zwei und drei von Rookie Kevin Magnussen<br />
und Routinier Jenson Button gelang McLaren<br />
beim Auftakt im Albert Park eine kleine Sensation,<br />
bis dato blieb es jedoch das einzige ‚Wun<strong>der</strong>‘.<br />
»Der Saisonstart war Zufall, das kommt in Australien<br />
vor«, erklärt <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>-Experte<br />
Christian Danner. »Jetzt stagnieren sie. Schneller<br />
sind sie einfach nicht, auch wenn McLaren eigentlich<br />
von <strong>der</strong> Konstruktion her ein Team ist, das<br />
weiter vorne sein müsste.« Auf den ersten Blick<br />
hat McLaren tatsächlich alles, was es braucht, um<br />
erfolgreich zu sein. Doch wer in die Materie tiefer<br />
eintaucht, <strong>der</strong> erkennt schnell, dass die Misere<br />
nicht von irgendwoher kommt. Ein gutes Budget,<br />
eine gute Mannschaft und zwei gute Fahrer - doch<br />
gut ist nicht gut genug. Nach dem Seuchenjahr<br />
im Vorjahr teilte Managementdirektor Jonathan<br />
Neale Anfang des Jahres mit, dass McLaren 2014<br />
ein größeres Budget zur Verfügung stehen werde<br />
als in allen Jahren zuvor. So sollen die Aktionäre<br />
des Teams auf ihren Profit verzichtet haben, allerdings<br />
mit <strong>der</strong> Bedingung, dass es im Team vorwärts<br />
geht - eine Bedingung, die bisher unerfüllt<br />
blieb. Noch immer steht McLaren ohne<br />
Hauptsponsor da und auch ein angeblicher Sponsor<br />
aus China ist bisher nichts weiter als ein<br />
Gerücht. Hinter den Kulissen heißt es, dass Ron<br />
Dennis vom Vorstand eine Frist bis Jahresende<br />
gesetzt wurde. Bis dahin muss <strong>der</strong> verwöhnte<br />
Erfolgsmensch auch Erfolge vorweisen, ansonsten<br />
gilt seine Rückkehr als gescheitert.<br />
Am besten lockt man Sponsoren mit Erfolgen an.<br />
Mit dem aktuellen Auto sind diese allerdings<br />
kaum einzufahren. »Bei den Testfahrten sah<br />
McLaren sehr stark aus, aber in den Rennen konnten<br />
sie die Performance nicht auf die Strecke bringen.<br />
Ich bin überrascht, dass sie uns nicht mehr<br />
for<strong>der</strong>n können, schließlich haben sie die gleiche<br />
Power Unit. Stattdessen scheinen sie einen Schritt<br />
zurück gemacht zu haben«, gab Mercedes-<strong>Motorsport</strong>chef<br />
Toto Wolff zu Protokoll. Mit <strong>der</strong> Power<br />
Unit von Mercedes-Benz befindet sich tatsächlich<br />
das stärkste Paket im Heck des MP4-29, allerdings<br />
kommt <strong>der</strong> Motorenvorteil als Kundenteam weit<br />
weniger zum Tragen als in den guten alten Zeiten<br />
von McLaren-Mercedes. Damals war die Mannschaft<br />
aus Woking noch die Nummer 1 im Hause<br />
Mercedes, jetzt spielt das Werksteam die erste<br />
Geige. Fakt ist aber auch, dass das aktuelle Auto<br />
von McLaren einfach nicht gut genug ist. »Der<br />
Erfolg liegt nicht am Budget eines Teams, son<strong>der</strong>n<br />
an den Leuten und <strong>der</strong>en Fähigkeiten. Es geht um<br />
die Fertigkeiten des Teams, <strong>der</strong> Fahrer und wie es<br />
die Teamführung schafft, mit den bestehenden<br />
Ressourcen die nötigen Ergebnisse einzufahren«,<br />
sagt Red Bull-Teamchef Christian Horner.<br />
Adrian Newey, Paddy Lowe, Lewis Hamilton - sie<br />
42 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
McLaren ist in fast<br />
allen Belangen<br />
gut, aber eben<br />
nicht exzellent<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MCLAREN<br />
Jenson Button<br />
fährt auch um<br />
seine Zukunft<br />
Wie kommen wir<br />
da nur wie<strong>der</strong><br />
heraus?<br />
alle haben entwe<strong>der</strong> schon vor einigen Jahren o<strong>der</strong><br />
erst kürzlich McLaren in Richtung eines an<strong>der</strong>en<br />
Teams verlassen. »Es sieht nur so aus, als würde<br />
es bei Ferrari und McLaren Kontinuität geben«,<br />
erklärt Alain Prost. Der ehemalige McLaren-Pilot<br />
sieht gerade in den Abgängen wichtiger Personen<br />
wie Rory Byrne, Michael Schumacher und Adrian<br />
Newey den Absturz <strong>der</strong> traditionsschwangeren<br />
Rennställe wie McLaren und Ferrari begründet.<br />
Ihre Nachfolger waren zwar schnell gefunden,<br />
doch die Qualität <strong>der</strong>er darf im Hinblick auf die<br />
allerhöchsten Ansprüche durchaus in Frage<br />
gestellt werden. Sie sind sicher gut, aber sind sie<br />
sehr gut o<strong>der</strong> gar exzellent? Blickt man auf die<br />
Schwächen des aktuellen Autos, erwiesen sich die<br />
Fußstapfen von Paddy Lowe für Neo-Technikdirektor<br />
Tim Goss vielleicht als zu groß. Somit ist<br />
es kein Wun<strong>der</strong>, dass McLaren zuletzt alles versuchte,<br />
um Aerodynamiker Dan Fallows nicht<br />
wie<strong>der</strong> an Red Bull zu verlieren - doch <strong>der</strong> Kampf<br />
scheint aussichtslos. Zumindest im Fall von Peter<br />
Prodromou scheint alles geregelt zu sein. Der<br />
ehemalige Red-Bull-Chefaerodynamiker wird mit<br />
Anfang des nächsten Jahres seine Arbeit bei<br />
McLaren aufnehmen. Trotz <strong>der</strong> personellen Querelen<br />
im Hintergrund soll die Atmosphäre in<br />
Woking seit <strong>der</strong> Ankunft von Eric Boullier wie<strong>der</strong><br />
stimmen. »Die Atmosphäre hat sich definitiv<br />
geän<strong>der</strong>t«, bestätigt Jenson Button. »Das letzte<br />
Jahr war unglaublich schmerzhaft für uns. Es<br />
mussten Entscheidungen getroffen und Än<strong>der</strong>ungen<br />
vorgenommen werden. Das ist geschehen<br />
und die Reaktion, die das im Team ausgelöst hat,<br />
ist zu sehen. Alle im Team, Ingenieure und<br />
Mechaniker, sehen positiv in die Zukunft. Ich<br />
kann also nur sagen, dass ich froh über die Än<strong>der</strong>ungen<br />
bin und vor allem über jene, die Eric vorgenommen<br />
hat, seit er bei uns ist.«<br />
Seit Anfang des Jahres leitet <strong>der</strong> frühere Lotus-<br />
Teamchef die Geschicke des Teams, natürlich stets<br />
unter dem wachsamen Auge von Ron Dennis.<br />
»Als Team machen wir definitiv Fortschritte. Wir<br />
alle im Team fühlen uns wie eine große Familie«,<br />
betont Button. Für ihn steht fest: McLaren wird<br />
wie<strong>der</strong> Rennen gewinnen. Doch fraglich ist, ob<br />
er dann noch ein Teil des Teams sein wird, denn<br />
auch seine Personalie ist nicht unumstritten. Seine<br />
fahrerischen Qualitäten konnten den Weggang<br />
eines Fahrerkalibers wie Lewis Hamilton nicht<br />
kompensieren. Stattdessen scheint McLaren mit<br />
Button und Eigengewächs Kevin Magnussen nur<br />
mit eineinhalb Mann gegen die starken Fahrerpaarungen<br />
von Mercedes, Red Bull und Ferrari<br />
anzutreten. »Magnussen ist ein ordentlicher Kerl,<br />
aber er ist schwer einzuschätzen. Vielleicht ist er<br />
die absolute Zukunft und <strong>der</strong> Champion überhaupt.<br />
Aber ich weiß es nicht«, gibt Danner zu.<br />
Feststeht, gut ist in <strong>der</strong> aktuellen <strong>Formel</strong> 1 eben<br />
nicht gut genug - schon gar nicht, wenn McLaren<br />
die hohen Ansprüche von Ron Dennis erfüllen<br />
will. »Wir sind nicht hier, um Zweiter o<strong>der</strong> Dritter<br />
zu werden«, betonte er nach dem Überraschungsauftakt<br />
in Melbourne. »Wir sind erst zufrieden,<br />
wenn wir gewinnen. Und das werden wir.«<br />
Doch auch Dennis hat längst erkannt, dass seine<br />
Aussagen angesichts <strong>der</strong> Mercedes-Dominanz<br />
und <strong>der</strong> eigenen, enttäuschenden Performance<br />
lachhaft wirken und so schwenkte <strong>der</strong> Big-Boss<br />
seinen Blick zuletzt immer öfter in Richtung 2015.<br />
Dort wartet mit dem Einstieg von Honda <strong>der</strong> vermutlich<br />
letzte Rettungsanker des Teams. Ausgerechnet<br />
Dennis brachte zuletzt auch Fernando<br />
Alonso ins Spiel. Als Ablenkung von <strong>der</strong> Misere<br />
o<strong>der</strong> doch als einen ernstgemeinten Kandidaten?<br />
Christian Danner findet es so o<strong>der</strong> so interessant:<br />
»In letzter Instanz fragt man sich, was würde<br />
Alonso in so einem Auto erreichen? Wäre er in<br />
einem McLaren weiter vorne als im Ferrari? O<strong>der</strong><br />
wäre <strong>der</strong> McLaren dann so weit vorne wie jetzt<br />
<strong>der</strong> Ferrari mit Alonso?«<br />
Ein neuer Motorenpartner, ein neuer Top-Fahrer<br />
- damit würde McLaren nach Ansicht von Alain<br />
Prost sich in die richtige Richtung bewegen. Laut<br />
dem vierfachen Champion haben die alten Traditionsrennställe<br />
lang genug den Fehler begangenen,<br />
auf alten Wegen zu bleiben und sich Neuem<br />
gegenüber zu verschließen. »Als Red Bull kam,<br />
waren sie eine Marketingplattform, aber sie hatten<br />
einen Plan, eine Strategie und auch Mercedes<br />
hatte einen Plan. Das konnte man in den letzten<br />
zwei, drei Jahren deutlich sehen. McLaren hat<br />
auch einen Plan, aber <strong>der</strong> sieht wie in all den Jahren<br />
zuvor aus. Manchmal muss man Dinge allerdings<br />
an<strong>der</strong>s machen, einen Schnitt wagen«,<br />
betont Prost - und Boullier stimmt seinem Landsmann<br />
überaschen<strong>der</strong>weise zu. »Das ist genau das,<br />
was ich seit meinen Anfängen hier im Team<br />
versuche.«<br />
Der Zeitpunkt für besagten Schnitt wäre perfekt.<br />
Zudem hätte Boullier die besten Verbindungen,<br />
um einen weiteren starken Mann ins Boot zu<br />
holen, einen Fahrer mit Perspektive: Romain<br />
Grosjean. »Wer noch nicht gemerkt hat, dass<br />
Grosjean speziell ist, dem kann ich auch nicht<br />
mehr helfen«, sagt Danner. Für den <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>-Experten wäre <strong>der</strong> Franzose die perfekte<br />
Wahl für jedes Topteam. »Grosjean überzeugt<br />
mich mit seiner klaren Fokussierung, die er in<br />
diesen schwierigen Tagen bei Lotus zeigt, wie er<br />
das Team motiviert, nicht nur rummotzt, wie das<br />
<strong>der</strong> eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Fahrer in so einer Situation<br />
machen würde. Da sage ich: Hut ab. Ein großer<br />
Fahrer muss auch durch den Dreck gehen können«,<br />
so Danner. Mit Motorenpartner Honda und<br />
<strong>der</strong> Fahrerpaarung Alonso/Grosjean wären<br />
McLaren die Schlagzeilen sicher. Das könnte<br />
genau jener tiefgreifende Schnitt sein, den das<br />
Team braucht, um endgültig wie<strong>der</strong> in die Riege<br />
<strong>der</strong> erfolgreichen Traditionsrennställe<br />
aufzusteigen.<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 43
Problemkind im<br />
Heck: Der RB10<br />
hat noch<br />
44 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
SICHER KEINE EINTAGSFLIEGE<br />
WAS FÜR EIN DEBÜT! PLATZ ZWEI BEIM FORMEL-1-DEBÜT. VERGLEICHE MIT LEWIS HAMILTON.<br />
KEVIN MAGNUSSEN WAR IN AUSTRALIEN DER VIEL UMJUBELTE HELD. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN<br />
TRAF DEN NEWCOMER, UM ÜBER DEN KOMETENHAFTEN AUFSTIEG UND DIE FLAUTE DANACH<br />
ZU SPRECHEN...<br />
MSM: Du bist bei deinem Debüt in Australien direkt aufs Podium gefahren.<br />
Wie schwierig war es für dich, danach weniger gute Ergebnisse<br />
einzufahren?<br />
KEVIN MAGNUSSEN: Es war ganz sicher keine Eintagsfliege. Ich werde<br />
garantiert wie<strong>der</strong> aufs Podium fahren. Wenn nicht in diesem Jahr, dann eben<br />
in <strong>der</strong> Zukunft. Aber ich werde es wie<strong>der</strong> schaffen. Man muss positiv denken<br />
und weiter kämpfen. Unsere Situation ist nun einmal so. Der Podestplatz<br />
war kein Schock für mich. Ich gehe in jedes Rennen mit <strong>der</strong> Erwartung, ein<br />
gutes Ergebnis einzufahren. Es war aber überraschend, dass es mir direkt in<br />
Melbourne gelungen ist. Derzeit denke ich aber nicht mehr an Australien.<br />
Nach diesem starken Auftakt herrschte ein riesiger Hype um dich. Viele<br />
Experten bezeichneten dich als den neuen Lewis Hamilton. Wie schwierig<br />
war es, mit all dieser Aufmerksamkeit umzugehen?<br />
Das Schwierigste ist <strong>der</strong> Umgang mit deinen eigenen Erwartungen. Mir war<br />
bereits in Melbourne klar, dass wir dieses Ergebnis nicht sofort würden<br />
wie<strong>der</strong>holen können. Dennoch war es schwierig zu akzeptieren, dass wir in<br />
Malaysia und Bahrain nicht die Pace hatten. Es hat einige Zeit gedauert, das<br />
einzusehen. Wir müssen einfach alles geben und weiter kämpfen, um wie<strong>der</strong><br />
zurück an die Spitze zu gelangen.<br />
Finnen haben eine lange und erfolgreiche Tradition in <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1. Auch<br />
Dänemark hat einige sehr gute Rennfahrer hervorgebracht. Uns fehlen vielleicht<br />
die großen Erfolge in <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1, aber in Le Mans o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Sportwagenserien gibt es viele dänische Fahrer. Für mich war meine Nationalität<br />
kein Hin<strong>der</strong>nis.<br />
Liegt das daran, dass dir dein Vater geholfen hat?<br />
Nein, das hat mit ihm nichts zu tun. Ich war hier schon immer Teil eines sehr<br />
guten Teams und hatte wirklich gute Leute um mich herum. Außerdem habe<br />
ich stets an mich geglaubt.<br />
Wie groß ist das Interesse an <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1 in Dänemark?<br />
Mit einem dänischen Fahrer wird das Interesse natürlich stetig größer. Meine<br />
Landsleute wollen jetzt wissen, wie ich mich schlage. Aber die <strong>Formel</strong> 1 wurde<br />
bei uns schon immer im Fernsehen übertragen. Ich denke, die <strong>Formel</strong> 1 ist<br />
überall auf <strong>der</strong> Welt eine große Sache. Ich hatte selbst nie einen Lieblingsfahrer.<br />
Ich habe die <strong>Formel</strong> 1 schon immer mit den Augen eines Profis gesehen, ich<br />
habe sie nie als Fan verfolgt. Natürlich bin ich <strong>Formel</strong>-1-Fan, aber ich weiß, dass<br />
Rennfahrer Profisportler sind.<br />
Wie würdest du die aktuelle Situation bei McLaren beurteilen?<br />
Hinter uns liegt eine sehr schwierige Saison. Das Team hat im vergangenen<br />
Jahr bis zum Ende weiterentwickelt, um das Auto zu verbessern. Nun fehlt<br />
es unserem aktuellen Auto etwas an Abtrieb. Es ist aber ein gutes Auto. Wir<br />
brauchen nur mehr Downforce. Mir ist klar, dass das von außen schwer zu<br />
beurteilen ist, aber als Teil des Teams kann ich die Fortschritte spüren.<br />
Wie groß ist die Herausfor<strong>der</strong>ung für einen Rookie wie dich, bei einem<br />
Topteam wie McLaren einzusteigen?<br />
In meinen Augen ist es keine größere Herausfor<strong>der</strong>ung, für ein großes Team<br />
zu fahren. Normalerweise hast du bei einem <strong>der</strong> größeren Teams auch automatisch<br />
ein schnelleres Auto. Für mich ist es einfach klasse, bei McLaren zu<br />
fahren, weil ich das Team in- und auswendig kenne. Sie besitzen so viel<br />
Fachwissen und Erfahrung, viel mehr als ein kleines Team.<br />
Ich habe in Malaysia mit deinem Vater gesprochen und er sagte mir, dass<br />
McLaren für dich genau das richtige Team zu diesem Zeitpunkt in deiner<br />
Karriere sei...<br />
Absolut. Es ist definitiv das richtige Team. Ich bin mit <strong>der</strong> Mannschaft aufgewachsen<br />
und kenne die Leute hier. Wichtig ist, dass ich ihnen vertraue<br />
und umgekehrt auch sie mir. McLaren ist wirklich das beste Team für mich.<br />
Ist es für dänische Rennfahrer schwieriger, in die <strong>Formel</strong> 1 zu kommen, weil es<br />
dort nur sehr wenige erfolgreiche Piloten gegeben hat?<br />
Unser Land hat fünf Millionen Einwohner, ähnlich wie Finnland, aber die<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MCLAREN<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 45
SCHNELLE<br />
GRINSEKATZE<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER & STEPHAN HEUBLEIN<br />
LACHEND ZUM ERFOLG: DANIEL RICCIARDO GELINGT DAS SCHIER UNDENKBARE -<br />
ER STELLT SEINEN ÜBERLEGEN GEGLAUBTEN TEAMKOLLEGEN SEBASTIAN VETTEL<br />
REGELMÄSSIG IN DEN SCHATTEN. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN VERRÄT, WELCHE<br />
GEHEIMWAFFEN DER MANN AUS DOWNUNDER NEBEN SEINEM ANSTECKENDEN<br />
LÄCHELN NOCH BESITZT.<br />
46 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 47<br />
FOTOS: RED BULL
2.<br />
September 2013. Ein dunkler, sternenloser<br />
Nachthimmel thront über Salzburg.<br />
Nur einige behelfsmäßig aufgebaute<br />
Scheinwerfer erhellen den Vorplatz des<br />
Hangar 7. Wie in einem Krimi bahnt sich ein<br />
schwarzer Infiniti gemächlich seinen Weg in Richtung<br />
Eingang. Hinter den getönten Scheiben versteckt<br />
sich <strong>der</strong> neue Teamkollege von Serienchampion<br />
Sebastian Vettel. Die hintere Tür schwingt auf<br />
und ein nur allzu bekanntes, entwaffnendes<br />
Lächeln kommt zum Vorschein. Das Australierwechsel-dich-Spielchen<br />
hat ein Ende: Daniel Ricciardo<br />
wird Nachfolger von Mark Webber bei Red<br />
Bull. Der Wechsel des Australiers vom kleinen<br />
Bru<strong>der</strong> Toro Rosso ins Weltmeisterteam von Red<br />
Bull Racing stellt für <strong>Formel</strong>-1-Insi<strong>der</strong> keine große<br />
Überraschung dar, die Vertragslaufzeit von nicht<br />
weniger als drei Jahren hingegen schon. Denn bis<br />
zu diesem Zeitpunkt war eine wichtige Frage noch<br />
unbeantwortet: Wie gut ist dieser Daniel Ricciardo<br />
wirklich?<br />
25. Mai 2014. Mit einem breiten Grinsen nimmt<br />
Ricciardo den Pokal für den dritten Platz von Fürst<br />
Albert von Monaco entgegen und überstrahlt mit<br />
seinem Lächeln selbst Sieger Nico Rosberg. Sebastian<br />
Vettel ist das Lachen hingegen längst vergangen,<br />
mal wie<strong>der</strong> ließ ihn die Technik im Stich<br />
und mal wie<strong>der</strong> stahl ihm sein neuer Teamkollege<br />
die Show. »Daniel hat mit seiner bisherigen Performance<br />
alle Kritiker Lügen gestraft«, erklärt<br />
Marc Surer dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Während<br />
Vettel mit seiner Suzie zu kämpfen hat, ist es Ricciardo,<br />
<strong>der</strong> beweist, dass Designgenie Adrian<br />
Newey ein durchaus schnelles Auto gebaut hat.<br />
»Der Red Bull ist hinter Mercedes das beste Auto<br />
- von dem her hat Newey wie erwartet wie<strong>der</strong> ein<br />
gutes Auto gebaut. Sicherlich haben sie eine<br />
Sekunde Rückstand auf Mercedes, aber den Rest<br />
des Feldes haben sie im Griff«, betont Surer.<br />
Immer für einen<br />
Spaß gut:<br />
Ricciardo hat sich<br />
nicht verän<strong>der</strong>t<br />
Ricciardo überzeugt<br />
auch im Rennen<br />
Gleich in seinem ersten Rennen für Red Bull, und<br />
unter dem Druck <strong>der</strong> heimischen Fans, beendete<br />
Ricciardo den Saisonauftakt in Australien auf<br />
Rang zwei. Nach dem Rennen kam dann die böse<br />
Überraschung: wegen eines irregulären Benzindurchflusses<br />
wurde Ricciardo disqualifiziert -<br />
daran konnte auch eine Berufung nichts än<strong>der</strong>n.<br />
Nach einem Ausfall in Malaysia drehte <strong>der</strong> Aussie<br />
in Bahrain und China <strong>der</strong>art auf, dass das Team<br />
Vierfach-Champion Vettel anwies, seinem schnelleren<br />
Teamkollegen Platz zu machen. Für Johnny<br />
Herbert ist Ricciardo die positive Überraschung<br />
des Jahres, nicht zuletzt, weil es dem 25-Jährigen<br />
gelungen ist, seine Schwächen, speziell im Renntrimm,<br />
auszumerzen. »In <strong>der</strong> Vergangenheit war<br />
Daniel im Qualifying gut, hatte aber immer etwas<br />
Schwierigkeiten im Rennen. In diesem Jahr ist er<br />
in beidem großartig«, schwärmt Herbert im<br />
Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Die<br />
nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:<br />
in sechs Qualifyings war <strong>der</strong> Mann aus Perth fünf<br />
Mal schneller als <strong>der</strong> amtierende Weltmeister,<br />
ebenso oft kam er vor Vettel ins Ziel. Mit dem<br />
Podestplatz in Monaco ließ Ricciardo Vettel sogar<br />
in <strong>der</strong> Fahrerwertung hinter sich. »Daniel ist<br />
hochmotiviert und im Vergleich zu Sebastian<br />
weniger empfindlich, wenn das Auto nicht so gut<br />
ist. Für ihn ist dieses Jahr die große Chance und<br />
er macht das Beste daraus«, erklärt Surer und fügt<br />
scherzend hinzu: »Und ich gehe mal davon aus,<br />
dass das Auto immer noch besser liegt als ein<br />
Toro Rosso. Nein, im Ernst: Daniel hat eine tolle<br />
Einstellung. Das hilft ihm.«<br />
Dank dieser Einstellung hebt <strong>der</strong> 25-Jährige trotz<br />
<strong>der</strong> aktuellen Lobeshymnen auf seine Person<br />
nicht ab. Durch die starken Ergebnisse ist Ricciardos<br />
Selbstvertrauen gewachsen, doch in seiner<br />
Selbsteinschätzung ist <strong>der</strong> Australier immer noch<br />
realistisch. Während die Medien Vettels Nummer-1-Status<br />
bereits wackeln sehen, gibt sich<br />
Ricciardo gelassen. »Die Leute tun so, als sei die<br />
Saison schon zu Ende und ich hätte Sebastian<br />
geschlagen. Das ist aber nicht <strong>der</strong> Fall. Es ist für<br />
mich bisher gut gelaufen und das freut mich«,<br />
erläutert <strong>der</strong> Red-Bull-Pilot mit seinem typischen<br />
Grinsen im Gesicht. Dieses perfekte Zahnpasta-<br />
Lächeln ist in den vergangenen Monaten zum<br />
Markenzeichen des Australiers geworden. Während<br />
das Lächeln bei an<strong>der</strong>en Fahrern aufgesetzt<br />
wirkt, kauft man es Ricciardo zu 100 Prozent ab.<br />
»Ich habe schon viele Fahrer zu einem großen<br />
Team wechseln sehen und es hat ihren Charakter<br />
verän<strong>der</strong>t. Bei Daniel hat sich bisher nichts verän<strong>der</strong>t.<br />
Er lacht immer noch«, betont Johnny<br />
Herbert. Seine positive Grundhaltung erklärt <strong>der</strong><br />
Sonnyboy aus Perth damit, dass es weniger Stress<br />
bedeute, wenn man freundlich sei. Zudem habe<br />
ihn Big-Boss Dietrich Mateschitz geraten, sich<br />
Red Bull lag mit <strong>der</strong><br />
Verpflichtung von<br />
Daniel Ricciardo<br />
goldrichtig<br />
FOTOS: RED BULL, ADRIVO/SUTTON<br />
48 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
unter allen Umständen sein Lächeln zu bewahren.<br />
»Das kann man mögen o<strong>der</strong> eben nicht«, meint<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>-Experte Christian Danner.<br />
»Es gibt durchaus Leute, die sagen: ‚Haut dem<br />
Ricciardo endlich mal in die Fresse, damit er aufhört<br />
zu grinsen.‘ Doch alle Rennfahrer haben eine<br />
Vergleichsbasis - das Ergebnis respektive die Rundenzeiten.<br />
Da muss ich ganz ehrlich sagen:<br />
Chapeau!«<br />
»DAS KANN MAN MÖGEN ODER<br />
EBEN NICHT. ES GIBT DURCH-<br />
AUS LEUTE, DIE SAGEN: ‚HAUT<br />
DEM RICCIARDO ENDLICH<br />
MAL IN DIE FRESSE, DAMIT ER<br />
AUFHÖRT ZU GRINSEN.‘ DOCH<br />
ALLE RENNFAHRER HABEN EINE<br />
VERGLEICHSBASIS - DIE RUN-<br />
DENZEITEN. DA MUSS ICH GANZ<br />
EHRLICH SAGEN: CHAPEAU!«<br />
CHRISTIAN DANNER<br />
Experten beschädigt die starke Performance von<br />
Ricciardo weit weniger Vettels Image als jenes<br />
seines Vorgängers Mark Webber. »Die große<br />
Frage, die sich mir stellt, ist: ist Webber so eine<br />
Banane gewesen o<strong>der</strong> waren es die technischen<br />
Umstände, die dazu geführt haben?«, stellt Danner<br />
in den Raum. In seinen 215 <strong>Formel</strong>-1-Rennen<br />
holte Webber 42 Podestplätze und gewann neun<br />
Rennen, den letzten großen Schritt schaffte er<br />
aber nie. 2010, 2011 und 2013 reichte es in <strong>der</strong><br />
Weltmeisterschaft jeweils nur zu Platz drei. »Es<br />
zeichnet sich kristallklar ab, dass Webber mit dem<br />
angeblasenen Auspuff immer deutlich hinter Vettel<br />
lag«, erklärt Danner. Wann immer es diesen<br />
Vorteil nicht gab, seien Vettel und Webber gleichauf<br />
gewesen o<strong>der</strong> Webber sogar vor dem Deutschen.<br />
»Ich glaube schon, dass dieser angeblasene<br />
Diffusor fahrstiltechnisch etwas ist, was Sebastian<br />
perfektioniert hat und was er jetzt nicht mehr<br />
nutzen kann, speziell beim Bremsen.«<br />
Bei aller Disziplin und dem Ehrgeiz, es ganz noch<br />
oben zu schaffen, hat sich Ricciardo seine Leichtigkeit<br />
bewahrt. Für seine entspannte und lockere<br />
Art wird er im Fahrerlager von Kollegen und<br />
Journalisten gleich hoch geschätzt. Starallüren<br />
sind ihm nicht anzumerken. Im Gegenteil: Er hat<br />
nicht vergessen, wer schon in den vergangenen<br />
Jahren in Diensten des Talentschuppens Toro<br />
Rosso den längeren Weg ins Mittelfeld <strong>der</strong> Startaufstellung<br />
auf sich genommen hat. Laut Danner<br />
könne sich sogar Vettel von Ricciardos Außendarstellung<br />
noch eine Scheibe abschneiden. »Es<br />
tut mir weh, das zu sagen, aber Vettel hat sich in<br />
meinen Augen in seiner Außendarstellung nicht<br />
sehr glücklich benommen. Ich habe es für sehr<br />
unklug von ihm gehalten, als viermaliger Weltmeister<br />
permanent auf den eigenen Sport draufzuhauen«,<br />
kritisiert Danner Vettels Kritik an den<br />
neuen Regeln und dem in seinen Ohren zu dürftigen<br />
Sound. Angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass ihm<br />
sein jüngerer Teamkollege um die Ohren fährt,<br />
sei es vielleicht angebracht, den Reset-Knopf zu<br />
drücken. »Vettel muss sich sagen: Ich bin <strong>der</strong><br />
beste Fahrer <strong>der</strong> Welt und jetzt zeige ich das auch<br />
wie<strong>der</strong> im Auto. Ab sofort habe ich wie<strong>der</strong> Freude<br />
am Rennfahren - das haben nämlich alle an<strong>der</strong>en«,<br />
so Danner. »Im Gegensatz zu Sebastian<br />
leuchten <strong>der</strong>en Augen.«<br />
Ernsthafte Sorgen muss sich Vettel wegen <strong>der</strong><br />
leuchtenden Augen und des breiten Lächelns<br />
jedoch nicht machen. »Sebastian hat bislang keine<br />
runde Saison erlebt. Kann er zurückschlagen? Ich<br />
denke schon. Wir haben von ihm noch nicht alles<br />
gesehen«, meint Herbert. Nach Ansicht <strong>der</strong><br />
Daumen hoch statt<br />
Vettel-Finger:<br />
Ricciardo lief Vettel<br />
den Rang ab<br />
Ricciardo hat hingegen kein Problem, sich vom<br />
schwächeren Toro Rosso, <strong>der</strong> in diesem Bereich<br />
nie das Niveau seiner Red-Bull-Brü<strong>der</strong> erreichte,<br />
auf den neuen RB10 einzustellen. Er hat seinen<br />
Fahrstil nie so stark an den angeblasenen Unterboden<br />
angepasst, wie Vettel es in den vergangenen<br />
Jahren praktizierte und geradezu perfektionierte.<br />
Aber wie gut ist dieser Daniel Ricciardo nun<br />
wirklich? »Daniel hat noch keinen WM-Titel und<br />
keinen Grand Prix gewonnen«, betont Danner.<br />
»Aber so wie er sich präsentiert und dabei diese<br />
Leistung abruft, da kann man nur sagen: Hut ab!«<br />
Bis zum ersten WM-Titel eines Australiers seit Alan<br />
Jones ist es noch ein weiter Weg. Mit Daniel Ricciardo<br />
sitzt aber ein Fahrerkaliber im Red Bull, das<br />
dazu im Stande ist, zugleich einem vierfachen Weltmeister<br />
Feuer unter dem Hintern zu machen und<br />
dabei über das gesamte Gesicht zu lachen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 49
FOTOS: RED BULL<br />
DER CHAS<br />
EIN CHASSIS IST IN DER MODERNEN FORMEL 1 WIE DAS ANDERE - ODER ETWA DOCH NICHT?<br />
OFT BRACHTE EIN CHASSIS-WECHSEL DIE WENDE. ABERGLAUBE, KOPFSACHE ODER FEINGE-<br />
FÜHL? DAS MOTORSPORT-MAGAZIN GEHT DEM PHÄNOMEN CHASSIS-TAUSCH AUF DEN GRUND.<br />
50 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN & KERSTIN HASENBICHLER<br />
SIS-FLUCH<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 51
FOTOS: RED BULL, MERCEDES, ADRIVO/SUTTON<br />
Neues Chassis,<br />
bessere Zeiten:<br />
Sebastian Vettels<br />
Suzie war verflucht<br />
S<br />
uzie ist verflucht. Sie ist hochwohlgeboren,<br />
hat das Feinste vom Feinen.<br />
Aber irgendetwas stimmt nicht mit<br />
ihr. Sie hat nicht so viel Power wie ihre<br />
namenlose Freundin aus dem nahegelegenen<br />
englischen Dorf Brackley und auch<br />
kein so aerodynamisch wohl geformtes Silberkleid.<br />
Dennoch ist sie zum Erfolg verdammt. Nur einmal<br />
schaffte sie es in den erlauchten Kreis, in dem ihre<br />
älteren Schwestern Jahre lang ein- und ausgingen,<br />
und selbst da, in <strong>der</strong> schwülen Hitze von Malaysia,<br />
war sie nur eine Ran<strong>der</strong>scheinung, nicht <strong>der</strong> strahlende<br />
Star im Rampenlicht.<br />
Die verfluchte Suzie war Sebastian Vettels erstes<br />
Auto in <strong>der</strong> neuen <strong>Formel</strong>-1-Ära. Die Spekulationen<br />
reichten von einem verzogenen Chassis<br />
bis zu einem Konstruktionsfehler. So richtig<br />
äußern wollte sich dazu niemand, und wenn,<br />
dann nur wi<strong>der</strong>sprüchlich, was die Situation<br />
noch mysteriöser erscheinen ließ. Erst in<br />
Monaco brachte Vettel Licht ins Dunkel: »Es war<br />
nichts verkehrt mit dem Chassis, aber bei <strong>der</strong><br />
Abstimmung des Autos gibt es gewisse Messwerkzeuge,<br />
die stimmten aber lei<strong>der</strong> nicht ganz<br />
überein.« Sprich: die Einstellwerkzeuge waren<br />
fehlerhaft und dadurch auch das Setup des<br />
Autos. Deshalb verän<strong>der</strong>te sich die Balance von<br />
Vettels Suzie in den Kurven und er wurde im<br />
Cockpit heftig hin und hergeworfen. Ein dritter<br />
Platz in Sepang blieb das beste Saisonergebnis<br />
für den verfluchten RB10.<br />
52 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Suzie brachte<br />
Sebastian Vettel<br />
kein Glück<br />
»NATÜRLICH SAGEN DIE TECH-<br />
NIKER, DASS ALLE CHASSIS<br />
GLEICH WÄREN. ABER ICH SAGE<br />
AUCH, DASS ICH JEDE RUNDE<br />
GLEICH FAHRE UND ES GIBT<br />
TROTZDEM KLEINE SCHWAN-<br />
KUNGEN - OBWOHL DIE DATEN<br />
AM ENDE ETWAS ANDERES<br />
SAGEN; KLEINE UNTERSCHIEDE<br />
GIBT ES IMMER.« TIMO GLOCK<br />
Für Vettel war <strong>der</strong> Chassis-Wechsel übrigens keine<br />
Premiere: Schon in seiner ersten WM-Saison 2010<br />
tauschte er nach einem eher schwachen Saisonstart<br />
ein Chassis. Nach sechs Rennen hatte »Luscious<br />
Liz« ihre Pflicht mehr schlecht als recht erfüllt. An<br />
ihre Stelle trat »Randy Mandy«, die Vettel zu seinem<br />
ersten WM-Titel verhelfen sollte. Bis zu ihrem<br />
Debüt in Istanbul sah es hingegen gar nicht gut aus:<br />
Mark Webber hatte im RB6 klar die Oberhand. In<br />
<strong>der</strong> Türkei läutete dann <strong>der</strong> berüchtigte Hornochsen-Crash<br />
die Wende ein. »Randy Mandy« fuhr<br />
also gleich beim ersten Einsatz ihre Krallen aus.<br />
»Manchmal wechselt ein Fahrer das Chassis aus<br />
Verzweiflung«, sagt <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>-Experte<br />
Christian Danner. Die Beispiele aus <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
sind zahlreich. Selbst Serienweltmeister<br />
Michael Schumacher wechselte zu Beginn <strong>der</strong> Saison<br />
2010 nach einem schwachen Rennen in Shanghai<br />
das Chassis seines Silberpfeils. Im Nachhinein<br />
soll eine Beschädigung festgestellt worden sein. Mit<br />
dem neuen Auto fuhr er in Barcelona auf Anhieb<br />
auf Platz vier.<br />
»Es ist auch ein bisschen eine Kopfsache«, gibt Ex-<br />
<strong>Formel</strong>-1-Pilot Markus Winkelhock gegenüber<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> zu. »Einige Fahrer haben<br />
einfach etwas mehr Selbstvertrauen, wenn sie ein<br />
an<strong>der</strong>es Chassis bekommen.« Für Adrian Sutil ist<br />
dieses Vertrauen ins Auto das A und O. »Wenn<br />
man das nicht hat, verliert man extrem viel Zeit«,<br />
verrät uns <strong>der</strong> Sauber-Pilot. Ihm selbst habe ein
Max Chilton sagt:<br />
Es gibt Chassis-<br />
Unterschiede<br />
Chassis-Wechsel jedoch noch nie etwas gebracht.<br />
»Es muss schon etwas Gravierendes kaputt sein,<br />
damit man einen großen Unterschied spürt«, so<br />
Sutil. Aus rein technischer Sicht betrachtet, sind<br />
die Chassis in <strong>der</strong> hochtechnisierten mo<strong>der</strong>nen<br />
<strong>Formel</strong> 1 tatsächlich alle identisch. »Wenn man<br />
nur die Schil<strong>der</strong> mit den Chassis-Nummern austauschen<br />
würde, hätte das sicher schon denselben<br />
Effekt«, sagte Willy Rampf vor einigen Jahren über<br />
die mentale Komponente eines Chassis-Tauschs.<br />
»Die Chassis werden alle genau vermessen. Sie<br />
unterscheiden sich nicht.«<br />
Christian Danner lächelt darüber. »Grundsätzlich<br />
erklärt dir je<strong>der</strong> Ingenieur, dass ein Chassis wie das<br />
an<strong>der</strong>e ist«, bestätigt er Rampfs Worte. »Grundsätzlich<br />
ist dem aber nicht so. Man spürt, auch<br />
wenn das technisch nicht erklärbar ist, von Chassis<br />
zu Chassis Unterschiede.« Seien sie auch noch so<br />
winzig. Wie so oft kommt es auf den ersten Eindruck<br />
an, <strong>der</strong> sich im Kopf des Fahrers festsetzt. Er<br />
muss einsteigen und sich wohl fühlen. »Natürlich<br />
sagen die Techniker, dass alle Chassis gleich wären«,<br />
sagt <strong>der</strong> frühere <strong>Formel</strong>-1- und heutige DTM-<br />
Fahrer Timo Glock. »Aber ich sage auch, dass ich<br />
jede Runde gleich fahre und es gibt trotzdem kleine<br />
Schwankungen - obwohl die Daten am Ende etwas<br />
an<strong>der</strong>es sagen; kleine Unterschiede gibt es immer.«<br />
Auch Winkelhock hat diese Erfahrung schon<br />
gemacht. Nach einem Totalschaden erhielt er einmal<br />
ein komplett baugleiches Chassis, aber es fühlte<br />
sich an<strong>der</strong>s an, war unterschiedlich zu fahren.<br />
Selbst mit dem gleichen Setup fühlte sich das Auto<br />
seines Teamkollegen ein bisschen an<strong>der</strong>s an. »Auf<br />
<strong>der</strong> Stoppuhr gab es meistens keine Unterschiede:<br />
die Autos haben sich unterschiedlich angefühlt,<br />
waren aber immer gleich schnell.« Also doch alles<br />
nur Hirngespinste und Aberglauben <strong>der</strong> Fahrer?<br />
»Wenn das Chassis intakt ist, sollte man nichts<br />
spüren«, meint Nico Hülkenberg im Gespräch mit<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. »Es ist ein bisschen eine<br />
Kopfsache.«<br />
Vielleicht ist es aber zu einem gewissen Teil auch<br />
eine Geldfrage. So bestätigt Marussia-Pilot Max<br />
Chilton auf Nachfrage des <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>s:<br />
»Es gibt definitiv Unterschiede zwischen den Chassis.<br />
Jedes ist handgefertigt und damit an<strong>der</strong>s. Unser<br />
drittes Auto ist vielleicht nicht so gut wie die beiden<br />
Einsatzautos.« T-Cars sind heutzutage verboten,<br />
aber jedes Team hat bei jedem Grand Prix ein<br />
Ersatzchassis dabei, um im Notfall ein neues Auto<br />
aufbauen zu können. Nach dem Spanien GP<br />
schickte Marussia die Einsatzchassis bereits auf die<br />
Reise, während Chilton und Bianchi an den beiden<br />
Testtagen nach dem Wochenende mit dem dritten<br />
Chassis testeten. »Ich denke, dass man das ein bisschen<br />
merken konnte«, verrät uns Chilton in Berufung<br />
auf sein Feingefühl als Rennfahrer. »Wenn<br />
man tief in den Daten gräbt und bestimmte<br />
Bereiche ansieht, kann man es möglicherweise<br />
auch dort entdecken, aber das ist schwierig.«<br />
In Danners Augen sind diese gefühlten Unterschiede<br />
auf keinen Fall nur Kopfsache. »Was ist ein<br />
Chassis?«, fragt er. »Es ist die Komponente des<br />
Fahrzeugs, an <strong>der</strong> die Pickup-Punkte für die Aufhängung<br />
angebracht sind, damit diese über den<br />
Radträger und die Reifen die Kräfte auf die Fahrbahn<br />
übertragen können.« Auf diesem Weg gibt<br />
es einigen Spielraum für Fehler. Ein Teil könnte<br />
nicht stark genug gefertigt worden sein. Vielleicht<br />
bricht es nicht direkt, aber es verbiegt sich o<strong>der</strong><br />
erbringt nicht jene Leistung, für die es im Gesamtkonzept<br />
des Autos vorgesehen ist. »So verlierst du<br />
tröpfchenweise Performance«, erklärt Danner. Das<br />
Fehlerpotential ist weitläufig: Möglicherweise<br />
wurde die Aufhängung nicht richtig angeschraubt<br />
o<strong>der</strong> ein Querlenker an<strong>der</strong>s laminiert. Hinzukommen<br />
die Belastungen <strong>der</strong> Rennwochenenden. Hin<br />
und wie<strong>der</strong> sind kleinere Reparaturen notwendig,<br />
jedes Chassis geht turnusgemäß zur Überarbeitung.<br />
»Mal ist ein Gewinde ausgeschlagen o<strong>der</strong> eine Ecke<br />
angehauen«, verrät <strong>der</strong> frühere BMW-<strong>Motorsport</strong>direktor<br />
Mario Theissen. »Das wird dann repariert,<br />
und das Chassis geht wie<strong>der</strong> in den normalen<br />
Kreislauf zurück.«<br />
Die kritischen Stellen sind jene, an denen Kräfte<br />
eingeleitet werden, an denen die Radaufhängung<br />
angebracht ist. »Es sind immer die Ecken, an denen<br />
die maximale Belastung herrscht, zum Beispiel wo<br />
<strong>der</strong> Motor angeflanscht ist«, sagt Danner, <strong>der</strong> in<br />
seiner aktiven <strong>Formel</strong>-1-Zeit sowohl mit Alu- als<br />
auch den neueren Karbon-Chassis fuhr. Bei den<br />
Alu-Chassis legte das Team eine maximale Laufleistung<br />
fest und tauschte es danach aus. »Mit dem<br />
Karbon-Chassis haben wir das auch gemacht, das<br />
war aber meiner Ansicht nach nicht nötig«, erinnert<br />
sich Danner. »Aber auch da macht man es, um<br />
auszuschließen, dass sich irgendetwas am System<br />
Chassis verän<strong>der</strong>t.« Egal wie hochentwickelt die<br />
<strong>Formel</strong>-1-Wissenschaft heutzutage auch sein mag,<br />
die Angst vor dem Chassis-Fluch hat sich tief in<br />
den Köpfen <strong>der</strong> Fahrer verankert. Suzies verwunschene<br />
Verwandte werden auch in Zukunft weiter<br />
gepeinigte Piloten heimsuchen.<br />
Wohin des<br />
Weges? Läuft es<br />
ohne Suzie<br />
besser?<br />
Auch Michael<br />
Schumacher<br />
tauschte einmal<br />
ein Chassis<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 53
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
BLACK<br />
JACKS<br />
SPIELZEUGE<br />
SIR JACK BRABHAM VERSTARB AM 19. MAI IM ALTER VON 88 JAHREN.<br />
DER AUSTRALIER IST BIS HEUTE DER EINZIGE PILOT, DER IN SEINEM EIGENEN<br />
AUTO WELTMEISTER WURDE. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN BLICKT AUF<br />
ALLE DREI BRABHAM-BOLIDEN ZURÜCK, IN DENEN DER TEAMGRÜNDER<br />
SELBST GEWINNEN KONNTE.<br />
54 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
Sir Jack Brabham ist <strong>der</strong><br />
einzige Fahrer, <strong>der</strong> in<br />
seinem eigenen Auto<br />
Weltmeister wurde<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 55
56 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
BRABHAM<br />
BT19<br />
W<br />
ie so oft in <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1, stand auch 1966 wie<strong>der</strong> ein<br />
technologischer Umbruch an. Der maximale Hubraum<br />
wurde von 1,5 auf 3,0 Liter vergrößert, deshalb wurde auch gerne<br />
von <strong>der</strong> Dreiliterformel gesprochen wurde. Allerdings vergrößerten<br />
nicht alle Hersteller ihre Motoren, einige setzten weiter auf<br />
1,5-Liter, die jedoch mit einem Kompressor aufgeladen werden<br />
durften. Brabham gab bei <strong>der</strong> australischen Motorenschmiede<br />
Repco die Entwicklung eines 3-Liter-V8-Motors in Auftrag. Es<br />
sollte <strong>der</strong> einzige Motor in dieser Spezifikation sein. Zwar bauten<br />
Ferrari und Maserati ebenfalls 3-Liter-Motoren, die Italiener<br />
setzten aber auf 12-Zylin<strong>der</strong>.<br />
Auch wenn <strong>der</strong> Repco-Motor in jener Saison als <strong>der</strong> schwächste<br />
Motor galt, dem Leistungsdefizit standen zahlreiche Vorteile<br />
gegenüber: Im Gegensatz zu den V12-Aggregaten waren die Achtzylin<strong>der</strong><br />
deutlich leichter. Vier Zylin<strong>der</strong> weniger bedeuten gleichzeitig<br />
weniger bewegliche Teile, was sich nicht nur durch geringere<br />
Defektanfälligkeit auswirkt. Weil weniger Reibung entsteht, waren<br />
die Repco-Aggregate deutlich spritsparen<strong>der</strong> als jene <strong>der</strong> Konkurrenz.<br />
Der Vorteil war erheblich, die Brabham-Boliden konnten<br />
mit mehr als 50 Kilogramm-Spritballast-Vorteil in die Rennen<br />
gehen.<br />
Die kompakte Bauweise des V8 brachte außerdem Vorteile beim<br />
Chassis mit sich. Während Lotus schon 1962 den ersten Boliden<br />
mit Monocoque einführte, vertraute Brabham weiter auf einen<br />
konventionellen Gitterrohrrahmen. Der Rahmen war zwar noch<br />
auf einen 1,5-Liter-Motor ausgelegt, durch kleine Än<strong>der</strong>ungen am<br />
Heckrahmen konnte aber auch <strong>der</strong> größere V8 eingebaut<br />
werden.<br />
Schwachstelle war anfangs noch das Getriebe, das nicht auf die<br />
neuen, stärkeren Motoren ausgelegt war. Brabham musste deshalb<br />
am Start vorsichtig mit dem Drehmoment umgehen. Beim ersten<br />
Rennen schied Brabham noch mit einem Getriebeschaden aus,<br />
die nächsten Grands Prix sollten dann umso erfolgreicher werden.<br />
Nach einem vierten Platz in Belgien siegte Brabham viermal in<br />
Folge und sicherte sich schon drei Rennen vor Ende <strong>der</strong> Saison in<br />
Italien trotz eines Ausfalls die Weltmeisterschaft.<br />
TECHNISCHE DATEN:<br />
Motor: Repco 620, 2995 cmm, 90-Grad-V8-Mittelmotor, längseingebaut<br />
Gewicht: 518 Kg<br />
Chassis: Stahl Gitterrohrrahmen<br />
Getriebe: Manuelles 5-Gang-Getriebe von Hewland<br />
Reifen: Goodyear<br />
Benzin: Esso<br />
ERFOLGE:<br />
4 Siege<br />
Fahrertitel (1966)<br />
2 Konstrukteurstitel (1966 und 1967)<br />
3 Pole Positions<br />
1 Schnellste Rennrunde<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 57
BRABHAM<br />
BT24<br />
B<br />
rabham ging 1967 gleich mit drei verschiedenen Chassis-Varianten<br />
an den Start. Der BT19 und <strong>der</strong> BT20, die beide schon im<br />
Jahr zuvor erstmals eingesetzt wurden, trugen ihren Teil zur<br />
erfolgreichen Saison des Brabham Teams bei. Jack Brabham selbst fuhr aber<br />
seine größten Erfolge in diesem Jahr mit dem BT24 ein.<br />
Wie seine Vorgänger wurde auch <strong>der</strong> BT24 von Ron Tauranac konstruiert.<br />
Ein Technologiedurchbruch war aber auch er nicht. Ganz im Gegenteil: wie<br />
schon im vorangegangenen Jahr setzte Brabham auf eher ausgereifte, fast<br />
schon alt anmutende Technik. Auch beim Motor blieb fast alles beim Alten.<br />
Repco überarbeitete das V8-Triebwerk, sodass es nun rund 330 PS und<br />
somit zwischen 20 und 30 PS mehr auf die Hinterrä<strong>der</strong> stemmte.<br />
Während <strong>der</strong> Saison zeichnete sich ein Titeldreikampf zwischen Denny Hulme,<br />
ebenfalls für Brabham am Start, Jack Brabham und Jim Clark ab. Clark musste<br />
jedoch zwei Rennen lang auf seinen neuen Boliden für 1967 warten, zuvor ging<br />
er mit den alten Lotus 33 und Lotus 43 an den Start und schied zweimal aus.<br />
Mit dem technisch überlegenen Lotus 49 holte er zwar die meisten Siege aller<br />
Piloten, sah aber bei drei weiteren Rennen die Zielflagge nicht.<br />
Einmal mehr sollte sich das Konzept von Brabham auszahlen: Durch die<br />
ausgereifte und zuverlässige Technik fuhren beim letzten Grand Prix in Mexiko<br />
nur noch Hulme und Brabham um den Titel - obwohl die beiden zusammen<br />
lediglich drei Siege feierten. Auch beim Showdown in Mexiko Stadt traten<br />
Brabham und Hulme mit gleichem Material an. Als Teamchef hätte Brabham<br />
dem Neuseelän<strong>der</strong> einfach unterlegendes Material zur Verfügung stellen<br />
können, um selbst den zweiten Fahrertitel in Folge einzufahren. Mit identischen<br />
Autos wurde Brabham Zweiter, Hulme Dritter.<br />
Die Weltmeisterschaft ging an Hulme. Bezeichnend ist <strong>der</strong> Rückstand <strong>der</strong><br />
beiden Brabhams auf Sieger Clark: Fast an<strong>der</strong>thalb Minuten nahm <strong>der</strong> Lotus<br />
den Brabhams ab. Fahrer- und Konstrukteurstitel zeigten aber, dass Brabhams<br />
Taktik mit alter Technik erfolgreicher war als jene von Lotus, mit mo<strong>der</strong>ner,<br />
aber unausgereifter Technik an den Start zu gehen.<br />
TECHNISCHE DATEN:<br />
Motor: Repco 740 2994 cmm, 90-Grad-V8-Mittelmotor, längseingebaut<br />
Gewicht: 517 kg<br />
Chassis: Stahl Gitterrohrrahmen<br />
Getriebe: Manuelles 5-Gang-Getriebe von Hewland<br />
Reifen: Goodyear<br />
Benzin: Esso<br />
ERFOLGE:<br />
3 Siege<br />
Fahrertitel (1967)<br />
Konstrukteurstitel (1967)<br />
1 Schnellste Rennrunde<br />
→<br />
58 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 57
60 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
BRABHAM<br />
BT33<br />
19<br />
70 konnte Brabham nicht mehr konsequent auf Evolution<br />
statt Revolution setzen. Aus Sicherheitsgründen<br />
schrieb das Reglement um den Tank herum einen festen<br />
Aluminium-Teil im Chassis vor. Trotzdem wollte Designer Tauranac<br />
nicht gänzlich vom Gitterrohrrahmen abweichen. Aus diesem<br />
Grund entschied er sich für eine Hybridkonstruktion aus einem<br />
Aluminium-Bauteil und Stahl-Gitterrohrrahmen. Eine ähnliche<br />
Konstruktion fand sich auch im Ferrari 312B aus jener Saison<br />
wie<strong>der</strong>.<br />
Wie im Vorjahr setzte Brabham auf den 3-Liter-V8-Motor aus dem<br />
Hause Cosworth. Fast das gesamte <strong>Formel</strong>-1-Feld fuhr 1970 mit<br />
diesem Aggregat, das rund 430 Pferdestärken Richtung Getriebe<br />
schickte. Mit rund 168 Kilogramm war das Cosworth-Aggregat<br />
zwar rund 20 Kilogramm schwerer als <strong>der</strong> alte Repco-Motor, dafür<br />
aber deutlich stärker und zudem so konstruiert, dass er als voll<br />
tragendes Bauteil in das Chassis integriert werden konnte.<br />
Für Jack Brabham sollte es das letzte Auto seiner <strong>Formel</strong>-1-Karriere<br />
werden. Obwohl für Brabham <strong>der</strong> technologische Umbruch in diesem<br />
Jahr größer war als für einige Konkurrenten, die zum Teil schon<br />
seit Jahren mit einem Voll-Monocoque fuhren, konnte Brabham<br />
gleich das erste Saisonrennen in Kyalami vor Denny Hulme gewinnen,<br />
<strong>der</strong> in dieser Saison für McLaren an den Start ging.<br />
Die weitere Saison sollte sich allerdings dramatisch an<strong>der</strong>s gestalten:<br />
insgesamt starten 1970 26 Mal Brabham-Boliden, dabei gab es elf<br />
technische Defekte. Bei 13 Rennen sah Jack Brabham lediglich siebenmal<br />
die Zielflagge. Fünfmal musste er den BT33 unverschuldet<br />
hauptsächlich wegen Motorproblemen abstellen. Wenn <strong>der</strong> Bolide<br />
lief, war Brabham aber - zumindest in <strong>der</strong> ersten Saisonhälfte -<br />
konkurrenzfähig. In Monaco verschenkte er einen Sieg durch einen<br />
Verbremser, wurde aber noch Zweiter, in Frankreich und Großbritannien<br />
reichte es ebenfalls für Podiumsplatzierungen. Trotz einer<br />
Nullnummer in <strong>der</strong> zweiten Saisonhälfte reichte es immerhin noch<br />
für Platz fünf in <strong>der</strong> Fahrerwertung und Platz vier bei den<br />
Konstrukteuren.<br />
TECHNISCHE DATEN:<br />
Motor: Ford Cosworth DFV, 90-Grad-V8-Mittelmotor<br />
Gewicht: 550 Kg<br />
Chassis: Hybrid-Konstruktion aus Monocoque und Rahmen<br />
Getriebe: Manuelles 5-Gang-Getriebe von Hewland<br />
Reifen: Goodyear<br />
Benzin: Esso<br />
ERFOLGE:<br />
1 Sieg<br />
1 Pole Position<br />
4 Schnellste Rennrunden<br />
6 Podiumsplatzierungen<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 61
SLIDESHOW | MOTORRAD | #37 | 2014<br />
❱ UNTER DEM<br />
ÜBERFLIEGER<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
Rekorde, Pole Positions, Siege, Punkte, Punkte und noch mehr Punkte<br />
- Marc Marquez ist einfach nicht zu stoppen. Das Schlimmste daran<br />
ist: <strong>der</strong> amtierende Weltmeister ist so sympathisch und bodenständig,<br />
dass man ihm nicht einmal übel nehmen kann, dass er für eine absolute<br />
Monotonie in <strong>der</strong> MotoGP sorgt. Was machen wir also? Wir konzentrieren<br />
uns auf das Feld dahinter - schließlich gibt es dort wenigstens<br />
noch richtig gute Duelle und spannende Entscheidungen. Selbst<br />
Valentino Rossi freute sich über seinen dritten Platz in Mugello fast<br />
so sehr wie über einen Sieg. Willkommen in <strong>der</strong> Ära Marquez. So<br />
sehen sie also aus, die neuen glorreichen Zeiten in <strong>der</strong><br />
<strong>König</strong>sklasse.<br />
FOTO: REPSOL<br />
62 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63
BECAUSE<br />
I‘M HAPPY<br />
DER NEUE MOTOGP-DOMINATOR MARC MARQUEZ EILT VON EINEM<br />
SIEG ZUM ANDEREN. UND DAS MIT EINER LEICHTIGKEIT, WIE SELTEN<br />
ZUVOR ERLEBT. HAT DER 21-JÄHRIGE DAS POTENZIAL ZUM NEUEN<br />
MR. MOTOGP AUFZUSTEIGEN?<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
Marc Marquez ist nicht zu stoppen.<br />
Auch sein zweites Jahr in <strong>der</strong><br />
MotoGP ist von Rekorden gepflastert.<br />
Knackte <strong>der</strong> 21-jährige Spanier 2013 in<br />
seiner ersten Saison einen Rookie- und Alters-<br />
Rekord nach dem an<strong>der</strong>en, so geht er nun als<br />
Seriensieger auf Bestmarken los, von denen manche<br />
dachten, sie könnten für die Ewigkeit<br />
gemacht sein. Selbst die Frage »Kann Marc Marquez<br />
alle Saisonrennen gewinnen?« wurde von<br />
dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Journalisten schon nach<br />
wenigen Rennen gestellt. Doch was ist das<br />
Erfolgsrezept des neuen Überfliegers, vor dem<br />
nun sogar Mick Doohan o<strong>der</strong> Valentino Rossi<br />
um so manchen Rekord zittern müssen?<br />
»Kennen Sie den Song ‚Because I‘m happy‘? Der<br />
passt perfekt auf Marc«, erklärt Hondas Teamchef<br />
Livio Suppo im Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
»Er ist so jung, er ist so selbstbewusst<br />
- das ist einfach unglaublich. Sein ganzer<br />
Charakter ist einfach nur positiv«, gerät Marquez‘<br />
Boss beim Sprechen über sein bestes Pferd<br />
im Stall ins Schwärmen. Nach sechs <strong>der</strong> 18 Rennen<br />
steht <strong>der</strong> Weltmeister mit einer makellosen<br />
Bilanz von sechs Siegen und sechs Pole Positions<br />
sowie dem Punktemaximum und einem mehr<br />
als komfortablen Vorsprung in <strong>der</strong> WM-Wertung<br />
da. Mit diesem durchschlagenden Erfolg<br />
hatte selbst bei Honda niemand gerechnet. »Das<br />
ist weit mehr als wir erwartet hatten«, gesteht<br />
Suppo. Sechs o<strong>der</strong> mehr GP-Siege in Folge - das<br />
war zuvor in <strong>der</strong> Geschichte erst fünf Piloten<br />
gelungen: Giacomo Agostini, Mike Hailwood,<br />
John Surtees, Mick Doohan und Valentino<br />
Rossi. Rossis persönliche Rekordserie von sieben<br />
Erfolgen hintereinan<strong>der</strong> wackelt bereits und<br />
Doohans zehn Siege könnten noch im Sommer<br />
fallen. Die australische Honda-Legende muss<br />
zudem um seine Allzeit-Rekorde für die meisten<br />
Pole Positions in Folge, die meisten Poles in<br />
einer Saison und die meisten Saisonsiege →<br />
64 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 65<br />
FOTOS: MILAGRO
Kurvenwinkel bis<br />
zu 64 Grad sind<br />
möglich<br />
Muggelo war <strong>der</strong><br />
6. Saisonsieg von<br />
Marquez<br />
fürchten (je<strong>der</strong> dieser Rekorde steht <strong>der</strong>zeit bei<br />
zwölf). Selbstredend wackelt auch die Bestmarke<br />
für in einer Saison erzielte Punkte, die<br />
Jorge Lorenzo seit 2010 mit 383 Zählern hält.<br />
Marquez‘ Leistung in diesem Jahr ist umso<br />
erstaunlicher, da es für den Weltmeister im Winter<br />
eine Hiobsbotschaft gab, die viele schon<br />
wie<strong>der</strong> völlig vergessen haben. Beim Dirt-Track-<br />
Training brach sich <strong>der</strong> Spanier Mitte Februar<br />
das rechte Wadenbein und musste auf Testfahrten<br />
in Sepang und auf Phillip Island verzichten.<br />
Selbst sein Start beim Saisonauftakt in<br />
Katar, <strong>der</strong> nur etwas mehr als einen Monat nach<br />
Marquez‘ Unfall angesetzt war, wackelte. »Wenn<br />
du von einer Verletzung eines deiner Fahrer<br />
hörst, machst du dir immer Sorgen über die<br />
Konsequenzen«, schil<strong>der</strong>t Suppo seine damaligen<br />
Gefühle. »Das Positive ist, dass er sehr jung<br />
ist, da erholt sich <strong>der</strong> Körper schneller von solchen<br />
Verletzungen. Das Rennen in Katar war<br />
dennoch eine absolute Überraschung. Er kam<br />
dort nach fast zwei Monaten ohne Rennpraxis<br />
an. Zwischen November und März saß <strong>der</strong> Bursche<br />
gerade einmal drei Tage auf seinem Motorrad,<br />
während alle an<strong>der</strong>en Fahrer neun Testtage<br />
hatten. Vor allem das Selbstvertrauen war beeindruckend,<br />
denn du musst auf diesem Niveau<br />
immer an dich glauben und pushen. Das war<br />
echt beeindruckend.« Im ersten Training beim<br />
Auftakt noch Elfter, stand er nach etwas mehr<br />
als 24 Stunden bereits auf Pole Position und<br />
lachte weitere 24 Stunden später nach einem<br />
spektakulären Kampf gegen Valentino Rossi<br />
bei <strong>der</strong> Siegerehrung vom obersten Treppchen<br />
herunter. Vom Handicap <strong>der</strong> Nachwirkungen<br />
eines Beinbruchs o<strong>der</strong> von Testrückstand war<br />
keine Spur mehr. Seither legte <strong>der</strong> Weltmeister<br />
weiter zu und steigerte das fahrerische Niveau<br />
auf ein selbst für seine stärksten Kontrahenten<br />
fast unverträgliches Maß. Ist Marquez nach<br />
etwas mehr als 20 MotoGP-Rennen schon <strong>der</strong><br />
perfekte Fahrer? »Ich musste schon im Vorjahr<br />
immer antworten, dass es schwierig ist,<br />
überhaupt eine Schwachstelle auszumachen«,<br />
ZWISCHEN NOVEM-<br />
BER UND MÄRZ SASS<br />
DER BURSCHE GE-<br />
RADE EINMAL DREI<br />
TAGE AUF SEINEM<br />
MOTORRAD, WÄH-<br />
REND ALLE ANDEREN<br />
FAHRER NEUN TEST-<br />
TAGE HATTEN.<br />
66 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Livio Suppo ist<br />
stolz auf seinen<br />
Schützling<br />
Marquez<br />
stürmt von<br />
Pole zu Pole<br />
FOTOS: MILAGRO, HONDA<br />
Je<strong>der</strong> Sieg<br />
zaubert ein<br />
Lächeln auf<br />
Marcs Gesicht<br />
DREI FRAGEN AN...<br />
HRC-TEAMCHEF<br />
LIVIO SUPPO<br />
MSM: Wie steht Honda zum Ausstieg von<br />
Bridgestone?<br />
LIVIO SUPPO: Das sind normale Vorgänge<br />
im Leben. Sie sind seit zwölf Jahren<br />
dabei und haben sechs davon als alleiniger<br />
Hersteller gearbeitet. Nichts hält ewig und<br />
früher o<strong>der</strong> später musste man damit<br />
rechnen. Wir waren mit ihrer Arbeit<br />
immer zufrieden, denn in sechs Jahren<br />
Bridgestone-Monopol gab es kaum Probleme.<br />
Die gleiche Reifenmischung im<br />
gleichen Rennen verhielt sich auch immer<br />
beinahe gleich. Das heißt, dass die Qualitätskontrolle<br />
immer sehr gut funktioniert<br />
hat<br />
Wie kommt Dani Pedrosa als Teamkollege<br />
mit <strong>der</strong> aktuellen Dominanz von Marc<br />
Marquez zurecht?<br />
Ob Sie es mir glauben o<strong>der</strong> nicht, er kommt<br />
sehr gut damit zurecht. Erstens, weil er<br />
auch sehr gute Ergebnisse einfährt und<br />
zweitens, weil sein Level sehr knapp an<br />
jenem von Marc dran ist. Die Strecken, auf<br />
denen er traditionell sehr stark ist, stehen<br />
erst jetzt auf dem Programm. Im Moment<br />
ist er sehr entspannt und die beiden kommen<br />
gut miteinan<strong>der</strong> aus. Sie respektieren<br />
sich und haben gemeinsam Spaß.<br />
Kühlt man schon den Siegersekt für die<br />
Weltmeister-Party im November ein?<br />
Es ist noch viel zu früh, um darüber wirklich<br />
ein Urteil fällen zu können. Die ersten<br />
Rennen waren stark von Fehlern von Jorge<br />
beeinflusst, mit ihm wird aber noch zu<br />
rechnen sein. Auch Valentino Rossi darf<br />
man nicht unterschätzen.<br />
gesteht Suppo in. Und tatsächlich fällt die<br />
Suche nach Schwächen schwer. »Ich will ihn<br />
ja nicht zu viel loben, aber mir fällt im<br />
Moment nichts ein.« Neben seinen Fähigkeiten<br />
als Fahrer zeigt seine lockere Art aber<br />
auch bei Fans und Medien ihre Wirkung.<br />
»Aktuell ist er sehr gut darin, auf die richtige<br />
Art und Weise zu kommunizieren. Das ist gut<br />
für den gesamten Sport. Am Ende des Tages<br />
fährt Honda hier ja, weil wir Motorrä<strong>der</strong> verkaufen<br />
wollen und nicht primär, um zu gewinnen,<br />
auch wenn wir natürlich erfolgshungrig<br />
sind und damit das Image unserer Marke<br />
steigern können«, führt Suppo aus. »Für dieses<br />
Vorhaben ist Marc das perfekte<br />
Testimonial.«<br />
Honda stellt Marquez allerdings auch<br />
perfektes Material zur Verfügung.<br />
Ein Umstand, auf den <strong>der</strong> im Vorjahr<br />
knapp unterlege Vizeweltmeister Jorge<br />
Lorenzo immer wie<strong>der</strong> hinwies. Suppo verteidigt<br />
Marquez vor solchen Aussagen: »Natürlich<br />
ist unsere Maschine im Moment sehr gut und<br />
das Level sehr hoch. Ich glaube aber, dass <strong>der</strong><br />
Unterschied zwischen Honda und Yamaha<br />
geringer ist, als das die aktuellen Resultate vermuten<br />
lassen. Zwischen Honda und Yamaha lief<br />
das schon immer so, auf einigen Strecken funktioniert<br />
unser Motorrad besser, auf an<strong>der</strong>en →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 67
Längst sind für<br />
Marquez eigene<br />
Fantribünen<br />
reserviert<br />
Strecken ihres. Im vergangenen Jahr in Assen<br />
war die Yamaha deutlich stärker. Hochgerechnet<br />
auf die gesamte Saison dürfte das Niveau<br />
<strong>der</strong> Motorrä<strong>der</strong> in etwa gleich sein.« So sei es<br />
am Ende doch <strong>der</strong> Fahrer, <strong>der</strong> den großen<br />
Unterschied ausmache. Schon Valentino Rossi<br />
musste sich in seinen Anfangsjahren in <strong>der</strong><br />
Motorrad-WM den Vorwurf gefallen lassen,<br />
er gewinne nur deshalb, weil er auf einer<br />
Honda sitze. »Das war mit ein Grund, wieso<br />
ich 2004 zu Yamaha gegangen bin«, erklärt<br />
Rossi noch heute. Dass er prompt sein erstes<br />
Rennen für den Erzrivalen gewann, im ersten<br />
Jahr seinen Honda-Titel in Yamaha-Farben<br />
verteidigte und drei weitere Gesamtsiege folgen<br />
ließ, machte Kritiker und Erzfeinde wie<br />
Max Biaggi rasch mundtot. Ein <strong>der</strong>artiges<br />
Kunststück wird Marquez vorerst nicht vollbringen<br />
müssen, denn Honda verlängerte<br />
Mitte Mai den Vertrag mit dem 21-Jährigen<br />
bis Ende <strong>der</strong> Saison 2016 und behielt die heißeste<br />
Aktie dieses Jahrzehnts damit in den<br />
eigenen Reihen. Für Marquez gibt es laut<br />
Suppo aber auch gar keinen Grund, um das<br />
Team zu wechseln: »Unser Bike hat einen<br />
bärenstarken Motor und beschleunigt sehr<br />
schnell. Unsere Ingenieure haben bei den<br />
Bremsen gute Arbeit erledigt, denn das war<br />
ein kleiner Schwachpunkt im Vorjahr. Unser<br />
Motorrad ist nun ausgezeichnet ausbalanciert<br />
und Marc kommt damit bestens zurecht.«<br />
Denn Honda hat eine wichtige Mission: seit<br />
Rossi 2003 konnte kein Fahrer aus den Reihen<br />
Voll fokussiert:<br />
Marquez im<br />
Rennmodus<br />
Seine Gegner sehen ihn<br />
meistens nur von hinten<br />
VALENTINO IST NOCH<br />
IMMER DIE GROSSE<br />
IKONE DES SPORTS.<br />
MARC HAT DEFINITIV<br />
DAS POTENZIAL, VIEL-<br />
LEICHT AUCH EINMAL<br />
ZU SO EINER IKONE<br />
ZU WERDEN.<br />
68 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Rossi fuhr zwei<br />
Jahre für Repsol<br />
Honda<br />
Alex Criville war <strong>der</strong><br />
erste spanische<br />
500cc-Champion<br />
20 JAHRE REPSOL<br />
HONDA. DIE PERFEKTE<br />
SPANISCH-JAPANISCHE<br />
PARTNERSCHAFT?<br />
Der japanische Hersteller Honda und <strong>der</strong> spanische<br />
Erdölkonzern Repsol feiern in dieser Saison<br />
das 20-jährige Jubiläum ihrer gemeinsamen<br />
Partnerschaft, die längst weit über ein reines<br />
Sponsoring hinausgeht. Das Jubiläumsjahr 2014<br />
könnte das erfolgreichste Jahr einer ohnehin von<br />
Triumphen und Titeln gepflasterten Zusammenarbeit<br />
werden. Was im Jahr 1995 unter Mick<br />
Doohan, <strong>der</strong> vier seiner fünf Weltmeisterschaften<br />
bei Honda in den orange-rot-schwarzen Farben<br />
Repsols holte, begann, bescherte auch Alex Criville<br />
(1999), Valentino Rossi (2002 und 2003),<br />
Nicky Hayden (2006), Casey Stoner (2011) und<br />
zuletzt Marc Marquez (2013) WM-Ehren. Rossi<br />
war 2001 <strong>der</strong> einzige Honda-Weltmeister dieser<br />
Zeit, <strong>der</strong> nicht für das Werksteam in den Farben<br />
von Repsol angetreten war.<br />
In die Ära <strong>der</strong> Kooperation zwischen Repsol und<br />
Honda wurden die Japaner zum erfolgreichsten<br />
Hersteller in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse, überholten MV<br />
Agusta und distanzierten Yamaha. Marquez‘ Sieg<br />
in Mugello war <strong>der</strong> 130. eines Fahrers auf einer<br />
Repsol Honda im 281. gemeinsamen Rennen - das<br />
ergibt eine unglaubliche Siegquote von 46,2 Prozent.<br />
Unvergessen ist das Jahr 1997, als die drei<br />
Werksfahrer Mick Doohan, Alex Criville und Tadayuki<br />
Okada alle 15 Rennen gewannen.<br />
Längst ist die Partnerschaft nicht mehr nur auf<br />
das MotoGP-Team beschränkt. Repsol hat eigene<br />
Jugendför<strong>der</strong>ungsprogramme ins Rollen gebracht<br />
und ist maßgeblich daran beteiligt, dass <strong>der</strong> spanische<br />
Motorradsport <strong>der</strong>zeit ein nie da gewesenes<br />
Hoch erlebt und die jungen Talente förmlich<br />
nur so aus dem Boden sprießen. Nicht nur die<br />
beiden aktuellen MotoGP-Piloten Dani Pedrosa<br />
und Marc Marquez werden schon lange von Repsol<br />
unterstützt, mit Marcs Bru<strong>der</strong> Alex Marquez<br />
und dessen Teamkollegen Alex Rins, die in <strong>der</strong><br />
Moto3 im Team von Emilio Alzamora eine Honda<br />
pilotieren, stehen bereits die nächsten heißen<br />
Eisen in den nächsten Jahren ante portas.<br />
<strong>der</strong> Japaner seinen Titel verteidigen, Nicky<br />
Hayden nicht und Casey Stoner nicht. Vielleicht<br />
gerade deshalb hält man sich im japanischen<br />
Werksteam trotz Seriensiegen von<br />
Marquez mit vorzeitigen Jubelmeldungen<br />
noch zurück. »Auch wenn wir so einen guten<br />
Start hatten, heißt das noch lange nicht, dass<br />
die Weltmeisterschaft schon vorbei ist«,<br />
erklärt Suppo. »Wir wissen, dass Yamaha und<br />
Jorge sehr stark sind. Valentino hat sich im<br />
Vergleich zu letztem Jahr enorm verbessert,<br />
was man ihm in seinem Alter sehr hoch<br />
anrechnen muss. Das Niveau von Marc, Dani<br />
und Jorge ist superhoch. Aber Valentino hat<br />
es tatsächlich geschafft, noch einmal zuzulegen.<br />
Ich bin überzeugt, dass die Saison sehr<br />
interessant wird.«<br />
Rossi war in drei <strong>der</strong> ersten sechs<br />
Rennen <strong>der</strong> erste Verfolger von<br />
Marquez und hält nach Mugello<br />
Rang zwei in <strong>der</strong> WM-Wertung. Die beiden<br />
begnadeten Motorradfahrer verbindet aber<br />
nicht nur ihr enormes sportliches Talent, auch<br />
ihr Umgang mit Medien und Fans ähnelt sich.<br />
Während Top-Fahrer wie Casey Stoner, Dani<br />
Pedrosa o<strong>der</strong> Jorge Lorenzo immer ein distanziertes<br />
Verhältnis zu Journalisten und ihrer<br />
Anhängerschafft hatten, genießen Rossi und<br />
Marquez nicht nur das Bad in <strong>der</strong> Menge, son<strong>der</strong>n<br />
haben dabei auch immer ein Lächeln im<br />
Gesicht und einen flotten Spruch auf den Lippen.<br />
In den seltensten Fällen sieht man Mar-<br />
quez o<strong>der</strong> Rossi mit finsterer Mine - zumindest<br />
nicht, wenn TV-Kameras o<strong>der</strong> Fan-Augen auf<br />
sie gerichtet sind. In den unzähligen Pressekonferenzen<br />
mit Marquez und Rossi überkommt<br />
einen das Gefühl, dass hier allmählich<br />
<strong>der</strong> Prozess einer Amtsübergabe ins Rollen<br />
kommt. Beide Piloten ernten ihre Lacher nach<br />
markigen Aussagen, flüstern sich gegenseitig<br />
ins Ohr und pflegen öffentlich ein nahezu<br />
freundschaftliches Verhältnis. Keine Spur von<br />
Neid o<strong>der</strong> Missgunst, denn <strong>der</strong> eine hat bereits<br />
alles gewonnen und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ist auf dem<br />
besten Weg dazu. Noch ist Rossi <strong>der</strong> unumstrittene<br />
Liebling, wie auch Suppo weiß:<br />
»Valentino ist noch immer die große Ikone<br />
dieses Sports. Selbst im weit entfernten Argentinien<br />
war es unglaublich, wie die Zuseher<br />
abgegangen sind, als er in <strong>der</strong> ersten Runde<br />
jemanden überholt hat. Und genau so geht es<br />
auch auf je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Rennstrecke <strong>der</strong> Welt<br />
zu.« Die Szenen, die sich in Mugello abspielten,<br />
als tausende gelb gekleidete Fans die Zielgerade<br />
und Teile <strong>der</strong> Boxengasse enterten, um den<br />
dritten Platz ihres Idols mit Sprechchören wie<br />
einen Sieg zu feiern, unterstrichen Rossis Status<br />
einmal mehr. »Es wird schwierig, wenn<br />
nicht sogar unmöglich, ihn eines Tages in seiner<br />
Rolle als Mister MotoGP zu ersetzen. Er<br />
war <strong>der</strong> Allererste, <strong>der</strong> so einen Zuspruch <strong>der</strong><br />
Massen erfuhr und vielleicht gibt es so etwas<br />
nie wie<strong>der</strong>. Aber Marc hat definitiv das Potenzial,<br />
vielleicht auch einmal zu so einer Ikone<br />
zu werden.«<br />
FOTOS: MILAGRO, HONDA<br />
Wer soll diesen<br />
Mann in den<br />
nächsten Jahren<br />
stoppen?<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 69
DIAGNOSE:<br />
DOCH NICHT<br />
UNHEILBAR<br />
DER ROTE PATIENT DUCATI ZEIGT NACH EINER LANGEN<br />
SCHOCKSTARRE ALLMÄHLICH WIEDER LEBENSZEICHEN.<br />
DAS MOTORSPORT-MAGAZIN SPRACH MIT THERAPEUT<br />
ANDREA DOVIZIOSO ÜBER DEN WEITEREN HEILUNGS-<br />
VERLAUF VON DUCATIS HERZSCHMERZEN UND DIE ERB-<br />
KRANKHEITEN DER DESMOSEDICI GP14.<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
70 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 71
DERZEIT SIND WIR NICHT SCHNELL<br />
GENUG, UM UNS ERNSTHAFTE HOFF-<br />
NUNGEN MACHEN ZU KÖNNEN. ABER<br />
WIR HABEN JA SCHON ÜBERRASCHEND<br />
EIN PODIUM GEHOLT.<br />
MSM: Dovi, in Austin hast du es nach langer<br />
Wartezeit wie<strong>der</strong> auf das Podium geschafft. Du<br />
hattest davor 23 Rennen ohne Top-3-Ergebnis,<br />
Ducati musste sogar noch einen Grand Prix länger<br />
warten. Wie groß war die Erleichterung, als<br />
du auf dem Treppchen den Pokal entgegennehmen<br />
durftest?<br />
ANDREA DOVIZIOSO: Das Rennen war toll und<br />
es war schön, dieses Gefühl einer Siegerehrung<br />
wie<strong>der</strong> einmal erleben zu dürfen. Für Ducati und<br />
vor allem in unserer aktuellen Situation war dieses<br />
Resultat etwas ganz Beson<strong>der</strong>es. Alle bei Ducati<br />
arbeiten richtig hart und die Ingenieure hängen<br />
sich schon seit Jahren ordentlich rein. Dieser dritte<br />
Platz war enorm wichtig für all diese Leute. Lei<strong>der</strong><br />
entspricht das aber nicht den realistischen Kräfteverhältnissen,<br />
denn es ist offensichtlich, dass wir<br />
im Regelfall noch nicht schnell genug sind, um aus<br />
eigener Kraft um das Podium kämpfen zu<br />
können.<br />
Wie war dieses Erlebnis für dich persönlich?<br />
Ich war etwas krank, als ich in Austin ankam und<br />
die Strecke hat wirklich jedem alles abverlangt und<br />
alle Fahrer an die Grenzen getrieben. Es war wichtig,<br />
von Anfang bis Ende eine gute Pace zu halten<br />
und nie nachzulassen. Die letzten sechs Runden<br />
- puh - da war ich schon echt zerstört. Aber als ich<br />
im Ziel war, überkam mich endlich wie<strong>der</strong> dieses<br />
unbeschreibliche Gefühl. Mit einer Ducati auf das<br />
Podium zu fahren, das ist ein beson<strong>der</strong>es Gefühl.<br />
Ist die Strecke in Austin <strong>der</strong> Ducati so sehr entgegen<br />
gekommen o<strong>der</strong> konntest du deinen Fahrstil<br />
dort so gut ausspielen?<br />
Das war ein seltsames Rennen und wir hatten<br />
eigentlich nicht die Pace für einen Platz auf dem<br />
Podium. Aus eigener Kraft konnten wir bislang ja<br />
auch noch nicht besser als auf Rang fünf abschließen.<br />
So sieht die Realität lei<strong>der</strong> aus. Die Fahrer von<br />
Platz fünf bis elf hatten in Austin etwa das gleiche<br />
Tempo, innerhalb dieser Gruppe wäre jede Platzierung<br />
möglich gewesen. Einige Fahrer hatten<br />
allerdings ihr Limit am Vor<strong>der</strong>reifen schnell<br />
erreicht und einige haben Fehler gemacht. Ich<br />
konnte Andrea Iannone, Stefan Bradl und Valentino<br />
Rossi überholen und habe es so auf das<br />
Podium geschafft.<br />
Im Vorjahr hast du immer wie<strong>der</strong> das Motorrad<br />
kritisiert. Fühlt sich die Desmosedici nun bereits<br />
besser an als im vergangenen Jahr?<br />
Natürlich! Wenn wir das gleiche Motorrad wie im<br />
Vorjahr gehabt hätten, wären wir in Austin nie<br />
und nimmer auf das Podium gefahren. Wir sind<br />
aber noch nicht so schnell, wie wir das gerne hät-<br />
ENDE DER DURSTSTRECKE<br />
Andrea Doviziosos Podestplatz beim Texas GP in<br />
Austin beendete eine an<strong>der</strong>thalbjährige Durststrecke<br />
für Ducati. Zwischen Valentino Rossis 2. Platz in<br />
Misano am 16. September 2012 und Doviziosos 3.<br />
Rang in Austin am 13. April 2014 durfte nahm 24<br />
Rennen lang kein Ducati-Fahrer an einer Siegerehrung<br />
teil. Es war die längste Durststrecke, seit <strong>der</strong><br />
italienische Hersteller in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse antritt.<br />
FOTOS: MILAGRO, DUCATI<br />
72 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
ten, um aus eigener Kraft um die Top-3-Plätze<br />
kämpfen zu können. Aber wir sind näher dran als<br />
im Vorjahr, deshalb können wir durch Kampfkraft<br />
einiges wettmachen. Deshalb ergeben sich hin und<br />
wie<strong>der</strong> auch solche Situationen wie in Austin.<br />
Wo siehst du im Moment die größte Problemzone<br />
des Motorrads?<br />
An <strong>der</strong> Problemzone hat sich nicht viel geän<strong>der</strong>t.<br />
Das Umlegen <strong>der</strong> Maschine ist nach wie vor <strong>der</strong><br />
Schlüsselfaktor, den wir nicht hinbekommen. Wir<br />
haben das Bike in an<strong>der</strong>en Bereichen verbessern<br />
können, etwa beim Bremsen und sogar beim<br />
Herausbeschleunigen aus den Kurven. Es braucht<br />
aber wohl noch einige Zeit, bis auch das mit dem<br />
Umlegen des Motorrads nach unseren Vorstellungen<br />
klappt.<br />
Gibt es irgendwelche Strecken, die <strong>der</strong> Ducati von<br />
<strong>der</strong> Charakteristik besser entgegen kommen? Wo<br />
ihr es ein wenig leichter haben könntet?<br />
Nein, und es ist auch schnell erklärt warum: Wir<br />
haben Probleme mit dem Umlegen des Motorrads<br />
und jede Strecke hat Kurven. Im Moment haben<br />
wir keine Chance, auf dem gleichen Niveau zu<br />
agieren wie unsere Konkurrenten - sowohl im<br />
fahrerischen als auch im technischen Bereich.<br />
Daher sind wir zu langsam und gehen in jedes<br />
einzelne Rennen mit einem gewissen Handicap.<br />
Während <strong>der</strong> Saison werden zwar neue Teile<br />
ankommen, aber vermutlich nichts wirklich Großartiges.<br />
Für große Än<strong>der</strong>ungen müssen wir uns<br />
wohl bis Valencia o<strong>der</strong> gar nächste Saison gedulden.<br />
Bis dahin müssen wir fokussiert bleiben und<br />
weiter pushen.<br />
Du machst dir also keine allzu großen Hoffnungen<br />
auf ein weiteres Podium in dieser<br />
Saison?<br />
Derzeit sind wir nicht schnell genug, um uns ernsthafte<br />
Hoffnungen machen zu können. Aber wir<br />
haben ja schon überraschend ein Podium geholt<br />
- und vor allem auf einer Strecke, auf <strong>der</strong> extrem<br />
schwierige Bedingungen herrschten. Alles ist möglich,<br />
daher besteht natürlich auch eine Chance,<br />
dass wir es in dieser Saison noch einmal<br />
schaffen.<br />
Wie sehr hilft es euch, dass ihr aufgrund einer<br />
Reglementän<strong>der</strong>ung mehr Sprit, mehr Motoren<br />
und den weicheren Reifen verwenden dürft?<br />
Wir haben uns für diese Option entschieden,<br />
damit wir das Bike weiterentwickeln können und<br />
nicht wegen irgendwelcher Vorteile in den Rennen.<br />
Den weichen Reifen kann man im Rennen<br />
ohnehin nicht verwenden, weil er die volle Distanz<br />
nicht durchhält. Wir können zwar etwas mehr<br />
Sprit einsetzen, aber wenn du mit unseren Ingenieuren<br />
sprichst, werden sie dir erklären, warum<br />
das keinen großen Unterschied macht. Der Grund,<br />
warum wir in diesem Jahr etwas schneller sind,<br />
ist, weil wir das Bike über den Winter verbessern<br />
konnten. Wir wollen entwickeln, uns geht es also<br />
nicht darum, schon dieses Jahr schneller zu sein.<br />
Unter den aktuellen Regeln können wir einfach<br />
mehr ausprobieren und den Motor während <strong>der</strong><br />
Saison öfter tauschen.<br />
Wie gefällt dir bislang die Arbeit mit deinem<br />
neuen Boss Gigi Dall‘Igna?<br />
Es macht mir sehr viel Spaß. Ich arbeite zum<br />
ersten Mal mit ihm zusammen, denn in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit war er als Aprilia-Chef in <strong>der</strong><br />
125cc- und <strong>der</strong> 250cc-Klasse immer bei meinen<br />
Konkurrenten [Dovizioso fuhr in den kleinen<br />
Klassen stets für Honda, d. Red.]. Ich hätte vorher<br />
nicht erwartet, dass wir uns so gut verstehen.<br />
Ich mag ihn als Menschen, aber mir gefällt auch<br />
seine Arbeitsweise, wie er mit uns redet, Dinge<br />
erklären kann und wie er Probleme während<br />
eines Rennwochenendes analysiert und angeht.<br />
Er ist ein Ingenieur, <strong>der</strong> wirklich noch an <strong>der</strong><br />
Strecke Dinge anpackt und sich nicht hinter<br />
einem Computer in <strong>der</strong> Fabrik versteckt. Es gibt<br />
nicht viele Ingenieure, die so viel Zeit an <strong>der</strong><br />
Strecke verbringen. Er bringt so viel Erfahrung<br />
mit, dass er jede Situation genau analysieren<br />
kann.<br />
Hat Dall‘Ignas Verpflichtung dem Team auch aus<br />
psychologischer Sicht geholfen?<br />
Sobald sich das Motorrad verbessert, läuft es im<br />
Team automatisch in allen an<strong>der</strong>en Bereichen auch<br />
besser. Die Art wie er mit allen Leuten umgeht, ist<br />
sehr gut und das hat positive Auswirkungen auf<br />
alle Bereiche.<br />
In den Kurven hat<br />
die Desmosedici<br />
noch immer<br />
Probleme<br />
Dovizioso hat bei<br />
Ducati noch<br />
immer Spaß<br />
Wie kommst du mit deinem neuen Teamkollegen<br />
Cal Crutchlow aus?<br />
Unsere Beziehung ist gut. Wir waren ja schon vor<br />
zwei Jahren bei Tech 3 gemeinsam in einem Team<br />
und ich habe keinerlei Probleme mit ihm. Er ist<br />
schnell und ich bin froh, einen <strong>der</strong>artigen Teamkollegen<br />
zu haben, denn dadurch pusht man sich<br />
gegenseitig immer weiter und weiter.<br />
Abschließend noch eine Frage zur italienischen<br />
Nachwuchsför<strong>der</strong>ung. Es gab ja in den vergangenen<br />
Jahren ein Problem, dass kaum Fahrer aus<br />
Italien in die WM nachrückten. Nun hat Valentino<br />
Rossi ein Moto3-Team gegründet, hinter dem<br />
ein überlegtes Konzept <strong>der</strong> Nachwuchsför<strong>der</strong>ung<br />
italienischer Piloten steckt. Ist das <strong>der</strong> richtige<br />
Weg, um Italiens Talenten wie<strong>der</strong> mehr Chancen<br />
zu bieten?<br />
Ich sehe diese Idee sehr positiv, kann aber über<br />
Details wenig sagen, weil ich nicht in das Projekt<br />
involviert bin. Es ist aber schön zu sehen, dass es<br />
ein italienisches Team gibt, das italienischen Fahrern<br />
<strong>der</strong>art große Möglichkeiten bietet. Die Jungs<br />
bekommen die beste Betreuung und die beste<br />
Vorbereitung auf die WM. Das alleine ist aber<br />
nicht die Lösung des italienischen Nachwuchsproblems.<br />
Wir brauchen in Italien auch eine starke<br />
Meisterschaft, um vielen jungen Piloten die<br />
Chance zu geben, sich untereinan<strong>der</strong> zu messen.<br />
Genau deshalb kommen ja seit Jahren so viele<br />
Talente aus Spanien: Weil die Meisterschaft dort<br />
sehr gut organisiert und hochkarätig besetzt ist.<br />
Dadurch wird <strong>der</strong> Prozentsatz an Piloten, die es<br />
in die WM schaffen, automatisch höher.<br />
Gigi Dall‘Igna ist<br />
Ducatis<br />
womöglich letzte<br />
Hoffnung
AM<br />
SCHEIDEWEG<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
STEFAN BRADL IST LÄNGST IN DER<br />
MOTOGP ANGEKOMMEN. 2014 KÖNNTE<br />
ZUM WICHTIGSTEN SOMMER SEINER<br />
KARRIERE WERDEN. DAS MOTOR-<br />
SPORT-MAGAZIN STELLT DEN EHE-<br />
MALIGEN MOTO2-CHAMPION<br />
AUF DEN PRÜFSTAND.<br />
Vergangenen Juli erlebte Stefan Bradl seinen<br />
bislang besten Monat in <strong>der</strong> MotoGP.<br />
Führungsrunden und Platz vier beim<br />
Heimrennen auf dem Sachsenring folgten<br />
eine Woche später die Pole Position und <strong>der</strong> erste<br />
Podiumsplatz in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse in Laguna Seca.<br />
Seither ist viel passiert in <strong>der</strong> Karriere des Stefan<br />
Bradl. Erfolgserlebnisse wie konstante Top-5-Ergebnisse<br />
o<strong>der</strong> die Vertragsverlängerung mit dem LCR<br />
Honda Team wechselten sich mit bitteren Stürzen wie<br />
jenem in Katar, als Bradl führte, und einer Zwangspause<br />
nach einem Knöchelbruch in Sepang im vergangenen<br />
Oktober ab. In den Sommermonaten stehen<br />
Bradls Leistungen erneut auf dem Prüfstand, denn es<br />
geht um nicht weniger als eine neuerliche Verlängerung<br />
seines Kontrakts mit dem Team von Lucio Cecchinello<br />
und damit auch um den Verbleib auf einer<br />
konkurrenzfähigen Factory-Honda.<br />
»Natürlich waren einige Rennen dabei, wo das eine<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mehr drin gewesen wäre, aber im Nachhinein<br />
ist immer leicht reden. Ich denke, dass →<br />
FOTOS: HONDA, MILAGRO
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 75
meine Leistungen im Großen und Ganzen in<br />
Ordnung waren«, zieht Bradl im Gespräch mit<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> eine zufriedene Bilanz.<br />
»Es ist für einen Nicht-Werksfahrer wie mich<br />
nicht so einfach, jedes Wochenende mit Podiumsplätzen<br />
spekulieren zu können. Unser großes<br />
Ziel ist es, am Ende des Jahres als bestes Satellitenteam<br />
dazustehen. Da wollen wir hin und das<br />
ist unsere Hauptaufgabe«, führt Bradl aus. In den<br />
vergangenen beiden Jahren verfehlten Bradl und<br />
LCR dieses Ziel, da Cal Crutchlow vom Tech3-<br />
Team und Alvaro Bautista von Gresini in <strong>der</strong><br />
Endabrechnung jeweils vor Bradl landeten. Dennoch<br />
hielt Honda am Deutschen fest, von dem<br />
HRC-Teamchef Livio Suppo nach wie vor überzeugt<br />
ist. »Er leistet gute Arbeit, ist immer vorne<br />
dabei und wir können stolz auf ihn sein. Ich<br />
würde ihn hin und wie<strong>der</strong> aber gerne etwas<br />
aggressiver sehen. Er soll noch mehr an sich und<br />
sein Können glauben. Ich denke, dass er das drauf<br />
hat«, erklärt <strong>der</strong> Italiener und fügt hinzu: »Man<br />
darf nie vergessen: Es ist etwas an<strong>der</strong>es, ob man<br />
diesen Level erreicht, wenn man aus Spanien<br />
o<strong>der</strong> Italien kommt, o<strong>der</strong> ob man sich aus<br />
Deutschland nach oben kämpfen musste.« Von<br />
einer zielstrebigen Frühför<strong>der</strong>ung wie etwa ein<br />
Marc Marquez konnte Bradl nämlich nur träumen,<br />
denn in <strong>der</strong> deutschen Rennsport-Szene<br />
ticken die Uhren an<strong>der</strong>s - zumeist langsamer und<br />
mit weniger Geld im Hintergrund. Dennoch<br />
konnte sich Bradl stets auf den vielleicht wichtigsten<br />
Mann in seinem Leben verlassen: Vater<br />
Helmut, <strong>der</strong> einst selbst 84 Mal in <strong>der</strong> Motorrad-<br />
WM startete und nach fünf Siegen im Jahr 1991<br />
sogar 250cc-Vizeweltmeister wurde. »Ich wäre<br />
ohne ihn nie soweit gekommen und er war eine<br />
<strong>der</strong> wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste<br />
Person in meiner Karriere«, sagt Sohn Stefan<br />
über seinen Papa. »In den wichtigsten Momenten<br />
war er immer zur richtigen Zeit da und hat mir<br />
die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Tür geöffnet. Allerdings<br />
habe ich in den letzten drei bis vier Jahren mehr<br />
und mehr meine eigene Richtung eingeschlagen.«<br />
Als MotoGP-Fahrer wurden ab 2012 aber an<strong>der</strong>e<br />
Leute wichtiger. »Lucio ist <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> alles<br />
zusammenstellt und es ist wichtig, sich mit ihm<br />
gut zu verstehen, damit man zusammen die richtigen<br />
Leute für die gemeinsame Arbeit auswählen<br />
kann. Dann kommt natürlich auch noch <strong>der</strong><br />
Crewchief Cristophe Bourguignon, mit dem ich<br />
gemeinsam das Bestmögliche herauszuholen<br />
versuche. Ich komme mit beiden sehr gut aus<br />
und fühle mich im Team sehr wohl«, so Bradl.<br />
Mit den Erfolgen stieg freilich auch die öffentliche<br />
Aufmerksamkeit, die dem 24-Jährigen zuteil<br />
wurde. Nicht je<strong>der</strong> Rennfahrer konnte sich in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit damit anfreunden und Charaktere<br />
wie etwa Casey Stoner entschieden sich deshalb<br />
sogar für den Ruhestand statt den Medienrummel.<br />
Wie Bradl damit umgeht? »Die Leute wollen<br />
natürlich immer noch mehr und irgendwo muss<br />
Bitterer Moment: Bradl<br />
fliegt in Karar in<br />
Führung liegend ab<br />
IRGENDWO MUSS MAN AUCH<br />
GRENZEN ZIEHEN. WIR SOLLEN<br />
EINERSEITS UNSERE LEISTUNG<br />
AUF DER STRECKE BRINGEN, ABER<br />
WIR SOLLEN AUCH NAHE AM<br />
PUBLIKUM UND NAHE AN DEN PR-<br />
LEUTEN SEIN.<br />
man auch Grenzen ziehen. Wir sollen einerseits<br />
unsere Leistung auf <strong>der</strong> Strecke bringen, aber wir<br />
sollen auch nahe am Publikum und nahe an den<br />
PR-Leuten sein. Da muss man einfach die richtige<br />
Balance finden. Und wenn ich Mal keine Lust<br />
habe, ein Interview zu geben, dann gebe ich auch<br />
keines«, sagt Bradl, <strong>der</strong> die Abläufe eines stressigen<br />
MotoGP-Rennwochenendes aber mittlerweile<br />
verinnerlicht hat. »Mann muss mit seinem<br />
Team einfach einen guten Plan für Presse- und<br />
Sponsor-Aktivitäten aufstellen. Natürlich ist es<br />
stressig, aber ich kenne das Geschäft ja mittlerweile<br />
und wenn man alles vorher gut durchplant,<br />
dann ist es mit geringem Aufwand machbar. Auf<br />
den Job auf <strong>der</strong> Rennstrecke muss ich mich dann<br />
ohnehin selbst fokussieren, da kann mir dann<br />
niemand helfen.« Auch abseits <strong>der</strong> Strecke spielen<br />
Motorrä<strong>der</strong> eine wichtige Rolle in Bradls<br />
Leben. »Hin und wie<strong>der</strong> fahre ich auch privat auf<br />
<strong>der</strong> Straße, wenn das Wetter schön ist und ich<br />
einen Tag mal nichts zu tun habe. Darüber hinaus<br />
bin ich auch hin und wie<strong>der</strong> im Motocross unterwegs.<br />
Wir haben eine Strecke in unserer Nähe,<br />
die ich hin und wie<strong>der</strong> besuche. Motocross macht<br />
mir viel Spaß und wenn es mich mal wie<strong>der</strong> juckt,<br />
dann packe ich meine Maschine ein fahre dorthin.<br />
Das ist praktisch und gehört auch mal dazu<br />
- auch als Training«, führt Bradl aus. Doch auch<br />
im Privatleben muss man sich als MotoGP-Fahrer<br />
an gewisse Konventionen halten. »Während<br />
<strong>der</strong> Saison ist das natürlich schwierig wegen <strong>der</strong><br />
Verletzungsgefahr.« Schon allzu oft bekam die<br />
Karriere eines Piloten wegen eines unvorsichtigen<br />
Manövers bei einem Motocross- o<strong>der</strong> Dirt-<br />
Track-Ausflug samt einhergehen<strong>der</strong> Verletzung<br />
einen Knick. Kompetitive Anreize sucht Bradl<br />
bei seinen Ausflügen an die MX-Strecke aber<br />
ohnehin nicht: »Wir haben genug Stress und<br />
Konkurrenzkampf in <strong>der</strong> MotoGP, da brauche<br />
ich das privat nicht auch noch.«<br />
In den Sommermonaten wird es in <strong>der</strong><br />
Motorrad-WM immer beson<strong>der</strong>s stressig,<br />
wenn Teams, Hersteller und Fahrer hinter<br />
verschlossenen Türen über die Verträge für<br />
das kommende Jahr verhandeln. Während Journalisten<br />
und Paddock-Insi<strong>der</strong> diese Zeit für<br />
muntere Spekulationen nutzen, beteiligen sich<br />
die Fahrer in den seltensten Fällen an solchen<br />
Debatten. So auch Bradl nicht: »Ich fühle mich<br />
hier im LCR Team sehr wohl und über irgendetwas<br />
zu spekulieren, interessiert mich im Moment<br />
nicht. Ich will hier und jetzt meine Leistung bringen,<br />
alles an<strong>der</strong>e kommt dann von selbst.« Fakt<br />
ist allerdings, dass viele wichtige Verträge auslaufen<br />
und dank des Einstiegs von Suzuki zwei<br />
weitere attraktive Jobs als Werksfahrer geschaffen<br />
werden. Es könnte ein heißer Transfersommer<br />
in <strong>der</strong> MotoGP werden. Wie sieht Hondas Suppo<br />
Bradls Chancen in diesem Poker? »Stefan macht<br />
grundsätzlich einen vernünftigen Job. Lei<strong>der</strong><br />
sieht es so aus, als würde es ihm schwer fallen,<br />
76 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
den letzten alles entscheidenden Schritt zu<br />
machen.« Der Italiener räumt allerdings ein: »Er<br />
hat aber auch Pech. Historisch gesehen haben<br />
wir so viele gute Fahrer im Feld wie selten zuvor.<br />
In den goldenen Jahren von Mick Doohan o<strong>der</strong><br />
Valentino Rossi waren die beiden weit über all<br />
ihre Konkurrenten zu stellen, da konnte man<br />
zwar nicht siegen, aber es war leichter zweite o<strong>der</strong><br />
dritte Plätze zu holen. Aktuell gibt es mit Marc,<br />
Jorge, Dani und Vale allerdings vier Ausnahmekönner.<br />
Da brauchst du selbst als sehr guter Fahrer<br />
einfach das letzte Fünkchen Glück und Mut,<br />
damit du da mithalten kannst. Stefan wurde in<br />
eine schwierige Zeit hineingeboren.« Umso<br />
höher wäre es Bradl anzurechnen, wenn er sich<br />
in diesem Zeiten erneut behaupten könnte.<br />
Zumindest einen Titel kann ihm vorerst keiner<br />
wegnehmen: 2011 war er in <strong>der</strong> Moto2 <strong>der</strong> bislang<br />
letzte Fahrer, <strong>der</strong> sich in einem Duell um<br />
eine Weltmeisterschaft gegen Marc Marquez<br />
durchsetzen konnte. An diesem Umstand wird<br />
sich wohl so schnell nichts än<strong>der</strong>n.<br />
Hochkonzentriert:<br />
Bradl ist<br />
ein sensibler<br />
Fahrer<br />
Nur am Limit kann<br />
man mit den<br />
Besten mithalten<br />
FOTOS: MIALGRO, HONDA<br />
Nicht überall<br />
machen<br />
PR-Termine<br />
so viel Spaß<br />
wie in Austin<br />
Bradl auf <strong>der</strong><br />
Jagd nach<br />
Iannone<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 77
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
BARRY<br />
SHEENES<br />
ERBEN<br />
FOTOS: MILAGRO, ADRIVO/SUTTON<br />
DIE EINST SO STOLZE MOTORRADNATION GROSSBRITANNIEN<br />
WAR EINIGE JAHRZEHNTE NUR NOCH EIN SCHATTEN IHRER<br />
SELBST. MIT BRADLEY SMITH UND SCOTT REDDING FINDEN<br />
SICH NUN ABER WIEDER ZWEI JUNGE PILOTEN IN DER MOTOGP.<br />
DOCH HABEN SIE DAS POTENZIAL, DER TRADITION IHRES<br />
LANDES IN DER MOTOGP WIEDER LEBEN EINZUHAUCHEN?
Scott Redding<br />
fand sich in<br />
<strong>der</strong> MotoGP<br />
schnell<br />
zurecht<br />
Bradley Smith<br />
bestreitet<br />
seine zweite<br />
Saison in <strong>der</strong><br />
<strong>König</strong>sklasse<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 79
V<br />
or 40 Jahren feierte ein 23-jähriger<br />
Brite mit langen Haaren, <strong>der</strong> gerne<br />
in <strong>der</strong> Startaufstellung noch rasch<br />
eine Zigarette qualmte, in Clermont-Ferrand<br />
sein Debüt in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse<br />
<strong>der</strong> Motorrad-WM: Barry Sheene. Was die<br />
erfolgsverwöhnten britischen Fans damals noch<br />
nicht wussten: Sheene sollte <strong>der</strong> letzte große<br />
Motorrad-Star aus dem <strong>König</strong>sreich werden. Auf<br />
sein Konto geht nicht nur <strong>der</strong> bis heute letzte<br />
WM-Titel (1977), son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> letzte Sieg<br />
in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse (1981) eines Briten. Zunächst<br />
die goldene Generation <strong>der</strong> US-Amerikaner, später<br />
die Italiener und zuletzt die Spanier lösten die<br />
einst so erfolgreiche Motorrad-Nation an <strong>der</strong><br />
Spitze ab. Satte 135 Rennen und 17 500cc-Weltmeisterschaften<br />
hatten britische Piloten gewonnen,<br />
doch seit über 30 Jahren herrscht Flaute.<br />
2010 war <strong>der</strong> Tiefpunkt erreicht, als es in <strong>der</strong><br />
<strong>König</strong>sklasse in den 18 Rennen des Jahres nicht<br />
einmal einen einzigen Wildcard-Start eines britischen<br />
Piloten gab. Doch die Talsohle hat die<br />
britische Motorradnation hinter sich. Superbike-<br />
Quereinsteiger Cal Crutchlow machte den<br />
Anfang, seither schafften es mit Bradley Smith<br />
(23) und Scott Redding (21) zwei vielversprechende<br />
Talente aus den unteren Klassen in die<br />
MotoGP. »Langsam geht es wie<strong>der</strong> bergauf«,<br />
erklärte Smith im Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. »Man hat schon in den letzten Jahren,<br />
als Cal den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Teilerfolg eingefahren<br />
hat, einen leichten Anstieg bei den TV-<br />
Quoten bemerkt. Dadurch kam unser Sport in<br />
<strong>der</strong> BBC und den großen nationalen Zeitungen<br />
wie<strong>der</strong> etwas prominenter vor. Diese Entwicklung<br />
lässt sich in den letzten vier Jahren deutlich<br />
erkennen«, so Smith. »Ich sehe eine wachsende<br />
Aufmerksamkeit für unseren Sport. Wir haben<br />
endlich wie<strong>der</strong> mehr Fahrer, daher wird das auch<br />
in <strong>der</strong> Öffentlichkeit ein immer größeres Thema«,<br />
pflichtet ihm sein Landsmann Redding bei. Allerdings<br />
habe man es als Motorradfahrer in den<br />
britischen Medien nicht leicht, denn längst dominieren<br />
<strong>König</strong> Fußball und die Berichterstattung<br />
rund um die millionenschweren Klubs <strong>der</strong> Premier<br />
League in Zeitungen und Fernsehen. »Weil<br />
wir so lange keinen Weltmeister mehr hatten,<br />
denken manche Leute und viele <strong>der</strong> großen Zeitungen<br />
vielleicht, dass unser Sport nicht so wichtig<br />
ist. Aber auch mit einem WM-Titel wären wir<br />
noch immer um so viel kleiner als Fußball. Denn<br />
selbst die <strong>Formel</strong> 1 schafft es - obwohl wir dort<br />
mit Jenson Button und Lewis Hamilton in den<br />
letzten Jahren Weltmeister hatten - kaum einmal<br />
auf eine Titelseite«, ärgert sich Smith. Hinzu<br />
kommt noch ein weiteres Problem, denn die<br />
MotoGP-Piloten sind nicht einmal die Herren<br />
im eigenen Haus bzw. in ihrem eigenen Sport. In<br />
<strong>der</strong> Superbike-WM stellt Großbritannien mit<br />
Weltmeister Tom Sykes, Jonathan Rea, Chaz<br />
Davies, Leon Haslam und Alex Lowes gleich fünf<br />
Redding<br />
träumt von<br />
einer Factory<br />
Honda<br />
2010 WAR DER TIEFPUNKT ERREICHT, ALS ES IN DER KÖNIGS-<br />
KLASSE IN DEN 18 RENNEN NICHT EINMAL EINEN EINZIGEN<br />
WILDCARD-START EINES BRITISCHEN PILOTEN GAB.<br />
<strong>der</strong> Top-Fahrer mit Podiumspotenzial. »In <strong>der</strong><br />
Superbike-WM gewinnt fast jedes Wochenende<br />
ein britischer Fahrer. Natürlich gehen die Fans<br />
dort dann mehr ab«, beklagt Smith. Redding<br />
sieht ein an<strong>der</strong>es Problem: »Ich denke nicht, dass<br />
<strong>der</strong> normale Fan von seiner Couch aus einen<br />
großen Unterschied zwischen WSBK und<br />
MotoGP erkennt.« Bedroht fühlt er sich von <strong>der</strong><br />
britischen WSBK-Armada aber nicht. »Es ist<br />
keine Rivalität, weil wir uns auf unterschiedlichem<br />
Level bewegen. Manche MotoGP-Fahrer<br />
- wie früher Simoncelli - haben gezeigt, dass man<br />
als Gaststarter schon am ersten Rennwochenende<br />
ein Podium erreichen kann«, so Redding, <strong>der</strong><br />
noch nie mit einem Wechsel zu den Superbikes<br />
liebäugelte.<br />
Seit seinem 15. Lebensjahr fährt <strong>der</strong> Mann aus<br />
Gloucestershire im WM-Zirkus. Seit damals<br />
hängt <strong>der</strong> Name Barry Sheene wie ein Damoklesschwert<br />
über ihm, wie über allen jungen britischen<br />
Piloten in <strong>der</strong> WM. »Je<strong>der</strong> kennt diesen<br />
Namen. Er war so etwas wie <strong>der</strong> Valentino Rossi<br />
<strong>der</strong> damaligen Zeit und als Brite wirst du ständig<br />
mit ihm verglichen«, sagt Redding. Der 21-Jährige<br />
weiß, wovon er spricht, denn auf seinem Weg<br />
in die <strong>König</strong>sklasse konnte er bereits einige<br />
Rekorde aufstellen, womit aber auch die Hoffnungen<br />
von Fans und Journalisten stiegen. Er<br />
war <strong>der</strong> jüngste Fahrer, <strong>der</strong> die Marken von 50<br />
und 100 Starts in <strong>der</strong> WM erreichte. Im Debütjahr<br />
2008 gewann er im Alter von nur 15 Jahren<br />
und 170 Tagen sein erstes 125cc-Rennen und<br />
Redding hat<br />
schon einen<br />
Top-10-Platz<br />
auf dem Konto<br />
Die englische<br />
Flagge prangt<br />
von Smiths<br />
Helm<br />
damit als jüngster Pilot <strong>der</strong> Geschichte einen<br />
WM-Lauf. Diesen Rekord konnte nicht einmal<br />
<strong>der</strong> gleichaltrige Marc Marquez knacken und es<br />
könnte ein Rekord für die Ewigkeit sein, denn<br />
mittlerweile wurde das Mindestalter für einen<br />
Start in <strong>der</strong> WM auf 16 Jahre hinaufgesetzt. Dass<br />
Redding diesen Sieg auch noch ausgerechnet vor<br />
heimischem Publikum in Donington einfuhr,<br />
machte die Euphorie um ihn nur noch größer.<br />
»Die britischen Fans sind bei den Heimrennen<br />
nahezu ekstatisch und ich liebe es, in Großbritannien<br />
zu fahren, weil dort immer so tolle Stimmung<br />
herrscht. Die Fans geben für ihre Fahrer<br />
auf jeden Fall alles«, sieht Redding großes Fanpotenzial,<br />
das er schon oft entfesseln konnte.<br />
Auch 2009 und 2012 stand er bei seinem Heimrennen<br />
auf dem Podium, im Vorjahr gelang ihm<br />
beim Moto2-Rennen in Silverstone sogar ein<br />
weiterer Heimsieg. »Ich fühle mich auf heimischem<br />
Boden einfach schneller - das ist merkwürdig«,<br />
erklärte Redding. Als »God Save the<br />
Queen« für ihn erklang, <strong>der</strong> Union Jack gehisst<br />
wurde und tausende Fans ihm zujubelten und<br />
mitsangen, fühlte sich Redding wie im Olymp.<br />
38 Punkte Vorsprung bei nur noch sechs ausständigen<br />
Rennen gaben Hoffnung, dass es zum<br />
ersten Titel seit den Siebzigerjahren reichen<br />
könnte. Wenn schon nicht in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse,<br />
dann zumindest in <strong>der</strong> Moto2. Doch das schwere<br />
Erbe des Barry Sheene wurde zu einer zu großen<br />
Last für Redding. In den letzten Rennen stürzte<br />
er mehrfach, zog sich auf Phillip Island einen<br />
Bruch im Handgelenk zu und holte in den letzten<br />
80 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
drei Saisonrennen nur noch einen einzigen Zähler.<br />
Statt <strong>der</strong> Stunde des Triumphes folgte ein<br />
schwerer Gang durch das Tal <strong>der</strong> Tränen.<br />
Doch Redding ist darüber hinweg und hat - endlich<br />
in <strong>der</strong> MotoGP angekommen - schon wie<strong>der</strong><br />
hohe Ziele. »Ich hoffe natürlich eines Tages auf<br />
ein Werksmotorrad. Ich will gute Resultate und<br />
Fortschritte erzielen. Dann sollte das alles von<br />
alleine kommen«, sagte <strong>der</strong> Rookie, <strong>der</strong> 2014 auf<br />
einem Production Racer von Honda fährt. Für<br />
Smith geht es in dessen zweitem MotoGP-Jahr<br />
bereits um mehr. Vor allem, da <strong>der</strong> 23-Jährige<br />
bei Tech 3 Yamaha auf ebenbürtigem Material<br />
wie Jorge Lorenzo und Valentino Rossi sitzt. In<br />
den ersten Saisonrennen zeigte seine Formkurve<br />
bereits nach oben, doch durch eigene Fehler<br />
machte er sich das eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gute Ergebnis<br />
zunichte. »Ich hoffe, dass ich aus diesen Schwachstellen<br />
schnell lernen kann«, sagte Smith. Die<br />
Aufstiege von Smith und Redding gehen britischen<br />
Motorradfans wie<strong>der</strong> Hoffnung, doch<br />
dass Karrieren nicht immer nur bergauf führen<br />
müssen, zeigt ein weiteres Beispiel - jenes von<br />
Cal Crutchlow. Der 28-Jährige stand im Vorjahr<br />
als Teamkollege von Smith viermal auf<br />
dem Podium. Seit seinem Wechsel zu Ducati<br />
fährt er dem Feld allerdings hinterher, muss<br />
sich mit Verletzungen und vor allem einem<br />
zickigen Motorrad herumärgern. Von Podestplätzen<br />
darf Crutchlow <strong>der</strong>zeit nicht einmal<br />
träumen. Dem Aufschwung im britischen<br />
MotoGP-Lager soll das aber keinen Abbruch<br />
tun. Redding etwa bleibt optimistisch: »Jetzt<br />
brauchen wir wie<strong>der</strong> einen britischen Fahrer,<br />
<strong>der</strong> an diese Leistungen herankommt und vielleicht<br />
irgendwann auch wie<strong>der</strong> einmal eine<br />
Weltmeisterschaft gewinnt.« Smith hat auch<br />
noch einen Wunsch: »Ich hoffe, dass wir eines<br />
Tages so viel Aufmerksamkeit bekommen, wie<br />
die Fahrer in Spanien.« Das zu erreichen, liegt<br />
an Redding und Smith. Doch die Latte liegt<br />
hoch, denn im kommenden Jahrzehnt wird die<br />
beiden <strong>der</strong> Name Marc Marquez wohl genauso<br />
oft begleiten wie das <strong>der</strong> Name Barry Sheene<br />
in den vergangenen Jahren tat.<br />
→<br />
Redding kam<br />
als Moto2-Vize<br />
in die<br />
<strong>König</strong>sklasse<br />
FOTOS: MIALGRO<br />
Bradley Smith:<br />
Seit 2010 sieglos<br />
in <strong>der</strong> WM
Surtees ist <strong>der</strong><br />
einzige<br />
Weltmeister auf<br />
zwei und vier<br />
Rä<strong>der</strong>n<br />
TRADITION VERPFLICHTET:<br />
DIE BRITISCHEN CHAMPIONS<br />
JOHN SURTEES<br />
Mitte <strong>der</strong> 50er Jahre machte ein frecher 20-Jähriger in <strong>der</strong><br />
WM auf sich aufmerksam. John Surtees startete ab 1956<br />
einen Siegeszug in <strong>der</strong> 500cc-Kategorie, <strong>der</strong> lange seinesgleichen<br />
suchen sollte. Bis Ende 1960 gewann er 22 von<br />
29 Rennen und krönte sich in diesen fünf Jahren viermal<br />
zum Champion. Zum Drüberstreuen dominierte er in<br />
dieser Zeit auf MV Agusta auch in <strong>der</strong> 350cc-Klasse, wo<br />
er 15 weitere Siege plus drei WM-Titel abräumte. Ab 1961<br />
kehrte er den Motorrä<strong>der</strong>n den Rücken und versuchte sich<br />
in <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> 1, wo er 1964 ebenfalls Weltmeister wurde.<br />
Surtees ist bis heute <strong>der</strong> einzige Rennfahrer, <strong>der</strong> sowohl<br />
auf zwei als auf vier Rä<strong>der</strong>n Weltmeisterschaften gewann.<br />
82 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
LESLIE GRAHAM<br />
Leslie Graham krönte sich 1949 zum ersten Weltmeister<br />
<strong>der</strong> 500cc-Klasse und legte damit den<br />
Grundstein zur britischen Motorrad-Tradition<br />
in <strong>der</strong> WM. Bis Ende 1952 gewann er insgesamt<br />
sechs Rennen in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse und wurde<br />
einmal Vizeweltmeister. In die Saison 1953 ging<br />
er auf seiner MV Agusta als Favorit, als er beim<br />
Auftaktrennen auf <strong>der</strong> Isle of Man in einer Hochgeschwindigkeits-Passage<br />
die Kontrolle über sein<br />
Motorrad verlor und diesen Fehler im Alter von<br />
41 Jahren mit dem Leben bezahlte.<br />
GEOFF DUKE<br />
Sieg im ersten Rennen in <strong>der</strong> 500cc-Klasse. Was<br />
we<strong>der</strong> Giacomo Agostini, noch Valentino Rossi<br />
o<strong>der</strong> Marc Marquez vergönnt war, schaffte Duke<br />
1950. Seine Karriere war von Rekorden gepflastert:<br />
Er holte 22 Siege in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse und<br />
krönte sich zwischen 1951 und 1955 vier Mal<br />
zum Champion bei den 500er-Bikes. 1956 wurde<br />
er von <strong>der</strong> FIM für ein halbes Jahr gesperrt, nachdem<br />
er einen Fahrerstreik unterstützt hatte, dessen<br />
Ziel ein höheres Startgeld für die Piloten war.<br />
Duke gilt zudem als Erfin<strong>der</strong> <strong>der</strong> einteiligen<br />
Le<strong>der</strong>kombi, wie sie im Motorradsport längst<br />
gang und gäbe ist. Mit 91 Jahren ist er <strong>der</strong> älteste<br />
noch lebende Motorradweltmeister.<br />
BARRY SHEENE<br />
Es war Barry Sheene, <strong>der</strong> Giacomo Agostini in<br />
den Ruhestand verabschiedete. 1975 besiegte <strong>der</strong><br />
britische Rookie den Altmeister in zwei von drei<br />
Rennen, 1976 holte Sheene mit einer fast perfekten<br />
Bilanz von fünf Siegen und einem zweiten<br />
Platz bei sechs Starts seinen ersten Titel, den er<br />
1977 verteidigen konnte. Als Suzuki-Werkspilot<br />
holte er bis Ende 1979 insgesamt 18 Siege, doch<br />
mit seinem Wechsel zu Yamaha ließen auch seine<br />
Leistungen nach. Sheene sollte bis zu seinem<br />
Rücktritt 1984 nur noch ein einziges Rennen<br />
gewinnen: Am 16. August 1981 im schwedischen<br />
An<strong>der</strong>storp. Es war bis heute <strong>der</strong> letzte Sieg eines<br />
britischen Piloten in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse.<br />
Barry Sheene<br />
war <strong>der</strong> letzte<br />
britische<br />
Champion<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
MIKE HAILWOOD<br />
Wo er fuhr, hatten die Gegner in den 60er Jahren<br />
in <strong>der</strong> Regel nichts zu lachen. Nachdem Surtees<br />
in die F1 abgezogen war, übernahm Mike Hailwood<br />
seinen Part als Dominator. Zwischen 1958<br />
und 1967 gewann er insgesamt 76 Rennen, 37<br />
davon in <strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse. Der Brite trat teilweise<br />
in bis zu vier Klassen gleichzeitig an und feierte<br />
etwa auf <strong>der</strong> Isle of Man, in Brünn und in Assen<br />
drei Siege an ein und demselben Rennwochenende.<br />
Zwischen 1962 und 1965 wurde er viermal<br />
hintereinan<strong>der</strong> Weltmeister. Erst Giacomo Agostini<br />
konnte Hailwood 1966 in die Schranken<br />
weisen und ihn ein Jahr später im Alter von nur<br />
27 Jahren in Rennrente schicken. Der Brite versuchte<br />
sich später in 50 F1-Rennen, bei denen<br />
ihm aber die Erfolge von Surtees verwehrt<br />
blieben.<br />
PHIL READ<br />
Was unter Hailwood begonnen hatte, endete mit<br />
Phil Read: die Agostini-Ära. Zwischen 1966 und<br />
1972 hatte es wegen des dominanten Italieners<br />
auf seiner noch dominanteren MV Agusta nichts<br />
zu gewinnen gegeben. 1973 heuerte <strong>der</strong> italienische<br />
Hersteller den Briten als Teamkollegen<br />
Agostinis an und Read lief ihm rasch den Rang<br />
ab. In allen 23 Rennen als Werksfahrer von MV<br />
Agusta stand Read zwischen 1973 und 1975 auf<br />
dem Podest (11 Siege) und sorgte für die letzten<br />
beiden Titel sowie den vorletzten Sieg <strong>der</strong><br />
Mythosmarke. 1976 bestritt er noch drei Rennen<br />
für Suzuki, ehe er seine Karriere beendete.<br />
Mike Hailwood<br />
blieb ein<br />
Erfolg in <strong>der</strong><br />
F1 versagt<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 83
VOLKSKRANKHEIT:<br />
FOTO: MILAGRO<br />
ARM-<br />
PUMP<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
SPEZIELL IN DER MOTOGP HÖRT MAN IMMER WIEDER VOM CHRONISCHEN<br />
BELASTUNGS-KOMPARTMENT-SYNDROM. ABER WOHER KOMMT ES, WAS KANN<br />
EIN FAHRER DAGEGEN TUN UND WARUM KEHRT ES ZURÜCK? DAS MOTORSPORT-<br />
MAGAZIN ERKLÄRT DIE GESUNDHEITSFAKTEN.<br />
FOTOS: MIALGRO<br />
84 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
S<br />
chmerzen, Krämpfe, Taubheit, <strong>der</strong> Fahrer kann seine<br />
Maschine nicht mehr kontrollieren. »Der Druck beim Bremsen<br />
ist unglaublich«, erklärte es Cal Crutchlow. »Dieses Problem<br />
zerstörte mein Rennen«, beschwerte sich Stefan Bradl<br />
darüber. Casey Stoner beschrieb es 2010: »Die schnellen Wechsel sind das<br />
größte Problem, beim Bremsen war es dann nicht mehr so schlimm, aber<br />
aus den Kurven heraus hatte ich einfach nicht genug Kraft beim Umlegen.<br />
Man kann das schwer erklären, es ist als ob man etwas extrem straff um<br />
den Arm wickelt, sodass man ihn nicht wie gewohnt belasten kann.«<br />
Je<strong>der</strong> kennt es, je<strong>der</strong> hasst es: das chronische Belastungs-Kompartment-Syndrom,<br />
besser bekannt als Arm-Pump. Ein weit verbreitetes Phänomen im<br />
Motorradsport und durch die schweren Maschinen beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> MotoGP<br />
ein Problem. Stoner, Crutchlow, Bradl, Toni Elias, Chris Vermeulen, John<br />
Hopkins Nicky Hayden, Dani Pedrosa und viele weitere Fahrer mussten sich<br />
bereits damit herumplagen. Während Stoner eine Operation ablehnte, legte<br />
sich Bradl sogar schon mehrfach unters Messer.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 85
Dani Pedrosa<br />
macht sein<br />
Arm <strong>der</strong>zeit<br />
Probleme<br />
OFT WIRD DER BLUTFLUSS IN<br />
DEN VENEN UNTERBROCHEN,<br />
DAS BLUT IN DEN ARTERIEN<br />
FLIESST ABER WEITER DURCH<br />
DIE FASZIEN.<br />
WAS IST ARM-PUMP?<br />
Arm-Pump ist ein Kompartment-Syndrom, das<br />
durch eine Überbeanspruchung herbeigeführt<br />
und zur Verletzung wird. Damit bildet es im<br />
Motorradrennsport eine Ausnahme, schließlich<br />
sind die meisten Verletzungen traumatischer<br />
Natur. Eine komplexe Koordination von Händen<br />
und Handgelenken ruft das Syndrom beim<br />
Motorradfahren hervor: wenn ein Fahrer mit seiner<br />
Hand am Lenker zugreift, ziehen sich die<br />
Muskelgruppen unter- und oberhalb des Unterarms<br />
zusammen. Für einen stärkeren Griff wird<br />
das Handgelenk automatisch verlängert. Diese<br />
Anspannung führt zu steigendem Druck im Muskelgewebe.<br />
Dadurch kann das Blut nur schwer<br />
zirkulieren. Dazu kommt auf dem Motorrad <strong>der</strong><br />
Griff ans Gas, an Kupplung o<strong>der</strong> Bremse, wodurch<br />
die Muskelkontraktion verstärkt wird.<br />
Oft wird das Syndrom auf technisch anspruchsvollen<br />
Kursen, auf denen häufig beschleunigt und<br />
abgebremst wird, verstärkt, da auf Hochgeschwindigkeitsabschnitte<br />
viele enge Kurven folgen und<br />
die Hand damit kaum zur Ruhe kommt. In den<br />
kurzen Beschleunigungsphasen hat <strong>der</strong> Unterarm<br />
kaum Zeit, sich zu entspannen. Ergonomie spielt<br />
dabei eine sehr große Rolle, die Positionen von<br />
Lenker und Hebeln sind entscheidend. Auch <strong>der</strong><br />
Druck auf Kupplung und Bremse ist wichtig: bei<br />
Karbon-Scheibenbremsen ist die benötigte<br />
Bremskraft beispielsweise geringer.<br />
Um die Muskeln befinden sich Faszien, weiße<br />
dünne Knorpel, die jeden Muskelstrang umfassen,<br />
wie die Haut um eine Bockwurst. Die Faszien<br />
sorgen dafür, dass die Muskeln fest sitzen. Sie sind<br />
extrem stark, aber nicht sehr elastisch. Da sie<br />
kaum dehnbar sind, können sie schon bei den<br />
kleinsten Schwellungen Druck verursachen.<br />
Wenn die Muskeln beim Gas geben und Bremsen<br />
auf dem Motorrad anschwellen, üben sie Druck<br />
auf die Faszien aus, die sie umfassen. Diese sind<br />
nicht dehnbar und deshalb wird <strong>der</strong> Unterarm<br />
hart wie Stein. Wenn <strong>der</strong> Druck dann weiter<br />
ansteigt, können auch Blutgefäße kollabieren,<br />
wodurch <strong>der</strong> Blutfluss gestoppt wird.<br />
Kleine Venen kollabieren dabei schon bei geringerem<br />
Druck als größere Arterien. Oft wird <strong>der</strong><br />
Blutfluss in den Venen unterbrochen, das Blut in<br />
den Arterien fließt aber weiter durch die Faszien,<br />
kann aber durch die Venen nicht mehr transportiert<br />
werden. Der Druck wird erneut stärker.<br />
Wenn <strong>der</strong> Druck so weit steigt, dass er stärker ist,<br />
als <strong>der</strong> Druck in den Arterien, dann kommt es zu<br />
einer schmerzhaften Durchblutungsnot im Muskel.<br />
Sobald die Fahrer vom Motorrad steigen, lässt<br />
<strong>der</strong> Druck langsam nach und die Symptome<br />
verschwinden.<br />
WIE ÄUSSERT SICH DIE<br />
VERLETZUNG?<br />
Die Schmerzen <strong>der</strong> Fahrer hängen von <strong>der</strong> Stärke<br />
<strong>der</strong> Verletzung ab. Sie spüren eine starke Spannung<br />
im Unterarm, eine Schwellung und Schmerzen<br />
beim Bewegen <strong>der</strong> Muskulatur. Wenn die<br />
Muskeln im unteren Teil des Unterarms in Mitleidenschaft<br />
gezogen wurden, führt das Syndrom<br />
zu verän<strong>der</strong>ten Empfindungen auf <strong>der</strong> Handfläche,<br />
aber auch am Zeige-, Mittel- und Ringfin<strong>der</strong><br />
- genau die Finger, die viele Fahrer zum Kuppeln<br />
o<strong>der</strong> Bremsen nutzen. Der kleine Finger funktioniert<br />
hingegen oft tadellos, da <strong>der</strong> Nerv, <strong>der</strong> vom<br />
Unterarm in den kleinen Finger führt, meist weniger<br />
stark betroffen ist als die mittleren Nerven.<br />
Der Daumen und die an<strong>der</strong>en Finger werden<br />
meist in einer leicht geknickten Position gehalten.<br />
Das Beugen und Strecken des Ellenbogens ist oft<br />
schmerzhaft, allerdings noch weniger schlimm<br />
als das Bewegen von Fingern o<strong>der</strong> Handgelenk.<br />
Sind die Muskeln im oberen Teil des Unterarms<br />
betroffen, sind die Empfindungen in Fingern und<br />
<strong>der</strong> Hand meist normal, weil <strong>der</strong> betroffene Nerv<br />
(Nervus Interosseus Posterior) keine sensorischen<br />
Komponenten besitzt. Dafür werden Daumen,<br />
Finger und Handgelenk oft taub, wenn diese ausgestreckt<br />
werden. Hand und Handgelenk werden<br />
grundsätzlich meist ausgestreckt. Das Einknicken<br />
<strong>der</strong> Finger führt dann zu unerträglichen Schmerzen.<br />
»Im rechten Unterarm entstehen so etwas<br />
wie Krämpfe. Die Beweglichkeit <strong>der</strong> Hand und<br />
<strong>der</strong> Finger wird dann plötzlich eingeschränkt.<br />
Fingerbewegung und Handbewegung sind dann<br />
nicht mehr so schnell, es geht auch teilweise das<br />
Gefühl dafür verloren, ob die Vor<strong>der</strong>radbremse<br />
schon maximal gezogen ist o<strong>der</strong> wie schnell ich<br />
sie gerade loslasse. Es entsteht auch ein Gefühl<br />
<strong>der</strong> Taubheit«, beschreibt Bradl.<br />
FOTOS: MIALGRO<br />
86 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
WIE KANN ARM-PUMP<br />
BEHANDELT WERDEN?<br />
Oft versuchen die Piloten sich zunächst mit Physiotherapie<br />
zu behelfen. Dabei wird <strong>der</strong> Unterarm<br />
so massiert, dass sich die Faszien dehnen können.<br />
Ziel ist es, Muskel und Faszie in Einklang zu bringen.<br />
Beide Komponenten sollen harmonieren.<br />
Mittels Faszientechniken werden diese gedehnt,<br />
weich massiert, teilweise erwärmt und für eine<br />
gute Durchblutung gesorgt.<br />
Hilft diese Behandlung nicht, muss eine Operation<br />
her. Der Eingriff ist für die meisten Orthopäden<br />
ein Klacks und dient zur Entlastung <strong>der</strong><br />
Faszien im Unterarm. Der Arzt schneidet die<br />
Muskel-Faszie auf und entfernt einen Streifen<br />
davon. Damit wird <strong>der</strong> Knorpel-Raum geöffnet.<br />
Somit kann sich <strong>der</strong> Muskel im Unterarm ausdehnen.<br />
Meist bestimmt <strong>der</strong> Fahrstil <strong>der</strong> Piloten,<br />
welche Faszien genau betroffen sind. Die Operation<br />
kann ambulant vorgenommen werden, einen<br />
Gips müssen die Patienten nicht tragen.<br />
das wird schon helfen. Es ist besser ein Triathlet<br />
zu sein, als ein Bodybuil<strong>der</strong>. Die Muskeln eines<br />
Triathleten kann man über einen längeren Zeitraum<br />
strapazieren. Ich werde alles versuchen,<br />
um eine Operation zu vermeiden, ich glaube<br />
nicht, dass sie auch nur irgendeinen Nutzen hat.<br />
Wie viele Leute hatten schon eine OP und dann<br />
wie<strong>der</strong> eine? Es hilft nur für einen kurzen Zeitraum,<br />
dann müssen sie wie<strong>der</strong> hin.«<br />
Die Ursache ist oft <strong>der</strong> Fahrer selbst. Neben einem<br />
umgestellten Training und Physiotherapiesitzungen<br />
stellen betroffene Piloten oft einfach ihren<br />
Fahrstil um und versuchen, sich weniger am Lenker<br />
festzukrallen. Allerdings kann das Syndrom<br />
nach einer Operation aus unterschiedlichen<br />
Gründen auch an an<strong>der</strong>en Stellen wie<strong>der</strong> auftreten.<br />
Eine ideale Behandlungsmöglichkeit für<br />
jeden Fahrer scheint es nicht zu geben. Mit Physiotherapie<br />
kann viel erreicht werden. Die endgültige<br />
Entscheidung trifft aber <strong>der</strong> behandelnde<br />
Arzt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fahrer selbst.<br />
Stefan Bradl<br />
hatte 2014<br />
bereits eine<br />
Arm-Operation<br />
Der Eingriff an sich dauert lediglich 10 bis 15<br />
Minuten. Der Einschnitt in die Faszie ist nur etwa<br />
zwei Zentimeter groß, <strong>der</strong> Schnitt im Unterarm<br />
hat oft nur eine Länge von drei bis vier Zentimetern<br />
und wird nach dem Eingriff vernäht. Normalerweise<br />
kann ein Pilot nach zwei Wochen<br />
wie<strong>der</strong> mit seinem Training beginnen und nach<br />
vier Wochen wie<strong>der</strong> fahren. Wie Pedrosa und<br />
Bradl bewiesen haben, ist eine Rückkehr schon<br />
nach neun Tagen möglich. Scott Redding fuhr<br />
2012 nach nur fünf Tagen in <strong>der</strong> Moto2 wie<strong>der</strong><br />
aufs Podest.<br />
Auch Cal<br />
Crutchlow<br />
musste bereits<br />
unters Messer<br />
Pedrosa ist ein<br />
Dauerpatient<br />
WARUM TRETEN HÄUFIG SPÄTER<br />
WIEDER PROBLEME AUF?<br />
Während <strong>der</strong> Operation o<strong>der</strong> auch danach kann<br />
<strong>der</strong> Muskel an <strong>der</strong> Schnittstelle teilweise herausquillen<br />
und dann verkleben. Hin und wie<strong>der</strong><br />
verklebt auch das Blut und die Wunde an <strong>der</strong><br />
Faszie vernarbt. Wenn das passiert, hat <strong>der</strong> Muskel<br />
erneut keine Chance, sich innerhalb <strong>der</strong> Faszie<br />
zu bewegen und <strong>der</strong> Fahrer bekommt erneut<br />
starke Schmerzen. Allerdings ist <strong>der</strong> Heilungsverlauf<br />
unterschiedlich, da je<strong>der</strong> Mensch eine<br />
verschieden starke Narbenbildung hat.<br />
FOTO: MILAGRO<br />
Die Verklebung des Muskels kann zwar leicht<br />
behoben werden, resultiert aber häufig später in<br />
einer weiteren Operation. Das Risiko, dass die<br />
Schmerzen im Unterarm nach einem Eingriff<br />
zur Behandlung des chronischen Belastungs-<br />
Kompartment-Syndroms wie<strong>der</strong> eintreten, ist<br />
enorm hoch. Aus diesem Grund war auch Stoner<br />
nie ein Fan des Eingriffs: »Wir müssen einfach<br />
das Training än<strong>der</strong>n. Damit bauen wir die Muskeln<br />
an<strong>der</strong>s auf, sodass alles trainiert wird und<br />
Bradl wurde in<br />
Jerez von<br />
Problemen<br />
gehemmt<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 87
Max Biaggis<br />
Klappe gehörte<br />
zu den ganz<br />
großen im<br />
Paddock<br />
TOP<br />
REIFEN DEBAKEL<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
EINE ÄRA NÄHERT SICH DEM ENDE: BRIDGESTONE VERABSCHIEDET SICH NACH 14<br />
ERFOLGSJAHREN AUS DER KÖNIGSKLASSE. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN SAGT ADIEU<br />
UND WIRFT EINEN BLICK AUF DIE KRITISCHSTEN MOMENTE DER LETZTEN JAHRE.<br />
5. INDY, OH INDY<br />
Eine <strong>der</strong> Geburtsstätten des <strong>Motorsport</strong>s hatte es für<br />
die MotoGP immer wie<strong>der</strong> in sich: Meist lag alles -<br />
aber auch wirklich alles - am Asphalt. War <strong>der</strong> okay,<br />
mussten die Reifen dran glauben. Das Indy-Rennwochenende<br />
2012 hatte es in sich. Hector Barbera eröffnete<br />
die Sturzserie im ersten Freien Training. Noch<br />
nicht ungewöhnlich? Abwarten. Denn Casey Stoner,<br />
Nicky Hayden und Ben Spies folgten im Qualifying.<br />
Selbst Valentino Rossi konnte sich zwei Mal nur knapp<br />
retten. Fast alle Fahrer flogen per Highsi<strong>der</strong> ab und<br />
kamen lei<strong>der</strong> nur selten verletzungsfrei davon. Die<br />
Beschwerden fielen dementsprechend zahlreich aus.<br />
»Mit dem weichen Reifen hatte ich weniger Grip«, so<br />
Alvaro Bautista. Auch Jorge Lorenzo beklagte die<br />
weiche Mischung, die ab Rennmitte stark abbaute.<br />
Spies beobachtete seinen Kontrahenten: »Ich erkannte,<br />
dass Dani viel mehr Hinterreifen verbrauchte als ich.«<br />
Auch Rossi stellte fest: »Nach drei Runden begann <strong>der</strong><br />
Hinterreifen zu rutschen, ich wollte an den Fahrern<br />
vor mir dranbleiben, doch das Vor<strong>der</strong>rad klappte zwei<br />
Mal fast ein und ich gab auf.«<br />
88 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO, BRIDGESTONE<br />
4. VON ZERSTÜCKELTEN HINTERREIFEN<br />
Etwas dicker kam es allerdings einige Wochen zuvor. Spies und Rossi brachen in Assen<br />
2012 ganze Gummi-Teile aus den Reifen. Die Reifen hatten sich überhitzt, beide Fahrer<br />
waren stinksauer. Zu dieser Zeit gab es aber noch einen gewissen Stoner, <strong>der</strong> nur selten<br />
ein Blatt vor den Mund nahm: »Die Technologie wird immer besser und wir werden<br />
langsamer. Es ist schwieriger für uns, Rundenrekorde zu fahren. Sie werden nie zugeben,<br />
dass mit den Reifen etwas nicht stimmt. Das ist das größte Problem, es ist enttäuschend.«<br />
Rossi musste seinen Reifen während des Rennens sogar wechseln. »Es war<br />
unmöglich, weiterzufahren. Ich wäre nicht bis ins Ziel gekommen«, hielt er fest. Zumindest<br />
gab sich Bridgestone nach dem Vorfall größte Mühe, das Problem aus <strong>der</strong> Welt<br />
zu schaffen und checkte alle Pneus durch. Heraus kam, dass es sich nicht um einen<br />
Werksfehler handelte. Lediglich Überhitzung führte zum Desaster. Na wenn das mal<br />
nicht beruhigend ist.<br />
3. BRIDGESTONE-MEETINGS IN JEREZ<br />
Wir blicken zurück nach Jerez 2013: An besagtem ereignisreichen Rennwochenende, an<br />
dem die Streckentemperaturen zwischen 20 und 50 Grad schwankten, ist die Sturzliste<br />
so lang, dass ein Aufzählen fast den Rahmen sprengt. Dani Pedrosa, Marc Marquez,<br />
Valentino Rossi, Cal Crutchlow, Stefan Bradl, Lukas Pesek, Randy de Puniet, Yonny Hernandez<br />
und Andrea Iannone mussten dran glauben. Und wer war schuld? Natürlich, die<br />
Reifen. »Man hat ja gesehen, wie viele Stürze es gab. Das Wochenende war für Bridgestone<br />
sicherlich nicht leicht, aber für diese beson<strong>der</strong>e Situation sind die Reifen einfach falsch«,<br />
beklagte Andrea Dovizioso, <strong>der</strong> mehr als zwei Reifen zur Auswahl for<strong>der</strong>te. Crutchlow<br />
war das Thema schon leid: »In je<strong>der</strong> Sitzung <strong>der</strong> Sicherheitskommission geht es nur<br />
darum, das sind reine Bridgestone-Meetings.« Der Brite war überzeugt, dass alle Fahrer<br />
ihr Bestes geben, um Informationen zu liefern. »Aber wir haben nicht genügend Reifen«,<br />
beschwerte er sich. Aber wer sagt denn, dass viel wirklich viel hilft?<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 89
FOTOS: MILAGRO, BRIDGESTONE<br />
2. EIN DEFEKTER HINTERREIFEN<br />
Nachdem Jorge Lorenzo in Jerez nicht zum Reifen-Opfer wurde, griff <strong>der</strong> bösartige<br />
Gummi in Le Mans an. »Beim Bremsen ging es los, denn ich hatte in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong><br />
Kurve kein Vertrauen zum Hinterreifen. Beim Beschleunigen war es ähnlich, denn<br />
das Hinterrad hat so extrem durchgedreht, dass ich fast eine halbe Sekunde im<br />
Vergleich auf die an<strong>der</strong>en verloren habe.« Mit Platz sieben das bis dato schlechteste<br />
MotoGP-Ergebnis des zweifachen Weltmeisters - abgesehen von Ausfällen. Bridgestone<br />
wurde einmal mehr beschuldigt, die falschen Teile geliefert zu haben. Lorenzo<br />
90 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
fand für seine <strong>der</strong>art ungewohnt schlechte Leistung nur eine Erklärung: Bridgestone<br />
hatte ihm einen defekten Reifen geliefert. Alles böser Wille o<strong>der</strong> wollten die Japaner<br />
nur für etwas Abwechslung sorgen? Nichts <strong>der</strong>gleichen. Denn später stellte sich<br />
heraus, dass <strong>der</strong> Reifen tadellos war. »Jorges Rennreifen wurde durch seinen Ingenieur<br />
gründlich untersucht und für einwandfrei funktionstüchtig befunden. Darüber hinaus<br />
habe ich den Reifen selbst untersucht«, sagte Shinji Aoki, Leiter <strong>der</strong> Abteilung Reifen-<br />
Entwicklung. Chefsache also. Und eine Menge heiße Luft.<br />
FOTOS: HONDA
1. DIE KATASTROPHE AUF DER INSEL<br />
Die Sorgen rund um das schwarze Gold gipfelten im<br />
Rennen auf Phillip Island 2013. Zugegeben - mit dem<br />
neuen Asphalt hatte <strong>der</strong> Reifenhersteller einfach nicht<br />
gerechnet und Tests waren zuvor nicht geplant. Also<br />
erlebte die MotoGP-Welt eines <strong>der</strong> skurrilsten Rennen<br />
<strong>der</strong> Geschichte. Der Sicherheit halber entschied sich<br />
die Rennleitung für Boxenstopps zur Rennmitte. Der<br />
drei Millionen Euro teure Asphalt fraß die Reifen förmlich<br />
auf. Nicht nur <strong>der</strong> viel bessere Grip, son<strong>der</strong>n auch<br />
viel höhere Reifentemperaturen führten zum Desaster.<br />
Pirelli hatte schon beim Superbike-Lauf zu Beginn des<br />
Jahres Probleme. Warum die Japaner mit keiner Silbe<br />
daran dachten, dass es auch in <strong>der</strong> MotoGP auf dem<br />
neuen Asphalt zu diversen Unstimmigkeiten kommen<br />
könnte, versteht bis heute niemand. »Lächerlich« und<br />
»verwirrend« waren die Begriffe, die am 16. Rennwochenende<br />
<strong>der</strong> Saison am häufigsten fielen. Als<br />
Zuschauer und begeisterter Fan muss man Bridgestone<br />
aber danken. Schließlich gab es schon lange<br />
nicht mehr so viel Spannung in einem so kurzen Rennen<br />
<strong>der</strong> <strong>König</strong>sklasse.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 91
Kallio bleibt auch bei<br />
heißesten Versuchungen<br />
cool<br />
FOTOS: MILAGRO, KTM<br />
92 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
DER ZWEITE FRÜHLING<br />
MIKA KALLIO GEHÖRT SEIT ÜBER 200 RENNEN ZUM INVENTAR DER MOTORRAD-WM. VOR EINEM JAHR<br />
FAND ER ZURÜCK AUF DIE SIEGERSTRASSE UND DARF 2014 SOGAR WIEDER EINEN TITEL INS VISIER<br />
NEHMEN. BEKOMMT ER NÄCHSTE SAISON GAR EINE ZWEITE CHANCE IN DER MOTOGP?<br />
FOTOS: MIALGRO<br />
»200 - das ist doch nur eine Zahl!« So<br />
bescheiden gibt sich Mika Kallio, als das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> ihm zum Jubiläumsstart<br />
in <strong>der</strong> Motorrad-WM gratulieren will.<br />
Als 20. Fahrer in <strong>der</strong> Geschichte und als<br />
erster skandinavischer Pilot hatte Kallio beim<br />
Argentinien GP die Marke von 200 Starts<br />
geknackt. Aus dem aktuellen Fahrerfeld<br />
haben nur Valentino Rossi, Alex de Angelis,<br />
Dani Pedrosa und Anthony West mehr Rennen<br />
auf dem Buckel. »Aber diese Zahl bedeutet<br />
zumindest, dass ich in meiner Karriere<br />
einiges richtig gemacht und dadurch immer<br />
wie<strong>der</strong> einen Platz in guten Teams bekommen<br />
habe«, räumt Kallio ein. Seit 2002 ist<br />
<strong>der</strong> Finne fester Bestandteil des WM-Zirkus<br />
und fuhr bereits in vier verschiedenen Klassen<br />
Motorrä<strong>der</strong> von fünf unterschiedlichen<br />
Herstellern. »Wenn ich mich für ein<br />
bestimmtes Motorrad entscheiden müsste,<br />
dann wäre es <strong>der</strong> 250cc-Zweitakter. Das war<br />
ein unglaublich leichtes Motorrad mit viel<br />
Kraft«, gerät Kallio ins Schwärmen über die<br />
guten alten Zeiten.<br />
Damals (2007 und 2008) duellierte sich <strong>der</strong><br />
Finne als KTM-Werkspilot in <strong>der</strong> Viertelliterklasse<br />
mit Fahrern wie Jorge Lorenzo,<br />
Andrea Dovizioso, Marco Simoncelli und<br />
Alvaro Bautista auf den Spitzenpositionen.<br />
Fünf Siege und zehn Podiumsplätze binnen<br />
zwei Jahren sowie Rang drei in <strong>der</strong> WM-<br />
Endabrechnung 2008 führten ihn schließlich<br />
in die MotoGP, wo seine bis dahin gut verlaufene<br />
Karriere (Kallio wurde unter an<strong>der</strong>em<br />
zweimal 125cc-Vizeweltmeister) zum<br />
ersten Mal ins Stocken geriet. Mit einer<br />
Ducati hatte er sich im Pramac Team aber<br />
auch nicht unbedingt das einfachste Arbeitsgerät<br />
ausgesucht. »Die Desmosedici GP9 war<br />
zu diesem Zeitpunkt wahrlich nicht das beste<br />
Motorrad, aber wir schafften es einige Male<br />
in die Top-10. Das erste Jahr war ich für<br />
einen Rookie gar nicht so schlecht. Die<br />
zweite Saison war allerdings ein echtes Desaster.<br />
Ich hatte eine Schulterverletzung und<br />
konnte nicht so fahren, wie ich das gewohnt<br />
war. Auch die Entwicklung des Bikes ging in<br />
eine komplett an<strong>der</strong>e Richtung, als ich mir<br />
das gewünscht hätte«, blickt Kallio wehmütig<br />
auf seine beiden MotoGP-Jahre zurück. 2011<br />
erfolgte <strong>der</strong> bittere Schritt zurück in die<br />
zweithöchste Klasse, die mittlerweile mit<br />
600cc-Viertaktern und Honda-Einheitsmotoren<br />
unter dem Titel Moto2 ausgefahren<br />
wurde. Für Kallio ein radikaler Umbruch.<br />
»Mein Selbstvertrauen war am Anfang nicht<br />
gerade hoch«, gesteht er heute. Ein Motorradfahrer<br />
ohne Vertrauen in sein Können<br />
und seine Maschine ist kein schneller Motorradfahrer.<br />
So dauerte es rund zweieinhalb<br />
Jahre, bis Kallio in <strong>der</strong> Moto2 gewinnen<br />
konnte - im Vorjahr in Brünn. Der erste Sieg<br />
nach über fünf Jahren und 83 Rennen beflügelte<br />
den Kampfgeist des mittlerweile<br />
31-Jährigen.<br />
»In dieser Saison fühle ich mich wie<strong>der</strong> richtig<br />
gut«, sagt <strong>der</strong> Finne, <strong>der</strong> 2014 ein gewaltiges<br />
Wörtchen um die WM mitredet. In<br />
Jerez und Le Mans siegte er zweimal in Folge<br />
und rückte damit seinem Teamkollegen Tito<br />
Rabat in <strong>der</strong> Gesamtwertung auf den Pelz.<br />
»Tito ist verdammt schnell und strotzt vor<br />
Selbstvertrauen. Wir haben keine Probleme<br />
miteinan<strong>der</strong>, aber <strong>der</strong> Teamkollege ist natürlich<br />
<strong>der</strong> Erste, den du besiegen musst. Wir<br />
sind natürlich nicht die besten Freunde und<br />
auf <strong>der</strong> Strecke will je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schnellere<br />
sein«, lässt Kallio seinen Killerinstinkt, <strong>der</strong><br />
ihm bislang 15 Siege einbrachte, durchblitzen.<br />
Nicht nur im Erfolgsfall darf sich <strong>der</strong><br />
Finne für nächstes Jahr vielleicht wie<strong>der</strong><br />
Gedanken über die MotoGP machen. Marc<br />
van <strong>der</strong> Straten, ein belgischer Bierbaron, für<br />
dessen Team Kallio seit zweieinhalb Jahren<br />
fährt, hat schon länger Interesse daran, sein<br />
WM-Engagement von den unteren zwei<br />
Klassen auf die <strong>König</strong>sklasse zu erweitern.<br />
Für 2015 könnte er einen neuen Anlauf nehmen.<br />
»Ich würde schon gerne wie<strong>der</strong> in die<br />
MotoGP aufsteigen. Sollte sich das Marc VDS<br />
Team zu diesem Schritt entschließen, wäre<br />
das natürlich auch für mich eine gute Gelegenheit<br />
», gesteht Kallio. Am Geld sollte es<br />
bei van <strong>der</strong> Straten nicht scheitern, doch<br />
Kallio sieht ein an<strong>der</strong>es Problem: »Ohne Bike<br />
mit Top-10-Potenzial gibt es für mich keinen<br />
Grund, es dort noch einmal zu versuchen.<br />
Da bleibe ich lieber hier in <strong>der</strong> Moto2 und<br />
duelliere mich mit den stärksten Jungs um<br />
Siege.«<br />
DIESE ZAHL BEDEUTET<br />
ZUMINDEST, DASS ICH IN<br />
MEINER KARRIERE EINIGES<br />
RICHTIG GEMACHT HABE UND<br />
DADURCH IMMER WIEDER<br />
EINEN PLATZ IN GUTEN TEAMS<br />
BEKOMMEN HABE.<br />
Kallio lacht<br />
wie<strong>der</strong> häufiger<br />
vom Treppchen<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 93
KTM<br />
VS.<br />
TEXT:<br />
MICHAEL<br />
HÖLLER<br />
HONDA<br />
NEUE BESTE FEINDE<br />
IN DER MOTO3 TOBT EIN KAMPF DER HERSTELLER. KTM KONNTE HONDA AUF DEM FALSCHEN FUSS ERWISCHEN UND<br />
FÄHRT SEIT BEINAHE ZWEI JAHREN SIEG UM SIEG EIN. DAMIT WECKTEN DIE ÖSTERREICHER ABER DEN KAMPFGEIST<br />
DES JAPANISCHEN GROSSKONZERNS.<br />
Efren Vazquez<br />
fährt eine Honda<br />
beim Racing<br />
Team Germany<br />
Isaac Vinales trug<br />
seine KTM in Le<br />
Mans erstmals<br />
auf das Podium<br />
Mugello, 15. Juli 2012. Maverick<br />
Vinales gewinnt vor Romano<br />
Fenati, Honda feiert einen Doppelsieg<br />
und jubelt über den siebten<br />
Sieg im neunten Rennen <strong>der</strong> eben erst eingeführten<br />
Moto3-Klasse. Was damals noch keiner<br />
wusste: Es sollte <strong>der</strong> letzte Sieg einer Honda in<br />
dieser Klasse auf Jahre sein. Zeitsprung -<br />
Mugello, 1. Juni 2014. Romano Fenati siegt und<br />
erzielt damit den 27. Sieg in Folge für eine reinrassige<br />
KTM in <strong>der</strong> Moto3. »Wenn wir diese<br />
Zahl so sehen, dann macht uns das natürlich<br />
extrem stolz. Vor allem, da wir ja nie mit dem<br />
Glauben in diese Klasse eingestiegen sind, dass<br />
wir je so dominieren könnten«, erklärt KTM-<br />
Sportchef Pit Beirer im Gespräch mit dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. »Wir haben von Beginn<br />
an normale Rennsportentwicklung betrieben.<br />
Im letzten Jahr haben wir einen klaren Schritt<br />
nach vorne gemacht, <strong>der</strong> für Honda vielleicht<br />
einen Tick zu groß war.« So blieb <strong>der</strong> japanische<br />
Motorrad-Gigant 2013 in <strong>der</strong> kleinsten Klasse<br />
<strong>der</strong> WM ohne einen einzigen Podiumsplatz.<br />
So sehr die sportlichen Erfolge ausblieben, so<br />
wenig hielt man mit Kritik am neuen Rivalen<br />
hinter dem Berg. »Die Moto3 wurde ins Leben<br />
gerufen, um gegenüber <strong>der</strong> alten 125cc-WM<br />
billigeren Rennsport für die Teams zu ermöglichen.<br />
Daher haben wir ein Motorrad aufgebaut,<br />
das kostengünstig und trotzdem konkurrenzfähig<br />
war. Doch unser Konkurrent hat dann<br />
etwas mehr Aufwand in dieses Projekt gesteckt«,<br />
kritisiert HRC-Teamchef Livio Suppo im<br />
Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Eine<br />
Kritik, die Beirer nicht auf KTM sitzen lassen<br />
will: »Das entspricht nicht <strong>der</strong> Realität, denn<br />
das Reglement hat die Kosten für die Teams von<br />
Anfang an limitiert. Ein Motor darf für 12.000<br />
Euro an die Teams verrechnet werden, ein erstklassiges<br />
KTM-Werksmotorrad gibt es um<br />
100.000 Euro. Dass wir selbst auch etwas in die<br />
Entwicklung investieren, ist nicht verboten.<br />
Honda macht in <strong>der</strong> MotoGP nichts an<strong>der</strong>es.<br />
Wir als Hersteller bekommen hier in <strong>der</strong> WM<br />
eine Bühne, auf <strong>der</strong> wir uns in jedem Rennen<br />
vor 100.000 Zusehern präsentieren dürfen. Da<br />
gehört ein gewisses Investment einfach dazu.«<br />
Im Winter schlug Honda ohnehin zurück. »Wir<br />
hatten nur zwei Optionen«, erklärt Suppo. »Entwe<strong>der</strong><br />
wir hätten gesagt, dass uns die Moto3<br />
94 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
nicht mehr interessiert. O<strong>der</strong>, wenn KTM spielen<br />
will, dann spielen wir eben mit ihnen. Wir<br />
haben uns für Letzteres entschieden«, meint <strong>der</strong><br />
Italiener mit einem Augenzwinkern. Honda<br />
bemühte sich nicht nur mit einem massiven<br />
Entwicklungsschub, son<strong>der</strong>n spielte auch seine<br />
Karten im Paddock perfekt aus. So warb man<br />
den spanischen Monlau-Rennstall von Emilio<br />
Alzamora samt <strong>der</strong>en Top-Piloten Alex Rins<br />
und Alex Marquez von KTM ab und installierte<br />
dort eine Art Honda-Werksteam. »Dass Monlau<br />
übergelaufen ist, nachdem wir ihnen unsere<br />
ganzen Geheimnisse offengelegt hatten,<br />
schmerzte natürlich sehr«, sagt Beirer. Im<br />
Gegenzug zogen die Österreicher mit Valentino<br />
Rossi und seinem neuen Rennstall einen prominenten<br />
Ersatz an Land. Zudem angelte sich<br />
KTM mit Jack Miller den im Vorjahr bestplatzierten<br />
Honda-Piloten <strong>der</strong> WM-Wertung für<br />
die Werksmannschaft. Prompt siegten Miller<br />
und <strong>der</strong> für das Rossi-Team startende Fenati in<br />
den ersten sechs Saisonrennen des neuen Jahres<br />
je drei Mal. »Mit Nakamoto (HRC-Vizepräsident)<br />
scherze ich oft, dass das die Rache <strong>der</strong><br />
letztjährigen Honda-Fahrer Miller und Fenati<br />
ist. Vielleicht wollen sie nicht, dass eine Honda<br />
gewinnt und haben deshalb das Fünkchen<br />
Extramotivation«, so Suppo.<br />
DASS MONLAU ÜBERGELAUFEN IST,<br />
NACHDEM WIR IHNEN UNSERE GANZEN<br />
GEHEIMNISSE OFFENGELEGT HATTEN,<br />
SCHMERZTE NATÜRLICH SEHR.<br />
Rivalität zwischen KTM und Honda jedenfalls<br />
zuträglich. Die Spitzengruppen sind dank <strong>der</strong><br />
Bemühungen <strong>der</strong> beiden Hersteller größer denn<br />
je, die Fahrer motivierter denn je und <strong>der</strong> neue<br />
Weltmeister wird im November in Valencia eine<br />
<strong>der</strong> umkämpftesten Trophäen <strong>der</strong> Geschichte<br />
stemmen. »Jetzt herrscht wie<strong>der</strong> Normalzustand.<br />
Honda hat die Klasse und die Aktivitäten<br />
von KTM anfänglich vielleicht etwas unterschätzt«,<br />
sagt Beirer. Angesprochen auf die<br />
aktuelle Stimmung zwischen den beiden Marken<br />
meint Suppo nur: »Beziehungen zwischen<br />
Herstellern sind immer wettbewerbsorientiert.«<br />
Den Fans kann das nur recht sein.<br />
Jack Miller ist die<br />
Trumpfkarte von<br />
KTM<br />
Honda schnappte<br />
sich das Talent<br />
Alex Rins<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
Für die Spannung in den Rennen ist die neue
Jonathan Rea stieg zum<br />
Seriensieger auf<br />
FOTOS: HONDA<br />
96 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
POLE POSITION, DOPPELSIEG UND WM-FÜHRUNG: JONATHAN REA UND DEM PATA HONDA WORLD<br />
SUPERBIKE TEAM GELANG IN DIESER SAISON ENDLICH DER DURCHBRUCH. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN<br />
SPRACH MIT TEAMCHEF RONALD TEN KATE ÜBER DIE ERFOLGE.
Leon Haslam ist<br />
das Sorgenkind bei<br />
Pata Honda<br />
MSM: Wie hast du dich nach dem erfolgreichen<br />
Rennwochenende in Imola gefühlt?<br />
RONALD TEN KATE: Es fühlte sich wirklich<br />
großartig an. Ich war echt glücklich, schließlich<br />
ist Gewinnen das Wichtigste in unserem<br />
Geschäft, aber ich war gleichzeitig auch sehr,<br />
sehr stolz. Imola bedeutete für uns einen Durchbruch.<br />
Wir hatten in den letzten Jahren dort<br />
nicht wirklich tolle Ergebnisse. Es hat das komplette<br />
Team - und damit meine ich alle, inklusive<br />
<strong>der</strong> Fahrer - viel Anstrengung und harte Arbeit<br />
gekostet, diese Wende zu schaffen. In Imola war<br />
es schlichtweg ein wun<strong>der</strong>volles Gefühl, zu<br />
sehen, dass sich all unsere Arbeit, die wir investiert<br />
haben, schließlich ausgezahlt hat.<br />
Bist du stolz auf Jonathan Rea?<br />
Ich bin stolz auf alle unsere Fahrer. Zu Johnny<br />
haben wir natürlich schon eine sehr lange Beziehung.<br />
Er fährt seit 2008 für uns und ist seitdem<br />
mit uns gewachsen. Er begann als Jungspund in<br />
<strong>der</strong> Supersport-WM mit uns und ist jetzt ein<br />
Mann und Vater. Wir haben ihn aufwachsen<br />
sehen. Wenn man solange zusammenarbeitet,<br />
entwickelt man natürlich ein beson<strong>der</strong>es Verhältnis.<br />
Er war immer loyal - nicht nur gegenüber<br />
dem Team, son<strong>der</strong>n auch gegenüber Honda. Er<br />
hatte Chancen, zu an<strong>der</strong>en Teams zu wechseln<br />
und sogar die Meisterschaft zu wechseln, aber<br />
er blieb uns gegenüber loyal, da er an unser Programm<br />
glaubte. Ihn gewinnen zu sehen, war<br />
etwas Beson<strong>der</strong>es. Ich wäre genauso glücklich,<br />
einen meiner an<strong>der</strong>en Fahrer siegen zu sehen,<br />
UNSER GESCHÄFT VON TEN<br />
KATE TUNING UND RACING PRO-<br />
DUCTS STEHT IN ZUSAMMEN-<br />
HANG MIT PRODUCTION-BIKES,<br />
WONACH UNSERE ZUKUNFT<br />
IM FAHRERLAGER DER WORLD<br />
SUPERBIKE SEIN WIRD. WIR<br />
KÖNNTEN IN ALLEN KLASSEN<br />
VERTRETEN SEIN.<br />
aber Johnny hat natürlich einen speziellen Platz<br />
durch diese lange Beziehung, die uns<br />
verbindet.<br />
Ihr hattet in den vergangenen Jahren einige Probleme<br />
mit <strong>der</strong> Elektronik. Wie konntet ihr das<br />
lösen?<br />
Wir haben das Elektronik-Programm in diesem<br />
Jahr zusammen mit Cosworth komplett selbst<br />
in die Hand genommen. Ein Programm, das<br />
schon Mitte <strong>der</strong> letzten Saison begann, als deutlich<br />
wurde, dass die gewünschten Ergebnisse<br />
2013 nicht kamen. Direkt nach Jonathans Verletzung<br />
auf dem Nürburgring begannen wir, das<br />
neue Paket zu entwickeln und setzten uns für<br />
2014 neue Ziele, denn es musste etwas Großes<br />
passieren. Wir haben jetzt nicht nur das Rideby-Wire-Kit<br />
angepasst, son<strong>der</strong>n auch die duale<br />
Motoreinheit, was man deutlich an den Bikes<br />
hört. Das war ein großer Durchbruch. Ich weiß,<br />
dass Massimo Neri in <strong>der</strong> Öffentlichkeit viel<br />
Aufmerksamkeit geschenkt wird, aber es ist eine<br />
Team-Leistung. Bei uns arbeiten vier Leute dauerhaft<br />
an <strong>der</strong> Elektronik, dazu kommen Ingenieure<br />
von Cosworth. Es ist also keine Einzelmission,<br />
aber natürlich war Massimo eine große<br />
Helfe, um die Entwicklung voranzutreiben, da<br />
er mit dem System, das wir jetzt haben, zuvor<br />
schon gearbeitet hat.<br />
Wie habt ihr es geschafft, die CBR wie<strong>der</strong> zu<br />
einem siegfähigen Motorrad zu machen?<br />
Wir haben immer an das Potential <strong>der</strong> Maschine<br />
geglaubt. Die Fireblade hat eine sehr starke Basis,<br />
aber im letzten Jahr war klar, dass uns etwas bei<br />
<strong>der</strong> Elektronik fehlt, also brauchten wir ein neues<br />
Elektronik-Paket. Den Motor konnten wir auf<br />
dem Niveau des Vorjahres halten, während die<br />
an<strong>der</strong>en Hersteller ihre Aggregate aufgrund <strong>der</strong><br />
Motorbeschränkung in diesem Jahr scheinbar<br />
etwas abrüsten mussten und urplötzlich ist die<br />
CBR eine siegfähige Maschine.<br />
Was denkst du über die Regelän<strong>der</strong>ungen für<br />
die Saison 2015?<br />
98 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Ehrlich gesagt, denke ich, dass je<strong>der</strong> Hersteller<br />
mit den aktuellen Regeln sehr konkurrenzfähig<br />
sein kann. Wir können sehen, dass Kawasaki,<br />
Ducati, Aprilia, Honda und Suzuki gewinnen<br />
können. Einige neue Hersteller wie Bimota o<strong>der</strong><br />
EBR haben momentan noch Probleme, aber sie<br />
müssen einfach noch mehr lernen. Die Regelän<strong>der</strong>ungen<br />
sind deshalb sehr schwierig, denn wir<br />
müssen die natürliche Balance halten, die wir<br />
jetzt haben. Aktuell sind die Neuerungen aber<br />
noch nicht so klar. Viele Leute denken, dass wir<br />
im nächsten Jahr nur noch EVO-Bikes haben<br />
werden. Das wird definitiv nicht passieren: Es<br />
wird nicht nur World Superbike-Maschinen<br />
geben, aber auch nicht nur EVO-Motorrä<strong>der</strong>. Es<br />
wird sich irgendwo dazwischen einpendeln.<br />
Bevor diese Regeln aber noch nicht komplett von<br />
<strong>der</strong> FIM und <strong>der</strong> Dorna verabschiedet wurden,<br />
kann ich nicht ins Detail gehen. Ich hoffe, dass<br />
die Regelän<strong>der</strong>ungen den Einstieg für neue<br />
Teams günstiger machen. Ich mache mir nur<br />
Sorgen über die Balance aller Hersteller.<br />
Wie könnt ihr als Nicht-Werksteam so gut sein?<br />
Bekommt ihr Unterstützung von Honda aus<br />
Japan?<br />
Nein, die Basis unserer Firma ist ein Autohaus.<br />
Einen weiteren Teil stellt unsere Tuning-Firma<br />
von Rennprodukten dar und <strong>der</strong> dritte Teil ist<br />
das Rennteam selbst. Diese Kombination liefert<br />
uns viel Fachkenntnis und Wissen, das vom<br />
Team genutzt wird. Unser Team hat schon immer<br />
so gearbeitet: Wir bekamen nie direkt Teile geliefert,<br />
son<strong>der</strong>n haben alte Teile vorbereitet, entwickelt<br />
und selbst hergestellt. So fahren wir seit<br />
1994 Rennen, also schon 20 Jahre lang. Wir<br />
haben es nie an<strong>der</strong>s gemacht. Manchmal sind<br />
wir sogar etwas stolz darauf, kein Werksteam zu<br />
sein, denn wir sind verantwortlich für das Bike<br />
- auch in Zeiten, in denen es nicht so gut läuft.<br />
In Zeiten, in denen es richtig gut läuft, ist man<br />
darum natürlich doppelt so stolz, denn wir<br />
machen alles selbst. Die Unterstützung vom<br />
Werk in Japan ist nicht so groß. Momentan existiert<br />
sie fast gar nicht. Alles wird von Honda<br />
Motor Europe angetrieben. Teile aus Japan kommen<br />
nur sehr selten zu uns, natürlich herrscht<br />
dadurch auch nur ein geringer Informationsaustausch.<br />
Manchmal bekommen wir Informationen<br />
über Dinge, die wir gerade entwickeln. Am<br />
Ende wird aber alles in Nieuwleusen in Holland<br />
entwickelt.<br />
Michael van <strong>der</strong> Mark hat 2014 enorm stark<br />
begonnen. Wie denkst du über ihn? Was muss<br />
er noch lernen?<br />
Michael ist in <strong>der</strong> Tat in seiner zweiten Saison in<br />
<strong>der</strong> World Supersport sehr stark. Wir haben ehrlich<br />
gesagt von ihm erwartet, dieses Jahr einen<br />
Schritt zu machen, denn das ist, was junge Fahrer<br />
in ihrem zweiten Jahr normalerweise tun. Sie<br />
FOTOS: HONDA<br />
Dank Ronald Ten Kates Team, Leon Haslam und Jonathan<br />
Rea hat Honda in <strong>der</strong> Hersteller-Wertung einen großen<br />
Sprung nach vorne gemacht.<br />
sind dann aber noch immer nicht auf ihrem<br />
höchsten Leistungsniveau. Wir halten viel von<br />
ihm und hoffen, dass er dieses Jahr mit uns um<br />
den Titel kämpfen kann. Ich denke, er kann noch<br />
mehr lernen. Bei einem jungen Fahrer wie ihm<br />
gibt es immer viele Bereiche, in denen er noch<br />
dazulernen kann. Er ist dazu auch durchaus in<br />
<strong>der</strong> Lage. Eine seiner Schwächen ist im Moment<br />
das Qualifying. Er zeigt zwar auch in <strong>der</strong> Qualifikation<br />
ein starkes Renntempo, aber auf nur<br />
einer Runde richtig schnell zu sein, ist für ihn<br />
nicht so leicht. Während an<strong>der</strong>e Fahrer einen<br />
frischen Reifen aufziehen und direkt 0,4 o<strong>der</strong> 0,5<br />
Sekunden schneller fahren, scheint das für<br />
Michael aktuell fast unmöglich. Manchmal sind<br />
seine Qualifying-Ergebnisse nicht so gut und er<br />
startet nur aus <strong>der</strong> zweiten o<strong>der</strong> gar dritten<br />
Reihe. Aber im Rennen kommt er immer nach<br />
vorne, weil er ein wahrer Racer ist. In diesem<br />
Bereich muss er noch lernen und es gibt noch<br />
viel mehr Dinge, bei denen er noch Erfahrungen<br />
sammeln muss: zum Beispiel ein Bike einzustellen<br />
und zu verstehen, worin er seine Energie<br />
investieren soll. Er kann sehr aufgeregt sein,<br />
wenn zu viel Verkehr auf <strong>der</strong> Strecke herrscht<br />
o<strong>der</strong> Leute ihm folgen, dann ist er immer ziemlich<br />
verärgert und steckt damit Energie in unnötige<br />
Dinge. Aber das ist ein Lernprozess für ihn.<br />
Besteht für ihn die Chance, im nächsten Jahr in<br />
die WSBK aufzusteigen?<br />
Ich glaube nicht, dass er die ganze Zeit in <strong>der</strong><br />
World Supersport fahren wird, worauf auch seine<br />
Körpergröße hinweist, weil er ziemlich groß ist.<br />
Letztes Jahr in Suzuka hat er Potential auf <strong>der</strong><br />
großen Maschine gezeigt und überraschte viele<br />
Leute, weil er so schnell war. Natürlich wollen<br />
wir ihn auf World-Superbike-Niveau sehen. Ob<br />
das nächstes Jahr passiert, kann ich nicht bestätigen.<br />
Ich würde ihn eines Tages aber natürlich<br />
gerne in <strong>der</strong> World Superbike für uns antreten<br />
sehen.<br />
Wie siehst du die Zukunft deines Teams?<br />
Unser Geschäft von Ten Kate Tuning und Racing<br />
Products steht in Zusammenhang mit Production-Bikes,<br />
wonach unsere Zukunft im Fahrerlager<br />
<strong>der</strong> World Superbike sein wird. Wir<br />
könnten in allen Klassen, also World Superbike,<br />
World Supersport und vielleicht den Stock-<br />
Kategorien, vertreten sein. Ich habe es immer<br />
sehr genossen, mit jungen Fahrern zu arbeiten,<br />
wie wir es jetzt mit Michael machen. Er war erst<br />
zwei Jahre in unserem Junior Team, stieg dann<br />
in die World Supersport auf und wird in Zukunft<br />
vielleicht in <strong>der</strong> World Superbike für uns fahren.<br />
Das würde ich gerne sehen. Ständig fragen uns<br />
Leute, warum wir nicht in <strong>der</strong> MotoGP sind. Das<br />
ist kein Ziel, das wir erreichen müssen o<strong>der</strong> wollen.<br />
Unsere Zukunft wird immer mit Production-Race-Bikes<br />
zu tun haben.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 99
Dario Giuseppetti<br />
hat sich zurück<br />
gekämpft<br />
FOTOS: PEGGY REICHL<br />
Freude am<br />
Fahren:<br />
Giuseppetti<br />
kann wie<strong>der</strong><br />
lachen<br />
100 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DIE AKTE<br />
GIUSEPPETTI<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
NACH ÜBER EINEM JAHR SASS DARIO GIUSEPPETTI IM APRIL ZUM ERSTEN MAL WIEDER AUF EINEM<br />
MOTORRAD. IM MOTORSPORT-MAGAZIN BERICHTET ER EXKLUSIV, WIE ES ZU SEINEM FURCHTBAREN<br />
UNFALL IN ALMERIA 2013 KOMMEN KONNTE.<br />
A<br />
ngenehme spanische Frühlingstemperaturen, Sonnenschein,<br />
eine leichte Brise, eine über vier Kilometer lange<br />
Rennstrecke mit acht Rechts- und fünf Linkskurven,<br />
ein gutes Gefühl, gute Grundeinstellungen, verschiedenste<br />
Reifen, ein ordentliches Tempo, eine neue persönliche Bestzeit<br />
auf Standard-Reifen: alles hätte perfekt sein können - o<strong>der</strong> zumindest<br />
in Ordnung. Wäre da nicht Testtag fünf in Almeria gewesen...<br />
»Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich dachte, jetzt<br />
musst du abspringen. Ob ich das geschafft habe o<strong>der</strong> nicht, kann<br />
ich nicht sagen. Dann bin ich erst wie<strong>der</strong> im Krankenhaus aufgewacht<br />
und habe gedacht, mich hat ein Bus überfahren.«<br />
Für Dario Giuseppetti hatte sich zwischen 2012 und 2013 viel<br />
geän<strong>der</strong>t: Mit neuen Mechanikern und einem neuen Bike fuhr<br />
er im Februar 2013 zum ersten Vorsaisontest nach Spanien. Das<br />
Team war gerade von <strong>der</strong> Ducati 1098 auf die Panigale umgestiegen.<br />
»Da war ein Hilfsmechaniker dabei, <strong>der</strong> bis dahin nichts<br />
mit Rennmotorrä<strong>der</strong>n zu tun hatte«, erinnert er sich. »Er hatte<br />
die Aufgabe, sich um den vor<strong>der</strong>en Teil des Motorrads zu kümmern,<br />
sprich Bremse, Reifen, etc.«<br />
Nach vier positiven Testtagen und einem erfolgreichen Vormittag<br />
entschied Giuseppetti, mit dem Test von zehn Prototyp-Reifen zu<br />
beginnen. »Die Vor<strong>der</strong>radfelgen von <strong>der</strong> 1098 kann man auch auf<br />
<strong>der</strong> Panigale verwenden. Dazu gehört aber ein spezielles Umbau-<br />
Kit. Die Fassung <strong>der</strong> Felge <strong>der</strong> 1098 ist etwas schmaler. Demnach<br />
passt das mit <strong>der</strong> Steckachse zwar rein, aber man muss größere<br />
Distanzbuchsen verwenden«, erklärt er. »Dieser Junge, <strong>der</strong> die Rä<strong>der</strong><br />
eingebaut hat, wusste - wie im Nachhinein herauskam - aber noch<br />
nicht einmal, dass es überhaupt zwei verschiedene Felgen gibt und<br />
niemand hat ihn darüber informiert, dass man darauf achten muss.<br />
Er bekam sie hingestellt und gesagt: ‚Die Rä<strong>der</strong> müssen rein.‘ Er hat<br />
das Rad eingebaut und alles festgezogen, da passiert noch nichts.<br />
Aber man hat immer etwa drei bis fünf Millimeter Spiel.«<br />
Durch die Richtungswechsel bei hoher Geschwindigkeit bewegte sich<br />
das Rad um Millimeter auf <strong>der</strong> Achse, wodurch die Bremsscheiben<br />
auf <strong>der</strong> Felge nach und nach die Bremsbacken auseinan<strong>der</strong>drückten.<br />
Bremsbacken und Kolben saßen nicht mehr fest an <strong>der</strong> Bremsscheibe.<br />
»Ich bin in die dritte Kurve eingebogen, hatte plötzlich keinen Bremsdruck,<br />
war da aber noch recht langsam unterwegs und konnte das<br />
gerade noch so retten. Daraufhin habe ich nachgepumpt und dachte<br />
erst, dass sich vielleicht irgendetwas bewegt hat o<strong>der</strong> die Bremse nicht<br />
richtig gedrückt worden war und dann bin ich in die nächste Kombination<br />
rein, wollte bremsen und bremse wie<strong>der</strong> ins Leere«, beschreibt<br />
Giuseppetti, <strong>der</strong> daraufhin in die Boxengasse einbog.<br />
Beim Team beklagte er sich über die Bremsen. »Es hieß, dass Luft in<br />
<strong>der</strong> Bremse ist, obwohl alle Anzeichen signalisiert haben, dass keine<br />
Luft in <strong>der</strong> Bremse sein konnte, son<strong>der</strong>n es ein gravierendes Problem<br />
mit <strong>der</strong> Bremse gab. Sie haben die Bremse entlüftet und da kaum Luft<br />
drin war, hätte eigentlich klar sein müssen, dass das nicht das Problem<br />
war und normalerweise hätten die Alarmglocken dann schon läuten<br />
müssen, schließlich waren die unterschiedlichen Rä<strong>der</strong> auch nicht<br />
gekennzeichnet. Ich wurde trotzdem wie<strong>der</strong> rausgeschickt.« Im<br />
Testrhythmus kam <strong>der</strong> Berliner nicht auf die Idee, weiter nachzuhaken<br />
und vertraute seiner Crew.<br />
»Wie<strong>der</strong> dasselbe Spiel: Ich fuhr aus <strong>der</strong> Box raus, spürte den Bremsdruck<br />
und dachte jetzt ist alles okay. Als ich dann die Linkskurve<br />
anbremsen wollte, habe ich die Bremse durchgezogen, aber es setzte<br />
keine Verzögerung ein. Bei einem Tempo von 170 km/h hatte ich keine<br />
Zeit mehr. Ich bin mit hoher Geschwindigkeit ins Kiesbett gefahren.<br />
Die Auslaufzone ist dort sehr, sehr kurz, was heißt, dass die Reifenstapel<br />
und die Leitplanke sehr früh kommen...«<br />
Nach dem Einschlag kam Giuseppetti erst im Krankenhaus wie<strong>der</strong> zu<br />
sich. »Die Erstversorgung war sehr gut, obwohl alles ein bisschen<br />
schwierig war, denn durch eine sehr starke Schwellung im Rückenmark,<br />
konnten die Ärzte am Anfang kaum etwas erkennen.« Nach einer<br />
Woche mit einem großen Bluterguss, starken Schmerzen, kaum Gefühl<br />
in den Beinen und ohne jegliche Bewegung wurde <strong>der</strong> Ducati-Pilot<br />
nach Cartagena verlegt. »Dort hat sich mein Freund Manuel Hernandez<br />
um alles Weitere gekümmert. Mein Team ist nach dem Unfall ins Kran-<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 101
kenhaus gekommen und hat sich kurz informiert. Der Teamchef ist<br />
dann weitergezogen, am Abend noch nach Hause geflogen und seitdem<br />
habe ich ihn nicht mehr gesehen.«<br />
Der Teamchef wollte sich auf Nachfrage des <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>s zu<br />
den Aussagen seines Ex-Fahrers nicht äußern. Giuseppetti lag damals<br />
drei Wochen lang im Gips-Bett. »Darin ist man komplett fest und kann<br />
auch keine seitlichen Bewegungen machen. Letztlich bestand die ganze<br />
Kurierphase aus liegen, liegen und noch mehr liegen. Nach zweieinhalb<br />
Wochen haben sie mich zum ersten Mal richtig aufgesetzt. Dann kannst<br />
du mal zwei, drei Schritte gehen, dann legen sie dich wie<strong>der</strong> hin. Ich<br />
habe immer Hilfe benötigt, weil ich wie ein Käfer war, <strong>der</strong> auf dem<br />
Rücken lag.« Fünf Wochen später durfte <strong>der</strong> Berliner wie<strong>der</strong> nach<br />
Hause fliegen. »Ich lag fast fünf Monate nur herum und habe nach und<br />
nach versucht, die Beine wie<strong>der</strong> zu bewegen. Der Weg bis zur ersten<br />
Reha-Maßnahme war hart.«<br />
G<br />
iuseppetti war in dieser Zeit auf Hilfe an<strong>der</strong>er angewiesen.<br />
»Lediglich mit den Leuten <strong>der</strong> alten Crew stand<br />
ich noch in Kontakt. In den ersten drei Monaten war<br />
ich nicht einmal in <strong>der</strong> Lage, alleine auf die Toilette zu<br />
gehen o<strong>der</strong> mich zu waschen. Ich war mit einem Korsett die ganze Zeit<br />
fixiert.« Erst Mitte Oktober 2013 konnte er die erste Rehabilitation<br />
beginnen. »Dort habe ich größere Fortschritte gemacht. Da wurde<br />
mehr in die Tiefenmuskulatur und an <strong>der</strong> Balance gearbeitet, weil du<br />
ja in dem halben Jahr, in dem du dich überhaupt nicht bewegt hast,<br />
schon viel verloren hast«, sagt Giuseppetti, dem in dieser Zeit verschiedene<br />
Sportärzte attestierten, dass er 2013 und wohl auch darüber hinaus<br />
nicht mehr Motorradfahren könne.<br />
»Die Reha-Maßnahmen haben mir sehr geholfen. Lei<strong>der</strong> ist es nach<br />
wie vor aber noch so, dass ich in gewissen Situationen immer noch<br />
Schmerzen habe«, gibt er zu. »Einen richtigen Superbike-Einsatz<br />
schiebe ich lei<strong>der</strong> immer noch weiter und weiter hinaus, bis ich wirklich<br />
sagen kann, dass ich mich wohlfühle und es noch einmal versuchen<br />
kann. Viel besser wird es wahrscheinlich nicht mehr werden. Ich muss<br />
morgens viel Gymnastik machen, damit ich mir überhaupt alleine die<br />
Socken anziehen kann. Abends habe ich noch ein bisschen Schmerzen,<br />
aber im Großen und Ganzen ist es im Vergleich zu dem, was vorher<br />
war, sehr gut.«<br />
Im April 2014 saß Giuseppetti beim Einführungslehrgang des ADAC<br />
Junior Cup powered by KTM als Instruktor zum ersten Mal wie<strong>der</strong><br />
auf einem Motorrad. »Ich arbeite auch bei den Hafeneger Renntrainings<br />
vereinzelt übers Jahr mit. Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Jahr<br />
aber auf <strong>der</strong> spanischen Meisterschaft. Dort arbeite ich mit Hernandez<br />
im Team H43 zusammen, kümmere mich um die ganze Teamorganisation<br />
und bin mit ihm zusammen Crewchief. Ansonsten bin ich - wenn<br />
es sich zeitlich einrichten lässt - auch bei <strong>der</strong> IDM bei meinem Team<br />
3C Racing, um das Team zu vertreten und helfe natürlich so weit es<br />
geht Max Neukirchner und Xavi Fores.«<br />
Als wären alle gesundheitlichen Schäden nicht schon genug, steckt er<br />
auch etwa eineinhalb Jahre nach dem Unfall noch in finanziellen<br />
DAS LETZTE, WORAN ICH MICH ERINNERN KANN, IST,<br />
DASS ICH DACHTE, JETZT MUSST DU ABSPRINGEN.<br />
OB ICH DAS GESCHAFFT HABE ODER NICHT, KANN ICH<br />
NICHT SAGEN. DANN BIN ICH ERST WIEDER IM<br />
KRANKENHAUS AUFGEWACHT.<br />
Schwierigkeiten. »Anfangs gab es eine ganz klare Vereinbarung: Ich<br />
sollte einen neuen Vertrag bekommen, den ich schon lange vor dem<br />
ersten Test unterschrieben haben sollte.« Doch <strong>der</strong> Vertrag wurde nie<br />
vorgelegt. » Durch diesen Vertrag kann ich normalerweise meine Sportversicherungen<br />
abschließen, die ich bis dahin nicht abschließen<br />
konnte.« Dennoch flog <strong>der</strong> Berliner zum Test nach Spanien. »Letzten<br />
Endes wollte ich immer Rennen fahren und das war auch <strong>der</strong> Grund,<br />
warum ich mir das alles über die Jahre angetan habe. Da bin ich aber<br />
auf <strong>der</strong> Strecke geblieben, weil nichts abgewickelt war, keine Übernahme<br />
und damit auch keine gültige Versicherung, die in dem Fall<br />
hätte greifen können.«<br />
Allein in Spanien blieb Giuseppetti auf fast 15.000 Euro Krankenhausrechnungen<br />
sitzen, die vor Ort entrichtet werden musste. »Meine<br />
Familie hat das weitestgehend übernommen. Hernandez hat mir das<br />
Geld vor Ort vorgestreckt. Durch die Hilfe meines Sponsors 3C Carbon,<br />
beson<strong>der</strong>s Geschäftsführer Karsten Jerschke, und meinen damaligen<br />
Sponsor Technogym - allen voran Winfried Reicht - konnte ich Einiges<br />
abdecken. Ich habe aus dem letzten Jahr noch immer über das Doppelte<br />
offen, weil ich mir viel Geld leihen musste, das ich nicht hatte. Ich<br />
versuche jetzt auf allen möglichen Ebenen das Geld wie<strong>der</strong> reinzuholen<br />
und es den Leuten zurückzuzahlen. Ich bin jetzt ein armer Schlucker,<br />
war aber auch vorher nicht reich«, erklärt er offen.<br />
Heute ärgert sich Giuseppetti über sein blindes Vertrauen. »Über die<br />
Jahre wurde viel Geld durch mich verdient, das Team hatte durch mich<br />
extrem gute Publicity und feierte mit wenig Einsatz gute Erfolge. Als<br />
ich dann wirklich auf Hilfe angewiesen war, hat sich <strong>der</strong>jenige dann<br />
nicht mehr verpflichtet gefühlt, von sich aus Hilfe anzubieten. Das war<br />
nicht nur geschäftlich, son<strong>der</strong>n vor allem menschlich eine riesige Enttäuschung.«<br />
Der 29-Jährige sagt, er habe sich nichts vorzuwerfen. »Ich<br />
habe alles richtig gemacht, immer 110 o<strong>der</strong> 120 Prozent auf dem<br />
Motorrad gegeben, das oft in einem extrem schlechten Zustand und<br />
schlecht vorbereitet war.«<br />
Giuseppetti ärgert<br />
sich über so<br />
manchen<br />
Wegbegleiter aus<br />
<strong>der</strong> Vergangenheit<br />
FOTOS: PEGGY REICHL<br />
102 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Ein Bild aus<br />
besseren Tagen:<br />
Giuseppetti im<br />
Renntempo<br />
Giuseppetti gab<br />
als Instruktor im<br />
ADAC Junior Cup<br />
sein Comeback<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 103
SLIDESHOW | MOTORSPORT | #37 | 2014<br />
❱ KLINGT GUT,<br />
AUCH OHNE LÄRM<br />
ROBERT SEIWERT<br />
FOTO: MICHELIN<br />
Ohren spitzen, die <strong>Formel</strong> E kommt! Auf leisen Sohlen, und doch mit<br />
Knalleffekt. Mit Stadtrennen-Konzept und mehr o<strong>der</strong> weniger bekannten<br />
Fahrern hat sich die Öko-Serie vor <strong>der</strong> Premiere in diesem Jahr Gehör<br />
verschafft. Die Idee klingt gut, aber am Ende entscheidet <strong>der</strong> Zuschauer.<br />
<strong>Motorsport</strong> als Familienereignis? Kein Sound? Autowechsel im Rennen?<br />
Zusatzboost via Twitter? So etwas gab es noch nie in <strong>der</strong> Rennsportgeschichte.<br />
Zweifel sind angebracht, aber ein weiser Mann sagte mal dazu:<br />
»Warum muss man immer Vergleiche zur <strong>Formel</strong> 1 ziehen?« Dieser Mann<br />
heißt Alain Prost. Der muss es als Professor und Vierfach-Weltmeister ja<br />
wissen - also geben wir <strong>der</strong> <strong>Formel</strong> E eine faire Chance.<br />
104 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 105
Schubert greift mit zwei<br />
BMW Z4 GT3 auf <strong>der</strong><br />
Nordschleife an<br />
DAS 24-STUNDEN-RENNEN AUF DEM NÜRBURGRING: VOLLGAS-FEIER AUF DER GEFÄHRLICHSTEN<br />
RENNSTRECKE DER WELT. DAS MOTORSPORT-MAGAZIN BEGIBT SICH AUF SPURENSUCHE BEIM<br />
SCHMALEN GRAT ZWISCHEN PARTYSTIMMUNG UND PROFESSIONALITÄT.<br />
DIE EXTREMSTE<br />
TEXT: ROBERT SEIWERT<br />
106 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: SX CONSULTING GROUP<br />
PARTY DER WELT<br />
Die legendärste<br />
Rennstrecke <strong>der</strong> Welt:<br />
Die Nordschleife<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 107
Die BMW-Profis<br />
mittendrin bei <strong>der</strong><br />
Vollgas-Party<br />
Der Z4 ist <strong>der</strong><br />
Nachfolger des<br />
erfolgreichen M3<br />
FOTOS: SX CONSULTING GROUP<br />
BMW feierte 2010<br />
den letzten<br />
Gesamtsieg beim<br />
24h-Rennen<br />
108 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Als ob man einen torkelnden Riesen im Vollrausch losgeschickt<br />
hätte, um die Strecke festzulegen.˝ Treffen<strong>der</strong> hätte es ein<br />
britischer Journalist nicht ausdrücken können, als er seine<br />
Beobachtungen nach dem Eröffnungsrennen <strong>der</strong> Nordschleife<br />
am 18. Juni 1927 zu Papier brachte. Das betrunkene Ungetüm hat<br />
gute Arbeit geleistet, knapp 90 Jahre später ist <strong>der</strong> Nürburgring noch<br />
immer Faszination pur. Highlight des Jahres: das legendäre 24-Stunden-<br />
Rennen. Vollgas-Rausch. Adrenalin-Überdosis. Party zweimal rund um<br />
die Uhr - Zeit zum Schlafen bleibt nicht. »Viele Leute vergleichen dieses<br />
Wachbleiben während des 24-Stunden-Rennens mit einem Diskobesuch.<br />
Das ist auch nicht so weit davon entfernt, aber: Wenn <strong>der</strong> Diskobesuch<br />
früh morgens endet, geht es bei uns weiter«, verrät Stefan Wendl, <strong>der</strong><br />
Teammanager des BMW Sports Trophy Team Schubert, dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
Spaßveranstaltung 24 Stunden? Fehlanzeige, diese Zeiten sind längst Geschichte.<br />
Wenn in <strong>der</strong> Diskothek die Lichter ausgehen, regiert die Lichthupe in <strong>der</strong> Grünen<br />
Hölle. Während sich die Feiermeute gemächlich in <strong>der</strong> Schlange zur Jackenausgabe<br />
einreiht, schlängeln sich die schnellen<br />
GT3-Boliden durch den dichten Verkehr des<br />
24-Stunden-Rennens. Es geht um viel. Seit die<br />
großen Werke das Potenzial des Rennens mitten<br />
in <strong>der</strong> beschaulichen Eifel erkannt haben,<br />
wird nichts mehr dem Zufall überlassen. Sieg<br />
statt Spaß - so lautet das Motto <strong>der</strong> Vollgas-<br />
Feier. Das werksunterstützte BMW-Team<br />
Schubert rückt mit einer Entourage von<br />
»ICH FINDE ES NICHT SCHLIMM, 24<br />
STUNDEN AM STÜCK NICHT RICHTIG ZU<br />
SCHLAFEN. EIN PAAR RUHEPHASEN<br />
MÜSSEN ABER SCHON SEIN. FERNSEH-<br />
SCHAUEN ODER SO, UM EINFACH DEN<br />
KÖRPER RUNTERZUFAHREN.«<br />
30 Ingenieuren und Mechanikern für<br />
seine beiden BMW Z4 GT3-Boliden an.<br />
Kein Einlass für Amateure, wie auch die<br />
Fahrerbesetzung <strong>der</strong> Truppe aus Oschersleben zeigt. Von Claudia Hürtgen bis<br />
hin zum früheren DTM-Champion Martin Tomczyk bedient sich Schubert<br />
vom Feinsten, was <strong>der</strong> BMW-Werkska<strong>der</strong> zu bieten hat.<br />
»Wir hatten bisher immer super Fahrer und auch dieses Mal bin ich wie<strong>der</strong><br />
sehr zufrieden mit unserer Auswahl«, sagt Wendl. »Die Werksunterstützung<br />
bringt zudem Planungssicherheit sowie finanzielle Unterstützung und technisches<br />
Know-how.« Die Piloten wissen, worum es geht. Um Prestige und<br />
viel Geld. Das altbekannte ‚Prädikat Nordschleife‘ hat in den vergangenen<br />
Jahren ein neues Level erreicht. »Die 24 Stunden am Ring sind dieses Jahr<br />
mein größtes und wichtigstes Rennen«, weiß Dirk Werner. »Die 24 Stunden<br />
sind schon das Highlight <strong>der</strong> Saison und da willst du natürlich ständig 100<br />
Prozent geben«, sagt auch die erfahrene Renn-Lady Hürtgen, die 1997 ihr<br />
erstes 24-Stunden-Rennen in Le Mans bestritt.<br />
Bestand die Vorbereitung auf den Eifel-Klassiker früher aus Currywurst und<br />
Bier, ist Fitness inzwischen das A und O des wohl härtesten Rennens <strong>der</strong> Welt.<br />
Extraschichten für den Erfolg - ein gutes Abschneiden am Nürburgring kann<br />
auch <strong>der</strong> eigenen Karriere einen zusätzlichen Push verleihen. »Da bist du<br />
noch mal eine Spur motivierter und gehst vielleicht noch eine Runde mehr<br />
laufen«, sagt Schubert <strong>Motorsport</strong>-Pilot Jens Klingmann dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> vor seinem vierten Start beim 24h-Rennen. »Kann ja nicht schaden.<br />
Man darf sich mit <strong>der</strong> ganzen Geschichte aber auch nicht verrückt machen.«<br />
Die 24 Stunden sind sowieso schon verrückt genug. Anspannung am Kommandostand,<br />
Adrenalin im Cockpit. Der Wald- und Wiesenmarathon ist<br />
nicht irgendein Rennen. Er ist das Rennen des Jahres. Ausnahmezustand auf<br />
und abseits <strong>der</strong> Strecke - und dann gehen auch noch die Lichter aus. »In <strong>der</strong><br />
Nacht habe ich immer das Gefühl, als ob ich über die Nordschleife fliegen<br />
würde«, so Klingmann. »Die Rundenzeiten bleiben zwar gleich, aber du hast<br />
viel weniger Orientierungspunkte und dadurch fühlt sich subjektiv alles viel<br />
schneller an. Da denkst du, dass du in je<strong>der</strong> Runde einen neuen Rundenrekord<br />
aufstellst!« 24-Stunden-Rennen sind keine Seltenheit mehr, rund um den<br />
Globus sind Veranstalter und Fans auf den Geschmack gekommen. Doch <strong>der</strong><br />
Nürburgring zählt weiter zu den exklusivsten Clubs und kann es sich leisten,<br />
auf alten Charme zu setzen. »Gerade auf <strong>der</strong> Nordschleife ist es schwierig,<br />
nachts zu fahren«, erklärt Werner die Ring-Beson<strong>der</strong>heit. »Es ist ziemlich<br />
dunkel im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Strecken, die eine sehr gute Ausleuchtung<br />
haben.«<br />
Als ob es nicht schon reichen würde, dass <strong>der</strong> Nürburgring mit seinen rund<br />
80 Kurven zu den gefährlichsten Rennstrecken <strong>der</strong> Welt gehört, ist die Nacht<br />
ein zusätzlicher Risiko-Faktor. »Da kann es immer heikel werden«, sagt<br />
Werner. »Da passiert meist eine ganze Menge, wenn die Fahrer müde sind<br />
und die Konzentration etwas nachlässt.« Entsprechend gehen die Profis heutzutage<br />
mit <strong>der</strong> Situation um. In alten Zeiten war <strong>der</strong> eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Fahrer<br />
während des Rennens bei den Fans auf dem Campingplatz anzutreffen; Schnitzel<br />
und ein bisschen Plau<strong>der</strong>n als Ablenkung vom Hochgeschwindigkeits-<br />
Spektakel. Inzwischen sind die Hotels an <strong>der</strong> Strecke <strong>der</strong> favorisierte Rückzugsort.<br />
»Ich finde es nicht schlimm, 24 Stunden am Stück nicht richtig zu<br />
schlafen«, so Klingmann. »Ein paar Ruhephasen<br />
müssen aber schon sein. Fernsehschauen o<strong>der</strong><br />
so, um einfach den Körper runterzufahren und<br />
ein bisschen abzuschalten.«<br />
‚The Party never stops‘ gilt jedoch auch am Nürburgring.<br />
Die Fahrer müssen immer wie<strong>der</strong> den engen<br />
Spagat zwischen Ruhephase und totaler Konzentration<br />
schaffen. »Runterkommen ist wichtig bei diesem<br />
langen Rennen, gleichzeitig musst du aber schauen,<br />
dass du 100-prozentig wach und fokussiert bist, wenn<br />
du selbst wie<strong>der</strong> ins Cockpit steigst«, erklärt Hürtgen<br />
die Herausfor<strong>der</strong>ung. Was brutal klingt, ist für einen Großteil des Teams schon<br />
fast ein Luxusproblem. Führungsetage, Ingenieure und Mechaniker wären<br />
bei einer guten Party die absoluten Feierbiester. »Schlaf gibt es für mich überhaupt<br />
nicht«, sagt Wendl. »Das gilt aber nicht nur für mich als Teammanager,<br />
son<strong>der</strong>n für den gesamten Kommandostand und die für die Autos zuständigen<br />
Mitarbeiter. 80 Prozent <strong>der</strong> Crew kommen überhaupt nicht zum Schlafen,<br />
weil die Anspannung so groß ist. Grundsätzlich gibt es aber genug zu tun,<br />
um wach zu bleiben.«<br />
Ein Gefühl, dass die Fahrer am Ring bestens kennen. Trotz all <strong>der</strong> Professionalität<br />
wird am Nürburgring dann doch nicht so ganz genau hingeschaut,<br />
wer die Tür zum Fahrerlager betritt. Dresscode ist Nebensache: Neben den<br />
Profi-Rennfahrern stehen traditionell auch Amateure und selbst Prominente<br />
aus dem Showbusiness auf <strong>der</strong> Gästeliste. In den angesagten Clubs gern gesehen,<br />
zählen Möchtegern-Promipiloten auf <strong>der</strong> Rennstrecke nicht unbedingt<br />
zu den beliebtesten Tanzpartnern. Spaßgesellschaft auf <strong>der</strong> einen Seite, Profitum<br />
auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en: Diese ziemlich einzigartige Kombination hat in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit nicht selten zu einem Handgemenge mit Vollkontakt auf <strong>der</strong><br />
Asphalttanzfläche geführt. »Das macht den Reiz aus und ist einfach <strong>der</strong> Charakter<br />
des Rennens. Aber: Je mehr schnelle Autos mitfahren, desto kritischer<br />
wird es«, sagt Werner. »In letzter Zeit gab es lei<strong>der</strong> relativ viele Unfälle. Da ist<br />
die Vernunft <strong>der</strong> Fahrer gefragt. Unser BMW Z4 GT3 ist in den Kurven so<br />
viel schneller als beispielsweise ein Zwei-Liter-Tourenwagen. Da bist du so<br />
schnell dran, dass du dich schon sehr früh darauf einstellen musst.«<br />
Trotz des immensen Erfolgsdrucks wissen die Profis: Am Ende kommt es auf<br />
das Miteinan<strong>der</strong> im rund 700 Piloten starken Starterfeld an. Eine Tradition,<br />
die sich das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring in all den Jahren bewahrt<br />
hat. Der Sieg ist das Ziel, Ankommen aber auch eine Kunst. »Vorbei ist es<br />
erst, wenn die Zielflagge gefallen ist«, sagt Hürtgen. »Aber wenn du deinen<br />
letzten Turn absolviert hast, fällt schon eine gewisse Last ab.« Schließlich muss<br />
auch die beste Party <strong>der</strong> Welt irgendwann ein Ende haben.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 109
Tim Georgi stieg<br />
aus dem ADAC<br />
Mini Bike Cup in<br />
den ADAC Junior<br />
Cup auf<br />
TALENT - TIM GEORGI<br />
IMMER IN BEWEGUNG<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
ADAC JUNIOR CUP ROOKIE TIM GEORGI WOLLTE NACH SEINEN ERSTEN FAHRVERSUCHEN GAR NICHT<br />
WIEDER VOM MOTORRAD ABSTEIGEN. DER 14-JÄHRIGE WEISS GENAU, WO SEIN WEG HINGEHEN SOLL<br />
UND SPRACH MIT DEM MOTORSPORT-MAGAZIN ÜBER ERFOLGE UND ZIELE.<br />
DIE ANFÄNGE:<br />
Mein Vater war früher Rennfahrer. Er fuhr Classic<br />
Superbike. Ich war bei den Rennen immer dabei und<br />
wollte dann auch Motorradrennfahrer werden. Dann<br />
habe ich ein Pocket Bike bekommen und damit ging<br />
alles los. Damals war ich vier Jahre alt. Wir sind auf<br />
dem Parkplatz einfach so hin und her gefahren. Das<br />
war ein toller Moment. Als ich dann ein bisschen<br />
Gefühl hatte, sind wir auf einer kleinen Kart-Bahn<br />
gefahren, wo ich mich immer weiterentwickelt habe.<br />
Das hat mir so viel Spaß gemacht, ich wollte am liebsten<br />
gar nicht wie<strong>der</strong> vom Motorrad absteigen.<br />
DIE ERFOLGE:<br />
Die letzten vier Jahre bin ich im ADAC Mini Bike Cup<br />
gefahren, zwei Jahre in <strong>der</strong> Nachwuchsklasse, zwei<br />
Jahre in <strong>der</strong> Einsteigerklasse. Mein größter Erfolg war<br />
das letzte Rennen 2013 in Wackersdorf, das ich<br />
gewinnen konnte. In <strong>der</strong> Gesamtwertung wurde ich<br />
Dritter. Nach dem ersten Rennen im ADAC Junior Cup<br />
war natürlich <strong>der</strong> Auftakt auf dem Lausitzring mein<br />
absolutes Highlight. Es hat Spaß gemacht und ich<br />
hatte von Anfang an ein gutes Gefühl. Auf <strong>der</strong> einen<br />
Seite war ich nach dem vierten Platz ein bisschen<br />
enttäuscht, nicht aufs Podest gefahren zu sein, auf<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite war ich aber auch überglücklich,<br />
dass es so gut gelaufen ist.<br />
DAS ZIEL:<br />
Langfristig gesehen würde ich gerne eines Tages in<br />
<strong>der</strong> MotoGP o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Superbike-WM fahren. Am Ende<br />
dieser Saison muss ich aber erst einmal einen guten<br />
Platz im Junior Cup einfahren. Dann werden wir<br />
sehen, wohin wir aufsteigen können. Vielleicht kann<br />
ich über die spanische Meisterschaft in die Moto3-<br />
WM kommen und dann geht es vielleicht weiter. Aber<br />
ich habe guten Beistand: 2010 habe ich Dario Giuseppetti<br />
kennengelernt. Wir verstehen uns super. Er<br />
hat natürlich viel Erfahrung und gibt mir viele hilfreiche<br />
Tipps.<br />
DIE AUSBILDUNG:<br />
Ich gehe momentan in die achte Klasse auf <strong>der</strong><br />
Sekundarschule. Das läuft gut. Meine Lieblingsfächer<br />
sind Sport und Geografie. Darin war ich schon immer<br />
gut, es scheint mir einfach zu liegen und deshalb<br />
macht es natürlich auch Spaß. In meiner Schule<br />
bekomme ich viel Unterstützung. Zum Beispiel gibt<br />
es keine Probleme, wenn ich freitags nicht erscheine,<br />
weil am Wochenende ein Rennen ansteht. Weil ich<br />
ab und an fehle, heißt das aber nicht, dass ich ein<br />
schlechter Schüler bin.<br />
DIE HOBBIES:<br />
Ich bin viel skaten. Wir haben hier in Berlin einige<br />
Skaterbahnen. Außerdem fahre ich Dirt-Bike - also<br />
mit dem Fahrrad. Nicht weit von mir ist ein Dirt-Bike-<br />
Park, da treffe ich nachmittags oft meine Freunde.<br />
Ich mache jeden Tag Sport. Wenn ich mal kein Rennwochenende<br />
habe, versuche ich, auf dem Motorrad<br />
zu trainieren. Nur etwa 15 Kilometer von uns entfernt<br />
ist eine Motocross-Strecke, dort fahre ich so oft ich<br />
kann. Fußball spiele ich auch hin und wie<strong>der</strong>. Ich habe<br />
immer etwas zu tun.<br />
Georgi ist<br />
För<strong>der</strong>kandidat<br />
<strong>der</strong> ADAC<br />
Stiftung Sport<br />
110 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DER<br />
STAR-MAGNET<br />
Die »Liga <strong>der</strong> Supersportwagen« wird zur »Champions<br />
League«: Auf dem Lausitzring drückte niemand<br />
an<strong>der</strong>es als Rallye-Weltmeister und Superstar<br />
Sebastien Ogier dem ADAC GT Masters mit<br />
zwei starken Auftritten seinen Stempel auf. Und<br />
auch <strong>der</strong> ehemalige <strong>Formel</strong>-1-Pilot Jaime Alguersuari<br />
begeistert in dieser Saison die <strong>Motorsport</strong>fans<br />
an den Strecken. Nach seinem Debüt hat <strong>der</strong> Spanier<br />
Blut geleckt und tritt in einem Flügeltürer-<br />
Mercedes von ROWE Racing an.<br />
M. Winkelhock, S.<br />
Ogier, A. Kaiser,<br />
H.-H. Frentzen &<br />
J. Alguersuari<br />
Die ADAC Rallye<br />
Deutschland live<br />
erleben<br />
MotoGP auf dem<br />
Sachsenring<br />
FOTOS: ADAC MOTORSPORT, MILAGRO<br />
Die ADAC MX Academy<br />
legte 2013 einen<br />
fulminanten Start hin<br />
SUPER-SPRINT-SPECIAL AUF DER<br />
PANZERPLATTE<br />
Aus spektakulär wir noch spektakulärer: Die Arena Panzerplatte<br />
- legendäre Wertungsprüfung <strong>der</strong> ADAC Rallye<br />
Deutschland - wird 2014 um eine rund drei Kilometer lange<br />
Sprint-Prüfung erweitert! Für die Fans bietet sich so eine<br />
weitere Chance, die Ausnahmefahrer Sebastien Ogier,<br />
Robert Kubica, Jari-Matti Latvala und Thierry Neuville am<br />
absoluten Limit zu bestaunen. Dabei ist von den Zuschauerbereichen<br />
nahezu die gesamte Strecke einsehbar.<br />
MOTORRADSPORT<br />
DELUXE: MOTOGP AUF<br />
DEM SACHSENRING<br />
Der Countdown läuft! Vom 11. bis 13. Juli geben die Superstars des<br />
Motorradsports auf dem legendären Sachsenring die alljährliche Kostprobe<br />
ihres außergewöhnlichen Könnens: Überflieger Marc Marquez, Altmeister<br />
Valentino Rossi, Doppelweltmeister Jorge Lorenzo, Lokalmatador Stefan<br />
Bradl und Vierfachsieger Dani Pedrosa in Action - ein Muss für wahre<br />
Motorrad-Fans! Auch die Piloten des ADAC Junior Cup powered by KTM<br />
wollen sich vor den Augen ihrer großen Idole und <strong>der</strong> 200.000 Fans beim<br />
Saisonhighlight beweisen!<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 111
PORSCHE 911 GT3 CUP<br />
OPTISCHER<br />
HINGUCKER<br />
TEXT: ANNIKA KLÄSENER<br />
ZAWOTEC RACING TRITT MIT DEM PORSCHE 911 GT3 CUP (TYP 991) IM PORSCHE CARRERA CUP AN. DAS<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN WIRFT EINEN BLICK UNTER DIE HAUBE DES 171.600 EURO TEUREN SUPERSPORTWAGENS.<br />
112 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
MOTOR: Im Heck sorgt ein Sechszylin<strong>der</strong>-<br />
Aluminium-Boxermotor für Antrieb. Bei 7.500<br />
Umdrehungen pro Minute setzt er maximal 460<br />
PS frei. Er verfügt über eine Wasserkühlung mit<br />
Thermomanagement für Motor und Getriebe<br />
sowie ein elektronisches Motormanagement von<br />
Bosch. Mittels sequentieller Multi-Point-Kraftstoffeinspritzung<br />
gelangt das Benzin - Superplus<br />
bleifrei mit mindestens 98 Oktan - in die<br />
Verbrennungsräume.<br />
KRAFTÜBERTRAGUNG: Das sequentielle<br />
Sechsgang-Klauengetriebe wird ab 2014 mit<br />
pneumatischen Schaltwippen am Lenkrad<br />
bedient. Es verfügt über eine Drei-Scheiben-<br />
Sintermetall Rennsportkupplung, ein mechanisches<br />
Sperrdifferenzial und eine interne<br />
Druck-Ölschmierung mit aktiver<br />
Ölkühlung.<br />
KAROSSERIE:<br />
Die Leichtbaukarosserie<br />
in Aluminium-Stahl-Verbundbauweise<br />
verfügt über<br />
einen eingeschweißten Überrollkäfig, <strong>der</strong> nach<br />
FIA Homologationsvorschriften zertifiziert<br />
wurde. Im Vergleich zur Serie sind die Kotflügel<br />
breiter, die hinteren Radhäuser größer sowie<br />
Bug- und Heckverkleidung modifiziert. Türen,<br />
Heckdeckel und -flügel bestehen aus kohlenstofffaserverstärktem<br />
Kunststoff. Die Scheiben<br />
sind aus einem Kunststoff gefertigt, <strong>der</strong> auch für<br />
Flugzeugfenster verwendet wird.<br />
FAHRWERK: Die MacPherson-Fe<strong>der</strong>beine an<br />
<strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>achse sind in Höhe, Sturz und Spur<br />
einstellbar, ebenso wie die Mehrlenker-Hinterachse.<br />
Die Rennsport-Stoßdämpfer sind dagegen<br />
nicht verstellbar. Die Schmiedelenker sind Steifigkeitsoptimiert,<br />
zweischnittig angebunden und<br />
verfügen über Hochleistungsgelenklager. Weitere<br />
Merkmale des Fahrwerks sind geschmiedete<br />
Stützlager und ein beidseitig verstellbarer<br />
Schwertstabilisator<br />
BREMSEN: Der Porsche 911 GT3 Cup (Typ<br />
991) verfügt über zwei getrennte Bremskreise<br />
für Vor<strong>der</strong>- und Hinterachse, die vom Fahrer<br />
über ein Waagebalkensystem reguliert werden<br />
können. An <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>achse spannen Sechskolben-Aluminium-Monobloc-Rennbremssättel<br />
die Rennbremsbeläge auf mehrteilige, innenbelüftete<br />
und geschlitzte Stahlbremsscheiben mit<br />
einem Durchmesser von 380 Millimetern. An<br />
<strong>der</strong> Hinterachse wirken Vierkolben-<br />
Aluminium-Monobloc-Rennbremssättel.<br />
ELEKTRIK: Cosworth liefert sowohl das Farb-<br />
Display als auch das Bordnetzsteuergerät. Die<br />
Lichtanlage besteht aus Bi-Xenon-Hauptscheinwerfern,<br />
einem LED-Tagfahrlicht und Rückleuchten<br />
sowie Regenlicht in LED-Technik. Die<br />
12-Volt-Batterie ist auslaufsicher im Beifahrerfußraum<br />
untergebracht.<br />
i<br />
ZaWotec Racing wurde im Jahr 2010 neugegründet.<br />
Seitdem gewann das Team den<br />
Meistertitel in <strong>der</strong> Gruppe N <strong>der</strong> BMW 325<br />
Challenge, den KTM X-Bow Battle und den<br />
Porsche Alpenpokal. 2013 stieg ZaWotec,<br />
das auf zehn Jahre <strong>Motorsport</strong>-Erfahrung<br />
zurückblicken kann, in den Porsche Carrera<br />
Cup ein und war im Premierenjahr gleich<br />
das beste Rookie-Team.<br />
FOTOS: TEAM ZAWOTEC<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 113
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