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Musterdokument LeWe Aktuell - Ledder Werkstätten

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lewe aktuell<br />

Nummer 15 | Ausgabe 1.2013<br />

Das Hausmagazin der<br />

Im Fokus:<br />

„Spezialisten“ in der<br />

Werkstatt: Was sie<br />

brauchen, wie wir sie<br />

fordern und fördern<br />

<strong>Aktuell</strong>es:<br />

Kooperation mit Kreis<br />

ausgezeichnet: Unsere<br />

MüBo holt Bundespreis


Im Überblick<br />

Impressum<br />

Preis für MüBo<br />

Wertvolle Arbeitsplätze,<br />

Partnerschaft<br />

auf Augenhöhe,<br />

öffentliche Wahrnehmung:<br />

Mit dem<br />

Kreis haben wir den<br />

„exzellent“-Preis für<br />

die MüBo geholt.<br />

Seiten 10/11<br />

Menschen in<br />

der Werkstatt<br />

lewe aktuell hat<br />

mit Patrick Kröger<br />

(rechts) gesprochen.<br />

Was motiviert ihn?<br />

Wie wichtig ist sein<br />

neues Werkstatt-Umfeld<br />

für ihn?<br />

Im Fokus<br />

Menschen mit psychischer<br />

Behinderung und Berufserfahrung:<br />

Was müssen wir<br />

ihnen bieten? Was können<br />

und wollen sie leisten?<br />

ab Seite 4<br />

Wir feiern Kulturfest<br />

Nach Pfingsten feiern wir<br />

Kulturfest. Alle fünf Jahre<br />

tun wir das und jetzt, zum<br />

45. <strong>LeWe</strong>-Geburtstag, haben<br />

wir uns wieder eine<br />

Menge einfallen lassen.<br />

Seite 18<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Ledder</strong> Werkstätten<br />

des Diakonischen Werkes<br />

im Kirchenkreis Tecklenburg<br />

gemeinnützige GmbH<br />

<strong>Ledder</strong> Dorfstraße 65<br />

49545 Tecklenburg<br />

Telefon 05482 72-0<br />

Fax 05482 72-138<br />

info@ledderwerkstaetten.de<br />

www.ledderwerkstaetten.de<br />

Verantwortlich für den Inhalt:<br />

Ralf Hagemeier<br />

Geschäftsführung<br />

Redaktion und Fotos:<br />

Jörg Birgoleit<br />

Telefon 05482 72-234<br />

j.birgoleit@ledderwerkstaetten.de<br />

Heinz Bischoff, Sandra Tietmeyer<br />

Gestaltung:<br />

Melanie Kother<br />

Telefon 05482 72-124<br />

m.kother@ledderwerkstaetten.de<br />

Erscheinungsweise:<br />

vier Ausgaben pro Jahr<br />

Auflage:<br />

3.000 Exemplare<br />

Konto:<br />

Kreissparkasse Steinfurt<br />

Konto 31 000 599<br />

BLZ 403 510 60<br />

Unser Titelfoto zeigt<br />

Ministerin Christine Haderthauer<br />

mit Landrat Thomas<br />

Kubendorff, Kreis-Projektmanagerin<br />

Martina Borgschulte<br />

(rechts) und Geschäftsführer<br />

Ralf Hagemeier.<br />

Das Editorialfoto zeigt<br />

Landrat Thomas Kubendorff,<br />

Kreis-Projektmanagerin<br />

Martina Borgschulte und Geschäfsführer<br />

Ralf Hagemeier.<br />

lewe aktuell 1.2013


Editorial<br />

Verlässliche Netzwerke sind<br />

eine unserer großen Stärken<br />

Die <strong>Ledder</strong> Werkstätten werden 45 Jahre<br />

– das sind auch 45 Jahre in der Region. Das<br />

sind die Beschäftigten und ihre Familien, die hier<br />

leben. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die<br />

täglich für Menschen mit Behinderungen im Einsatz<br />

sind. Geschäftspartner, Betriebe, Kommunen und<br />

Kirchengemeinden, die uns Aufträge geben und<br />

mit uns zusammenarbeiten. Und das sind Sie, liebe<br />

Leserinnen und Leser, die Sie uns vielleicht nicht<br />

so gut kennen, aber wissen, dass wir da sind. „Gut,<br />

dass es die gibt!“ Vielleicht denken Sie das und das<br />

zeugt von Vertrauen in unsere Arbeit.<br />

Verlässliche Netzwerke sind nämlich eine unserer<br />

großen Stärken. Ein ganz besonderes will ich hier<br />

nennen, denn für diese Kooperation haben wir<br />

gemeinsam mit dem Kreis Steinfurt eine bundesweite<br />

Auszeichnung bekommen: den Preis „exzellent:<br />

kooperation“ der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM).<br />

Jährlich zeichnet unsere Dachorganisation auf<br />

der „Werkstätten:Messe“ in Nürnberg besondere<br />

regionale Konzepte aus.<br />

Kennen Sie die „Münsterland Botschaft“? Das<br />

ist diese handliche Präsentkiste mit Produkten,<br />

die ausschließlich aus unserer Region stammen.<br />

Schinken und Pralinés, Bierspezialitäten und<br />

Schwarzbrot und auch unsere k-lumets und Kerzen<br />

entdeckt man in der „MüBo“. Seit über zwei Jahren<br />

sind wir strategischer Hauptpartner des Kreises,<br />

denn wir – also unsere Beschäftigten in Teams mit<br />

Mitarbeitern – packen die saisonal wechselnden<br />

Produkte, organisieren Lagerhaltung, Bestellungen<br />

und Versand.<br />

Wirtschaft, Tourismus und soziales Handeln gehen<br />

Hand in Hand. Der Wert liegt im gegenseitigen<br />

Nutzen, denn die Kooperationspartner haben ein<br />

gemeinsames Ziel. Das würdigt die BAG-Jury;<br />

lewe aktuell 1.2013<br />

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer hat<br />

Landrat Thomas Kubendorff und uns am 14. März<br />

den Preis in Nürnberg verliehen. Lesen Sie unsere<br />

Seiten 10 und 11.<br />

Ganz anderes Thema: Die Werkstatt ist groß und<br />

die Vielfalt der beruflichen Hintergründe der<br />

Menschen, die viele mitbringen, ebenso. Da ist es<br />

nur konsequent, dass wir einigen spezielle Arbeiten<br />

anbieten, die das berücksichtigen, ohne sie zu<br />

überfordern. Wir stellen einige dieser „Spezialisten“<br />

in den Fokus: Was bedeutet Werkstatt für sie? Wie<br />

schätzen sie ihre Entwicklung ein?<br />

Wohin wir uns im ersten Quartal dieses Jahres<br />

räumlich erweitert haben (Berufsbildung<br />

in Ladbergen), was wir planen (Kulturtage im<br />

Mai), wo uns Netzwerke außerdem noch helfen<br />

(Sponsorenlauf), wie fachlich und gut informiert<br />

unser Werkstattrat auftritt (als Gast im Rathaus<br />

Ibbenbüren), darüber können Sie ab Seite 12<br />

lesen.<br />

Herzlichst,<br />

Ihr<br />

Ralf Hagemeier<br />

Geschäftsführung


Im Fokus<br />

Was sie täglich brauchen, was wir für sie tun<br />

können: „Spezialisten“ an ihrem Arbeitsplatz<br />

„Spezialist“, sagt der Duden, bedeutet „Fachmann“.<br />

Man denkt an Handwerker, die ihr Gewerk<br />

beherrschen. An Ingenieure, die komplizierte Technik<br />

konstruieren. Aber an Personen mit Behinderungen?<br />

300 Menschen mit psychischen Behinderungen,<br />

ein Viertel unserer Beschäftigten, bilden auch einen<br />

kleinen Querschnitt der Gesellschaft ab. Dazu<br />

zählen Handwerker und Hauswirtschafterinnen,<br />

Facharbeiter und Ingenieure. Einige bringen<br />

(langjährige) berufliche Kenntnisse mit und sind im<br />

Laufe ihres Berufslebens durch eine Vielzahl von<br />

möglichen Gründen chronisch psychisch erkrankt.<br />

Ihnen adäquate Arbeit, den sicheren Rahmen<br />

der Werkstatt, aber zugleich ein neues Ziel im<br />

Arbeitsleben anzubieten, ist unsere professionelle<br />

Aufgabe. lewe aktuell hat einige „Spezialisten“ an<br />

ihren Arbeitsplätzen besucht.<br />

Im Untergeschoss unserer <strong>Ledder</strong> Großküche<br />

herrscht ständiges Kommen und Gehen, was<br />

Bernd von der Assen in keinster Weise irritiert. Seit<br />

zehn Jahren ist der 38-Jährige bei uns und seit<br />

Bernd von der Assen (38) prüft seit mittlerweile neun Jahren<br />

ortsveränderbare elektrische Geräte. Das macht er mit großer Sorgfalt.<br />

neun Jahren mit der Überprüfung so genannter<br />

ortsveränderbarer elektrischer Geräte beauftragt.<br />

Bohrmaschinen, Drucker, Wäschetrockner und<br />

Der Fachmann für alle Lötarbeiten bei Schnieders<br />

an der Glücksburger Straße: Michael Pott. Der<br />

Ibbenbürener arbeitet äußerst akkurat.<br />

alle Geräte, die einen Stecker haben. Er prüft den<br />

Schutzleiterwiderstand, speichert<br />

Daten und klebt, falls der Messwert<br />

okay ist, ein Prüfsiegel aufs Gerät.<br />

5000 davon, schätzt er, gebe es<br />

in der Einrichtung – Arbeit für acht<br />

Beschäftigte, die abwechselnd, ohne<br />

Zeitdruck, mit ihren Prüfgerätekoffern<br />

unterwegs sind. Bernd von der Assen,<br />

der neben seinen psychischen<br />

Beeinträchtigungen auch Autist ist,<br />

mag dieses selbstständige Arbeiten.<br />

Nach dem Abi in Tecklenburg lernte er<br />

Bürokaufmann, war lange arbeitslos<br />

und bald zeichnete sich ab: Er war<br />

auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht<br />

vermittelbar, wie es im Amtsdeutsch<br />

heißt.<br />

Das akribische Prüfen der Geräte<br />

liegt ihm. Er hat Unterweisungen<br />

unserer Elektrofachleute bekommen<br />

und damit die Routinen entwickelt, die<br />

man für so eine technische Aufgabe<br />

braucht. Eine Beschäftigung, die zu<br />

seinem Fähigkeitsprofil passt und die<br />

er auch nach neun Jahren mag.<br />

„15 Minuten!“ Kerstin Brinker und Nicole Daut<br />

wissen exakt, wie lange der Fußweg von unserer<br />

Ibbenbürener Betriebsstätte Gausepohl zum<br />

lewe aktuell 1.2013


Im Fokus<br />

Caritas-Altenwohnhaus dauert. Mehrmals in der<br />

Woche gehen sie in die Synagogenstraße 10. Die<br />

Senioren dort grüßen freundlich zurück, wenn sie<br />

ihren Wäschewagen durch die Bereiche rollen.<br />

Ziel sind die sechs Pflegearbeitsräume, wo sie die<br />

Verantwortung für die Schmutzwäsche und den Müll<br />

tragen. Beides ist zu sortieren, zur Wäscherei im<br />

Keller oder den Containern im Innenhof zu bringen.<br />

Die jungen Frauen sind ein eingespieltes Team,<br />

dem die Arbeit gut von der Hand geht.<br />

Kerstin Brinker (26) und Nicole Daut (27) machen<br />

den Wäschedienst seit anderthalb Jahren. Die<br />

Ibbenbürenerinnen haben in ihren Betriebsstätten<br />

Gausepohl und Zwenger weitere Aufgaben, aber nur<br />

für den Wäschedienst verlassen sie die Werkstatt.<br />

Räumliche Selbstständigkeit und eine Aufgabe,<br />

die Zuverlässigkeit verlangt. Dass es prima klappt,<br />

bestätigt Rita Stegemann-Bücker. Die Kooperation<br />

mit uns habe sich „super entwickelt“. Zwar sorgten<br />

76 Senioren für einige Schmutzwäsche, aber die<br />

Frauen könnten sich ihren Dienst zeitlich einteilen<br />

– und die Caritas-Mitarbeiter fühlten sich ein<br />

wenig entlastet, berichtet die Pflegedienstleitung.<br />

Draußen fegt Ralf Wiedkamp. Mit drei weiteren<br />

Beschäftigten sorgt er regelmäßig für Sauberkeit<br />

rund ums Haus und sammelt Müll auf. Auf diese<br />

Im Arbeitsraum von Andrej Benz ist es vollkommen ruhig und höchstens<br />

ein weiterer Kollege ist dort beschäftigt. In dieser Umgebung montiert<br />

und prüft der gebürtige Sibirier so genannte Druckwächter.<br />

Solche Schütteinsätze für Brötchentheken fertigen Dominik<br />

Jänsch (links) und Tobias Welp bei Gausepohl. Ein<br />

Einsatz besteht aus 200 angelieferten Einzelteilen.<br />

Weise sind etwa zehn Beschäftigte regelmäßig im<br />

Caritas-Altenwohnhaus.<br />

Dominik Jänsch schaut mit prüfendem Blick auf die<br />

Glasfront. Die Abstandsfugen<br />

müssen stimmen. Seit<br />

vergangenem Jahr lässt<br />

die Berner Ladenbau<br />

GmbH aus Osnabrück bei<br />

uns Schütteinsätze für<br />

Brötchentheken fertigen. Das<br />

sind diese stets gut befüllten<br />

SB-Theken für Backwaren in<br />

den Supermärkten. Es geht<br />

um Lebensmittel, da muss<br />

alles sauber und akkurat<br />

gefertigt sein. Das weiß der<br />

24-jährige Ibbenbürener.<br />

200 Einzelteile gehören zu<br />

so einem Schütteinsatz. Die<br />

Osnabrücker Ladenbauer<br />

liefern alles und etwa<br />

sechs Beschäftigte<br />

gehören inzwischen zum<br />

festen Montage-Team<br />

unserer Betriebsstätte<br />

Gausepohl. Mitarbeiter<br />

haben das passende<br />

lewe aktuell 1.2013


Im Fokus<br />

Kerstin Brinker (links) und Nicole Daut sind jede Woche im Caritas-<br />

Altenwohnhaus an der Synagogenstraße, sammeln und sortieren dort<br />

Schmutzwäsche und entsorgen den Abfall auf den Stationen.<br />

Umfeld geschaffen: Dominik hatte früher, vor<br />

seiner Erkrankung, eine Malerlehre begonnen. Mit<br />

anderen Beschäftigten verpasste er der Ladenbau-<br />

Werkstatt einen frischen Anstrich.<br />

Die Mitarbeiter konstruierten<br />

verschiedene Vorrichtungen für<br />

die Arbeitsschritte, die außerdem<br />

in Bildern und Infos rund ums<br />

Produkte dargestellt werden. Alle<br />

Schritte sind gut nachvollziehbar,<br />

jeder Einsatz von Technik wird auf<br />

die Möglichkeiten angepasst. Weil<br />

der Rahmen stimmt, arbeiten alle<br />

gerne am Produkt und übernehmen<br />

und erlernen systematisch<br />

verschiedene Aufgaben.<br />

Tobias Welp zum Beispiel setzt<br />

gerade die gläsernen Frontklappen<br />

zusammen. Der 40-jährige<br />

Ibbenbürener ist, ebenso wie<br />

Dominik Jänsch, noch nicht sehr<br />

lange bei uns. Beide erfahren ihre<br />

regelmäßige berufliche Bildung<br />

und haben mit dem Ladenbau eine<br />

Aufgabe gefunden, die ihnen täglich<br />

das entscheidende Stück Stabilität<br />

gibt.<br />

200 Schütteinsätze haben die Frauen<br />

und Männer in 2012, 80 schon in<br />

diesem Jahr zusammengebaut. Und<br />

wenn sie einkaufen, sehen sie „ihre“<br />

Produkte.<br />

Die Arbeit in der Ibbenbürener<br />

Betriebsstätte Schnieders ist ebenso<br />

vielfältig: Elektromontage, Schalterbau,<br />

Lötarbeiten – das leisten 35 Menschen<br />

mit psychischen Behinderungen an<br />

der Glücksburger Straße. Michael<br />

Pott, seit bald 13 Jahren da, lötet<br />

Verbindungsstecker oder Platinen mit<br />

großer Genauigkeit. Früher habe er im<br />

elterlichen Betrieb gearbeitet, aber der<br />

sei dann verkauft worden und er drei<br />

Jahre lang arbeitslos gewesen, erzählt<br />

der heute 56-Jährige. Der Ibbenbürener<br />

ist früh erkrankt, wurde schon in den<br />

80er Jahren stationär behandelt. Die<br />

Werkstatt und ihr geregelter Arbeitstag,<br />

seine Akkuratesse, die für die Funktion<br />

der technischen Produkte wichtig ist,<br />

das soziale Umfeld bekannter Kollegen – Michael<br />

Pott weiß das zu schätzen.<br />

Matthias Giese leistet verschiedene Computerarbeiten in unserer Betriebsstätte<br />

Zwenger. Die akuten Phasen seiner psychischen Erkrankung sind<br />

seltener geworden. Das strukturierte Arbeitsumfeld hilft ihm dabei.<br />

lewe aktuell 1.2013


Im Fokus<br />

Erst drei Jahre ist Andrej Benz bei uns. Vorher<br />

stand er bei Karmann in Osnabrück am Band.<br />

Schichtarbeit, hohe Dauerbelastung, die erste<br />

Psychose, Eheprobleme. Der 38-Jährige erkrankte<br />

psychisch. Heute setzt er komplizierte Druckwächter<br />

für ein Lengericher Unternehmen zusammen. Das<br />

sind Sicherheitsschalter, die aus vielen Einzelteilen<br />

bestehen und mit Messgeräten auf ihre spätere<br />

Funktion überprüft werden<br />

müssen. In seinem Arbeitsraum<br />

ist es vollkommen ruhig, denn<br />

exakt diese Umgebung braucht<br />

der gebürtige Sibirier, um solche<br />

komplizierten Bauteile täglich<br />

und gerne zu fertigen.<br />

Etwas unruhiger geht´s in der<br />

Fahrersitzung wenig später<br />

zu. Zwölf Fahrer und Beifahrer<br />

setzen sich jeden Dienstag in<br />

der Betriebsstätte Dierkes zusammen<br />

und sprechen den<br />

Wochenplan ab. Auch sie sind<br />

Spezialisten, transportieren<br />

Material von A nach B, holen<br />

Essen vom Caterern, liefern<br />

Waren aus und fahren Beschäftigte.<br />

Dazu gehören<br />

auch Absprachen oder der<br />

Fahrzeugcheck alle zwei<br />

Wochen. Zwei Mitarbeiter<br />

sind stets dabei; man bemerkt<br />

sofort die Routinen, in denen<br />

Verlässlichkeit und präzise<br />

Zeitplanung eine wichtige Rolle<br />

spielen.<br />

Schule, Ausbildung zur<br />

Fachkraft für Lagerlogistik,<br />

2001 Zivildienst bei den<br />

<strong>Ledder</strong> Werkstätten: Alles lief<br />

gut für Matthias Giese, bis er<br />

2004 psychisch erkrankte. Es<br />

folgten stationäre Aufenthalte,<br />

Versuche der beruflichen Wiedereingliederung,<br />

Praktika in<br />

Firmen. 2007 ging der heute<br />

31-Jährige den Schritt in die<br />

Werkstatt und leistet inzwischen<br />

vielfältige PC-Arbeiten in<br />

der Betriebsstätte Zwenger.<br />

Wenn es ihm schlecht gehe, stelle das besondere<br />

Anforderungen an sein Arbeitsumfeld, weiß er den<br />

Werkstatt-Rahmen zu schätzen. Die zermürbenden<br />

Krankheitsphasen sind seltener geworden, doch es<br />

gibt sie. Dann braucht er Verständnis, nicht Druck,<br />

persönliche Freiräume, nicht straff organisierte<br />

Abläufe. Sein Erfolg ist es, dass er täglich kommt.<br />

Nicht zuletzt wegen der facettenreichen Tätigkeit.<br />

Tobias Welp setzt gerade die gläsernen<br />

Frontklappen der Schütteinsätze zusammen.<br />

lewe aktuell 1.2013


Fünf Fragen an ...<br />

. . . Bernhard Wilbers<br />

Bernhard Wilbers ist als Teamleiter Rehabilitanden/Schwerbehinderte<br />

bei der Agentur<br />

für Arbeit in Rheine tätig und seit 1982<br />

Fachmann für den Rehabilitationsbereich. Sein<br />

Zuständigkeitsbereich umfasst alle Werkstätten<br />

im Kreis Steinfurt. Wilbers lebt mit seiner Familie<br />

in Rheine.<br />

Frage 1:<br />

Sie sind seit über 30 Jahren für die Arbeitsagentur im<br />

Bereich Rehabilitation tätig. Erklären Sie bitte kurz<br />

die Rolle des Fachausschusses, der regelmäßig bei<br />

uns tagt und in dem Sie Mitglied sind?<br />

In jeder Werkstatt für behinderte Menschen<br />

muss ein Fachausschuss (FAS) gebildet werden.<br />

Der Fachausschuss entscheidet darüber, wer<br />

in die <strong>Ledder</strong> Werkstätten aufgenommen wird.<br />

Kostenträger, wie die Agentur für Arbeit oder<br />

die Träger der Rentenversicherung, schlagen<br />

Antragsteller für eine Aufnahme in die WfbM<br />

vor. Der FAS prüft, ob die Voraussetzungen für<br />

eine Aufnahme erfüllt sind. Bei Vorliegen der<br />

Voraussetzungen wird der Aufnahme zugestimmt.<br />

Der Fachausschuss besteht aus je einem Vertreter<br />

der Werkstatt, des Landschaftsverbandes Westfalen-<br />

Lippe als Träger der Sozialhilfe und der Agentur für<br />

Arbeit. Entscheidungen sollten einstimmig getroffen<br />

werden.<br />

Frage 2:<br />

Wie sehr hat sich über die Jahrzehnte die Rolle<br />

von Werkstatt verändert? Wo haben sich neue<br />

Formen der Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur<br />

entwickelt?<br />

Werkstätten arbeiten in der bisherigen Form seit gut<br />

40 Jahren. Aus kleinen Einheiten sind inzwischen<br />

große Unternehmen geworden, die ein breites<br />

Spektrum an verschiedenen Arbeitsmöglichkeiten<br />

anbieten. Der Personenkreis der Beschäftigten<br />

hat sich stark verändert. Zunächst haben in den<br />

Werkstätten nur Menschen gearbeitet, die häufig<br />

von Geburt an behindert waren oder in jungen<br />

Jahren erkrankt sind. Sie hatten in der Regel<br />

keine beruflichen Vorerfahrungen und haben in<br />

ihrem Berufsleben fast ausschließlich in einer<br />

Behinderteneinrichtung gearbeitet. Das hat sich<br />

Jedes Jahr wieder dabei: Bernhard Wilbers (zweiter von rec<br />

Begegnung“ im vergangenen November. Im Fachausschuss<br />

geändert. Zu den Beschäftigten, die jung in die<br />

Werkstätten aufgenommen wurden und auch<br />

weiterhin werden, sind Menschen gekommen, die<br />

nach mehr- oder langjähriger Tätigkeit in Betrieben<br />

erkrankt sind und dort nicht mehr arbeiten können.<br />

Ebenso sind verstärkt Menschen mit psychischen<br />

Problemen hinzugekommen. Aufgrund ihrer<br />

Erkrankung, aber auch eines unterschiedlichen<br />

Werdeganges werden von psychisch behinderten<br />

Menschen andere Tätigkeiten und Arbeiten, auch eine<br />

andere Form der Betreuung, eingefordert. Auch für<br />

sie müssen Möglichkeiten zu sinnvollen Tätigkeiten<br />

in einer WfbM gefunden werden, die sicherlich<br />

teilweise anders zu gestalten sind. Insgesamt<br />

bleibt festzustellen, dass der Personenkreis der<br />

Beschäftigten deutlich vielschichtiger geworden ist<br />

und damit die WfbM vor andere Herausforderungen<br />

stellt.<br />

Zunehmend wird geprüft, für einzelne behinderte<br />

Menschen Möglichkeiten für eine Rückkehr auf den<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. In Einzelfällen<br />

ist das in Zusammenarbeit verschiedener Stellen,<br />

auch mit der Agentur für Arbeit, gelungen.<br />

Vermehrt werden aus Haupt- oder Realschulen<br />

Jugendliche entlassen, die auf Wunsch der Eltern<br />

mit verschiedenen Behinderungsbildern integrativ<br />

lewe aktuell 1.2013


Fünf Fragen an ...<br />

hts) am Stand der Agentur für Arbeit bei unserem „Tag der<br />

ist der Rheinenser kompetenter Partner der Arbeitsagentur.<br />

beschult worden sind. Eltern und Jugendliche<br />

selbst erwarten, dass ihnen möglichst eine Tätigkeit<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder eine<br />

arbeitsmarktnahe Tätigkeit in einer WfbM angeboten<br />

werden kann. Werkstätten werden daher ihr Angebot<br />

verändern und anpassen müssen. Angebote<br />

könnten unter dem Dach einer Werkstatt in Form von<br />

Außenarbeitsplätzen oder in besonderen, möglichst<br />

arbeitsmarktnahen Arbeitsgruppen innerhalb der<br />

Werkstatt erfolgen. Um das zu erreichen, muss die<br />

Zusammenarbeit aller Beteiligten weiter verbessert<br />

und intensiviert werden.<br />

Frage 3:<br />

Welche Faktoren wären wichtig, damit trotz des<br />

Strukturwandels in der „traditionellen“ Erwerbsarbeit<br />

weiter Menschen mit Behinderung möglichst<br />

viel Teilhabe am wertschöpfenden Prozess der<br />

Gesellschaft behalten?<br />

Das Thema „Inklusion“ ist in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung angekommen. In Schulen wird es<br />

bereits gelebt. Eltern können für ihre Kinder inzwischen<br />

auch Schulen außerhalb der Förderschulen wählen.<br />

Beim Thema „Arbeit“ ist das zurzeit noch anders.<br />

In Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes<br />

lewe aktuell 1.2013<br />

wird die Leistungsfähigkeit von behinderten<br />

Mitarbeitern oft noch falsch eingeschätzt. Dabei sind<br />

Menschen mit Behinderungen oft hoch motiviert<br />

und leistungsbereit. Auch bestehen technische<br />

Möglichkeiten, Arbeitsplätze „behindertengerecht“<br />

einzurichten. Die Kostenträger für Maßnahmen<br />

zur Teilhabe am Arbeitsleben, u. a. die Agentur für<br />

Arbeit, sind jederzeit bereit, über Hilfsmöglichkeiten<br />

zu informieren.<br />

Alle Beteiligten an der Integration von Menschen mit<br />

Behinderungen sind jedoch auf die Bereitschaft der<br />

Arbeitgeber angewiesen. Nur wenn Unternehmen<br />

bereit sind, Menschen mit Behinderungen eine<br />

Chance zu geben, haben Kostenträger auch die<br />

Möglichkeit, eine Integration zu fördern. Arbeit<br />

wird in Deutschland nach wie vor von Arbeitgebern<br />

angeboten. Kostenträger können nur einen<br />

Arbeitsplatz oder Mitarbeiter bei bestehender<br />

Einstellungsbereitschaft der Arbeitgeber fördern.<br />

Es gibt Betriebe und auch Behörden, die Mitarbeitern<br />

mit Behinderungen eine Chance geben. Ihre Zahl<br />

darf jedoch durchaus noch wachsen.<br />

Frage 4:<br />

Welche Erkenntnis, aus Ihrer langjährigen Erfahrung,<br />

hat Ihre Sichtweise auf Menschen mit Behinderung<br />

am meisten beeinflusst?<br />

Während meiner Tätigkeit habe ich unterschiedliche<br />

Erfahrungen gemacht. Eine Behinderung zu<br />

haben, ist in unserer Gesellschaft nicht leicht.<br />

Beeindruckt hat mich aber immer wieder die<br />

Bereitschaft von behinderten Menschen, ihre<br />

Behinderung anzunehmen und trotzdem eine<br />

positive Haltung zum Leben und gleichzeitig eine<br />

hohe Leistungsbereitschaft und Motivation für eine<br />

Tätigkeit zu entwickeln.<br />

Frage 5:<br />

Mal angenommen, Sie hätten für die Menschen mit<br />

Behinderung einen Wunsch frei: Was würden Sie<br />

ihnen in unserer heutigen Gesellschaft wünschen?<br />

Ich hätte einen Wunsch, der aus zwei Teilen<br />

besteht, die jedoch miteinander verbunden sind: ein<br />

angemessenes, möglichst selbstbestimmtes Leben<br />

in der Gesellschaft und optimale arbeitsmarktliche<br />

Rahmenbedingungen für Menschen mit Handicap in<br />

einer Gesellschaft, die sich immer mehr über Arbeit<br />

und Schnelllebigkeit definiert.


<strong>Aktuell</strong>es<br />

Nachhaltige Netzwerke: Wir holen mit dem<br />

Kreis Steinfurt den „exzellent:kooperation“-Preis<br />

Ein Plus an Wahrnehmung unserer Beschäftigten<br />

im öffentlichen Leben. Ein sichtbares Stück<br />

Wertschätzung, weil sie als gleichberechtigte<br />

Partner auftreten. Eine gute Arbeit, die Potenzial<br />

für differenzierte und dauerhafte Arbeitsplätze<br />

birgt. Der Werbefaktor für den Tourismus vor der<br />

Haustür, denn heimische Produkte mit hoher<br />

Qualität sind hervorragende Botschafter. Und nicht<br />

zuletzt der Mehrwert für die Lieferanten, die ja auch<br />

Produzenten sind, denn sie finden einen neuen<br />

(wachsenden) Absatzmarkt: Die „Münsterland<br />

Botschaft“, seit zwei Jahren bestens eingeführt<br />

als „MüBo“, ist ein schönes Beispiel, wie regionale<br />

Netzwerke erfolgreich, werbewirksam und sozial<br />

nachhaltig arbeiten können.<br />

Am 14. März hat die bayerische Staatsministerin<br />

Christine Haderthauer unserem Geschäftsführer Ralf<br />

Hagemeier und Thomas Kubendorff als Landrat des<br />

Kreises Steinfurt für dieses Projekt den „exzellent:<br />

kooperation“-Preis der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM)<br />

auf der „Werkstätten:Messe“ in Nürnberg überreicht.<br />

Die hochkarätig mit Fachleuten aus dem Umfeld der<br />

Werkstatt-Szene besetzte Jury würdigt damit unsere<br />

regionale Kooperation „MüBo“ – besonders auch<br />

deshalb, weil Menschen mit Behinderungen darin<br />

eine große Rolle spielten, wie BAG-Vorsitzender<br />

und Laudator Martin Berg bei der Preisverleihung<br />

betonte: Sie packen täglich wechselnd die<br />

inzwischen zehn unterschiedlichen Präsentboxen,<br />

kümmern sich – begleitet von unseren Mitarbeitern<br />

– beispielsweise um Lagerhaltung, Kontrolle der<br />

Bayerns Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Christine Haderthauer (mit MüBo), überreichte unserem<br />

Geschäftsführer Ralf Hagemeier (2. von links) und Landrat Thomas Kubendorff (3. von rechts) den Preis.<br />

10 lewe aktuell 1.2013


<strong>Aktuell</strong>es<br />

Freude auf allen Seiten über den „exzellent:kooperation“-Preis. Unser Geschäftsführer (links) wies<br />

darauf hin, dass auch Schwerst- und Mehrfachbehinderte über ihr Kerzen-Produkt beteiligt seien.<br />

Haltbarkeitsdaten und den Versand.<br />

Thomas Kubendorff betonte in Nürnberg<br />

im Gespräch mit lewe aktuell, dass diese<br />

nationale Auszeichnung „ein Gütesiegel<br />

für eine tolle Kooperation“ und die „MüBo“<br />

ganz sicher eine „feste Einrichtung<br />

auf Jahre“ sei. Und Ralf Hagemeier?<br />

Unseren Geschäftsführer freute neben<br />

den etlichen damit dauerhaft gesicherten<br />

neuen Arbeitsplätzen besonders, dass<br />

auch unser Arbeitsbereich für schwerstund<br />

mehrfachbehinderte Menschen<br />

dabei ist: Dort werden auch Kerzen und<br />

die Kaminanzünder k-lumet gefertigt, die<br />

zum Waren-Portfolio gehören.<br />

Die „MüBo“ auf den Weg brachte 2011<br />

Projektmanagerin Martina Borgschulte<br />

vom Agenda 21-Büro des Kreises, der<br />

damals einen verlässlichen Dienstleister<br />

und Logistiker für die praktische<br />

Abwicklung suchte. Inzwischen<br />

tausende versandte Boxen zeigen: Die<br />

Beschäftigten können das.<br />

An verschiedenen Stellen der Werkstatt werden die<br />

Münsterland Botschaften von Beschäftigten gepackt,<br />

auch im Berufsbildungsbereich in Ladbergen.<br />

lewe aktuell 1.2013<br />

11


<strong>Aktuell</strong>es<br />

Berufsbildungsbereich hat in<br />

in Ladbergen neue Möglichkeiten<br />

Sie haben Förderschulen durchlaufen, gehen durchs<br />

dreimonatige Eingangsverfahren, um dann zwei<br />

Jahre lang eine ihrer Behinderung angemessene,<br />

kontinuierliche Bildung zu erfahren: Die Rede ist<br />

von unserem Berufsbildungsbereich (BBB). Jahr für<br />

Jahr etwa 40 Personen kommen zu uns, „die wegen<br />

Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch<br />

nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen<br />

BBB: Der Berufsbildungsbereich hat in unserer<br />

Immobilie am Ruthemeiers Esch in Ladbergen, einem<br />

ehemaligen Fachgeschäft, neue Möglichkeiten.<br />

Arbeitsmarkt beschäftigt werden können“ (Paragraf<br />

136, Sozialgesetzbuch 9). Die Empfehlungen spricht<br />

der mit den Kostenträgern und unserer Einrichtung<br />

besetzte Fachausschuss aus. Er entscheidet inhaltlich.<br />

Im Eingangsverfahren stellen unsere Fachleute<br />

fest, ob die Person die Werkstatt auch tatsächlich<br />

braucht und welche Grundarbeitsfähigkeiten wie<br />

Ausdauer, Konzentration oder Fein- und Grobmotorik<br />

vorhanden sind. Das geschieht mit standardisierten<br />

Verfahren und ist die Vorbereitung für die spätere<br />

Bildungs- und Begleitplanung, denn anschließend<br />

geht der Teilnehmer in die intensive zweijährige<br />

Berufsbildung.<br />

12<br />

In Ladbergen, am Ruthemeiers Esch, entwickelt<br />

der BBB nun neue Möglichkeiten im Rahmen einer<br />

ausgelagerten Struktur. Das erklärte Ziel der Politik ist<br />

es, Berufsbildungsbereichen mehr organisatorische<br />

Eigenständigkeit zu ermöglichen. Dem kommen wir<br />

mit unserer neuen Immobilie in Ladbergen nach.<br />

400 Quadratmeter Fläche werden in Ladbergen 24<br />

bis 30 Personen (darunter auch Schulpraktikanten<br />

der Förderschulen) mit unserem Mitarbeiterteam<br />

nutzen. Das hallenähnliche, einladende Foyer<br />

des ehemaligen Geschäftshauses empfängt den<br />

Besucher mit viel Platz sowie Tischen und Stühlen für<br />

die Pausen. Denn gleich daneben liegt die moderne<br />

Küche mit großer Durchreiche – Übungsraum für<br />

das mögliche spätere Arbeitsfeld Hauswirtschaft.<br />

Nebenan hört man Maschinen: elektrische Sägen,<br />

Akkuschrauber. Hier werden maschinelle Tätigkeiten<br />

erprobt, lernen die Neuen den Umgang mit Werkzeug<br />

und Arbeitssicherheit kennen. Im Unterweisungsraum<br />

findet regelmäßig fachtheoretische Bildung statt: Mit<br />

dem Medium Lerneinheiten wird dort anhand von<br />

sorgfältig und in Kooperation mit dem Werkstatt-<br />

Netzwerk „Arbeitsgemeinschaft pädagogische<br />

Systeme“ entwickelten Rahmenplänen gearbeitet.<br />

Systematisch erfahren die jungen Leute auf diese<br />

Weise Bildung, beschäftigen sich zum Beispiel<br />

auch mit Hygiene, alltagspraktischen Tätigkeiten<br />

oder sozialen Themen.<br />

Dann sind da noch zwei Gruppenräume, wo<br />

Arbeitserfahrungen gemacht werden. Das BBB-<br />

Team achtet auf Arbeitsfelder, die – nach Bedarf<br />

und personenbezogen – variabel in der Anforderung<br />

und inhaltlichen Gestaltung sind und in denen<br />

Teilnehmer nach und nach Routinen entwickeln<br />

können. Gemeinsam wird herausgefunden, was<br />

möglich sein könnte und wo die Behinderung<br />

eine Grenze setzt. Im zweiten Jahr findet die<br />

Arbeitserprobung in unseren Betriebsstätten statt<br />

und auch auf den ersten Arbeitsmarkt gehen einige.<br />

Zoo Osnabrück, Baumarkt und Getränkehandel<br />

sind aktuelle Beispiele für Praktika, wo junge Leute<br />

ihre Fähigkeiten testen und vom Betrieb beurteilt<br />

werden.<br />

Am Ende des BBB stünden „gute Entscheidungen“,<br />

betont Paul Sackarendt. Der Bereichsleiter und<br />

seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die<br />

Erfahrung gemacht, dass sich die Teilnehmer nach<br />

27 Monaten fundiert für einen Arbeitsplatz innerhalb<br />

der Werkstatt entscheiden.<br />

lewe aktuell 1.2013


<strong>Aktuell</strong>es<br />

Kulturtage 2013: 60 Workshops, Offene<br />

Tür und eine echte Schlager-Queen<br />

Schlager-Queen Anna-Maria Zimmermann live, 60<br />

unglaublich vielfältige Workshops und die große<br />

Abschlusspräsentation für alle: Die „Kulturtage<br />

2013“ haben es in sich.<br />

Vom 21. bis 25. Mai<br />

machen unsere<br />

Beschäftigten jede<br />

Menge Kultur.<br />

Für ein paar Tage<br />

den gewohnten<br />

Werkstatt-Alltag<br />

mit anderen Inhalten<br />

füllen, in eine<br />

Rolle schlüpfen,<br />

was Neues ausprobieren,<br />

dabei<br />

vielleicht ein Talent<br />

entdecken, dem<br />

Publikum etwas<br />

vorführen oder<br />

zeigen, was man<br />

hergestellt hat.<br />

Darum geht´s in<br />

der Woche nach<br />

Pfingsten.<br />

Rund 60 Workshops<br />

bieten wir<br />

vom 21. bis 23. Mai<br />

in mehreren Betriebsstätten<br />

an.<br />

Ein echter Probier<br />

dich aus-Marathon:<br />

„Beauty and Style“ wird ein Thema sein. Musik in<br />

vielen Facetten (Instrumentenbau, Rappen, HipHop,<br />

Musikvideo) gibt´s. Eisenbahnfans sind gefragt,<br />

Hobbyköche „Kochen wie in Lappland“. Jonglage<br />

und Schmuckwerkstatt gehören ebenso dazu wie<br />

Improtheater und Bauchtanz. Wer noch nie ein<br />

Graffiti gesprayt oder Erdbeermarmelade zubereitet<br />

hat – auch das geht.<br />

Absolutes Highlight für viele begeisterte Beschäftigte<br />

am Freitag, 24. Mai: Anna-Maria Zimmermann, die<br />

beim Betriebsfest (15 bis 19 Uhr) die <strong>LeWe</strong>-Bühne<br />

entert.<br />

Bekannt wurde sie durch die Talentshow<br />

„Deutschland sucht den Superstar“ und stieg<br />

anschließend ins Schlagergeschäft ein. Im Oktober<br />

2010 erlitt sie bei einem Hubschrauberabsturz<br />

lebensgefährliche Verletzungen. Seitdem ist ihr<br />

lewe aktuell 1.2013<br />

linker Arm gelähmt.<br />

Gespannt sein darf man auch auf den Abschluss der<br />

„Kulturtage“ 2013 am Samstag, 25. Mai: Von 15 bis<br />

18 Uhr ist dann die öffentliche Präsentation vieler<br />

Ergebnisse in der<br />

Betriebsstätte Ledde<br />

geplant. Jedermann<br />

ist willkommen.<br />

Bei Kaffee und<br />

Sich als Steinbildhauer zu versuchen, auch das geht bei<br />

den „Kulturtagen 2013“ in der Woche nach Pfingsten.<br />

Rund 60 Workshops sind schon in Vorbereitung.<br />

denn sie bringen die<br />

Beschäftigten aus<br />

den Betriebsstätten<br />

zusammen.<br />

Dabei herausgekommen<br />

sind<br />

stets einige bem<br />

e r k e n s w e r t e<br />

Kunstwerke, tolle<br />

Happenings, wertvolle<br />

neue Kontakte<br />

untereinander und<br />

auf jeden Fall ein<br />

paar wirklich gute,<br />

gemeinsame Tage<br />

für Menschen mit<br />

Behinderungen.<br />

Kuchen oder<br />

Currywurst und Cola<br />

können die Gäste<br />

erleben, was in dieser<br />

Woche so alles<br />

geschehen ist, was<br />

hergestellt wurde,<br />

was „bühnenreif“<br />

ist. Organisiert<br />

wird das gesamte<br />

Programm von<br />

der Werkstatt. Die<br />

Workshop-Leitung<br />

übernehmen unsere<br />

Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter.<br />

Bereits 2003 und<br />

2008 haben wir<br />

solche Events<br />

veranstaltet. Der<br />

Aufwand hat gelohnt,<br />

Anna-Maria Zimmermann<br />

singt am 24. Mai in Ledde<br />

für unsere Beschäftigten.<br />

13


<strong>Aktuell</strong>es<br />

Von Improtheater bis Schlagerparade:<br />

Kultur wirkt, steckt an und macht so viel Spaß<br />

In seine Lieblingsrolle zu schlüpfen, ein Publikum zu<br />

haben, etwas mit seinen Ideen und Händen zu tun.<br />

Oder Vorfreude auf ein Konzert zu erleben, zu einer<br />

tollen Gemeinschaft vor der Bühne zu gehören,<br />

einfach nur viel Spaß zu haben – Kultur wirkt. Dass<br />

dabei Denk-Barrieren hinter den Kulissen bleiben<br />

und Behinderung keine Rolle bekommt, ist ein<br />

Effekt, der meist ganz unbemerkt eintritt.<br />

Beispiel aus unserer Kleinkunst-Szene: Die Impro-<br />

Aktiv-Werkstatt (IAW) gibt es seit zehn Jahren.<br />

<strong>Aktuell</strong> 15 Personen machen mit viel Herzblut<br />

Improvisationstheater und hatten in dieser Dekade<br />

fast 40 Auftritte. Was bedeutet Improtheater für<br />

Beschäftigte? Uwe Schreck, IAW-Mitglied der<br />

ersten Stunde: „Es macht Spaß. Es ist einfach alles,<br />

Mimik, Gestik.“ Fantasie, Spontanität und Mut, auch<br />

mal zu scheitern, sind gefragt.<br />

Am Samstag, 23. Februar, hatte die IAW Besuch von<br />

16 angehenden Heilpädagogen im „Blauen Haus“<br />

der Betriebsstätte Settel, wo viele Angebote unseres<br />

Freizeit- und Kulturvereins stattfinden. Die jungen<br />

Leute lernen an den Evangelischen Fachschulen<br />

Osnabrück im Rahmen ihres Unterrichts auch<br />

Improtheater bei Friederike Niederdalhoff kennen.<br />

Die Diplom-Sozialpädagogin aus Lienen hat die<br />

IAW von 2003 bis 2008 geleitet. Jetzt verbrachten<br />

Schüler und IAW zusammen einen vierstündigen<br />

Workshop.<br />

Das sei schon etwas Besonderes, mit einer anderen<br />

Das hat so richtig Spaß gemacht: 27 Beschäftigte haben mit unserem<br />

Freizeit- und Kulturverein die NDR 1-Schlagerparade in Hannover<br />

erlebt. Schön zu erleben: Behinderung spielt in der großen Schlager-<br />

Familie überhaupt keine Rolle. Fans halten prima zusammen.<br />

Mal schräg, mal skurril, aber immer wieder spannend<br />

und immer wieder neu: Improvisationstheater<br />

gibt es bei uns seit genau zehn Jahren.<br />

Gruppe zu spielen, sagte unser Mitarbeiter und<br />

Theater-Profi Christian Flechsig zur Begrüßung und<br />

schon ging´s los: Kennenlernrunde, Warming up<br />

und dann direkt in die „Games“. Ganz große Gefühle<br />

zeigen, witzige Bilder stellen, skurrile Ausflüge in die<br />

Geschichte machen – der gemeinsamen Kreativität<br />

waren keine Grenzen gesetzt.<br />

Beispiel aus unserer Freizeitarbeit: Millionen<br />

Menschen lieben Schlager, vermutlich hunderte<br />

unserer Beschäftigten auch. Der Freizeit- und<br />

Kulturverein hatte eine Fahrt zur<br />

„NDR 1-Schlagerstarparade“ in der<br />

TUI-Arena Hannover organisiert.<br />

27 Beschäftigte machten sich am<br />

24. Februar mit vier Mitarbeitern im<br />

modernen Reisebus auf den Weg und<br />

erlebten ihre Stars live: Andrea Berg,<br />

Helene Fischer, Kristina Bach und<br />

Nik P. begeisterten weit über 10.000<br />

Fans. Freundliche Atmosphäre im<br />

Sitzblock, geduldige Servicekräfte an<br />

den Snackständen, Verständnis und<br />

spontane Hilfe an Türen, Drehkreuzen<br />

oder Treppen – Schlagerfreunde sind<br />

ganz offensichtlich eine herzliche<br />

Gemeinschaft, zu der ausnahmslos alle<br />

dazugehören. Für die Beschäftigten,<br />

eine bunt gemischte Gruppe aus<br />

vielen Betriebstätten, war der Tag ganz<br />

sicher ein unglaubliches Erlebnis.<br />

14 lewe aktuell 1.2013


<strong>Aktuell</strong>es<br />

„Ironman“ Carlo Jesse läuft<br />

für Ralf Ostendorf neuen E-Rolli<br />

Ralf Ostendorf und Carlo Jesse sind alte Kumpels.<br />

Die Ibbenbürener waren begeisterte Handballer,<br />

machten zusammen Urlaub, hatten Spaß in der<br />

Clique. Die Freundschaft hielt, auch als beide in<br />

die Ausbildung gingen. Ralf<br />

hatte sich für den Beruf des<br />

Energieanlagenelektronikers<br />

entschieden, arbeitete<br />

anschließend bei der Firma<br />

Keller in Laggenbeck.<br />

Was beide damals<br />

nicht ahnten: Ralf war<br />

bereits herzkrank. Am<br />

16. Mai 2004 hatte er<br />

eine lebensbedrohliche<br />

H e r z r h y t h m u s s t ö r u n g ,<br />

ein Kammerflimmern. Die<br />

Notärzte retteten sein<br />

Leben, doch der damals<br />

27-Jährige behielt einen<br />

so genannten hypoxischen<br />

Hirnschaden zurück. Durch<br />

Sauerstoffmangel tritt eine<br />

Hirnverletzung ein, die alle<br />

Teile des Hirns betreffen kann.<br />

Sein Kurzzeitgedächtnis sowie<br />

seine Orientierungsfähigkeit<br />

waren jetzt extrem<br />

beeinträchtigt und auch seine<br />

motorischen Fähigkeiten<br />

litten.<br />

Nach vier Jahren in<br />

Fachkliniken und einem<br />

Betreuungszentrum für<br />

Schwerstpflegebedürftige<br />

kam Ralf Ostendorf 2008<br />

zu uns. In der Abteilung<br />

Verpackung und Service<br />

(VS) konfektioniert er heute<br />

Musterordner für einen<br />

Möbelhersteller und lebt in<br />

unserem Wohnbereich Hof<br />

Feldmann. Es geht ihm inzwischen besser. In seiner<br />

VS 1 sind Beschäftigte, die Interesse an komplexeren<br />

Arbeiten haben und vielfältig kommunizieren. Ralf<br />

gehört zu ihnen. Er bekommt oft Krankengymnastik<br />

und spielt gerne Schach. Um sich fortzubewegen,<br />

ist er auf seinen Rollator angewiesen und übt das<br />

täglich.<br />

Unser Beschäftigter Ralf Ostendorf<br />

mit seinem Freund Carlo Jesse, der<br />

Spenden für ihn sammelt.<br />

Nach diesen teils dramatischen Jahren kommt sein<br />

alter Kumpel Carlo wieder ins Spiel: Der 36-Jährige<br />

ist ein weltweit erfolgreicher Triathlet und hat sich<br />

aktuell für den „Ironman“ auf Hawaii qualifiziert. 3,8<br />

Kilometer zu schwimmen, 180 Kilometer Rad zu<br />

fahren und 42 Kilometer zu<br />

laufen, das schaffen weltweit<br />

nicht viele Sportler in seiner<br />

Zeit von kaum mehr als neun<br />

Stunden. „Dafür betreibe ich<br />

einen sehr hohen Aufwand<br />

und brauche ein verlässliches,<br />

kompetentes Team“, berichtet<br />

der Leistungssportler. Seinen<br />

Freund Ralf sieht er auch auf<br />

einem langen, anstrengenden<br />

Weg mit kleinen Fortschritten,<br />

begleitet durch ein qualifiziertes<br />

Team.<br />

Er hat ein klar definiertes<br />

Ziel: Als Vorbereitung auf den<br />

„Ironman“ am 12. Oktober<br />

(1800 Athleten) absolviert<br />

er sieben Rennen. In dieser<br />

Zeit möchte er Spenden<br />

sammeln für einen E-Rolli.<br />

Diese Spezialrollstühle kosten<br />

mehrere tausend Euro und<br />

sind keine Regelleistung der<br />

Krankenkasse. Mehr Mobilität,<br />

mehr Selbstständigkeit, das<br />

kann Ralf auf seinem Weg<br />

weiterbringen. Mit unserem<br />

Förderverein „Wohnen-<br />

Arbeiten-Leben“ hat Carlo<br />

Jesse einen Träger gefunden,<br />

der die Aktion unterstützt.<br />

Offizieller Start war im Februar<br />

auf unserem Hof Feldmann,<br />

wo sich Reinhard Paul,<br />

Vorsitzender vom Förderverein,<br />

das Rolli-Projekt erklären ließ.<br />

„In Bewegung kommen – Ironman für Ralles E-<br />

Rollstuhl“ heißt das Projekt auf Deutschlands<br />

größter Online-Spendenplattform „Betterplace.org“:<br />

Unter dem Stichwort „In Bewegung kommen“ findet<br />

man dort eine Seite mit den wichtigsten Infos und<br />

kann direkt spenden. 5000 Euro sind das erklärte<br />

Ziel, denn ungefähr so teuer ist ein E-Rolli.<br />

lewe aktuell 1.2013<br />

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<strong>Aktuell</strong>es<br />

Behindert in Ibbenbüren:<br />

Werkstattrat beim Bürgermeister<br />

„Ich weiß, dass nicht alles ideal ist.“ Heinz Steingröver<br />

gab gleich zu Beginn offen zu, dass Ibbenbüren<br />

durchaus Verbesserungsbedarf hat, was Menschen<br />

mit Behinderungen betrifft. „Wir müssen alle permanent<br />

dazulernen und das vor allem immer mitbedenken,<br />

bei allen Maßnahmen“, sagte der Bürgermeister.<br />

Unser Werkstattrat für Menschen mit<br />

geistigen Behinderungen hatte am 7. Februar einen<br />

Gesprächstermin im Ibbenbürener Rathaus. Inhalt:<br />

Was tut die Stadt für behinderte Menschen? Wo<br />

lässt sich etwas verbessern?<br />

Der Werkstattrat ist das gewählte Vertretungsremium<br />

von 900 Menschen mit geistigen Behinderungen.<br />

Viele haben auch ein körperliches Handicap. Petra<br />

Keller aus unserem Arbeitsbereich für schwerst- und<br />

mehrfachbehinderte Menschen zum Beispiel sitzt im<br />

Rollstuhl und ärgert sich darüber, dass sie in einem<br />

Café die Herrentoilette benutzen muss, weil nur eine<br />

Treppe zum Damenklo führt. Oder unsere Werkstattrat-Vorsitzende<br />

Susanne Hielscher, die sich zwar<br />

über Fußgängerampeln mit akustischem Grün-Zeichen<br />

freut, was ihr aber kaum nützt. Sie ist blind und<br />

findet diese Ampeln gar nicht.<br />

Solchen Fragen aus dem Alltag behinderter Menschen<br />

stellten sich Heinz Steingröver und der Fachdienstleiter<br />

Tiefbau, Karl-Ludwig Borgmann. Bei<br />

Neuplanungen würden solche Details berücksichtigt.<br />

Aber es gebe viel alte Bausubstanz in Privat-<br />

Ibbenbürens Bürgermeister Heinz Steingröver (links) hat unseren<br />

Werkstattrat für geistig behinderte Menschen empfangen.<br />

Viele konkrete Fragen kamen dabei auf den Tisch.<br />

Interessen vertreten, Missstände ansprechen:<br />

Petra Keller (links) trägt ihr Anliegen vor.<br />

besitz. Ibbenbüren liege am Berg, Treppen seien<br />

kaum vermeidbar. Nur für bestimmte Maßnahmen<br />

gebe es Fördermittel vom Land für mobilitätseingeschränkte<br />

Personen.<br />

Bei eigenen Planungen sei Barrierefreiheit eine Priorität,<br />

so der Bürgermeister. Karl-Ludwig Borgmann<br />

zeigte Bilder von innerstädtischen Plätzen, wo auf<br />

höhengleiche Geschäftseingänge, so genannte<br />

taktile (ertastbare) Elemente der Verkehrsführung<br />

für Sehbehinderte oder gut begehbares Pflaster<br />

geachtet wird. Die Zahl der Behindertenparkplätze<br />

in der Innenstadt hält Heinz Steingröver<br />

für ausreichend. „Nicht gut aufgestellt“<br />

sei die Stadt, was behindertengerechte<br />

Toiletten betreffe, weiß er.<br />

Im Rathaus selbst sieht das anders<br />

auch und auch ein rollstuhlgerechter,<br />

ausreichend großer Aufzug ist dort<br />

vorhanden.<br />

Susanne Hielscher, Petra Keller und<br />

die anderen vom Werkstattrat regten<br />

eine Infotafel zum Thema Behinderung<br />

für das Rathaus-Foyer sowie<br />

einen Stadtplan mit solchen Infos an.<br />

Für den Werkstattrat war dieser Besuch<br />

eine echte Premiere. Für das<br />

freundliche, konstruktive Gespräch<br />

bedankte er sich mit einer „Münsterland<br />

Botschaft“. Die Präsentkiste mit<br />

Produkten aus der Region packen<br />

unsere Beschäftigten als Partner des<br />

Kreises Steinfurt.<br />

16 lewe aktuell 1.2013


<strong>Aktuell</strong>es<br />

Besuch aus Sri Lanka ist beeindruckt<br />

von unseren Möglichkeiten<br />

Senarath Attanayake und Lasanthi Daskon Attanayake<br />

waren durchaus beeindruckt. So eine Einrichtung<br />

wie die <strong>Ledder</strong> Werkstätten gibt es in ihrer Heimat<br />

Sri Lanka nicht, aber die beiden Juristen haben<br />

ein Unternehmen gegründet, das Menschen mit Körperbehinderungen<br />

in Arbeit bringt. „Back to Earth“<br />

heißt es und fertigt aus Naturmaterialien rustikale<br />

Bleistifte, Untersetzer, Teelichter oder Notizbücher.<br />

Ihr Sortiment hatten die beiden auf der „Paperworld“<br />

2013 in Frankfurt, einer internationalen Messe für<br />

Papier, Bürobedarf und Schreibwaren, präsentiert.<br />

Zum zweiten Mal besuchten sie anschließend die<br />

befreundete Familie Aufmkolk in Tecklenburg und<br />

im Februar erstmals auch unsere Einrichtung.<br />

Andreas Aufmkolk, beruflich als Tee-Fachmann häufig<br />

in Indien unterwegs, unterstützte die tamilischen<br />

Gäste als Dotmetscher, während Rudolf Schönrock<br />

(Geschäftsleitung Werkstatt für geistig behinderte<br />

Menschen) unsere Betriebsstätte Ledde vorstellte.<br />

520 Menschen mit Behinderungen sind am <strong>LeWe</strong>-<br />

Standort Ledde täglich mit einer Vielzahl von Arbeiten<br />

beschäftigt. Dass man so viele verschiedene<br />

Niveaus von Arbeiten anbieten kann, fanden die<br />

Attanayakes beinahe unglaublich. Senarath Attanayake<br />

berichtete von einer finanziellen Unterstützung<br />

durch die Weltgesundheitsorganisation WHO für<br />

ein Behindertenprojekt. Auf einer Konferenz in Südafrika<br />

hätten sie ein Konzept vorstellen können, wie<br />

man eine Stadt auf Sri Lanka behindertengerechter<br />

gestalten könne.<br />

Auch über die Fertigung unseres Kaminanzünders<br />

k-lumets haben sich die beiden Gäste aus<br />

Sri Lanka ausführlich informieren lassen.<br />

lewe aktuell 1.2013<br />

Rudolf Schönrock (stehend, rechts; Geschäftsleitung Werkstatt<br />

für geistig behinderte Menschen) zeigte den Gästen<br />

die Fertigung von Industriefiltern in der Textilabteilung.<br />

Bei „Back to Earth“ funktioniert Inklusion ganz pragmatisch:<br />

Angestellte bringen Rohmaterialien in kleine<br />

Behindertenzentren, wo sie die Menschen weiterverarbeiten<br />

zu Bleistiften, Kulis, Kleiderbügeln aus<br />

Recyclingpapier oder Schreibtisch-Accessoires. Ein<br />

Teil des Gewinns fließt in Hilfsprojekte für Menschen<br />

mit Behinderungen. Senarath Attanayake engagiert<br />

sich auch deshalb so, weil er seit seiner Jugend<br />

durch eine Kinderlähmung behindert ist. Darum hat<br />

ihn ganz persönlich unser breites Arbeitsangebot<br />

gefreut, weil es auch schwerst- und mehrfachbehinderte<br />

Personen einbezieht.<br />

Rudolf Schönrock beantwortete den Gästen Fragen<br />

der Werkstattfinanzierung, Wohnmöglichkeiten oder<br />

Auftraggeber. Unsere Eigenprodukte und deren Vermarktung<br />

interessierten<br />

die Gäste<br />

besonders,<br />

denn die Att<br />

a n ayake s<br />

suchen über<br />

ihren niederländischen<br />

I m p o r t e u r<br />

hinaus nach<br />

neuen Vermarktungswegen<br />

in<br />

Europa.<br />

So sehen die Produkte aus, die<br />

Menschen mit Behinderungen auf<br />

Sri Lanka herstellen.<br />

17


<strong>Aktuell</strong>es<br />

Projekt Arbeitssicherheitsassistenten:<br />

Die Schulungen gehen weiter<br />

Die Themen Arbeitssicherheit und Beteiligung<br />

gehen im Werkstattalltag unserer Beschäftigten<br />

Hand in Hand. Menschen mit Behinderung an<br />

der sicheren, ergonomischen Gestaltung ihres<br />

Arbeitsplatzes unmittelbar teilnehmen zu lassen, ist<br />

das Ziel unseres Projekts „Sicherheitsassistenten“.<br />

Im November 2011 haben wir damit in unserem<br />

Bereich für Menschen mit psychischen<br />

Behinderungen begonnen: Zwei Tage lang haben<br />

unsere Fachkraft für Arbeitssicherheit, Detlef<br />

Leferink, und unsere Mitarbeiter Katharina Niermeier,<br />

Markus Aulkemeier und Carsten Dieckmann zwölf<br />

Beschäftigte geschult. Seitdem fungieren diese<br />

Personen als Sicherheitsassistenten in ihren<br />

jeweiligen Betriebsstätten.<br />

Was bedeutet das? Sie wirken mit beim regelmäßigen<br />

Abarbeiten einer 13 Punkte umfassenden Checkliste<br />

(ob Flucht- und Rettungswege frei begehbar sind,<br />

ob elektrische Kabel ohne optische Mängel sind,<br />

ob persönliche Schutzausrüstungen vorhanden<br />

sind und entsprechend benutzt werden oder ob<br />

Hautschutz und -pflege konsequent durchgeführt<br />

werden). Das beteiligt Beschäftigte unmittelbar, es<br />

geht schließlich um ihre Arbeitsplätze.<br />

Seit Jahresanfang ist das gleiche Mitarbeiter-<br />

Team im Bereich für Menschen mit geistigen<br />

Arbeitssicherheit zum Anfassen: Wie man sich selbst mit seiner<br />

persönlichen Schutzausrüstung schützt, was man für welche<br />

Arbeit beachten muss - die Beschäftigten haben es gelernt.<br />

Schwere Gegenstände richtig heben: Auch das<br />

war Gegenstand der mehrtägigen Schulung unserer<br />

neuen Sicherheitsassistenten.<br />

Behinderungen unterwegs. Wiederum zwölf<br />

Beschäftigte haben sich zwei Tage lang unter<br />

seiner Anleitung unter anderem mit richtigem<br />

Heben und Tragen, Brandschutzmaßnahmen,<br />

Hautschutz, der persönlichen Schutzausrüstung<br />

oder Lärmemissionen am Arbeitsplatz befasst.<br />

Kurze Vorträge, Lehrfilme, Anschauungsmaterial<br />

und auch praktische Übungen (wie hebe ich eine<br />

Getränkekiste richtig?) gestalteten diese zwei Tage<br />

abwechslungsreich und immer wieder auch<br />

plastisch. Dabei brachte die motivierte<br />

Gruppe Vorwissen aus ihrer täglichen<br />

Arbeit mit.<br />

Als neue Sicherheitsassistenten mit<br />

Zertifikat sind die zwölf Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer nun Ansprechpartner für<br />

andere Beschäftigte und können jederzeit<br />

Informationen geben. Verantwortlich<br />

sind und bleiben unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter, die als bestellte<br />

Sicherheitsbeauftragte in den Bereichen<br />

fungieren.<br />

Das Projekt interessiert jetzt auch die<br />

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst<br />

und Wohlfahrtspflege (bgw): Dr.<br />

Jennifer Schilling (Münster), in Ausbildung<br />

zur Aufsichtsbeamtin, hatte vergangenes<br />

Jahr bereits ein Praktikum bei uns gemacht<br />

(lewe aktuell berichtete). Jetzt greift sie<br />

das Konzept der Sicherheitsassistenten<br />

für eine schriftliche Arbeit im Rahmen ihrer<br />

Staatsprüfung auf.<br />

18 lewe aktuell 1.2013


Menschen in der Werkstatt<br />

Patrick Kröger: neue Aufgaben,<br />

neue Aussichten, neue Motivation<br />

Sympathisch, ruhig, offen für Neues: Beim Gespräch<br />

mit lewe aktuell entpuppt sich Patrick Kröger als<br />

angenehmer Gesprächspartner, der aufmerksam<br />

zuhört und gut überlegt, bevor er mit leiser Stimme<br />

auf die Fragen<br />

zu seinem Leben<br />

antwortet. Sein Leben<br />

war bislang ziemlich<br />

durcheinander und<br />

voller Brüche. Seit<br />

einem guten halben<br />

Jahr, seit seinem<br />

Wechsel innerhalb<br />

der Werkstatt,<br />

haben sich die<br />

Dinge geändert:<br />

Der 28-Jährige hat<br />

jetzt verschiedene<br />

Aufgaben in<br />

der Abteilung<br />

Verpackung und<br />

Service (VS). Sein<br />

gewecktes Interesse,<br />

regelmäßig zu<br />

kommen, seine<br />

Motivation für neue<br />

Aufgaben, das ist die<br />

gute Nachricht, doch<br />

davon später mehr.<br />

Sein Leben wurde spätestens nach seiner Zeit in<br />

der Mettinger Barbaraschule (Förderschule für<br />

Lernbehinderung) schwierig: Patrick versuchte<br />

mehrmals, neue Ausbildungswege zu gehen,<br />

begann über die Arbeitsagentur und verschiedene<br />

Träger Praktika, brach Maßnahmen aber meist<br />

nach kurzer Zeit wieder ab. So auch einen ersten<br />

Versuch in unserem Berufsbildungsbereich (BBB)<br />

Anfang 2005. Zwei Jahre später kam er erneut. Der<br />

BBB machte ihm, aus seiner Sicht, einfach nicht<br />

die richtigen Angebote und so durchlief er seine<br />

Berufsbildung und Arbeitserprobung in unserer<br />

Halle Sundermann. Ein tolles Team aus Menschen<br />

mit geistigen und psychischen Behinderungen<br />

arbeitet dort, die Männer respektieren und helfen<br />

sich. Patrick aber motivierten Anforderungen und<br />

Umfeld nicht. Er fehlte oft und mit dem Werkstoff<br />

Holz konnte er nicht sehr viel anfangen.<br />

Die Wende für ihn kam, als unsere Mitarbeiter ihm<br />

eine vollkommen neue Aufgabe anboten: einen so<br />

Patrick Kröger (links) ist in der Werkstatt „angekommen“:<br />

In der Abteilung Verpackung und Service<br />

übernimmt er verschiedene neue Aufgaben.<br />

genannten Einzelarbeitsplatz in der VS. Start war im<br />

September und aus den geplanten sechs Wochen<br />

wurden vier Monate Erprobung. Inzwischen ist Patrick<br />

seit über einem halben Jahr in der Gruppe unseres<br />

Mitarbeiters Albrecht<br />

Schmitt, stets pünktlich<br />

und immer motiviert.<br />

Zusammen mit unserer<br />

Abteilungsleitung Jörg<br />

Wiermann werden<br />

in Abständen neue<br />

Arbeitsinhalte festgelegt.<br />

Nach und nach ist eine<br />

Wochenübersicht mit<br />

Aufgaben entstanden,<br />

die er gerne ausfüllt<br />

und dabei Kontakt<br />

und Wertschätzung<br />

mit und durch andere<br />

Beschäftigte genießt.<br />

Er begleitet zum<br />

Beispiel Rollstuhlfahrer<br />

zu ihren täglichen<br />

Terminen, reicht mittags<br />

Personen Essen an oder<br />

unterstützt körperlich<br />

e i n g e s c h r ä n k t e<br />

Beschäftigte bei ihrer<br />

Arbeit. Was genau<br />

bedeuten ihm diese Aufgaben? „Mich mit den Leuten<br />

zu beschäftigen, das tu´ ich total gerne. Dass die auf<br />

mich zukommen, wenn die was brauchen“, erklärt<br />

Patrick. Gefragt zu sein, Anerkennung zu bekommen<br />

und die hohe Akzeptanz der Beschäftigten<br />

einerseits treffen auf seine soziale Kompetenz und<br />

neuerdings hohe Verlässlichkeit andererseits. Eine<br />

effektive Wechselwirkung entsteht, die für ihn einen<br />

wichtigen persönlichen Erfolg bedeutet. Endlich<br />

etwas durchzuziehen, von den Menschen seiner<br />

täglichen Umgebung gebraucht zu werden und<br />

ihnen in kleinen Situationen des Alltags helfen zu<br />

können, das hat Patrick nie zuvor erlebt.<br />

Zu seiner Familie und seinen Brüdern hätte er<br />

vielleicht gerne mehr Kontakt. In unserem Betreuten<br />

Wohnen in Ibbenbüren kommt er ganz gut klar und<br />

hat auch da feste, verlässliche Ansprechpartner, die<br />

ihn bei alltäglichen Dingen unterstützen. Für Patrick<br />

läuft es gut, sein Leben bekommt neue Perspektiven<br />

und endlich Stabilität.<br />

lewe aktuell 1.2013<br />

19


„Kultursommer“: Dritte Auflage ist<br />

vom 29. Juli bis 9. August geplant<br />

Zum dritten „Kultursommer“ lädt<br />

unser Freizeit- und Kulturverein<br />

vom 29. Juli bis 9. August in<br />

der Betriebsstätte Settel ein.<br />

Gemeinsam frühstücken und<br />

den Tag planen, Stadtausflüge<br />

unternehmen, zum Zoo fahren,<br />

schwimmen gehen, schöne Dinge<br />

herstellen – das Angebot ist bunt<br />

und richtet sich nach Lust und<br />

Laune der etwa 20 Teilnehmer.<br />

Ein paar abwechslungsreiche,<br />

spannende, lustige Tage in guter<br />

Gemeinschaft zu verbringen,<br />

wenn man selbst nicht verreist<br />

oder sich vielleicht zuhause<br />

langweilt, darum geht´s. Auch<br />

die dritte „Kultursommer“-Auflage<br />

findet jeweils montags bis freitags<br />

von zirka 9 bis 15 Uhr im Blauen<br />

Haus in Settel statt.<br />

Gemeinsam frühstücken, spannende Ausflüge unternehmen, die<br />

Städte der Umgebung erkunden, neue Leute kennenlernen: Der<br />

„Kultursommer“ 2013 steht schon bald vor der Tür.<br />

Letzte Meldung<br />

Mittelwände: Imker aus ganz Deutschland nehmen Angebot hervorragend an<br />

Die Qualitätsprodukte der Beschäftigten und ganz sicher auch ein doppelseitiger Bericht im Deutschen<br />

Bienen-Journal im Januar haben die Nachfrage nach unseren Mittelwänden kräftig befeuert: Um die 700<br />

Kilogramm Wachs lagern aktuell in den Regalen, um zu Wachswänden für Bienenkörbe verarbeitet zu<br />

werden. Weil wir die Betriebsstätte Heckenweg des LWL verlassen, findet die Produktion nach Ostern<br />

in Ledde statt. Mit anderen Dimensionen: Fünf Plätze für Gießformen mit eigenem Wasseranschluss<br />

werden eingerichtet. Da inzwischen Imker aus ganz Deutschland ihr Wachs schicken, bedeutet das<br />

Produkt dauerhaft (mehr) neue Arbeitsplätze.<br />

Seit Jahrzehnten ehrenamtlich im <strong>LeWe</strong>-Aufsichtsrat tätig: Rainer Paulo und Günter Fromm<br />

Vier Mal im Jahr tritt unser Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Alt-Superintendent Hans Werner<br />

Schneider zusammen. Die Gesellschafterversammlung des Kirchenkreises und des Diakonischen<br />

Werkes (die beiden Träger der <strong>Ledder</strong> Werkstätten) wählen das neunköpfige Gremium, dem unsere<br />

Geschäftsführung Rechenschaft ablegt. Die Mitglieder sind ausnahmslos seit vielen Jahren in dieser<br />

Funktion tätig: Rainer Paulo gehört seit dem Juni 1988 und damit nun fast 25 Jahre unserem Aufsichtsrat<br />

ein. Der heute 72-jährige Lengericher war Diplom-Ingenieur bei Windmöller & Hölscher. Im Mai 1983,<br />

also vor 30 Jahren, wurde Günter Fromm in den Aufsichtsrat gewählt. Der heute 78-jährige Rheinenser<br />

war Vorstandsmitglied der Sparkasse Rheine und gilt als Fachmann in allen Finanzfragen.<br />

20 lewe aktuell 1.2013

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