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olympischer literatur-wettbewerb deutsch - englisch - französisch

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Olympische Idee und Sport<br />

Die tragenden Säulen der modernen Bewegungskultur<br />

Von Jürgen Palm<br />

Was haben sich die Väter des Begriffs "Sport für Alle"<br />

eigentlich gedacht, als sie in den Sechziger Jahren<br />

des 20. Jahrhunderts unter dem Dach des Europarats<br />

in Strassburg diesem visionären Wortgebilde in offiziellen<br />

Dokumenten die gesellschaftliche Legitimierung verliehen?<br />

Waren die Väter des Begriffs so blauäugig, tatsächlich eine<br />

hundertprozentige Erfüllung als durchsetzbar zu erwarten?<br />

Oder war Sport für Alle ein ohne Bedenken hingeworfenes<br />

Schlagwort, das sich so gut in wohlmeinenden Reden ohne<br />

Konsequenz einflechten ließ? Oder war es eine Utopie, die<br />

auch ohne vollen Realitätsanspruch Wirkungen auslöste, die<br />

den Sport in früher unbekannte Wachstumszonen voran<br />

schoben?<br />

Wir wissen es nicht. Anzunehmen ist, dass alle drei Einstellungen<br />

mitspielten. Sicher aber ist, dass die Vision eines Sport<br />

für Alle Kräfte freigesetzt, Ströme ausgelöst, Innovationen<br />

beschleunigt hat wie wohl nur ein anderer Zentralbegriff des<br />

modernen Sports, die Olympische Idee.<br />

Die letztere, die Olympische Idee, zeichnet das globale Leitbild<br />

einer Elite, die den anderen voranleuchten sollte, sie aber am<br />

Fest nicht beteiligen kann. Sport für Alle als Idee malt dagegen<br />

das Bild einer Sportwelt, bei der alle dabei sein und<br />

mitspielen können. Olympische Idee und Sport für Alle, das ist<br />

ein geradezu klassisches Gegensatzpaar, wie es in der modernen<br />

Kultur kaum noch einmal so pointiert auftritt. Hier eine<br />

adlige Welt der Besten, dort eine Welt des Volks.<br />

Sport für Alle darf als eine späte Art von "Alphabetisierung",<br />

von allgemeiner Erziehung, von jedermann möglichem<br />

Zugang zu den Bildungsgütern des Spiels und der Leibeskultur<br />

angesehen werden. Zweihundert Jahre nach der <strong>französisch</strong>en<br />

Revolution eine Vision von einem anderen Rechtsgut,<br />

dem der Lebensgestaltung mit den Mitteln, die der Körper<br />

und die soziale Interaktion bereit halten. Sport für Alle<br />

wurde so - ob gewollt oder ungewollt - zu einem Zentralgeschehen<br />

in der Demokratisierung des Sports.<br />

8<br />

Damit kam in kaum mehr als einem Menschenalter ein<br />

gesellschaftlicher Prozess in Gang, der von seinem imaginären<br />

Ziel - einer komplett, 100 Prozent im Sport aktiven<br />

Gesellschaft - einerseits noch weit entfernt andererseits<br />

erstaunlich weit vorangekommen ist.<br />

Dieser Prozess der Revolution von einem selektiven, den<br />

Besten zugewandten System zu einem für die Allgemeinheit<br />

offenen System befindet sich heute in einem erstaunlichen<br />

Kontrast. In Ursprungsländern wie Deutschland, Schweden,<br />

Schweiz hat sich der große Schwung verlangsamt, er wird<br />

durch mancherlei Akte eher gebremst als befördert. In später<br />

hinzustoßenden Ländern wie Brasilien, Tunesien, Estland<br />

Singapur, China u.a. dagegen ist er eines der großen Veränderungsgeschehnisse<br />

in Sport und Gesellschaft.<br />

Die Periode von 1960 bis 1990 wurde als "Zweite Gründerzeit<br />

des Sports" bezeichnet. Dafür gibt es stichhaltige Argumente.<br />

Denn was wurde in diesem Menschenalter nicht alles neu<br />

geschaffen. Sportvereine wurden in größerer Zahl gegründet<br />

als je zuvor. Sie verdoppelten sich nicht nur in Deutschland,<br />

sondern in weiten Teilen Europas. Neue Sportarten wurden<br />

gegründet und neue Verbände eingeführt. Fitness- und<br />

Sportstudios wurden zu einer beachtenswerten Konkurrenz<br />

der Vereine. Federationen, Ausschüsse, Komitees wurden ins<br />

Leben gerufen. Neue Veranstaltungsformen des Sports wurden<br />

begründet, die man vorher nicht für möglich gehalten<br />

hätte. Neue Lebensstilformen bildeten sich mit dem Sport als<br />

Kern heraus. Aus einsamen Waldläufern wurden Pulks von in<br />

Lauftreffs "gebündelten" Joggern. Aus dem traditionellen<br />

Spaziergang wurde Walken - und immer mehr Menschen<br />

greifen zu "Skistöcken" mitten im Sommer. Skater und Biker<br />

erobern die Straße. Und so weiter. Sport für Alle war nicht<br />

nur denkbar - es war auf einmal sichtbar geworden.<br />

Eine fruchtbare Zeit ohne Zweifel. Vorherige Minderheiten<br />

wie Frauen und Senioren kamen in Millionenzahl zum Sport.<br />

Die Sportteilnahme, die 1960 noch mit 12 Prozent gemessen<br />

wurde, kam in Deutschland nahe an die 70 Prozent-Grenze.

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