olympischer literatur-wettbewerb deutsch - englisch - französisch
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Soviel Erinnerung war selten,<br />
glaubt man dem Feuilleton der<br />
FAZ - noch nie. Wieder einmal<br />
beflügelte ein Jahrestag das kollektive<br />
und, mehr denn je, das individuelle<br />
Gedächtnis. Sechzig Jahre nach<br />
der historischen Zäsur dachten viele<br />
Menschen daran, wie sie das Ende<br />
des Krieges und die Befreiung von<br />
der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft<br />
erlebt hatten. Auf<br />
allen Kanälen kamen so genannte<br />
Zeitzeugen zu Wort, um das Hoffen<br />
und Bangen jener Tage wieder<br />
lebendig erscheinen zu lassen.<br />
Auf diese höchst eindringliche Weise vervollständigte sich das<br />
Bild eines dunklen, ja des dunkelsten Kapitels <strong>deutsch</strong>er<br />
Geschichte, das sich ansonsten vor allem aus den Büchern<br />
oder Film und Fernsehen erschließt. Vielleicht mehr noch als<br />
etwa Bernd Eichingers Oscar-nominierte Produktion über die<br />
letzten Tage und den "Untergang" in Hitlers Reichskanzlei, die<br />
Kino-Dokumentation über Joseph Goebbels oder Heinrich<br />
Breloers TV-Dreiteiler über Hitlers Baumeister Albert Speer<br />
sind die authentischen Berichte unserer Eltern und Großeltern<br />
dazu geeignet, das Geschehen vom Frühjahr 1945 sowie<br />
seine Ursachen und Folgen dem Vergessen und Verdrängen zu<br />
entziehen.<br />
Es waren, soviel lässt sich auch für Nachgeborene leicht<br />
nachvollziehen, Wochen und Monate voll widerstrebender<br />
Gefühle, größter Not und aufkeimender Hoffnung, Verlust<br />
und Gewinn, Trauer und Freude, wobei je nach persönlicher<br />
Situation das eine oder das andere überwog. Natürlich wirkte<br />
das Gewesene nach, doch von existenzieller Bedeutung war<br />
die Frage nach dem Morgen und Übermorgen. Zunächst nur<br />
die wenigsten hatten klare Vorstellungen davon, wie ihr<br />
Leben nach dem Überleben zu sichern und zu gestalten sei.<br />
Häufig reichte der Blick nicht weiter als bis zur nächsten<br />
Mahlzeit und/oder einem Dach über dem Kopf.<br />
Der Grad der Zerstörung war<br />
immens, und diese betraf keineswegs<br />
allein Gebäude und andere materielle<br />
Werte, sondern auch und vor<br />
allem die Körper und Seelen der<br />
Menschen. Um so erstaunlicher aber,<br />
dass sich in den Trümmern, die Krieg<br />
und Diktatur hinterlassen hatten,<br />
alsbald wieder sportliches Leben zu<br />
regen begann. Trotz allem oder<br />
gerade deswegen. Endlich ließ sich,<br />
wenn auch mit einfachsten Mitteln<br />
und in Ermangelung organisatori-<br />
Auferstehung in Ruinen:<br />
Das Ende des Krieges war auch ein<br />
Anfang des Sports<br />
Von Andreas Höfer<br />
scher Strukturen, wieder die Leidenschaft für Bewegung und<br />
Wettkampf entfalten, ließen sich jene lang entbehrten<br />
Augenblicke unbeschwerter Lebensfreude erfahren, welche<br />
die Illusion einer selbst bestimmten und gesicherten Zukunft<br />
zu nähren vermochten. Schon von daher also lohnt sich die<br />
Erinnerung, wenn sie an entsprechenden Beispielen offenbart,<br />
welch großes Potenzial dem Sport auch und gerade jenseits<br />
von Rekorden und Medaillen innewohnt. Und diese Erkenntnis<br />
mag auch jenen eine Hilfe sein, die sich in diesen, inzwischen<br />
ganz anderen Zeiten bisweilen fragen, warum sie sich<br />
überhaupt noch im und für den Sport engagieren. Die Probleme,<br />
mit denen sich die Menschen im Mai 1945 und in den<br />
folgenden Monaten konfrontiert sahen, waren ganz anderer<br />
Natur. Fand man die Zeit und die Kraft, sich sportlich zu<br />
betätigen; waren geeignete "Spiel-Plätze" verfügbar, ließen<br />
sich die benötigten Gerätschaften ausfindig machen oder<br />
organisieren und hinreichend Gleichgesinnte zum Mitmachen<br />
motivieren?<br />
Stellten sich diese und andere Fragen überall in ähnlicher<br />
Weise, führten die jeweils örtlichen Gegebenheiten zu recht<br />
unterschiedlichen Antworten. Waren die Bedingungen des<br />
alltäglichen Lebens hier wie dort schwierig, nahm sich die<br />
Situation auf dem Land naturgemäß anders aus als in der<br />
Stadt. Während in manch<br />
ländlicher Gegend der<br />
Krieg kaum sichtbare<br />
Spuren hinterlassen hatte,<br />
waren die urbanen Zentren<br />
teilweise nicht wiederzuerkennen.<br />
Wie etwa<br />
Heinrich Böll in seinen<br />
frühen Romanen in<br />
bedrückend authentischer<br />
Weise schildert, bot sich<br />
Heimkehrern und<br />
Daheimgebliebenen ein<br />
Bild der Verwüstung, das<br />
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