olympischer literatur-wettbewerb deutsch - englisch - französisch
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Wenn die Deutsche Meisterin neben Herrn Jedermann turnt<br />
oder Spitzensport und Breitensport ganz nah beieinander<br />
Von Walter Mirwald<br />
Die Ergebnisliste des Internationalen Deutschen Turnfestes<br />
von Berlin könnte von der Menge her eine<br />
Buchstärke erreichen, die locker mit einer Jubiläumsausgabe<br />
der Werke Schillers mitzuhalten in der Lage wäre.<br />
Und über den Inhalt wäre der unbedarfte Leser verblüfft. Da<br />
würde er auf den Namen Fabian Hambüchen stoßen und<br />
lesen, dass der 17 Jahre alte - liebevoll "Turnfloh" genannte -<br />
Kunstturner der TSG Niedergirmes die <strong>deutsch</strong>en Meistertitel<br />
im Mehrkampf, am Boden, am Barren und am Reck gewonnen<br />
hat. Ein paar Seiten weiter könnte dem Betrachter beim<br />
Durchblättern die gleichaltrige Stefanie Waldek vom Turnverein<br />
1904 Wallau auffallen, die im gemischten Wahl-Vierkampf<br />
den 498. Platz belegt hat. Spitzensport und Breitensport<br />
also ganz nah beieinander.<br />
Die <strong>deutsch</strong>en Kunstturnasse, die dank einer großartigen<br />
Mannschaftsleistung und Fabian Hambüchens siebten Platz<br />
im Reck-Finale der Olympischen Spiele von Athen in den<br />
Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt sind, wurden im Berliner<br />
Veledrom von 6.000 Zuschauern gefeiert. Bei den Finalwettkämpfen<br />
standen viele Fans Schlange vor dem Sportzentrum,<br />
konnten aber keine Karte mehr ergattern. Das hat nicht nur<br />
mit dem Hambüchen-Boom zu tun, der an die Euphorie um<br />
den Skispringer Sven Hannawald vor einigen Jahren erinnert.<br />
Das ist generell so bei Deutschen Turnfesten. Die große Masse<br />
will ihre Stars bejubeln. Und die genießen das Bad in der<br />
Menge.<br />
Diese Nähe von Spitzensport und Breitensport, dieses miteinander<br />
und nebeneinander turnen von Medaillenanwärtern<br />
bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften<br />
und dem unbekannten und meist ungenannten Turner X aus<br />
Kiel oder der Turnerin Y aus Bamberg, gibt es nur alle vier<br />
Jahre bei dem größten Wettkampf- und Breitensportereignis<br />
der Welt - beim Deutschen Turnfest, das seit Berlin 2005 den<br />
Zusatz "International" trägt. Und dieses Deutsche Turnfest<br />
wird immer wieder zu einem ganz besonderen Ereignis. Zu<br />
einem Festival der Wettkämpfe und Vorführungen, zu einer<br />
Messe des Breiten- und Freizeitsports, zum grandiosen Markt<br />
der Möglichkeiten, zum kommunikativen Aufeinandertreffen<br />
der Turngenerationen und - in diesem Jahr ganz herausragend<br />
- zur größten Bildungsveranstaltung, die es im Sport<br />
gibt. Zudem bringt ein Deutsches Turnfest Bewegung und<br />
Leben in die gastgebende Stadt, bestimmt das Bild auf den<br />
30<br />
Straßen, Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Selbst<br />
in der Millionen-Metropole Berlin waren die mehr als 100.000<br />
Wettkämpfer und Gäste nicht zu übersehen. Und es klang<br />
ehrlich und überzeugend, als der Regierende Bürgermeister<br />
Klaus Wowereit bei der Abschlussgala im Olympiastadion den<br />
70.000 zurief: "Schade, dass sie schon nach Hause fahren. Ich<br />
hätte sie gerne noch eine Woche hier behalten."<br />
Internationales Deutsches Turnfest in Berlin! Das war ein<br />
Treffen von Turnerinnen und Turnern aus 33 Ländern. Über<br />
70.000 beteiligten sich an den Wettkämpfen und Spielturnieren.<br />
Es gab Deutsche Meisterschaften in acht Sportarten und<br />
in verschiedenen Mehrkampfdisziplinen. Vielseitigkeit war<br />
gefragt. Beispielsweise im Jahn-Neunkampf, der sich aus<br />
Leichtathletik, Geräteturnen, Schwimmen, Tauchen und<br />
Kunstspringen zusammensetzt. Oder beim Friesenkampf mit<br />
Leichtathletik, Schwimmen, Schießen und Fechten. Am<br />
Beach-Volleyball-Turnier nahmen 1.560 Teams teil, aber auch<br />
Faustball (550 Mannschaften), Handball, Prellball, Korfball,<br />
Ringtennis und Indiaca gehörten zum Programm.<br />
In Berlin wurde auch wieder deutlich: Wer einmal mit dem<br />
Turnen zu tun hatte, ist infiziert. Reinhard Dietze gehörte<br />
1976 in Montreal zur Olympiamannschaft der Kunstturner.<br />
Heute genießt der 51-Jährige mit seinen Heusenstammer<br />
Vereinskameraden die Turnfest-Atmosphäre, gewann zum<br />
vierten Mal hintereinander die Deutsche Seniorenmeisterschaft<br />
in seiner Altersklasse und hat seit 1987 in Berlin bei<br />
Deutschen Turnfesten stets im Turn<strong>wettbewerb</strong> gesiegt.<br />
Wolfgang Dreyer, zu Dietzes aktiven Zeiten Cheftrainer der<br />
<strong>deutsch</strong>en Turnriege, war in Berlin im Orientierungslauf am<br />
Start.<br />
Das Deutsche Turnfest ist aber mehr als zusammen feiern<br />
und zusammen turnen. Es ist die Demonstration einer friedlichen<br />
Volksbewegung und erinnert ein wenig an Kirchentage.<br />
Auch die Welt in über 90.000 Turn- und Sportvereinen ist<br />
nicht nur immer heil und problemfrei. Aber die Tour zum<br />
Turnfest ist eine Art Wallfahrt, vergleichbar mit dem Ausspannen,<br />
zu dem sich heute Manager in Klöster zurückziehen.<br />
Wer beim Turnfest ist, der lebt und erlebt die Turnbewegung.<br />
Dies sagt auch Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen<br />
Turner-Bundes (DTB) in seiner Bilanz: "Alle Erwartungen sind<br />
weit übertroffen worden. Wir konnten beweisen, dass Turnen