olympischer literatur-wettbewerb deutsch - englisch - französisch
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Stress im Ehrenamt:<br />
Wo liegt die Grenze<br />
der Belastbarkeit?<br />
Von Michael Gernandt<br />
Wie das meist so ist bei den Vollversammlungen der<br />
Sportverbände: Da legt die Zentrale eine mehr oder<br />
weniger aufwändig edierte Verbandstagsbroschüre<br />
vor, für deren "Aufmacher" gewöhnlich der Bericht des Präsidiums<br />
herhalten muss. Nach dem Einstieg in die Tagesordnung<br />
heißt es dann: Aussprache zum Bericht des Präsidiums.<br />
Wortmeldungen? Keine! Nächster Punkt. So geschehen auch<br />
im April im niederrheinischen Wallfahrtsort Kevelaer beim<br />
Bundestreffen des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV).<br />
Seine Delegierten verweilten gedanklich offenbar noch bei<br />
ihrer morgendliche Andacht, schwiegen sie doch zu den<br />
Ausführungen ihres Präsidenten Clemens Prokop - obwohl<br />
diese den verschlüsselten Aufruf zu "einer kleinen Revolution"<br />
enthielten, wie Prokop Wochen nach der Tagung einen<br />
Lösungsvorschlag für seine unreflektiert gebliebene Problemschilderung<br />
bezeichnen würde.<br />
"Die Grenze der Belastbarkeit und Zumutbarkeit ist bei 150<br />
Auswärtsterminen allein für die Angelegenheit des Verbandes<br />
erreicht", hatte der Präsident geschrieben und weiter festgestellt:<br />
"Im Sinne der Arbeitsteilung im Präsidium, aber auch<br />
der Schaffung von professionellen Rahmenbedingungen für<br />
das Ehrenamt sind für die Zukunft Arbeitsbedingungen zu<br />
definieren und umzusetzen, die Amt und Berufsleben miteinander<br />
vereinbar machen." Auf gut <strong>deutsch</strong> bedeutet dieser<br />
Alarmruf: Sportpräsidenten sind, wenn nicht Abhilfe geschaffen<br />
wird, demnächst zeitlich überfordert, der aus der Doppelfunktion<br />
Ehrenamt und Beruf herrührende Stress droht sie<br />
auszuhöhlen. Ist tatsächlich Gefahr in Verzug?<br />
Fragt man den Sportwissenschaftler und Soziologen Prof.<br />
Helmut Digel (Tübingen), sagt der: "Es gibt darauf keine<br />
allgemeine Antwort." Obwohl der Vizepräsident des Leichtathletik-Weltverbands<br />
(IAAF) und frühere DLV-Chef Stress<br />
keineswegs in Abrede stellt, zumal er in Hochzeiten bis zu<br />
26<br />
200 Tage im Jahr für das Sportmandat unterwegs<br />
war und ein nachweislich daher resultierendes<br />
Gesundheitsopfer bringen musste, rät<br />
er, doch erst mal eine Kosten-Nutzen-Bilanzierung<br />
vorzunehmen. "Danach liegen die<br />
Vorteile beim Ehrenamt. Es ist deshalb nicht<br />
rechtens, Mitleid zu haben", wenn einer klagt.<br />
Christoph Wüterich (Stuttgart), Hockey-<br />
Präsident bis Mai 2005, nennt als vorteilwertes<br />
Beispiel die "soziale Reputation", die so ein<br />
Präsidentenamt einbringt und einem schmeicheln<br />
könne, "ich will mich davon nicht freisprechen".<br />
Digel möchte bei der Belastung<br />
differenzieren, ob jemand hauptberuflich mit<br />
Sport zu tun hat (Sportlehrer, Sportwissenschaftler)<br />
oder nicht. Da hilft eine Übersicht<br />
weiter, auf welche Berufsgruppen sich die<br />
Vorsitzenden der 33 olympischen Sportverbände<br />
verteilen. Die große Mehrheit bilden<br />
Juristen (9, zum Teil selbständig), Rentner/Pensionäre (8) und<br />
selbstständige Unternehmer (5), dazu kommen vier Lehrer, je<br />
drei Angestellte und Parlamentsmitglieder sowie ein Arzt.<br />
Zu den Rechtsvertretern gehört der selbstständige Anwalt<br />
Wüterich. Er begründete seine Demission so: "Für uns alle gilt,<br />
dass die ehrenamtliche Tätigkeit für den Verband viel Freude<br />
gemacht hat. Aber mit der hohen Schlagzahl, mit der wir<br />
diesen Job in den letzten Jahren betrieben haben, lässt er sich<br />
nur für einen begrenzten Zeitraum mit einer vollzeitlichen<br />
beruflichen Tätigkeit vereinbaren." Wüterich hat erfahren<br />
müssen, dass "die Arbeit im Ehrenamt ja wie Öl in jede freie<br />
Minute fließt; gleichwohl habe ich mir die Doppelbelastung<br />
geleistet, ich bin traurig, dass ich sie aufgebe". Von Wüterichs<br />
Berufskollegin Christa Thiel (Wiesbaden), Präsidentin des<br />
Schwimmverbands, heißt es, sie habe wegen des Ehrenamts<br />
ihre Kanzlei "herunter fahren müssen". Der ehemalige Weltklasse-Schwimmer,<br />
Ärztliche Direktor der Hochwald-Kliniken<br />
in Weiskirchen (Saarland) und NOK-Präsident Klaus Steinbach<br />
weiß, dass man "Zeitmanagement schon drauf haben muss".<br />
Den Terminanfall hat er, als er 2003 antrat, "nicht ganz so<br />
erwartet". Um ihn zu bewältigen, wird ihm von einem persönlichen<br />
Referenten, den das NOK besoldet, geholfen - ein<br />
Privileg, das auf der Ebene der Verbandspräsidenten nicht<br />
gewährt wird. "In der Klinik kann ich nichts fürs NOK tun und<br />
beim NOK nichts für die Klinik", erläutert Steinbach die Notwendigkeit<br />
für die Einstellung eines Assistenten für den<br />
Präsidenten. Mit der Klinik besteht ein Freizeit-Agreement,<br />
dessen Volumen jedoch nicht ausreicht. "Was darüber geht,<br />
wird nicht bezahlt", hält Steinbach fest. "Da achten die Kostenträger<br />
drauf." Dass er drei Wochen Urlaub "am Stück"<br />
gemacht habe, sei "lange her".<br />
Im Vergleich zu den Großunternehmen Leichtathletik- und<br />
Schwimmverband steht Dieter Kolb (Hersbruck) einem Klein-